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zds#19

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am wall<br />

14.07 Uhr<br />

Suppe für die Menschen,<br />

Leckerlis für die Hunde: Hier ist<br />

an alle gedacht.<br />

14.13 Uhr<br />

Der pausenlose Regen weicht<br />

langsam die Brote auf.<br />

reportage<br />

11<br />

20 Laibe Brot schmieren und belegen die Helferinnen<br />

und Helfer jeden Vormittag im Keller der St.-Jakobi-Kirche<br />

in der Neustadt<br />

Der süßliche Kürbisduft der Suppe zieht<br />

durch die ganze Küche. Die Zutaten sind<br />

Spenden: Ob und was es gibt, weiß vorher<br />

niemand. Obst und Gemüse etwa, erzählt<br />

Gerd, während er die dampfende<br />

Suppe umrührt, kriegten sie vom Markt,<br />

aus der Restekiste. Auch das Brot bekommen<br />

sie geschenkt, vom Bäcker: Sie<br />

verarbeiten, was sonst weggeschmissen<br />

würde. Gelagert werden die Lebensmittel<br />

im Keller der Kirche. Trotzdem entstehen<br />

Kosten: Margarine, Käse, Wurst, Kaffee,<br />

Zucker – all das muss dazugekauft werden.<br />

Dazu noch das Wegwerfgeschirr „wegen<br />

Aids-Ansteckungsgefahr“, der Sprit und<br />

die Wartung des Lieferwagens. Die Arbeit<br />

selbst ist komplett ehrenamtlich: Müssten<br />

sie den Helferinnen und Helfern Gehälter<br />

zahlen, könnten die Suppenengel nicht<br />

mehr existieren.<br />

Es wird unruhig in der Küche. Eigentlich<br />

ist Zia Gabriele Hüttinger momentan<br />

nicht arbeitsfähig, trotzdem steht sie<br />

plötzlich in der Tür. „Es hat heute Nacht<br />

hier jemand eingebrochen und den Computer<br />

gestohlen“, berichtet sie. Sofort gehen<br />

die Vermutungen los: Keine Suppe<br />

ohne Schnack. „War bestimmt jemand,<br />

der Drogen nimmt“, heißt es – da habe<br />

man hier schon schlechte Erfahrungen gemacht.<br />

Dann ist die Suppe fertig, die Fahrer<br />

stehen vor der Tür. Zu zweit hieven<br />

sie die schweren Töpfe in die Thermobehälter<br />

an den Fahrrädern. Und los!<br />

Das ganze<br />

Jahr, egal<br />

bei welchem<br />

Wetter<br />

Helfer und „Kunden“ kennen sich, zum<br />

Teil schon jahrelang. Steht mal einer nicht<br />

in der Schlange, fällt das gleich auf. „Nimm<br />

noch ein Brot für deinen kranken Freund<br />

zu Hause mit“, sagt die Frau, die hinterm<br />

Klapptisch steht. Der Regen prasselt ohne<br />

Unterlass, die Brote werden nass. „Es ist<br />

schön, dass ihr da seid“, sagt einer und lobt<br />

noch mal die Suppe. Mittlerweile ist es<br />

halb drei, der Suppenkessel beinahe leer.<br />

Auch der Platz lichtet sich immer mehr.<br />

Hin und wieder bittet noch jemand um<br />

Nachschlag. Nicht immer ist noch Essen<br />

übrig. Heute jedoch schon: „Will noch jemand<br />

Brot mitnehmen? Hierher!“<br />

Die Suppenengel, so schreiben sie über<br />

sich selbst auf ihrer Internetseite, wollen<br />

mehr sein als nur Essensausgabe, wollen<br />

„Hilfe zur Selbsthilfe“ ermöglichen und<br />

„Menschen, die aus dieser Situation aussteigen<br />

wollen“, Hilfestellungen geben.<br />

Zumindest an diesem Regentag ist dafür<br />

kaum Gelegenheit. Und im Winter, bei<br />

Minusgraden, wird es nicht besser werden.<br />

Nicht zuletzt deswegen haben sie<br />

sich am Vorabend im Team mehrheitlich<br />

dafür ausgesprochen, die Suppe von November<br />

bis Januar in leer stehenden Räumen<br />

des Lloydhofs auszuteilen – allerdings<br />

nur, wenn die „Kunden“ das auch<br />

gut finden. Bei der Essenausgabe liegt<br />

deshalb heute eine Strichliste aus. Die<br />

ganz überwiegende Mehrheit der Befragten<br />

unterschreibt bei „Ja“.

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