reViews 30 - Noisy-neighbours.com
reViews 30 - Noisy-neighbours.com
reViews 30 - Noisy-neighbours.com
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
38<br />
<strong>reViews</strong><br />
4 Ohren<br />
hören mehr als 2<br />
Alarma Man - s/t<br />
(Sinnbus Records / Alive)<br />
Eine Lektion in Sachen "Alarm Machen" erhalten wir<br />
von den vier jungen Schweden Alarma Man aus Göteborg<br />
- und das mit ausschließlich instrumentalen Mitteln.<br />
Unübersichtlich wie in einem Ameisenhaufen geht<br />
es auf ihrem Debüt mitunter zu: Zwei Gitarren und ein<br />
Bass schießen unzählige Frickel-Riffs durch den Verstärker,<br />
der diese in mächtig verzerrter Form scheinbar<br />
konfus durch den Raum schwirren lässt, bis sie sich alsbald<br />
gegenseitig in die Quere kommen. Es kommt zum<br />
Aufprall, alles scheint aus dem Ruder zu laufen, doch<br />
plötzlich löst sich das Chaos in seine Bestandteile auf.<br />
Schnell wird wieder aufgestanden und weiter geht's: Action-Hey-Ho,<br />
Atempausen not included! "Alarma Man"<br />
wirkt auf den ersten Blick wie ein hyperaktives Kind mit<br />
ADS-Syndrom, ist aber im Kern doch ein Chaos der<br />
strukturierten Sorte, weiß die Band doch stets genau,<br />
was sie da tut. Der vertrackte Dischord-Sound steht<br />
ebenso Pate wie die eigene, schwedische Hardcore-<br />
Schule, so dass die zehn Energiebrocken konstant ein<br />
ebenso intensives wie wahnwitzig hektisches Level halten<br />
können, ohne dabei nach bloßem Krach zu klingen.<br />
In Schweden erschien dieses Album ursprünglich<br />
schon im letzten Jahr und es verwundert kaum, dass<br />
Sinnbus mit dieser Lizensierung für den europäischen<br />
Markt zugeschlagen hat, passt diese gelungene, unkonventionelle<br />
Scheibe doch 1A ins Aufgebot der Berliner<br />
Schmiede mit dem Faible fürs Abseitige.<br />
Patrick Agis-Garcin<br />
Was haben die Augen begeistert geleuchtet. Enthusiasmierte<br />
Sinnbus-Jungs, die mit den tollen mutigen Veröffentlichungen,<br />
hatten ein neues Baby entdeckt, ein<br />
skandinavisches Findelkind im extrem lauten, chaotisch<br />
verschachtelten Instrumental-Format und sprachen<br />
mit mir über das Risiko und die Begeisterung am<br />
neuen Thema. Schuß Postrock meets Noise-Gewitter.<br />
Keine Kompromisse. Zweimal Gitarre, Bass, Schlagwerk.<br />
Autistisch anmutender Lärm. Viele Wiederholungen,<br />
die einander halt so abwechseln. Zorniges Beben ohne<br />
roten oder sonst wie nachvollziehbaren Faden. Ging<br />
ein Hardcoremusiker ins Bett und träumte schlecht von<br />
Frank Zappa. Traf dann auf seine Musiker am nächsten<br />
Morgen und außerdem wollten sie dem spießigen<br />
Nachbarn einen Schreck einjagen.<br />
Was mir leider auch beim dritten Durchgang fehlt, ist<br />
die Erkenntnis, wozu das Ganze gut sein soll. Zwar ist<br />
das hier weniger besinnungslos und grundlos selbstverliebt<br />
als das komplett abgehobene Gewichse auf der<br />
neuen Mars Volta, doch auch hier offenbart sich kein<br />
Spannungsbogen, der den großen Aufwand rechtfertigen<br />
würde. Bei aller Kraftmeierei: das hier dudelt. Amigamäßige<br />
Tonfölgchen werden zu apokalyptisch arrangierten<br />
Wutsuppen uminterpretiert. Ich bin mir sicher,<br />
ohne jazzig überzeichnenden, charismatischen Shouter<br />
mit harlekinesker Attitüde werden die in der skandinavischen<br />
Provinz hängen bleiben. Denn angedeutete<br />
Abgründe werden niemals ausgelotet, heiliger Zorn<br />
bleibt unausgesprochen und so verdampft das Ganze<br />
ohne Rückstände.<br />
Ziemlich originell, die Platte. Wirklich gut gemacht.<br />
Mehr nicht.<br />
Andrasch Neunert<br />
http://www.alarmaman.<strong>com</strong><br />
http://www.sinnbus.de<br />
Joyce Hotel - Limits<br />
(Make My Day Records / Alive)<br />
Düstere, industrielle Kälte fließt aus den Boxen und<br />
passt von der Stimmung her in die New Wave der New<br />
Wave. Das Songwriting ist recht eigenständig. Mir fällt<br />
jedenfalls keine „Klingt wie“-Referenz ein, die mit weniger<br />
als fünf Zutaten auskommt. Ein Versuch der Einordnung:<br />
Joy Division, Chameleons, deus, Radiohead<br />
und Interpol.<br />
Dieses Zweitlingswerk der dänischen Joyce Hotel wäre,<br />
käme es aus dem Vereinigten Königreich, wahrscheinlich<br />
der nächste Hype des Tages. Da die Jungs aber<br />
nicht aus Great Britain stammen und die üblichen Verdächtigen<br />
der „hochjubeln und schnell wieder fallen lassen“-Gazetten<br />
Bands aus Dänemark nicht wirklich auf<br />
ihrem Radar haben, besteht die Chance des kontinuierlichen<br />
Wachsens.<br />
Wenn Musik für Euch ein eher dunkles Universum ist,<br />
Euer persönlicher Soundtrack zur Apokalypse aber<br />
nicht zwingend aus Düster-Industrial und Black Metal,<br />
sondern zur Abwechslung auch mal aus windschiefen<br />
Melodien und schräger Indie-Mucke besteht, dann<br />
könnte eine neue Lieblingsband auf Euch warten.<br />
Ich persönlich kann damit zurzeit weniger was anfangen,<br />
das liegt aber an der Stimmung. Der nächste dunkle<br />
Winter kommt bestimmt und dann werde ich diese<br />
Platte gern und oft hören. Glaube ich jedenfalls.<br />
Mike Maisack<br />
Die Dänen tun es wieder! Als ich ihre letzte Platte besprach,<br />
war das für mich ein absolutes Highlight der<br />
Ausgabe. Bedrohlich, Indie, voller verschrobener Parts,<br />
hinreissender Melodien und unglaublicher Atmosphären.<br />
dEUS, weitere verschrobene belgische Kreativitätsband<br />
& Radiohead mussten damals als Anhaltspunkt<br />
herhalten. Und was weiß ich noch, was so alles.<br />
AufjedenFall war Begeisterung vorherrschend und gewiss.<br />
Jezz würde ich auch noch Depeche Mode und<br />
Interpol zitieren... ich hab's ja erkannt. Letztere werden<br />
auch überall erwähnt, wenn es um Joyce Hotel geht;<br />
man geht ja nicht blind durch die Welt... Was ja auch<br />
nicht verkehrt ist, also beides, die sehende Interpol-<br />
Welt. Aber wie soll ich mit dieser Platte durch dieses<br />
Jahr kommen? Gerade jetzt, wenn es Herbst wird? Die<br />
haben das extra gemacht, das ist Kalkül. Frech. Den<br />
perfekten Herbstplattenstatus gleich mal für sich beanspruchen,<br />
alle anderen noch folgenden Herbstplatten<br />
aus dem Rennen werfen. Die müssten sich nämlich<br />
ganz schön ins Zeug legen und wir uns warm anziehen.<br />
Ich spüre gerade eben schon die heraufziehende<br />
nicht unbedingt unangenehme Kühle, sehe die bunten<br />
Blätter vor mir, die langen Waldspaziergänge durch den<br />
Indian Summer, abendliches Teetrinken in der Küche,<br />
Kerzen und Zwei- oder auch Einsamkeit. Und was läuft<br />
da im Hintergrund? Genau, die Dänen. An ihrem musikalischem<br />
Rezept haben sie nichts geändert. Sind nur<br />
gewachsen, sicherer, reifer geworden. Man könnte ihnen<br />
aber auch Stillstand vorwerfen. Kann ich aber nicht.<br />
Zu melancholisch, leicht windschief, vertrackt und eindringlich<br />
ist „Limits“. Einlullend, aber gefährlich. Ruhiger<br />
sind sie geworden. Dadurch hat aber auch das Brodeln<br />
unter der Oberfläche zugenommen. Wieder das<br />
gesamte Instrumentenspektrum über den Vulkan gesetzt;<br />
jener diesmal nicht ausbrechen darf. Piano? Na<br />
logo! Klassische Rockinstrumentalisierung? Ham'wa<br />
auch. Allerlei organisches Orgelkroppzeuch und<br />
strange Be- und Vertonungen? Alles an Bord. Und eine<br />
unglaublich präsente Stimme? War das eine rhetorische<br />
Frage? Was soll ich noch hinzufügen? Highlight.<br />
Und noch: unglaublich, Song Nummer sechs… unter<br />
anderem.<br />
Matthias Horn<br />
www.joycehotel.<strong>com</strong><br />
www.makemydayrecords.de<br />
In letzter Minute<br />
Now It`s Overhead - Dark Light Daybreak<br />
(Saddle Creek / Indigo)<br />
Andy LeMaster hat es also wieder getan. Wieder in<br />
Träumen geschwelgt. Wieder hypnotische Mitsinghymnen<br />
im Cinemascopeformat entwickelt. Die perfekte<br />
Musik für die Scheibe danach. Ein Arrangement-Fetischist<br />
mit U2 und Pink Floyd ganz vorne im Plattenschrank.<br />
Hat sich mit Orenda Fink und Mariah Taylor<br />
die tollsten Mädels des Labels in den Übungsraum bestellt.<br />
Um seinen leisen, Horizonte hauchenden Songideen<br />
noch ein bisschen mehr Punch und Glamour zu<br />
verpassen, vermute ich mal. Doch die berührende Intimität,<br />
subjektive Kompromisslosigkeit um ihrer selbst<br />
Willen, ist diesmal nicht das Saddle-Creek-Keyword<br />
zum vermutlich sicheren, verdienten Erfolg. Der Multiinstrumentalist<br />
verliert sich bisweilen ein wenig in der<br />
teigigen Fläche seiner Synthesizer und erliegt dabei der<br />
Gefahr, Banalitäten zu Scheingröße aufzuplustern.<br />
Dies gilt gerade dann, wenn die schräg versetzten Beats<br />
den Track drei, „Walls“, nicht davor bewahren können,<br />
ein nur knapp überdurchschnittlicher Wave-Pop-<br />
Song zu sein, der immerhin gut Zwischengas gibt. Aber<br />
lassen wir Herrn LeMaster nicht über das alte Argument<br />
von der Produzentenkrankheit springen. Denn hier finden<br />
sich so viele Momente purer Schönheit - und, by<br />
the way, der seit langer Zeit raffinierteste und schönste<br />
Chorgesang (danke, Mädels!), so dass das Album weit<br />
mehr ist, als eine nette musikalische Zwischenmahlzeit.<br />
Hier geht ein Indiemusiker, der mit REM`s Michael Stipe<br />
so gut befreundet ist, dass auch dessen Lust am Midtempo-Thema<br />
und dessen schrittweiser Steigerung zur<br />
Hymne des Öfteren durchscheint, konsequent den Weg<br />
in Richtung Mainstream Success, ohne dabei die eigene<br />
Identität des schwärmerischen, sentimentalen<br />
Softies an gesichtslose Popnormierungen zu verraten.<br />
Er ist allerdings nahe dran. Am schönsten ist seine Musik<br />
für mich immer noch beim beseelten Gesang zur Gitarre,<br />
wie im wunderschönen Song „Let Up“ anfangs zu<br />
hören und thematisch ebenso raffiniert, wie sensibel<br />
weiterentwickelt. Da ist er auf einmal ganz nah. Ich kann<br />
ihn spüren. Mehr davon.<br />
Andrasch Neunert<br />
www.saddle-creek.<strong>com</strong><br />
www.nowitsoverhead.<strong>com</strong><br />
Das Hörspiel<br />
Drizzt - Die Saga vom Dunkelelf 1: Der dritte Sohn<br />
(Lausch/Alive)<br />
R. A. Salvatores Romane um die "Saga vom Dunkelelf"<br />
hat bereits Millionen Fantasy-Begeisterter in ihren Bann<br />
gezogen. LAUSCH legt nun die Umsetzung der Geschichten<br />
um den Dunkelelfen Drizzt Do'Urden in Hörspielform<br />
vor. In der Hauptrolle - Tobias Meister. Und<br />
wer den nicht kennt, der kennt zumindest seine Stimme:<br />
denn diese lieh er als Synchronsprecher bereits Brad<br />
Pit, Sean Penn oder Kiefer Sutherland. Zur Story: Das<br />
Unterreich. Die geheimnisvolle Welt unter der Oberfläche<br />
der Vergessenen Reiche. Hier herrschen die Drow,<br />
die Dunkelelfen, in ihrer prunkvollen Stadt Menzoberranzan<br />
über das Unbeherrschbare. In der Nacht, als<br />
das Haus Do'Urden gegen das sechste Haus von Menzoberranzan<br />
marschiert, soll Drizzt, der dritte Sohn des<br />
Hauses Do'Urden der grausamen Spinnenkönigin geopfert<br />
werden. Der Tod seines Bruders rettet ihm das Leben,<br />
doch ist es ein Glück, in der glücklosen Welt der<br />
Drow zu überleben? Die Saga besteht in der Hörbuch-<br />
Version aus insgesamt drei Teilen, die ab dem 29.09.<br />
im Monatsrhythmus erscheinen werden. Und: Wehe denen,<br />
die nur über den ersten Teil verfügen - denn die<br />
Spannung bis zum nächsten ist kaum auszuhalten: In<br />
Lausch-typischer Manier, keine Kosten und Mühen<br />
scheuend, ist die perfekte Umsetzung eines Stoffes gelungen,<br />
der wahrlich nicht einfach wiederzugeben ist.<br />
Wie gesagt: Die Zeit bis zum 20. Oktober, dann soll "Die<br />
Saga Vom Dunkelelf 2" erscheinen, dürfte nicht leicht<br />
werden; aber das Warten lohnt sich. (Spieldauer: 70 Minuten)<br />
Leo<br />
www.merlausch.de