BI-aktuell_2_Quartal_2013
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LÄNDERSPIEGEL /23<br />
NORDRHEIN-WESTFALEN<br />
Wirtschaft warnt vor Infrastrukturkollaps<br />
Die Diskussion um den Zustand der Verkehrsinfrastruktur<br />
hält an. Besonders in Nordrhein-Westfalen<br />
reißen die Meldungen über<br />
immer mehr sanierungsbedürftige Brücken<br />
nicht ab. Dringende Kapazitätserweiterungen<br />
und Netzschlüsse warten zum Teil seit Jahrzehnten<br />
auf ihre Realisierung. So kann und<br />
darf es nicht weitergehen. Dies war der Tenor<br />
der gemeinsamen Pressekonferenz der Initiative<br />
NRW-Wirtschaft am 18. März in Düsseldorf.<br />
Die Initiative, bestehend aus den Industrie-<br />
und Handelskammern, Handwerksorganisationen,<br />
der Vereinigung „unternehmer<br />
nrw“ sowie nordrhein-westfälischen Branchenverbänden<br />
der Bauwirtschaft, der Verkehrsund<br />
Logistikwirtschaft, der Häfen und des<br />
Handels, forderte in einem Positionspapier,<br />
den wachsenden Investitionsstau aufzulösen,<br />
bevor der Wirtschaftsstandort NRW nachhaltig<br />
Schaden nehme. Schließlich gehörten die<br />
verkehrliche Erreichbarkeit, die Qualität der<br />
Verkehrswege und die Vernetzung der Verkehrssysteme<br />
zu den am häufigsten unterschätzten<br />
Größen für Wachstum und Beschäftigung.<br />
Restriktive Straßenbaupolitik<br />
Die Hauptgeschäftsführerin des Bauindustrieverbandes<br />
NRW, RAin Prof. Beate Wiemann,<br />
verwies auf die im Jahr 2012 rückläufigen<br />
Auftragseingänge im Straßenbau um<br />
–5 Prozent bei einem Anstieg der Bauaufträge<br />
insgesamt um 5,8 Prozent. „Diese Entwicklung<br />
zeigt, wie restriktiv die <strong>aktuell</strong>e<br />
Straßenbaupolitik ist“, erläuterte Wiemann.<br />
Gleichzeitig erinnert sie an die im Januar dieses<br />
Jahres vorgestellten Kürzungsbeschlüsse<br />
der Landesregierung. Danach müsse der<br />
Einzelplan Bauen, Wohnen und Verkehr mit<br />
15,5 Prozent die größten Abstriche hinnehmen.<br />
Hier werde die Haushaltskonsolidierung<br />
auf dem Rücken der Baubranche ausgetragen.<br />
Zwar sei der Handlungsbedarf unbestritten,<br />
als Dreh- und Angelpunkt habe sich jedoch<br />
die Finanzierung erwiesen.<br />
Da die öffentliche Hand auf absehbare Zeit<br />
nicht in der Lage sein werde, ihre Investitionshaushalte<br />
bedarfsgerecht auszugestalten,<br />
müssten neue Finanzierungsalternativen<br />
wie zum Beispiel Öffentlich Private<br />
Partnerschaften entwickelt werden. Zu den<br />
drängendsten Problemen gehöre insbesondere<br />
die Brückensanierung. Mit 375 potenziellen<br />
Schadensbrücken liege Nordrhein-Westfalen<br />
weit vor allen anderen Bundesländern.<br />
„Doch was nützen alle Gelder, wenn die Planung<br />
hinterherhinkt“, fasste Wiemann zusammen.<br />
Die Landesregierung dürfe daher<br />
keine Zeit vergeuden, ihre Planungskapazitäten<br />
aufzustocken. „Sonst profitieren, wie<br />
schon einmal, andere Bundesländer von<br />
möglichen Finanzspritzen für Nordrhein-<br />
Westfalen.“<br />
Risse im Verkehrsnetz<br />
„Das Verkehrsnetz in NRW hat mittlerweile<br />
unübersehbare Risse bekommen,“ so brachte<br />
Joachim Brendel, Federführer Verkehr der<br />
IHK NRW, die zunehmend kritische Verkehrslage<br />
auf den Punkt. Die Bundesregierung<br />
müsse anerkennen, dass nirgendwo in<br />
Deutschland die Verkehrsbelastungen und<br />
damit auch der Investitionsbedarf so hoch<br />
seien wie in Nordrhein-Westfalen. „Das muss<br />
sich zukünftig in einem deutlich erhöhten<br />
NRW-Anteil an den Investitionsmitteln des<br />
Bundes für Straße, Schiene und Wasserstraße<br />
widerspiegeln“, so Brendel.<br />
Der Vorsitzende des Arbeitskreises Planung<br />
und Umwelt des Westdeutschen Handwerkskammertages,<br />
Thomas Harten, bezeichnete<br />
die Straßen als lebensnotwendige Schlagader<br />
für die Handwerksbetriebe. Staus verteuerten<br />
die handwerklichen Leistungen, die Wettbewerbsfähigkeit<br />
der Unternehmen stehe auf<br />
dem Spiel. Die gute und schnelle Erreichbarkeit<br />
sowohl der Arbeits- und Betriebsstätte als<br />
auch des Kunden müsse kalkulierbar sein.<br />
Der Hauptgeschäftsführer des Verbandes Verkehrswirtschaft<br />
und Logistik NRW, Dr. Christoph<br />
Kösters, bezeichnete Güterverkehr und<br />
Logistik als das Rückgrat der modernen arbeitsteiligen<br />
Wirtschaft. Innerhalb Deutschlands<br />
sei NRW der führende Logistikstandort.<br />
Bei der Frage der Finanzierung der notwendigen<br />
Investitionen in die Verkehrswege werde<br />
immer wieder eine stärkere Belastung des<br />
Güterverkehrs als Verursacher gefordert. „Dabei<br />
wird vergessen, dass der Straßenverkehr<br />
und insbesondere auch der Güterverkehr bereits<br />
enorme Summen zahlt, die jedoch nicht<br />
zweckgebunden größtenteils in andere Ausgabenbereiche<br />
fließen“, erläuterte Kösters.<br />
Der Vorsitzender der Häfen NRW, Friedrich<br />
Weege, unterstrich die Bedeutung der Häfen<br />
und Wasserstraßen als Teil der Verkehrsinfrastruktur:<br />
„Erst im Zusammenspiel aller<br />
Verkehrsträger liegt das besondere Potenzial.“<br />
Hier müsse die Wasserstraße ihre spezifischen<br />
Vorteile ausspielen, wie Umweltfreundlichkeit<br />
oder große Ladevolumina.<br />
Das Positionspapier Infrastruktur und Standortqualität<br />
kann beim Bauindustrieverband<br />
NRW angefordert werden unter<br />
j.michel@bauindustrie-nrw.de<br />
»<br />
Waren sich einig: Infrastruktur in NRW steht vor dem Kollaps. Thomas Harten, Westdeutscher<br />
Handwerkskammertag, Joachim Brendel, IHK NRW, RAin Prof. Beate Wiemann, Hauptgeschäftsführerin<br />
Bauindustrie NRW, Dr. Christoph Kösters, Verband Verkehrswirtschaft und Logistik NRW (v. l.)