10/2015 – 01/2016
Fritz + Fränzi
Fritz + Fränzi
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Fr. 7.50 <strong>10</strong>/Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> 1/Januar 2<strong>01</strong>6<br />
Sex im Netz<br />
Wie wir unsere<br />
Kinder schützen<br />
Fitness für den Darm<br />
Gesunde Verdauung <strong>–</strong><br />
gesundes Kind<br />
Erziehen<br />
ohne Strafe <strong>–</strong><br />
wie geht das?
Immer da, wo Zahlen sind.<br />
Die schönsten Skigebiete<br />
zum halben Preis.<br />
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Wir machen den Weg frei
Editorial<br />
Liebe Leserin, lieber Leser<br />
Foto: Geri Born<br />
Unser Bub sitzt am Tisch und stochert in seinem Teller. «Magst du keinen<br />
Salat?» <strong>–</strong> «Nein, der ist so sauer.» Ich schiebe den Salat zurück in die<br />
Schüssel, hole frische Blätter aus der Küche, ohne Sauce. «Besser?» Der Bub<br />
rümpft die Nase, verteilt den Salat auf dem Tisch. «Mit dem Essen spielt<br />
man nicht. Hör auf damit.» Der Bub schaut kurz hoch, beginnt mit dem<br />
Messer in die Tischkante zu säbeln. «Was soll das? Hör auf, sag ich, sonst<br />
gehst du vom Tisch.» Der Bub säbelt weiter, springt vom Stuhl und reisst<br />
seine Schwester an den Zöpfen. Sie schreit, ich schreie, der Bub schreit,<br />
während ich ihn ins Zimmer bringe. Türe zu. Tief durchatmen.<br />
Nik Niethammer<br />
Chefredaktor<br />
Jede Mutter, jeder Vater kennt diese Situationen: Unser Kind tut etwas,<br />
was es in den Augen von uns Erwachsenen nicht tun sollte. Wir weisen es<br />
zurecht, zuerst freundlich, dann bestimmt. Später drohen wir <strong>–</strong> schliesslich<br />
folgt die Strafe: Ab ins Zimmer. Handyverbot. Kein Computer. Am<br />
Wochenende ist der Ausgang gestrichen.<br />
«Erziehung ist zwecklos,<br />
die Kinder machen den<br />
Eltern ohnehin alles nach.»<br />
Karl Valentin, deutscher Komiker (1882<strong>–</strong>1948)<br />
«Falsch», sagt die Psychologin Nadine Zimet. «Der Preis, den Eltern mit<br />
einer strafenden Erziehung zahlen, ist sehr hoch.» Wie gewaltfreie Kommunikation<br />
funktioniert und warum es so wichtig ist, auf die<br />
Gefühle und Bedürfnisse seiner Kinder einzugehen,<br />
erzählen wir Ihnen im Dossier «Erziehung ohne Strafe» <strong>–</strong><br />
ab Seite 11.<br />
***<br />
Meine Kollegin Eveline von Arx, die Sie während vier<br />
Jahren an dieser Stelle begrüsste, verabschiedet sich mit<br />
der Dezember-Ausgabe von Ihnen, liebe Leserin, lieber<br />
Leser. Die studierte Erziehungswissenschaftlerin leitete die Geschicke unseres<br />
Magazins mit viel Umsicht, grossem Fachwissen und persönlicher Hingabe.<br />
Unter ihrer Verantwortung hat sich die Qualität des Magazins kontinuierlich<br />
erhöht <strong>–</strong> der Gewinn des Q-Awards für die beste Fachzeitschrift<br />
der Schweiz im Herbst 2<strong>01</strong>4 war der verdiente Lohn dieser Anstrengungen.<br />
In den vergangenen zwölf Monaten unterstützte mich Eveline als wissenschaftliche<br />
Beraterin und kümmerte sich um das grosse Expertengespräch<br />
und die Kolumne «Aufgeklärt». Jetzt will sich die zweifache Mutter wieder<br />
vermehrt der Wissenschaft und der psychologischen Tätigkeit zuwenden.<br />
Ich danke Eveline von Arx im Namen meiner Kolleginnen und Kollegen<br />
von Redaktion und Verlag für ihr unermüdliches Engagement für die<br />
Stiftung Elternsein, das stets einem Ziel folgte: Sie als Eltern zu unterstützen,<br />
Ihre Kompetenz in Erziehungs- und Bildungsfragen zu stärken, Ihnen Wegbegleiter<br />
zu sein in nicht immer einfachen Zeiten.<br />
Ich wünsche dir, liebe Eveline, für die Zukunft nur das Allerbeste, stets ein<br />
leichtes Herz <strong>–</strong> und Glück an allen Tagen. Uns gibt es im neuen Jahr wieder,<br />
am 3. Februar. Bleiben Sie gesund <strong>–</strong> und bleiben Sie uns gewogen.<br />
Herzlichst, Ihr Nik Niethammer<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>63
Fr. 7.50 <strong>10</strong>/Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> 1/Januar 2<strong>01</strong>6<br />
Inhalt<br />
Ausgabe <strong>10</strong> / Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> 1 / Januar 2<strong>01</strong>6<br />
Augmented Reality<br />
Überall, wo Sie dieses Zeichen sehen, erhalten Sie digitalen<br />
Mehrwert im Heft. Hinter dem ar-Logo verbergen sich Videos<br />
und Zusatzinformationen zu den Artikeln.<br />
Psychologie & Gesellschaft<br />
37 Raus zum Spielen!<br />
Kinder bewerten Spielplätze.<br />
38 Der kulturelle Vater<br />
Feldforscher zeigen, wie sehr Vaterschaft<br />
von ihrer Kultur geprägt wird <strong>–</strong> und reisen<br />
dafür in den Dschungel.<br />
40 Wenn die Angst das Leben bestimmt<br />
Angststörungen sind die häufigsten<br />
psychischen Störungen bei Kindern und<br />
Jugendlichen.<br />
46 Selektive Esser und Fressanfälle<br />
Wenn das Essverhalten von Kindern zum<br />
Problem wird.<br />
<strong>10</strong><br />
Dossier:<br />
Erziehen ohne Strafe<br />
Foto: Gabi Vogt / 13 Photo<br />
<strong>10</strong> Geht nicht? Geht doch!<br />
Die Psychotherapeutin Nadine Zimet über<br />
gewaltfreie Kommunikation <strong>–</strong> eine Anleitung.<br />
23 «Im Alltag untauglich»<br />
Sieben Vorbehalte gegen straffreie Erziehung.<br />
24 «Max, du hast deinen Freund gewürgt»<br />
Wie Eltern ohne Drohung, ohne Strafe einen<br />
Konflikt lösen können <strong>–</strong> ein Beispiel.<br />
28 «Kinder brauchen keine Therapeuten»<br />
Familiencoach Fabian Grolimund über<br />
Elternratgeber. Und die Frage, welche<br />
Erziehungsmethode die richtige ist.<br />
Sex im Netz<br />
Wie wir unsere<br />
Kinder schützen<br />
Fitness für den Darm<br />
Gesunde Verdauung <strong>–</strong><br />
gesundes Kind<br />
Erziehen<br />
ohne Strafe <strong>–</strong><br />
wie geht das?<br />
Cover<br />
Unser Titelheld heisst<br />
Oskar, 6. Er ist eigentlich<br />
ein netter Junge und<br />
schreit nur für unsere<br />
Fotografin <strong>–</strong> das Bild<br />
ist gestellt.<br />
Fotos: Gabi Vogt / 13 Photo, Salvatore Vinci / 13 Photo, Plainpicture<br />
4 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
32<br />
40<br />
46<br />
Herr Pfarrer Bianca, welche Rituale helfen<br />
uns dabei, den Ex-Partner loszulassen?<br />
Angst gehört zum Kindsein <strong>–</strong> doch<br />
zu viel Angst macht krank.<br />
Das Kind isst nichts ausser Nudeln und<br />
Pizza? Das könnte eine Essstörung sein.<br />
Erziehung & Schule<br />
50 Schule und Flüchtlinge<br />
Die Schweizer Schullandschaft ist<br />
schlecht vorbereitet.<br />
54 ADHS-Serie, Teil 4<br />
Die rechtliche Seite: Wer darf über die<br />
Behandlung des Kindes bestimmen?<br />
Ernährung & Gesundheit<br />
62 Darm gut, alles gut<br />
Warum das Organ so wichtig ist<br />
und wie man es von Kindesjahren<br />
an in Schuss hält.<br />
66 Weniger wegwerfen<br />
Woran man erkennt, ob Lebensmittel<br />
noch essbar sind.<br />
Digital & Medial<br />
68 Internetpornografie<br />
Wie wirken die drastischen Bilder<br />
auf Jugendliche? Ein Interview mit<br />
einem Sexualwissenschaftler.<br />
70 Lernwelten<br />
Wie die Schule auf die digitale<br />
Arbeitswelt vorbereitet.<br />
71 Mixed Media<br />
Rubriken<br />
03 Editorial<br />
06 Entdecken<br />
32 Monatsinterview<br />
Pfarrer Andrea Marco Bianca weiss,<br />
wie und warum Rituale bei einer<br />
Scheidung hilfreich sind.<br />
42 Abgedruckt<br />
Eine Mama am Rande des<br />
Nervenzusammenbruchs.<br />
44 Aufgeklärt<br />
Was die Jugend wirklich braucht.<br />
52 Elterncoaching<br />
Was tun, wenn das Kind ein notorischer<br />
Pessimist ist?<br />
58 Leserbriefe<br />
60 Kolumne<br />
Mikael Krogerus über den Unsinn des<br />
frühen Aufstehens für die Schule.<br />
82 Eine Frage <strong>–</strong> drei Meinungen<br />
Wenn Kinder Morgenmuffel sind.<br />
Service<br />
67 Bonbons<br />
74 Spieletipps<br />
Analoge Gesellschaftspiele für<br />
die ganze Familie.<br />
77 <strong>10</strong><strong>01</strong> Adressen<br />
78 Unser Wochenende …<br />
… in Basel.<br />
80 Impressum/Sponsoren<br />
81 Buchtipps<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>65
Entdecken<br />
Bei ihrem Eintritt in die Arbeitswelt zeigen sich Schweizer Studenten nicht gerade<br />
bescheiden. Ein Ingenieurstudent fordert umgerechnet 82 220 Franken Lohn<br />
pro Jahr. Mehr verlangen nur noch Ingenieurstudenten aus Saudiarabien<br />
(89 950 Franken) und aus den Emiraten (82 685 Franken).<br />
Dies geht aus einer weltweiten Befragung von 425 832 Studenten durch das Beratungsunternehmen Universum hervor.<br />
Vorsicht Alkohol!<br />
Übermässiger Alkoholkonsum in den<br />
Jahren vor der Zeugung hat negative<br />
Folgen für das Nervensystem des<br />
späteren Säuglings. Das haben<br />
Experten des Istituto di Biologia<br />
Cellulare e Neurobiologia (IBCN) in<br />
Rom bei der Untersuchung werdender<br />
Väter ermittelt. Der Befund basiert auf<br />
einem Experiment mit zwei Gruppen<br />
von Labormäusen. Die männlichen<br />
Tiere wurden dazu mit Alkoholmengen<br />
versorgt, die einem jahrelangen hohen<br />
Konsum bei Erwachsenen<br />
entsprachen. Beim Mäusenachwuchs<br />
zeigte es sich, dass die Veränderung<br />
des Erbguts beim Vater dazu führen<br />
kann, dass seine Jungen ebenfalls<br />
einen ausgeprägten Hang zum Alkohol<br />
entwickeln.<br />
Für die ganze Familie<br />
Umweltschutz, erneuerbare Energien, biologische Ernährung <strong>–</strong> spätestens<br />
wenn das erste Kind kommt, machen sich viele Gedanken über einen<br />
nachhaltigeren Lebensstil. Der World Wildlife Fund (WWF) Schweiz hat sich<br />
zum Ziel gesetzt, Familien diese Themen näherzubringen <strong>–</strong> mit spannenden<br />
Naturferienlagern, Familienaktionen und kindgerecht gestalteten Zeitschriften.<br />
Familien, die eine Familienmitgliedschaft beim WWF abschliessen, profitieren<br />
von diesen und vielen weiteren Angeboten <strong>–</strong> und unterstützen den WWF bei<br />
seiner Arbeit, die Tier- und Pflanzenwelt zu schützen.<br />
Jahresbeitrag: 120 Franken, alle weiteren Infos auf: www.wwf.ch<br />
Fotos: Zoonar GmbH / Alamy, WWF Schweiz<br />
Mami, ich wünsch mir einen Hund<br />
Ein Hund zu Weihnachten? Was Eltern bei einem<br />
lebenden Geschenk beachten sollten, weiss Fabien<br />
Loup vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und<br />
Veterinärwesen BLV. Interview: Evelin Hartmann<br />
Herr Loup, wie sollten Eltern ihre Kinder auf das neue<br />
Familienmitglied vorbereiten?<br />
Ein Hund kann viel verändern. Es ist wichtig, dass die<br />
ganze Familie eine Diskussion über dieses Thema führt,<br />
über die täglichen Pflichten, das Aufteilen der<br />
Verantwortlichkeiten, die Organisation der Familie rund<br />
um den Hund. Es empfiehlt sich, gemeinsam eine<br />
Charta zu erstellen, eine Art Vertrag, in der die<br />
Verantwortlichkeiten und Aufgaben festgehalten<br />
werden. Alle Familienmitglieder verpflichten sich mit<br />
ihrer Unterschrift, diese Charta einzuhalten.<br />
Worauf kommt es in den ersten Tagen und Wochen<br />
mit dem neuen Familienmitglied an?<br />
Wichtig ist es, sich Zeit zu nehmen. Zudem ist die<br />
Beratung durch einen Hundetrainer sehr wichtig, um<br />
bestimmte Fehler zu vermeiden. Kinder können in<br />
dieses Training miteinbezogen werden.<br />
Nach einiger Zeit lässt das Interesse von Kindern oft<br />
nach, die Hauptarbeit bleibt an den Eltern hängen.<br />
Dies ist der richtige Moment, um die Charta hervorzunehmen.<br />
Vielleicht müssen einige Aufgaben neu verteilt<br />
werden. Die Familie entwickelt sich weiter, und der<br />
neuen Situation sollte Rechnung getragen werden.<br />
Die Kinder müssen dann neu motiviert werden.<br />
Mehr Infos findet man in der Broschüre «Mein Hund»,<br />
zu bestellen unter www.blv.admin.ch/publikationen<br />
6 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Taten statt Worte Nr. 251<br />
Da schau her:<br />
Alle unsere frischen Ananas<br />
werden fair gehandelt.<br />
Bereits seit 1992 sind wir Partnerin der Max Havelaar-Stiftung und setzen uns damit für nachhaltigen Anbau<br />
und fairen Handel ein. Aus gutem Grund: Fairtrade sorgt bei Kleinbauern und Arbeitern für bessere<br />
Arbeits- und Lebensbedingungen. Schweizweit haben wir das grösste Fairtrade-Angebot <strong>–</strong> und wir bauen es<br />
laufend aus. So ist seit <strong>2<strong>01</strong>5</strong> jede unserer frischen Ananas fair gehandelt. Damit es wirklich allen schmeckt.<br />
Alles über das Nachhaltigkeits-Engagement<br />
von Coop auf: taten-statt-worte.ch<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>67
Entdecken<br />
«Eines der grössten Probleme der Jugendlichen ist, dass sie keine Ahnung von<br />
ihrer eigenen Sexualität haben. Die meisten Jungen gehen höchstens ein- oder zweimal<br />
ins Bordell, wollen etwas lernen und erfahren. Das ist völlig normal.»<br />
Sex-Expertin Maggie Tapert im «Tages-Anzeiger» zum Ergebnis einer Genfer Studie, nach der 16- bis 18-Jährige<br />
immer öfter Sex bei Prostituierten suchen.<br />
Kinder und Krebs<br />
Jedes Jahr erkranken über 200 Kinder und Jugendliche in der<br />
Schweiz an Krebs <strong>–</strong> am häufigsten an Leukämien und<br />
Hirntumoren. Neben einer gewissen genetischen Veranlagung<br />
wird auch der Einfluss von verschiedenen Umweltfaktoren als<br />
Ursache diskutiert, etwa der Luftverschmutzung. Autoabgase<br />
zum Beispiel enthalten Benzol und andere bekannte<br />
krebserregende Stoffe. Studienergebnisse einer Forschergruppe<br />
vom Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität<br />
Bern (ISPM) erhärten nun die Vermutung, dass Verkehrsabgase<br />
das Leukämierisiko bei Kindern erhöhen. Zwar sei die<br />
Schadstoffbelastung durch den Verkehr seit den 90er-Jahren<br />
zurückgegangen, doch in unmittelbarer Nähe von vielbefahrenen<br />
Strassen sei die Schadstoffkonzentration noch immer gross.<br />
Fotos: ZVG, Joana Kruse / Arcangel, iStockphoto<br />
Mein unsichtbarer Freund<br />
65 Prozent aller Kinder haben irgendwann im Leben einen<br />
imaginären Freund, mal für kurze Zeit, mal über Jahre. Dieser<br />
hat oft dasselbe Geschlecht und Alter wie das Kind <strong>–</strong> und tritt<br />
in Übergangssituationen in Erscheinung, etwa beim<br />
Schuleintritt. So Forschungsergebnisse der University of<br />
Oregon und der Yale University. Dabei sind es vor allem die<br />
drei- bis siebenjährigen Kinder, die mit den Fantasiefiguren<br />
leben. Meist sind die Begleiter Menschen, aber auch<br />
Superhelden, Tiere oder Zauberer kommen vor. Manche der<br />
Begleiter passen in die Hosentasche, andere schweben.<br />
Schräg? Nein! Laut Experten vielmehr ein Beweis dafür, dass<br />
ein Kind fantasievoll mit seinen Gefühlen umgehen kann.<br />
Mein Papi ist ein toller Chef<br />
Augen auf bei der Chefwahl! CEOs mit Töchtern behandeln<br />
ihre Angestellten besser, da sie mehr soziale Verantwortung<br />
zeigen <strong>–</strong> zu diesem Schluss kam jedenfalls eine Studie der<br />
University of Miami in Kooperation mit der China Europe<br />
International Business School. So bieten Führungskräfte mit<br />
weiblichem Nachwuchs eher Möglichkeiten zur<br />
Kinderbetreuung an, gewähren flexible Arbeitszeiten und<br />
haben eine vielfältigere Belegschaft. Das Phänomen ist<br />
besonders ausgeprägt, wenn es sich bei der Tochter um das<br />
erstgeborene Kind handelt. Für ihre Erhebung haben die<br />
Forscher die Entscheidungen von fast 400 CEOs analysiert.<br />
Kreativ sein<br />
mit Kindern? Auf<br />
www.hallofamilie.de<br />
finden sich tolle Bastelund<br />
Backtipps zu<br />
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8 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>69<br />
Diese Anzeige wurde uns geschenkt von der Stiftung Elternsein.
Dossier<br />
Erziehen ohne Strafen <strong>–</strong><br />
ja, das geht!<br />
Wie bringen wir Kinder dazu, unerwünschtes Verhalten zu unterlassen?<br />
Indem wir sie bestrafen oder ihnen etwas Positives entziehen.<br />
Doch es geht auch anders. Eine Anleitung zum konstruktiven Umgang<br />
mit Kindern in Konfliktsituationen.<br />
Text: Nadine Zimet Bilder: Gabi Vogt /13 Photo<br />
<strong>10</strong> Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Dossier<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>611
Dossier<br />
Auch wenn man es den Bildern nicht ansieht:<br />
Noemi, <strong>10</strong>, Fay, <strong>10</strong>, Oskar, 6, Paul, 5, und die<br />
Familie Hottenroth hatten während des<br />
Shootings sehr viel Spass. Die Szenen sind<br />
gestellt; für diese Bildproduktion mussten<br />
weder Kinder noch Eltern leiden.<br />
Der Glaube, dass das<br />
Zusammenleben der<br />
Menschen ohne<br />
Strafe nicht möglich<br />
sei, ist tief in unseren<br />
Überzeugungen und Gefühlen verankert.<br />
Wir denken sofort an Menschen,<br />
die Greueltaten begehen und<br />
anderen Menschen tiefes Leid zufügen.<br />
Wir glauben, dass diese es verdient<br />
haben, bestraft zu werden, sie<br />
nur durch eine schmerzhafte Strafe<br />
verstehen, dass wir ihr Verhalten<br />
nicht billigen, und wir eine Verhaltensänderung<br />
erwarten und erzwingen<br />
können, wenn sie am eigenen<br />
Leib spüren, wie weh sie anderen<br />
getan haben. Wir strafen bewusst<br />
und absichtlich und entziehen<br />
Tätern legal ihre Freiheiten, damit<br />
sie merken, welche Einschränkungen<br />
andere durch sie erfahren<br />
haben. Die Strafe soll sie davor<br />
abschrecken, anderen wieder Leid<br />
zuzufügen. Und für die anderen soll<br />
die Strafe eine abschreckende Wirkung<br />
haben. Deshalb sehen Staaten<br />
Gefängnis, Folter und die Todesstrafe<br />
vor, weil die Überzeugung<br />
herrscht, dass man ohne die ultimative<br />
Abschreckung ein Land nicht<br />
regieren kann.<br />
Wir sind zudem davon überzeugt,<br />
dass die Gerechtigkeit zwischen<br />
Täter und Opfer wiederhergestellt<br />
wird, wenn der Täter für seine<br />
Tat leidet und büsst. Sein Leiden,<br />
sein Schmerz, seine Busse und im<br />
Idealfall seine Reue geben uns, wenn<br />
wir Opfer geworden sind >>><br />
Der Glaube, ein Zusammenleben<br />
der Menschen ohne Strafe sei<br />
nicht möglich, ist tief verankert.<br />
12 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>613
Dossier<br />
14 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Dossier<br />
Mit einer Strafe erzielen Eltern<br />
meist kurzfristig Erfolg, aber<br />
keine nachhaltige Wirkung.<br />
>>> oder wenn wir uns mit dem<br />
Opfer einfühlsam verbinden, ein<br />
Gefühl der Genugtuung, der Wiedergutmachung<br />
und der Wiederherstellung<br />
von Gerechtigkeit und Ordnung.<br />
Wir ahnen nicht, dass wir<br />
damit gerade das Gegenteil bewirken.<br />
Menschen lernen durch Strafen<br />
kein Mitgefühl, sondern werden<br />
noch verbitterter und fühlen sich in<br />
ihrem feindseligen Menschenbild<br />
bestätigt.<br />
Zweifelsohne gibt es Menschen,<br />
die zerstörerisch und brutal handeln,<br />
sodass sie für eine gewisse Zeit<br />
an einen sicheren Ort gebracht werden<br />
müssen, damit sie vor sich selbst<br />
und andere vor ihnen geschützt werden.<br />
Dort sollten sie Hilfe bekommen<br />
und lernen, ihre Emotionen zu<br />
verstehen, ihre Einstellungen und<br />
ihr Verhalten zu ändern. Allerdings<br />
sollten sie dort nicht gedemütigt<br />
werden, zugrunde gehen oder so<br />
wütend werden, dass sie sich, sobald<br />
sie wieder auf freiem Fuss sind, in<br />
einem noch viel grösseren Ausmass<br />
rächen für das Leid und die Ungerechtigkeit,<br />
die ihnen in ihren Augen<br />
angetan worden sind. Die härteste<br />
Strafe kann diesen schwelenden<br />
Hass nicht zum Guten wenden oder<br />
sie daran hindern, wieder Gewalt<br />
anzuwenden, wenn sie sich nach der<br />
Busse Rache geschworen haben.<br />
Direkte und indirekte Bestrafung<br />
Doch was ist Strafe überhaupt, und<br />
was bewirkt sie? Eine Strafe ist eine<br />
disziplinierende Reaktion auf ein<br />
Verhalten, das etwa von einer Erziehungsperson<br />
als unangemessen oder<br />
regelüberschreitend angesehen wird.<br />
In der Psychologie redet man von<br />
direkter Bestrafung, wenn auf das<br />
unerwünschte Verhalten eine negative<br />
Konsequenz folgt. Zum Beispiel<br />
fordert der Erwachsene: «Wasch<br />
deine Hände, bevor du an den Tisch<br />
kommst!» Das Kind sagt Nein, der<br />
Erwachsene baut Druck auf, bis das<br />
Kind nachgibt und sich die Hände<br />
wäscht. Bei der indirekten Bestrafung<br />
wird etwas Positives entzogen.<br />
«Wenn du die Hände nicht wäschst,<br />
bekommst du kein Dessert.» Das<br />
Ziel von Bestrafung ist, Autorität<br />
durchzusetzen. Das Kind lernt, zu<br />
gehorchen und sich dem Willen<br />
einer anderen Person unterzuordnen,<br />
oder es geht in die Opposition<br />
und kämpft für seine eigene Sache.<br />
Die meisten Eltern erleben, dass<br />
sie damit kurzfristig Erfolg haben,<br />
aber langfristig immer wieder am<br />
gleichen Punkt stehen und tausend<br />
Mal das Gleiche sagen müssen. Es<br />
fehlt ihnen die Erfahrung, dass es<br />
auch anders gehen könnte, und sie<br />
ahnen nicht, wie das Kind durch<br />
Forderung, Kontrolle und Strafe in<br />
seinem tiefsten Bedürfnis nach<br />
Autonomie und Respekt so sehr<br />
gekränkt wird, dass es Nein zur Forderung<br />
und nicht Nein zum Bedürfnis<br />
der Eltern sagt. Das Kind versteht<br />
das echte Bedürfnis der Eltern,<br />
z. B. nach Hygiene, nicht, das hinter<br />
der Forderung steht, und es kann<br />
nicht darauf eingehen.<br />
Strafen und Konsequenzen<br />
Viele lehnen inzwischen das Strafen<br />
ab und fordern stattdessen die «mildere»<br />
Form, die Konsequenz. In<br />
Wirklichkeit ist die Konse- >>><br />
15
Dossier<br />
>>> quenz keine mildere Form der<br />
Strafe. Die Konsequenz schiebt einen<br />
Schritt zwischen die Kontrolle und<br />
die Strafe, eine Art Denkpause, in<br />
der dem Kind eine Wahlfreiheit vorgegaukelt<br />
wird, die keine ist, weil es<br />
letztendlich keine Wahl hat und<br />
gehorchen muss. In Erziehungsratgebern<br />
wird den Eltern nahegelegt,<br />
dass sie die Konsequenzen durchziehen<br />
müssten, wenn sie diese angedroht<br />
hätten, ansonsten würden sie<br />
die Glaubwürdigkeit und Autorität<br />
gegenüber dem Kind verlieren. Die<br />
Erwartung ist, dass durch den Bezug<br />
zwischen unerwünschter Handlung<br />
und der Konsequenz beim Kind die<br />
Einsicht gefördert wird und es dann<br />
das gewünschte Verhalten zeigt oder<br />
das unerwünschte eben unterlässt.<br />
Forscher konnten jedoch nachweisen,<br />
dass dieser graduelle Unterschied<br />
zwischen Konsequenz und<br />
Strafe für Kinder grundsätzlich<br />
unverständlich ist. Was beim Kind<br />
jedoch wirkt, ist das Gefühl der<br />
Angst, Schuld oder Scham. Strafen<br />
und Konsequenzen lösen beim Kind<br />
eindeutig destruktive Gefühle aus,<br />
und es werden ihm keine Alternativen<br />
für sein unerwünschtes Verhalten<br />
aufgezeigt. In den Köpfen der<br />
Kinder entwickelt sich schon früh<br />
die Vorstellung eines Belohnungsund<br />
Bestrafungssystems und auch<br />
die Überzeugung, dass es wirksam<br />
ist, Macht über andere auszuüben.<br />
Kinder lernen, dass Eltern das<br />
Recht haben, Kindern ihren Willen<br />
aufzuzwingen. Kinder folgern zu<br />
Recht daraus, dass das Zufügen von<br />
Leid eine legitime Machtausübung<br />
ist, und entwickeln ein Menschenbild,<br />
in dem das Prinzip Zuckerbrot<br />
und Peitsche herrscht: Man erreicht<br />
seine Ziele, wenn man dem anderen<br />
so lange Schmerz zufügt, bis er nachgibt.<br />
Dieses hierarchische Strafsystem<br />
wird gelebt und somit auch an<br />
die eigenen Kollegen und Geschwister<br />
weitergegeben.<br />
Wenn wir mitbekommen, dass<br />
ein Kind ein anderes beschimpft,<br />
bedroht, würgt oder haut, lehnen wir<br />
dieses Verhalten ab und bestrafen es<br />
dafür, obwohl wir es ihm beigebracht<br />
haben und täglich vorleben. Diesen<br />
Widerspruch kann ein Kind nicht<br />
verstehen. In seinem Herzen entsteht<br />
ein Gefühl von Verwirrung<br />
und Verzweiflung. Denn die Menschen,<br />
von denen es abhängt und die<br />
es so sehr liebt, wenden sich ab,<br />
wenn es das Gleiche tut wie sie. Das<br />
Kind bekommt Strafangst und verliert<br />
das Vertrauen in die bedingungslose<br />
Liebe, das stärkste Band<br />
zwischen Eltern und Kindern.<br />
Verängstigte Kinder<br />
In meiner Tätigkeit als Psychotherapeutin<br />
begegne ich Kindern, die zwar<br />
keine Angst davor haben, auf die<br />
Strasse zu rennen oder sich selber zu<br />
schneiden, die jedoch Angst haben<br />
vor der Reaktion ihrer Eltern oder<br />
der Lehrpersonen. Die angeborene<br />
und lebenserhaltende Angst vor<br />
Gefahren zum Schutz des Lebens<br />
nimmt ab, und die anerzogene Angst<br />
vor den Menschen nimmt zu. Wenn<br />
das Kind das Vertrauen in uns<br />
Erwachsene verliert, verlieren wir die<br />
beschützende Führung des Kindes.<br />
Wir haben die Verbindung, seine<br />
bedingungslose Liebe und sein Vertrauen<br />
in uns verloren. Dies wiederherzustellen,<br />
ist der erste Schritt auf<br />
dem Weg hin zu einer empathischen<br />
Kommunikation, die Eltern und Kinder<br />
unglaublich viel glücklicher<br />
macht.<br />
Verbindung wiederherstellen<br />
Beziehung und Verbindung entstehen<br />
dadurch, dass wir die Bedürfnisse,<br />
die ein Kind bewegen, verstehen.<br />
Dem Kind sind seine Bedürfnisse oft<br />
unbewusst. Die Gefühle sind die<br />
Ampeln, die auf die Bedürfnisse hinweisen.<br />
Die Beziehungsperson hilft<br />
dem Kind, seine Gefühle zu lesen<br />
und zu erkennen, um welches Bedürfnis<br />
es ihm geht. Das beobachtbare<br />
Verhalten, welches das Kind<br />
zeigt, ist lediglich die in der Situation<br />
beste Strategie, die das Kind kennt,<br />
um das Befriedigen seiner Bedürfnisse<br />
sicherstellen zu können. Deshalb<br />
steht nicht das Verhalten im<br />
Mittelpunkt eines Gesprächs, sondern<br />
die Bedürfnisse dahinter. Indem<br />
eine Mutter ihrem Kind zuhört, ohne<br />
zu bewerten, und in ihren Worten<br />
wiederholt, was das Kind gesagt hat,<br />
entsteht Empathie. Verbindung und<br />
Empathie kann man lernen (siehe<br />
Box auf Seite 24).<br />
Erziehung, die glücklich macht<br />
Die meisten Eltern wissen nicht, wie<br />
machtvoll das Äussern von Gefühlen<br />
und Bedürfnissen ist und wie sie ihre<br />
eigenen Bedürfnisse so mitteilen<br />
können, dass das Kind sie versteht.<br />
Wenn das gelingt, entstehen >>><br />
Der Preis, den Eltern mit<br />
einer strafenden Erziehung<br />
zahlen, ist sehr hoch.<br />
16 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Corinna Nüesch, 39<br />
Fotos: ZVG<br />
«Ich wollte<br />
herausfinden,<br />
warum<br />
ich oft schlecht<br />
gelaunt und<br />
unzufrieden war.»<br />
Text: Eveline von Arx<br />
Vor drei Jahren besuchte Corinna<br />
Nüesch, 39, mit ihrem Mann<br />
Da niel, 45, einen Elternkurs zur<br />
gewaltfreien Kommunikation nach<br />
Marshall B. Rosenberg. In der fünfköpfigen<br />
Familie war es immer<br />
wieder zu Spannungen und Reibereien<br />
gekommen.<br />
«Mein Mann und ich, aber auch<br />
unsere drei Kinder sind ziemlich<br />
eigensinnig und dickköpfig», sagt<br />
Corinna Nüesch selbstkritisch.<br />
Thorin, 14, habe schon als kleines<br />
Kind die Auseinandersetzung mit<br />
seiner Mutter gesucht. «Er war<br />
sehr wissbegierig, und mit einfachen<br />
Erklärungen liess er sich<br />
nicht abspeisen», erinnert sich die<br />
Mutter.<br />
Als Corinna Nüesch einmal von<br />
ihm verlangte, er solle sein Zimmer<br />
aufräumen, drohte er ihr, von<br />
zu Hause wegzulaufen. Und so<br />
kam es auch: Der kleine Bub packte<br />
seine Zahnbürste und sein<br />
Kuscheltuch ein, zog Schuhe und<br />
Jacke an und lief aus der Wohnung.<br />
Die Eltern folgten ihm, so<br />
dass dem Jungen nichts passieren<br />
konnte.<br />
Im Kurs über gewaltfreie Kommunikation<br />
merkten Corinna und<br />
ihr Mann, dass in der Theorie manches<br />
einfacher ist als im Alltag. Es<br />
brauchte viel Übung, bis die beiden<br />
die zentrale Haltung der<br />
gewaltfreien Kommunikation<br />
zunehmend besser umsetzen<br />
konnten: Verbundenheit entsteht,<br />
indem wir versuchen, nicht nur auf<br />
das Gesagte, sondern auch auf<br />
das Gemeinte zu hören.<br />
Corinna erkannte vor allem,<br />
dass es für sie eine grosse Herausforderung<br />
war, ihre eigenen<br />
Bedürfnisse als Mutter zu erkennen<br />
und zu kommunizieren. Herauszufinden,<br />
warum sie etwa<br />
schlecht gelaunt oder unzufrieden<br />
war und was sie brauchte, damit<br />
es ihr wieder besser ging, war für<br />
sie ein längerer Prozess.<br />
Heute weiss sie, dass sie vor<br />
allem dann «aus dem Gleichgewicht»<br />
gerät, wenn ihr zentrales<br />
Bedürfnis nach Autonomie verletzt<br />
oder ihr zu wenig Vertrauen<br />
entgegengebracht wird. Sie kann<br />
dies nun auch äussern und vor<br />
allem kundtun, was sie möchte<br />
und braucht.<br />
Der veränderte Umgang in der<br />
Familie führte zu neuen Erkenntnissen:<br />
Im «Nein» immer auch ein<br />
«Ja» <strong>–</strong> jedoch zu etwas anderem<br />
<strong>–</strong> zu sehen. Es galt nun vermehrt<br />
zu klären, wozu man denn «Ja»<br />
meinte, wenn «Nein» gesagt wurde.<br />
Wer etwas nicht will, möchte<br />
etwas anderes. Und wer seine<br />
Bedürfnisse kennt, kann auch viel<br />
besser seine Wünsche äussern.<br />
Corinna und Daniel leben seit<br />
einem Jahr getrennt, stehen<br />
jedoch in einem freundschaftlichen<br />
Verhältnis zueinander.<br />
Jeweils am Sonntagabend isst die<br />
ganze Familie gemeinsam.<br />
Die gewaltfreie Kommunikation<br />
habe ihr und auch Daniel dabei<br />
geholfen, ihren Konflikt auf der<br />
Paarebene anzugehen, ohne die<br />
Kinder damit zu belasten. Weil das<br />
Verständnis füreinander gefördert<br />
worden sei, sagt Corinna Nüesch.<br />
Und die <strong>10</strong>-jährige Smetine erinnert<br />
ihre Eltern manchmal daran,<br />
doch in der «Giraffensprache»<br />
miteinander zu reden.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>617
Dossier<br />
Giraffensprache <strong>–</strong><br />
die Sprache der Herzen<br />
Der amerikanische Psychologe Marshall<br />
B. Rosenberg, der Begründer der gewaltfreien<br />
Kommunikation, stellte zwei Erziehungssysteme<br />
einander gegenüber: die<br />
manipulative autoritative Erziehung und<br />
die verbindende Beziehung zwischen<br />
Menschen. Um dies zu veranschaulichen,<br />
verlieh er zwei Fabelwesen Wesenszüge,<br />
die unsere alltägliche Kommunikation<br />
charakterisieren. Der Wolf verkörpert die<br />
Haltung und die Sprachgewohnheiten des<br />
Ärgers, die Giraffe die des Mitgefühls.<br />
Jeder Mensch trägt beide Wesenszüge in<br />
sich. Die Frage ist, wie er in der Kindheit<br />
gelernt hat, damit umzugehen.<br />
Der Wolf<br />
Der Wolf hat gelernt, in Kategorien<br />
von Richtig und Falsch, Gut und Böse,<br />
Feinden, Opfern und Tätern zu denken.<br />
Wölfe verurteilen Fehler und suchen nach<br />
dem Schuldigen, kündigen Konsequenzen<br />
an und verteilen Strafen. Sie sind fest<br />
davon überzeugt, dass Druck, Schmerz,<br />
Angst, Schuld und Scham Menschen<br />
motivieren, Gewalt zu unterlassen und<br />
sozial zu handeln. Mit seinen Wolfsohren<br />
interpretiert er jede Kommunikation<br />
als wölfischen Angriff. Er hört aus den<br />
Worten der anderen Kritik, Urteile, Forderungen,<br />
Vorwürfe und Ablehnung. Deshalb<br />
reagiert er aggressiv.<br />
Was ein Wolf denkt<br />
«Ich bin ein Versager, ich habe etwas<br />
falsch gemacht, ich bin wütend auf mich.»<br />
Oder: «Du bist gemein, du hast meinen<br />
Geburtstag vergessen, weil ich dir nicht<br />
wichtig bin, ich bin wütend auf dich.» Entspricht<br />
etwas nicht seinen Vorstellungen<br />
und Werten, denkt er: «Du musst dich<br />
ändern, damit es mir wieder gut geht.»<br />
Der Wolf denkt in einer Handlungssprache<br />
und stellt Forderungen. Er glaubt, dass<br />
Kritik und Forderungen der geeignete<br />
Weg sind, Menschen zu motivieren, ihr<br />
Verhalten zu ändern. Ein Wolf sieht nicht,<br />
dass er damit den andern und sich selbst<br />
entweder zur Rebellion oder zur Unterwerfung<br />
zwingt.<br />
Wölfe sind nicht böse, aber sie fühlen<br />
sich immer angegriffen und haben<br />
deshalb einen Hör- und Sprachfehler und<br />
sehen ihre innere Schönheit nicht. Wenn<br />
sie lernen, auf ihre innere Lebendigkeit<br />
zu hören, auf ihre Gefühle und Bedürfnisse<br />
hinter den Urteilen, lernen sie, wie<br />
sie andere Menschen gewinnen können,<br />
ihnen zuzuhören und auf ihre Bedürfnisse<br />
einzugehen.<br />
Die Giraffe<br />
Die Giraffe weiss, welche erfüllten oder<br />
nicht erfüllten Gefühle und Bedürfnisse<br />
hinter den Worten und Taten das Herz der<br />
18 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Dossier<br />
>>> gegenseitig tiefes Verständnis<br />
und Glück. Kinder lernen über das<br />
Vorbild und spüren Veränderungen<br />
sehr schnell. Wenn Eltern im Kontakt<br />
sind mit ihren Gefühlen und<br />
Bedürfnissen und lernen, darüber<br />
zu sprechen, lernt das Kind wiederum<br />
schnell, dass es vertrauen kann<br />
und in Sicherheit ist, wenn es sich<br />
öffnet und sich an die Eltern bindet.<br />
Es liegt in unseren Händen, wie<br />
wir mit unseren Kindern sprechen,<br />
wie wir uns ihnen gegenüber verhalten<br />
und welche Vorbilder wir sind.<br />
Wenn wir Frieden wollen, müssen<br />
wir konsequent Frieden vorleben<br />
und lehren. Leider sind in unserer<br />
Gesellschaft Druck und Strafe nach<br />
wie vor selbstverständlich. Auch<br />
Erwachsene werden heutzutage an<br />
ihren Leistungen gemessen und mittels<br />
Bestrafungs- und Belohnungssystem<br />
geführt. Diese scheinen die<br />
besten Werkzeuge dafür zu sein, um<br />
Motivation zu erhöhen, Effizienz zu<br />
erreichen und Gewalt einzudämmen.<br />
Bestrafung und Belohnung<br />
repräsentieren das heutige Bedürfnis<br />
nach «schnellen Lösungen». Der<br />
wirtschaftliche Gedanke der Effizienz<br />
durchzieht Erziehung und Bildung<br />
und unterstützt den Glaubenssatz,<br />
dass nur Kinder, die Disziplin<br />
lernen, es im Leben zu etwas bringen,<br />
weil sie sich eben unterordnen<br />
können. Der Preis, den Eltern mit<br />
einer strafenden Erziehung zahlen,<br />
ist hoch. Und daraus gehen >>><br />
Empathie entsteht, indem<br />
Eltern ihrem Kind zuhören,<br />
ohne zu bewerten.<br />
Literatur-Tipps<br />
Elizabeth A. Meckstroth, James<br />
T. Webb, Stephanie S. Tolan<br />
Hochbegabte Kinder, ihre Eltern,<br />
ihre Lehrer. Ein Ratgeber.<br />
Überarbeitet und ergänzt von<br />
Nadine Zimet und Franzis Preckel.<br />
Hans Huber Verlag, Bern<br />
Marshall B. Rosenberg: Kinder<br />
einfühlend ins Leben begleiten<br />
Junfermann, 2007, broschiert<br />
(Das Beispiel von Seite 24 ist hier<br />
ausführlich nachzulesen).<br />
Menschen bewegen. Sie weiss, dass das<br />
goldene Band, das Menschen miteinander<br />
verbindet, das Streben nach Erfüllung von<br />
Bedürfnissen ist. Es ist ihre Aufgabe, dafür<br />
zu sorgen, dass dieses Band nicht zerreisst.<br />
Mit ihren Giraffenohren übersetzt<br />
sie jede Kommunikation auf Giraffisch.<br />
Sie versteht, was hinter dem Angriff des<br />
Wolfes in seinem Herzen lebendig ist, und<br />
übersetzt seine Sprache in seine Gefühle<br />
und Bedürfnisse.<br />
Was eine Giraffe denkt<br />
«Sieh die Schönheit in mir, und ich sehe<br />
die Schönheit in dir.» Giraffen sind bei<br />
sich und spüren, wie es ihnen geht. Sie<br />
stellen keine Forderungen und machen<br />
keine Vorwürfe. Sie übernehmen selber<br />
die Verantwortung, dem anderen zu<br />
sagen, was sie bewegt und was sie<br />
brauchen, um glücklich zu sein. Harmonie<br />
entsteht auf Giraffisch, wenn ich den Mut<br />
habe, ehrlich alles zu sagen, was ich beobachte,<br />
fühle und brauche, und wenn ich<br />
um das bitte, was ich brauche.<br />
Die Giraffe weiss, dass Verbindung<br />
die stärkste Kraft ist, die die Menschen<br />
zusammenhält. Sie setzt sich dafür ein,<br />
die Verbindung wiederzufinden, wenn<br />
sie zu zerbrechen droht. Sie lenkt den<br />
Fokus auf die Ästhetik, auf das Prinzip der<br />
Natur nach Balance und Harmonie, Ruhe,<br />
Frieden und Ausgeglichenheit zwischen<br />
Geben und Nehmen, Haben und Sein.<br />
Sie lenkt bewusst ihren Fokus auf die<br />
Menschlichkeit im anderen. Das will sie in<br />
jedem Moment erkennen. Sie hört nicht<br />
auf das, was aus dem Mund einer anderen<br />
Person kommt oder was sie denkt und tut.<br />
Sie hört auf das, was im Herzen lebendig<br />
ist, auf die Gefühle und Bedürfnisse, die<br />
den anderen gerade in diesem Moment<br />
bewegen. Das hilft ihr, klar zu denken.<br />
Wölfe und Giraffen haben die gleichen<br />
Ziele, gehen aber andere Wege. Es<br />
stellt sich letztlich die Frage, wer von<br />
beiden das bekommt, was er oder sie<br />
sich wünscht, wer Türen öffnet und wer<br />
Mauern baut.<br />
Wie eine Mutter mit ihrem Kind<br />
Giraffisch spricht<br />
Im Beispiel auf Seite 24 wird veranschaulicht,<br />
wie eine Giraffenmutter mit<br />
ihrem Kind Giraffisch spricht. Ihr Sohn<br />
ist wütend und verzweifelt. Er schlägt<br />
und würgt andere Kinder und hört nicht<br />
mehr zu. Er hat Angst, ist im Widerstand<br />
und sagt zu allem Nein. Trotzdem schafft<br />
es die Mutter, wieder eine Verbindung<br />
herzustellen. Sie hilft dem Kind, dass es<br />
zu seinem Schutz seine Einstellung, sein<br />
Gefühl und sein Verhalten ändert. Er vertraut<br />
ihr, dass sie ihm helfen will und ihm<br />
keine Schmerzen zufügt.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>619
Dossier<br />
>>> Menschen hervor, die wieder<br />
in diesen Denkweisen gefangen<br />
sind. Wir beklagen die Missstände<br />
im Zusammenleben und sehen<br />
deren Folgen, aber die Zusammenhänge<br />
zwischen Ursache und Symptom<br />
sind uns nicht klar. Strafendes<br />
Handeln zu vermeiden, mit seinen<br />
Kindern immer wieder in Verbindung<br />
zu treten und zu versuchen,<br />
die Bedürfnisse hinter einem Verhalten<br />
zu sehen und zu begreifen,<br />
erfordert Übung und letztlich eine<br />
gewaltfreie Kommunikation. Diese<br />
sorgfältige Sprache zeigt Eltern und<br />
Pädagogen anhand vieler konkreter<br />
Beispiele, wie sie aus der Gewaltund<br />
Straf spirale aussteigen und in<br />
Kontakt mit sich und den Kindern<br />
kommen können.
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>621
Dossier<br />
22 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Dossier<br />
Hier antwortet Psychologin<br />
Nadine Zimet auf die sieben häufigsten<br />
Vorbehalte gegen straflose Erziehung<br />
1. Eltern haben weder die Zeit noch die Nerven,<br />
jedes Fehlverhalten ihres Kindes ausführlich zu<br />
bereden.<br />
Tausendmal das Gleiche zu sagen (wie etwa: «Wasch<br />
die Hände!», «Sei nicht so grob!», «Stell den PC ab!»),<br />
kostet auch viel Nerven, Ärger und Zeit. Fehlverhalten<br />
entsteht immer aus einem Bedürfniskonflikt zwischen<br />
Eltern und Kind. Das Gespräch über Bedürfnisse und<br />
Strategien bringt Verständnis, Verbundenheit und<br />
die Bereitschaft, andere Strategien zu entwickeln,<br />
die für alle akzeptabel sind und somit nicht mehr zu<br />
Fehlverhalten führen. Die Zeit, die es braucht, um<br />
dies zu lernen, ist eine schöne Zeit. Wir entschleunigen<br />
und vereinfachen die Kommunikation. Denn für<br />
Kinder sprechen wir immer zu schnell, zu viel und am<br />
Thema vorbei. Teilen wir ihnen unsere Bedürfnisse<br />
nicht mit, bleiben wir für sie wie ein versiegeltes Buch.<br />
Zwar spüren sie unsere Wut, aber sie verstehen nicht,<br />
welche Bedürfnisse hinter unserer Wut schlummern<br />
und nicht respektiert worden sind. Dieses Verständnis<br />
ist der erste Schritt, um Konflikte langfristig zu lösen,<br />
Fehlverhalten zu vermeiden oder nachhaltig zu<br />
ändern.<br />
2. Eine Konfliktlösung in wenigen Schritten ist<br />
nicht praktikabel, weil sich im Alltag mit Kindern<br />
laufend neue Konflikte ergeben, die nach einer<br />
raschen Lösung verlangen.<br />
Die Schritte sind leicht verständlich und mit etwas<br />
Übung schnell durchgeführt, während sich Machtkämpfe<br />
jedoch wiederholen, Sieg und Niederlage<br />
entzweien und die Stimmung verderben.<br />
3. Gerade weil Kinder ihre Bedürfnisse oft nicht<br />
kennen, brauchen sie klare Ansagen von Erwachsenen.<br />
Es lohnt sich, die Zeit aufzubringen, um Kinder in<br />
Kontakt mit ihren Gefühlen und Bedürfnissen zu<br />
bringen und ihnen Wege zu zeigen, wie sie diese<br />
erfüllen und gleichzeitig auch die Bedürfnisse anderer<br />
respektieren können. Das macht Kinder empathisch,<br />
autonom und stark.<br />
4. Spätestens dann, wenn Kinder, die ohne<br />
Bestrafung aufwachsen, in einer Konfliktsituation<br />
auf Kinder treffen, die «herkömmlich» erzogen<br />
wurden, funktioniert die Methode nicht.<br />
Kinder lernen schneller als Erwachsene. Sie werden<br />
zu Experten im Lösen von Konflikten. Sie sagen, was<br />
sie fühlen und brauchen, ohne die anderen anzuklagen,<br />
und wissen, wie sie für sich Verantwortung<br />
übernehmen können.<br />
5. Es wird Eltern niemals gelingen, das Umfeld ihres<br />
Kindes (Schule, Nachbarschaft) in ihre straflose<br />
Erziehungsmethode einzubeziehen.<br />
Familien, die gelassen reagieren, sind beliebt und<br />
inspirieren durch ihre besonnene Art Nachbarschaft<br />
und Schule.<br />
6. Kinder sind auf authentische Reaktionen von<br />
Erwachsenen angewiesen. Diese dürfen auch<br />
einmal wütend ausfallen. Echte, authentische<br />
Interaktion geht verloren, wenn Eltern jedes Mal<br />
versuchen, ein Problem vernünftig mit dem Kind<br />
zu reflektieren.<br />
Wenn Vater oder Mutter wütend sind, fühlt sich das<br />
Kind schuldig, weil es denkt, dass es etwas falsch<br />
gemacht hat und sich ändern muss. Diese Schuldgefühle<br />
überfordern das Kind. Authentisch wäre es,<br />
zu sagen: «Ich bin wütend, weil ich jetzt dringend Ruhe<br />
brauche», und mit dem Kind darüber zu sprechen<br />
und ihm Zeit zu geben, dies zu verstehen.<br />
7. Nicht jeder Konfliktsituation mit Kindern liegt<br />
ein tieferes kindliches Bedürfnis zugrunde.<br />
Manchmal wollen Kinder einfach nur Grenzen austesten,<br />
eine Reaktion provozieren, ausprobieren,<br />
wie weit sie gehen können.<br />
An dem Punkt ist der Machtkampf, wer der Stärkere<br />
ist und wer recht behält, bereits in vollem Gange …<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>623
Dossier<br />
«Max, du hast deinen Freund gewürgt»<br />
Wie Eltern einen Konflikt klären können <strong>–</strong> ohne Drohung. Ohne Strafe. Ein Beispiel.<br />
Text: Nadine Zimet<br />
Max ist 6 Jahre alt und hat in der<br />
Pause Streit mit einem 7-jährigen<br />
Knaben. Er hat ihn heftig gewürgt.<br />
Von der Lehrperson ist er abgemahnt<br />
und bestraft worden. Er<br />
kommt geknickt nach Hause und<br />
erzählt seiner Mutter, was passiert<br />
ist. Nachfolgend ein Ausschnitt aus<br />
dem Dialog zwischen Max und der<br />
Mutter, die sich bemüht, das<br />
Gespräch zu entschleunigen.<br />
Die Mutter schildert ihre Beobachtung:<br />
Mutter: Max, du hast deinen Freund<br />
gewürgt, das geht nicht. Bist du frustriert,<br />
weil du den Ball möchtest?<br />
Max: Ja, er gibt ihn nie her. Er nimmt<br />
ihn mir immer weg. Er lässt mich<br />
nie damit spielen.<br />
Mutter: Also Max, wärst du zufrieden,<br />
wenn du den Ball bekommen<br />
würdest?<br />
Max: Nein. Ich will mit den anderen<br />
Kindern Ball spielen.<br />
Die Mutter fragt nach den Gefühlen<br />
und Bedürfnissen:<br />
Mutter: Bist du traurig, weil du mit<br />
den anderen Kindern spielen möchtest,<br />
sie dich aber nicht lassen?<br />
Max: Ja.<br />
Die Mutter teilt ihre Gefühle und<br />
ihre Bitte Max mit:<br />
Mutter: Ich bin besorgt um die<br />
Sicherheit und Freude aller Kinder<br />
auf dem Spielplatz. Sag mir bitte, was<br />
du brauchst, damit du auf diesem<br />
Spielplatz spielen kannst und andere<br />
Kinder nicht verletzt werden.<br />
Max: Ich weiss es nicht.<br />
Die Mutter checkt Max’ Bereitschaft,<br />
über eine andere Strategie<br />
nachzudenken:<br />
Mutter: Max, möchtest du überlegen,<br />
was du tun könntest, um mitspielen<br />
zu können, statt andere zu<br />
würgen?<br />
Max: Ich weiss es nicht.<br />
Die Mutter merkt, dass Max noch<br />
nicht bereit ist:<br />
Mutter: Wenn ich etwas möchte,<br />
ändere ich meine Worte und sage<br />
zum Beispiel: Ich sehe, du hast den<br />
gelben Ball, darf ich mit dir spielen?<br />
Willst du auch probieren, andere<br />
Worte zu wählen?<br />
Max: Ich habe ihm gesagt, er soll mir<br />
den Ball geben, und er hat es trotzdem<br />
nicht getan.<br />
Die Mutter merkt, dass ihre Botschaft<br />
noch nicht bei Max angekommen<br />
ist, und spricht seinen<br />
Frust an:<br />
Mutter: Ich kann sehen, dass du<br />
immer noch sehr frustriert bist, weil<br />
du den Ball haben wolltest und ihn<br />
nicht bekommen hast.<br />
Max: Ja, und ich hab geredet, aber<br />
er hat ihn mir trotzdem nicht gegeben.<br />
Mutter: Wie hast du das gesagt?<br />
Max: Gib mir den Ball!<br />
Mutter: Vielleicht kannst du mit<br />
anderen Worten versuchen zu fragen<br />
und ihn um den Ball zu bitten?<br />
Bist du bereit, nach anderen Worten<br />
zu suchen?<br />
Max: Die würden mir den Ball<br />
sowieso nie geben, ganz egal, wie ich<br />
danach frage.<br />
Die Mutter merkt, dass eine tiefe<br />
Kränkung vorliegt:<br />
Mutter: Bist du traurig, weil das mit<br />
dem Reden nicht funktioniert hat?<br />
Max: Ja, die hören mir nie zu, kein<br />
Einziger von ihnen.<br />
Mutter: Das macht dich sehr traurig.<br />
Möchtest du, dass dir die Leute<br />
zuhören, aber du weisst nicht, wie<br />
du sie dazu bringen kannst?<br />
Max: Ja, Papa hört mir auch nicht<br />
zu.<br />
Mutter: Du möchtest wirklich, dass<br />
dir die Menschen zuhören.<br />
Max: Ja.<br />
An dieser Stelle hat die Mutter Max<br />
zum ersten Mal im «Ja». Jetzt sind<br />
die beiden in Kontakt. Max fühlt<br />
sich von ihr verstanden und hört<br />
ihr zu.<br />
Mutter: Ich bin froh, dass du mir<br />
deine Gefühle anvertraust. Ich verstehe,<br />
wie hoffnungslos du bist, weil<br />
dir die Menschen nicht das geben,<br />
was du möchtest.<br />
Max: Ja.<br />
Die Mutter klärt jetzt erneut die<br />
Bereitschaft für die neue Strategie:<br />
Mutter: Willst du ausprobieren, wie<br />
die Kinder reagieren, wenn du «bitte»<br />
statt «ich will» sagst?<br />
Max: Ja.<br />
Mutter: Wenn du «Gib mir den<br />
Ball!» sagst, könnte das die Kinder<br />
ärgern. Wie wäre es mit: «Wärest du<br />
bereit, mir den Ball zu geben?»<br />
Max ist noch unsicher.<br />
Die Mutter geht noch einen Schritt<br />
weiter und ebnet den Weg auch für<br />
einen Misserfolg:<br />
Mutter: Lass uns das versuchen.<br />
Wenn du es mit den anderen Kindern<br />
probiert hast, dann komm<br />
zurück und berichte mir. Und wenn<br />
es nicht funktionieren sollte, dann<br />
versuchen wir etwas anderes. Wärest<br />
du bereit, da mitzumachen?<br />
Max: In Ordnung.<br />
Mutter: In Ordnung. Und wärest du<br />
bereit, dies an Stelle des Würgens<br />
auszuprobieren?<br />
Max: In Ordnung.<br />
24
Dossier<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>625
Dossier<br />
Eva Schmid, 46<br />
«Ich habe meinen<br />
Sohn frühmorgens<br />
oft angeschrien<br />
und versucht,<br />
ihn aus dem Bett<br />
zu zerren.»<br />
Text: Eveline von Arx<br />
Alles fing damit an, dass Aaron<br />
nicht mehr in den Kindergarten<br />
wollte. Der damals Fünfjährige<br />
zeigte verschiedene Ängste und<br />
entwickelte sich zu einem Kind,<br />
das zunehmend unglücklich war.<br />
Im Kindergarten zog Aaron sich<br />
zurück, und als er in die 1. Klasse<br />
kam, verstärkte sich dies.<br />
Eva Schmid, 46, liess ihren<br />
Sohn bei Nadine Zimet psychologisch<br />
abklären. Die Untersuchung<br />
ergab, dass Aaron ein hochbegabter<br />
und hochsensibler Junge ist <strong>–</strong><br />
jedoch mit asynchronem Begabungsprofil.<br />
In seinem Fall<br />
bedeutet dies, dass er sehr hohe<br />
Leistungen im mathematischen<br />
Bereich zeigt, jedoch beim Lesen<br />
und Schreiben mehr Unterstützung<br />
benötigt als andere Kinder.<br />
In der Schule wurde von Aaron<br />
vor allem verlangt, dass er sich<br />
anpasst. Für den hochsensiblen<br />
Jungen, der sich in den mathematischen<br />
Fächern langweilte und<br />
beim Schönschreiben erfolglos<br />
abmühte, war das unmöglich. Er<br />
fühlte sich unverstanden, anders<br />
als die anderen, wollte morgens<br />
oft nicht mehr aufstehen und war<br />
antriebslos.<br />
Eva Schmid hatte immer<br />
gespürt, dass es ihrem Kind nicht<br />
gut ging. Dennoch hatte sie während<br />
vielen Jahren versucht, Aaron<br />
«windschnittig» zu machen. Sie<br />
wollte ihn disziplinieren, seine<br />
Anpassung an die Schule forcieren.<br />
Bis die Verzweiflung des Jungen<br />
so gross war, dass er der Mutter<br />
gegenüber Suizidgedanken<br />
äusserte. Eva Schmid wusste nun,<br />
dass es so nicht mehr weitergehen<br />
konnte, und holte sich Unterstützung.<br />
In einem mehrmonatigen Kurs<br />
über gewaltfreie Kommunikation<br />
lernte sie, wie sie ihre eigenen<br />
Bedürfnisse und die ihrer Kinder<br />
besser wahrnehmen konnte. Sie<br />
merkte, dass sie oft aus Erschöpfung<br />
und Überforderung nicht auf<br />
ihre Kinder einging und sie deshalb<br />
schimpfte und herumschrie.<br />
Sie merkte auch, dass sie mit Drohungen<br />
und Bestrafungen ihre<br />
Kinder nicht erreichte.<br />
Eva Schmid traf auf andere<br />
Eltern, die mit ihrem bisherigen<br />
Erziehungsstil ebenfalls an ihre<br />
Grenzen stiessen. Gemeinsam mit<br />
ihnen fand die 46-Jährige heraus,<br />
wie sie die Bedürfnisse hinter dem<br />
Verhalten ihrer Kinder erkennen<br />
und diesen so eher gerecht werden<br />
konnte.<br />
«Während mich meine Mutter<br />
früher in ihrer Verzweiflung morgens<br />
anschrie, ich solle nun endlich<br />
aufstehen, sie mich aus dem<br />
Bett zu zerren versuchte, verstand<br />
sie nun, dass all dies die Situation<br />
nur verschlimmerte», sagt der<br />
17-jährige Aaron heute.<br />
Seine Mutter habe angefangen,<br />
viel einfühlsamer mit ihm zu<br />
reden, aber auch ihre eigenen<br />
Grenzen kundzutun. Auf dieser<br />
Basis habe das Vertrauensverhältnis<br />
zwischen ihm und seiner Mutter<br />
allmählich wieder wachsen<br />
können. Und während der Sohn<br />
erzählt, wird spürbar, wie sehr die<br />
Mutter die positiven Veränderungen<br />
nach all den Jahren immer<br />
noch berührt.<br />
Auch der heute 14-jährige Bruder<br />
erinnert sich gerne daran<br />
zurück, wie der Umgang zwischen<br />
ihm und seiner Mutter zusehends<br />
ein anderer wurde: «Wir redeten<br />
wirklich miteinander und hörten<br />
uns zu <strong>–</strong> und es war viel weniger<br />
Geschrei zu Hause.»<br />
Rico, 24, der älteste Sohn,<br />
wohnt nicht mehr bei der Mutter.<br />
Es schmerzt Eva Schmid, dass sie<br />
mit ihm während seiner Kindheit<br />
noch nicht auf diese Weise umgehen<br />
und kommunizieren konnte.<br />
Auf die Frage, ob sie denn nicht<br />
hin und wieder dennoch «ausflippe»<br />
oder die Nerven verliere,<br />
meint Eva Schmid gelassen: «Das<br />
passiert auch heute noch. Aber<br />
dann weiss ich, welches die Gründe<br />
dafür sind, und kann darüber<br />
reden und mich auch einmal entschuldigen.»<br />
Foto: Anne Gabriel-Jürgens / 13 Photo<br />
26 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Dossier<br />
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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>627
Dossier<br />
Kinder benötigen Eltern <strong>–</strong><br />
keine Therapeuten<br />
Familiencoach Fabian Grolimund über Elternratgeber, die Frage, welche Erziehungsmethode<br />
die richtige ist <strong>–</strong> und wie ein halbvertrockneter Regenwurm seinen Sohn bekehrte.<br />
Text: Fabian Grolimund Fotos: Gabi Vogt / 13 Photo<br />
Schau mal, eine Raupe!» Ich bücke mich hinunter,<br />
um meinem Krabbeltier-begeisterten Sohn<br />
ein besonders eindrückliches Exemplar zu<br />
zeigen. Zack! Ein kleiner Stiefel zerquetscht<br />
das arme Tier. «Spritzt er wie eine Traube!» Es<br />
ist September, mein Sohn ist gerade drei geworden <strong>–</strong><br />
und experimentiert mit Leben und Tod. «Das kannst du<br />
nicht machen! Schau, nun ist sie tot.» Interessiert schaut<br />
er hin: «Mach den wieder ganz!» Ich erkläre ihm, dass<br />
ich das nicht kann. Er hört zu. Zack! Eine Schnecke<br />
muss dran glauben. «Jetzt hör auf! Ich sage es nicht noch<br />
einmal!»<br />
Wir gehen weiter und ein Käfer gerät unter den Stiefel.<br />
Nun bin ich sauer und versuche es mit einer saftigen<br />
Drohung: «Wenn du heute noch ein Tier zertrittst, dann<br />
werde ich richtig wütend. Dann werde ich sehr schlimm<br />
schimpfen! Verstanden!?» Er wird ein wenig rot, sagt<br />
nichts mehr, nimmt meine Hand und geht stumm neben<br />
mir weiter. Ich bin hin- und hergerissen zwischen Wut<br />
und einem schlechten Gewissen <strong>–</strong> ich werde fast nie<br />
wütend, aber Tiere zu töten geht mir komplett gegen<br />
den Strich.<br />
Fünf Minuten später meint er: «Schau, Papa, ein kleines<br />
Schnecklein. Den lassen wir noch ein bisschen<br />
Der Gedanke, meine Kinder nach<br />
einem bestimmten Schema zu<br />
erziehen, ist mir unangenehm.<br />
leben.» «Was heisst denn hier noch?» «Ich mach den<br />
dann morgen tot.» Dabei grinst er mich so überlegenschelmisch<br />
an, dass ich einfach lachen muss.<br />
Nun liessen sich in dieser Situation alle möglichen<br />
Erziehungsmethoden durchspielen. Soll ich meinem<br />
Sohn eine Strafe auferlegen, wenn er eine Schnecke zertritt?<br />
Eine natürliche Konsequenz folgen lassen? (Welche<br />
wäre das in diesem Fall? Schneckenschleim vom<br />
Stiefel kratzen?) Oder soll ich mit ihm über sein «Machtbedürfnis»<br />
oder darüber, was da gerade am Werk ist,<br />
sprechen?<br />
Sollen Kinder bestraft werden oder nicht? Sind Konsequenzen<br />
ein gutes Erziehungsmittel? Sollen wir als<br />
Eltern mit unseren Kindern lange Gespräche über ihre<br />
Bedürfnisse führen und davon ausgehen, dass da immer<br />
noch etwas dahinterliegt, wenn ein Kind etwas getan<br />
hat, das wir nicht für gut befinden?<br />
Als Psychologe werde ich immer wieder gefragt, nach<br />
welchen Prinzipien ich meine Kinder erziehe und was<br />
ich von bestimmten Erziehungsmethoden halte. Auch<br />
die Frage der Fritz+Fränzi-Redaktion, was ich von einer<br />
«Erziehung ohne Strafen» denke, hat mich dazu angeregt,<br />
mir dazu Gedanken zu machen, welche Rolle Erziehungspsychologie,<br />
verschiedene Methoden und Prinzipien<br />
im Umgang mit meinen eigenen Kindern spielen.<br />
Ich halte es so: Psychologie hat einen Platz in meinem<br />
Leben als Vater oder Partner. Aber ich betrachte sie eher<br />
als eine Werkzeugkiste, die meist unbenutzt im Keller<br />
steht. Sie leitet mich nicht, und ich richte mich nicht<br />
nach ihr. Der Gedanke, meine Kinder nach einem<br />
bestimmten Schema zu erziehen, ist mir ausgesprochen<br />
unangenehm. >>><br />
28 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>629
Dossier<br />
>>> Ich möchte, dass meine Kinder mit einem Vater<br />
aufwachsen <strong>–</strong> nicht mit einem Psychologen. Dabei leitet<br />
mich eher eine Haltung als eine Methode. Diese habe<br />
ich nicht aus der Literatur, sondern hauptsächlich von<br />
meinen Eltern übernommen. Ich glaube, dass es wichtig<br />
ist, sich immer wieder neu auf Kinder, ihre Welt und ihr<br />
Tempo einzulassen, Geduld zu haben und sich Zeit zu<br />
nehmen, Liebe und Respekt zu zeigen.<br />
Als Vater sage ich aber auch mal: «Jetzt reichts! Hör<br />
auf mit diesem Mist!» oder «Du machst jetzt einfach,<br />
was ich sage <strong>–</strong> nein, nicht ‹warum› <strong>–</strong> du machst das, weil<br />
ich das sage und basta!».<br />
Ich finde es richtig und wichtig,<br />
dass wir uns erlauben, in der<br />
Erziehung Fehler zu machen.<br />
Ich finde es richtig und wichtig, dass wir es uns erlauben,<br />
in der Erziehung Fehler zu machen. Ich bin der Meinung,<br />
dass Kinder von einem echten Menschen, der mal<br />
lacht, wenn er nicht sollte, mal unfair ist, mal keine Lust<br />
hat und an seine Grenzen kommt, mehr profitieren als<br />
von jemandem, der sich ständig hinterfragt oder seine<br />
Kinder nach Schema F erzieht.<br />
Was den Umgang mit Erziehungsratgebern und -methoden<br />
angeht, finde ich es wichtig, dass der gesunde Menschenverstand,<br />
das eigene Empfinden über Theo rien,<br />
Prinzipien und Regeln stehen.<br />
Eine Mutter erzählte mir kürzlich ganz aufgelöst, sie<br />
hätte ein Buch gelesen, in dem der Autor eindrücklich<br />
davor warne, Kinder zu loben. Sie hätte dies bis anhin<br />
immer falsch gemacht. Dabei sei ihr jetzt klar, dass Lob<br />
eine Form der Manipulation sei und die echte Motivation<br />
eines Kindes untergrabe. Ich stellte ihr folgende<br />
Frage: «Wenn Ihnen ab heute niemand mehr sagt, dass<br />
Sie gut gekocht haben und Ihr Essen schmeckt <strong>–</strong> kochen<br />
Sie dann lieber? Wenn Ihr Chef Ihnen von heute an nie<br />
mehr sagt, dass er zufrieden ist oder Sie Ihre Sache gut<br />
machen <strong>–</strong> fühlen Sie sich dann weniger manipuliert?»<br />
Ihre Antwort darauf war: «Danke <strong>–</strong> jetzt bin ich beruhigt.»<br />
Natürlich gibt es Studien, die zeigen, dass die intrinsische<br />
Motivation <strong>–</strong> die Motivation, die aus eigenem Antrieb<br />
entsteht <strong>–</strong> abnehmen kann, wenn ein Kind für eine Tätigkeit,<br />
die es gerne tut, ständig zusätzlich belohnt und<br />
gelobt wird. Wir können uns auch manipuliert fühlen,<br />
wenn wir merken: Der Chef lobt mich nur, damit ich<br />
mich abrackere und Überstunden mache. Aber deswegen<br />
sollten wir nicht gleich darauf verzichten, anderen<br />
Menschen unsere Anerkennung zu zeigen.<br />
Auf die gleiche Weise gibt es Situationen, in denen<br />
es wichtig ist, mit Kindern über ihre Bedürfnisse und<br />
Gefühle zu sprechen und nach dem Warum zu fahnden.<br />
Es kann aber auch Situationen geben, in denen es ange-<br />
Im nächsten Heft:<br />
Kiffen<br />
Foto: Herbert Zimmermann / 13 Photo<br />
Cannabis ist unter Jugendlichen so weit<br />
verbreitet wie seit zehn Jahren nicht mehr.<br />
Warum? Wann ist man süchtig? Ist Cannabis<br />
gefährlich? Was sagt das Gesetz?<br />
Was sollen Eltern tun, wenn sie merken:<br />
mein Kind kifft? Fakten, Meinungen von<br />
Experten und Stimmen von Jugendlichen <strong>–</strong><br />
im Februar-Dossier.<br />
30 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
messener ist, zu sagen: «Leg jetzt dieses doofe Handy<br />
weg oder ich schliesse es bis morgen weg!»<br />
Privat und bei der Arbeit begegne ich vielen Eltern<br />
und habe das Gefühl: Die meisten machen einen wirklich<br />
guten Job. Sie lassen ihre Kinder spüren, dass sie sie<br />
gern haben, sind für sie da, hören zu, nehmen sich Zeit,<br />
bieten Halt und, wo es nötig ist, auch Führung und<br />
Grenzen. Die Beziehung zwischen Eltern und Kindern<br />
ist heute vielfach besser als früher. Darauf dürfen wir<br />
auch ein wenig stolz sein. Natürlich haben auch kompetente<br />
Eltern Probleme mit ihren Kindern und offene<br />
Fragen <strong>–</strong> und dann kann ein wenig Psychologie ganz<br />
nützlich sein.<br />
Was meinen Sohn anbelangt, habe ich am nächsten<br />
Tag in meinen Werkzeugkasten gegriffen. Ein halbvertrockneter<br />
Regenwurm wand sich auf der Terrasse. Nach<br />
einer etwas dramatisierenden Beschreibung über seinen<br />
höllischen Durst und seinen drohenden Tod meinerseits<br />
haben wir ihn ins Gras gesetzt und kräftig bewässert.<br />
Dieses Mal bekam mein Sohn rote Backen vor Freude<br />
und Stolz und wir zogen das Fazit: Retten ist besser als<br />
töten!
Monatsinterview<br />
Pfarrer Andrea<br />
Marco Bianca<br />
untersuchte die<br />
Wirkung von<br />
Scheidungsritualen<br />
auf der ganzen Welt.<br />
32 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Monatsinterview<br />
«Ein Ritual ist eine wichtige<br />
Stütze bei einer Scheidung»<br />
Immer mehr Menschen in einer Scheidung wünschen sich ein Ritual, um den Ex-Partner<br />
besser loslassen und einen neuen Lebensabschnitt befreiter beginnen zu können. Der<br />
reformierte Pfarrer Andrea Marco Bianca erklärt, warum ein solches sowohl dem Paar<br />
als auch den gemeinsamen Kindern hilft, mit der Situation umzugehen, und wie mögliche<br />
Rituale gestaltet sein können. Interview: Eveline von Arx Fotos: Salvatore Vinci / 13 Photo<br />
Ein sonniger Novembernachmittag. In<br />
der reformierten Kirche in Küsnacht bei<br />
Zürich ist es eher kühl. Pfarrer Andrea<br />
Marco Bianca trägt einen leichten Anzug<br />
ohne Krawatte. Er wirkt hellwach,<br />
spricht gerne und mit Hingabe <strong>–</strong> der<br />
Einstieg ins Thema geschieht rasch und<br />
unmittelbar.<br />
Herr Bianca, im Rahmen Ihrer<br />
Dissertation haben Sie sich viele Jahre<br />
mit Scheidungs ritualen befasst. Was<br />
sind die Haupt erkenntnisse Ihrer<br />
Forschung?<br />
Dass ein Ritual hilft, etwas auszudrücken,<br />
wozu man innerlich vielleicht<br />
gar noch nicht zu <strong>10</strong>0 Prozent<br />
be r eit ist.<br />
Zum Beispiel?<br />
Wenn man in einem Scheidungsritual<br />
dem Ex-Partner dafür dankt,<br />
was gut war in der Beziehung. Vielleicht,<br />
indem man sich einfach nur<br />
sagt: «Ich danke dir für alles, was du<br />
mir geschenkt hast» <strong>–</strong> und dann weitergeht,<br />
indem man sich gegenseitig<br />
auch vergibt, was schwierig war.<br />
Können Sie das näher erläutern?<br />
Für viele Menschen ist es nicht einfach,<br />
dass man in der heutigen individualisierten<br />
Zeit immer selber<br />
genau wissen muss, was das Richtige<br />
für einen ist, und man von allem, was<br />
man macht, sofort überzeugt sein<br />
soll. Bei einem Ritual ist das gerade<br />
nicht so ausgeprägt der Fall. Durch<br />
ein Ritual kann man in etwas <strong>–</strong> wie<br />
zum Beispiel in die Vergebung <strong>–</strong> hineinwachsen,<br />
und wenn man drin ist,<br />
gibt man sich möglichst ganz hin<br />
und geht mit.<br />
«Ein Ritual hilft<br />
auch,in etwas<br />
hineinzuwachsen,<br />
sich hinzugeben.»<br />
Wo zeigt sich das etwa?<br />
Beim Heiratsversprechen zum Beispiel.<br />
Da wird dem Brautpaar ein<br />
Satz vorgegeben: «Ja, ich will.» Und<br />
Mann und Frau sprechen ihn nach.<br />
Das ist eine Sprachhandlung, man<br />
sagt also etwas ganz bewusst, an<br />
einem besonderen Ort, selbst wenn<br />
es nicht selbst gewählte Worte sind.<br />
Das hat eine stärkere Wirkung, auch<br />
auf der spirituellen Ebene, als wenn<br />
man sich beiläufig erzählt, dass man<br />
den Partner heiraten möchte.<br />
Was bedeutet dies in Bezug auf ein<br />
Scheidungsritual?<br />
Nicht nur bei einer Hochzeit, sondern<br />
auch bei einer Scheidung kann<br />
ein Ritual mit bestimmten Sprachund<br />
Symbolhandlungen helfen, den<br />
Schritt in einen neuen Lebensabschnitt<br />
mit Klarheit und mit Kraft<br />
zu gehen; selbst wenn man, und das<br />
erleben ja viele so, gewisse Ambivalenzen<br />
in sich trägt.<br />
Wird denn die Trennung auf diese Weise<br />
auch verarbeitet?<br />
Nicht zwangsläufig. Ein Ritual kann<br />
ein Teil der Verarbeitung sein, zum<br />
Beispiel als Ergänzung zu den Ge -<br />
sprächen, die in einer Therapie oder<br />
mit vertrauten Menschen stattfinden.<br />
Wenn etwa sehr viel Wut da ist,<br />
kann es hilfreich sein, ein Scheidungsritual<br />
durchzuführen, bei dem<br />
diese Wut bewusst ausgedrückt wird,<br />
damit sie nicht zur Verbitterung<br />
wird. Indem man etwa die Gefühle<br />
zu Papier bringt und den Text dann<br />
verbrennt. Ein Scheidungsritual<br />
kann also eine hilfreiche Ergänzung<br />
zu einem therapeutischen oder beraterischen<br />
Angebot sein. Ich bin >>><br />
33
Monatsinterview<br />
>>> überzeugt davon, dass neben anerkannt werden. Und in einem Situationen, die einen nach einer<br />
den rechtlichen Aspekten in einer<br />
Scheidung am Gericht die emotionalen<br />
und sogar die spirituellen<br />
durch ein Ritual besser gelöst werden<br />
können. Gerade auch bei Eltern ist<br />
das sehr wichtig. Es geht dann darum,<br />
dritten Teil geht es schliesslich um<br />
das Geschiedensein als neue Lebensform.<br />
Diese drei Schritte spielen<br />
nicht nur bei Scheidungsritualen,<br />
sondern auch bei allen anderen<br />
Übergangsritualen eine Rolle.<br />
Warum ist dies so bedeutsam?<br />
vollzogenen Scheidung immer wieder<br />
einholen, an das Ri tual erinnern<br />
kann. Das Ritual ist wie eine Kraftquelle,<br />
aus der man schöpft.<br />
Können Sie ein Beispiel für ein Scheidungsritual<br />
für Eltern nennen?<br />
In Bezug auf den Wandel vom Ehe-<br />
«Bei einer Scheidung<br />
Wenn beispielsweise nur das dritte zum Elternpaar müsste es in folgende<br />
Richtung gehen: Die Frau und der<br />
Kriterium beachtet wird <strong>–</strong> also der<br />
ist es wichtig, auch<br />
dieser Zustand besonders zelebriert schiede mich von dir als meinem<br />
das Emotionale wird, dann fehlt der Schritt, wie man Ehepartner und sage ja zu dir als<br />
Zustand, wieder Single zu sein <strong>–</strong> und Mann sagen einander: «Ich verab<br />
den Ex-Partner wirklich loslassen Mutter/Vater unserer Kinder.»<br />
und Spirituelle zu<br />
oder das Positive in der Ex-Beziehung<br />
sehen kann. Indem man jedoch scheiden lassen. Wie lässt sich dies<br />
Von den Kindern kann sich niemand<br />
berücksichtigen.»<br />
deutlich zu machen, dass man<br />
zwar kein Ehepaar mehr ist, aber<br />
Elternpaar bleibt.<br />
Ist es wichtig, dass Betroffene selber<br />
herausfinden, welches Scheidungsritual<br />
hilfreich sein könnte?<br />
In der christlichen Tradition gibt es<br />
keine vorgegebenen Scheidungsrituale.<br />
Das Ideal ist da nach wie vor,<br />
sich nicht scheiden zu lassen. Zum<br />
anderen ist jede Scheidung für die<br />
Betroffenen wieder anders. Von<br />
daher ist der individuelle Zugang<br />
unumgänglich. Es gibt aber inzwischen<br />
weltweit viele Beispiele von<br />
Scheidungsritualen, an denen man<br />
sich orientieren kann.<br />
Wie gehen Sie konkret vor, wenn ein<br />
getrenntes Paar oder auch eine Einzelperson<br />
in Scheidung zu Ihnen kommt<br />
und ein Ritual durchführen möchte?<br />
zum Beispiel sagt: «Ich lasse dich<br />
gehen, danke und vergebe dir», löst<br />
man sich auch vom Versprechen,<br />
welches man sich bei der Hochzeit<br />
ja einmal gegeben hatte.<br />
Aus Ihren Forschungen geht hervor,<br />
dass nicht alle betroffenen Paare ein<br />
Scheidungsritual gemeinsam durchführen<br />
können, sondern es manchmal<br />
nur einer von ihnen für sich selber tut.<br />
Ja, meistens machen es dann die<br />
Frauen für sich allein. Bei Männern<br />
besteht oft noch die Befürchtung, es<br />
gehe in einem Ritual zu sehr in eine<br />
«Spür mich, fühl mich»-Richtung.<br />
Lassen sich Männer jedoch auf ein<br />
Ritual ein, empfinden sie es meist als<br />
sehr positiv. Es gibt ja auch eher<br />
nüchterne Möglichkeiten, etwa dass<br />
man sich die Eheringe zurückgibt.<br />
Will heissen: Man hat sich den Ring<br />
bei der Hochzeit gegenseitig angesteckt,<br />
und bei der Umwandlung im<br />
rituell einbinden?<br />
Kinder wollen ja selbst bei schwierigen<br />
Ehen meistens, dass die Eltern<br />
zusammenbleiben. Als Mutter und<br />
Vater können sie ihnen in einem<br />
Ritual zum Beispiel Folgendes versichern:<br />
«Wir haben uns voneinander<br />
getrennt, aber nicht von dir.<br />
Unsere Liebe zu dir hört nie auf.»<br />
Und dann könnte der Vater, die<br />
Mutter dem Kind symbolisch etwas<br />
übergeben. Zum Beispiel ein Medaillon.<br />
Das heisst, das Eheversprechen<br />
wird aufgelöst, das Elternversprechen<br />
bleibt. Eine andere Variante<br />
wäre, dass der Ritualleiter zum Kind<br />
sagt: «Du hast keine Verantwortung<br />
für die Scheidung deiner Eltern. Du<br />
kannst nichts dafür, und du musst<br />
auch nichts dagegen machen. Du<br />
bleibst eine Quelle der Freude.»<br />
Dann spielt zuerst einmal das Ge Scheidungsritual wird er dem anderen<br />
wieder zurückgegeben.<br />
«Für die Kinder kann<br />
spräch eine zentrale Rolle. Ich höre<br />
zu und frage nach, um herauszuspüren,<br />
Und was macht man dann mit dem ein Scheidungsritual<br />
welche Bedürfnisse da sind und Ring des anderen?<br />
eine Entlastung<br />
welche Art von Ritual sich die Be Je nachdem, vielleicht am besten<br />
troffenen vorstellen könnten. Dabei einschmelzen. Dann wandelt man bedeuten.»<br />
achte ich darauf, dass drei Kriterien<br />
erfüllt werden: Ein Teil des Rituals<br />
sollte darin bestehen, sich von der<br />
Ehe zu lösen, den Ex-Partner also<br />
loszulassen. Zweitens sollte eine<br />
Umwandlung, eine Umdeutung von<br />
dem, was geschehen ist, stattfinden.<br />
Dabei soll auch das Positive an der<br />
vergangenen Beziehung gesehen und<br />
konkret etwas um. Die Form verändert<br />
sich, aber die Substanz ist nicht<br />
weg. Wenn man aber nichts Rituelles<br />
unternimmt, nur das Rechtliche<br />
klärt, bleibt man emotional oft auf<br />
eine negative Art miteinander verbunden.<br />
Dieses Negative kann man<br />
durch ein Scheidungsritual auflösen.<br />
Gerade weil man sich in schwierigen<br />
Inwiefern ist ein Scheidungsritual<br />
auch eine Entlastung für die Kinder?<br />
Es sind die wenigen klaren Worte<br />
und Symbole, die eine Kraft und<br />
Wirkung haben. Die Kinder merken,<br />
dass ein Ritual ein besonderes Setting<br />
darstellt <strong>–</strong> wie etwa auch an<br />
34 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Weihnachten oder Geburtstagen.<br />
Und das hat dann eine tiefere Bedeutung,<br />
als wenn die Eltern dem Kind<br />
einfach en passant sagen, dass sie es<br />
weiterhin gerne hätten. Viele Kinder<br />
in Scheidungssituationen erfahren<br />
Zu rückweisung und Ablehnung und<br />
leiden unter Schuldgefühlen. Deshalb<br />
ist diese Entlastung auch so<br />
wichtig.<br />
Und wenn der Vater oder die Mutter<br />
wieder heiraten?<br />
Dann sollten die Kinder in die Feierlichkeiten<br />
integriert werden. Idealerweise<br />
ebenfalls mit einem Ritual.<br />
Denn die Kinder aus der vergangenen<br />
Beziehung sind ein wesentlicher<br />
Teil der neuen Familie. Es findet<br />
dann nicht eine Paar-Hochzeit, sondern<br />
eigentlich eine Familien-Hochzeit<br />
statt. So erhalten Kinder auch<br />
die Möglichkeit, eine neue Stellung<br />
zu bekommen und einzunehmen.<br />
Sie sagten, in manchen Fällen mache<br />
nur ein Elternteil, zumeist die Mutter,<br />
seltener der Vater, das Scheidungsritual.<br />
Was kann sie oder auch er dem<br />
Kind dann alleine vermitteln?<br />
Sicher die folgende Botschaft: «Du<br />
darfst zu Mama, zu Papa gehen. Du<br />
darfst sie oder ihn gerne haben. Du<br />
darfst es schön haben bei ihr oder<br />
ihm.» So stärkt man das Grundvertrauen<br />
des Kindes in den Weiterbestand<br />
der Elternschaft. Denn viele<br />
Kinder in einer Scheidungssituation<br />
sind unsicher, leiden darunter, dass<br />
die Eltern in Konkurrenz zueinander<br />
stehen, gerade in Bezug auf die Kinder.<br />
Ein solches Ritual hilft Müttern<br />
oder Vätern auch selber, weniger<br />
negativ über den anderen Elternteil<br />
zu sprechen, insbesondere den Kindern<br />
gegenüber.<br />
Was, wenn ein Jugendlicher, dessen<br />
Eltern getrennt sind, zu Ihnen kommt<br />
und alleine ein Ritual machen möchte<br />
<strong>–</strong> ohne seine Mutter oder seinen<br />
Vater?<br />
Es gibt tatsächlich Beispiele von<br />
Scheidungsritualen, bei denen die<br />
Eltern zwar dabei sind, aber die Kinder<br />
im Fokus stehen. Diese schildern<br />
dann, was sie auf dem Herzen >>><br />
Pfarrer Bianca hört<br />
Menschen in einer<br />
Scheidung gut zu und<br />
versucht mit ihnen<br />
herauszufinden, was<br />
ihnen hilft.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>635
Monatsinterview<br />
>>> haben, und die Eltern hören zu.<br />
Und anschliessend gehen die Eltern<br />
zu den Kindern, geben ihnen die<br />
Hände und versichern ihnen, dass<br />
sie sie weiterhin lieben werden, auch<br />
wenn sie sich als Paar getrennt<br />
haben. Ich konnte als Pfarrer auch<br />
schon mit einzelnen Jugendlichen<br />
sehr gut allein über ihre Familiensituation<br />
sprechen. Aber bei einem<br />
Scheidungsritual plädiere ich schon<br />
dafür, dass die Eltern dabei sind,<br />
zumindest ein Elternteil.<br />
Wo finden Scheidungsrituale statt?<br />
Das ist sehr individuell. Es kann,<br />
muss aber nicht in einer Kirche sein.<br />
Vielleicht dort, wo man das Hochzeitsfest<br />
gefeiert hat, oder in der<br />
«Ein Ritual hilft oft,<br />
besser annehmen zu<br />
können, was ist.»<br />
Natur, bei einer Weggabelung, im<br />
Wald, am Wasser, auf einer Anhöhe.<br />
Es sollte ein besonderer, symbolischer<br />
Ort sein. Auch im Garten des<br />
gemeinsamen Hauses möglicherweise;<br />
dort, wo das Familienleben im<br />
Zentrum stand.<br />
Hilft ein Scheidungsritual auch dann,<br />
wenn wieder eine neue Beziehung eingegangen<br />
wird?<br />
Ja, weil die Ex-Beziehung gelöster<br />
ist. Ohne Ritual streicht man oft die<br />
vergangene Ehe wie vollständig aus<br />
dem Leben. Oder man geht in die<br />
Gegenposition und glaubt nach wie<br />
vor, dass nur wenig gefehlt hätte, um<br />
weiterhin zusammenzubleiben. Beides<br />
verhindert, das eigene Leben, wie<br />
es wirklich ist, zu akzeptieren.<br />
Ist ein Ritual also auch hilfreich, um<br />
sich mit sich selbst zu versöhnen?<br />
Ja <strong>–</strong> das ist eine sehr wesentliche<br />
Wirkung. Für viele zeigt sich im<br />
Nachhinein nämlich, dass die Partnerwahl<br />
nicht selten eine Fehlwahl<br />
war.<br />
Das klingt ernüchternd …<br />
Man kann, wenn man heiratet, nicht<br />
wissen, wie man sich in den nächsten<br />
30 Jahren entwickeln wird. Viele<br />
gehen tatsächlich in unterschiedliche<br />
Richtungen. Wenn aus einem Paar<br />
eine Familie wird, bringt das oft auch<br />
einschneidende Veränderungen auf<br />
der Paarebene, die nicht alle bewältigen.<br />
Die Frau verändert sich durch<br />
die Mutterschaft, der Mann bekommt<br />
eine andere Stellung. Das ist emotional,<br />
spirituell und sozial anspruchsvoll.<br />
Wie ein Paar mit solchem Stress,<br />
auch mit beruflichen Belastungen<br />
umgeht, ist entscheidend dafür, ob<br />
man zusammenbleibt oder nicht.<br />
Was machen Paare, die zusammenbleiben,<br />
anders?<br />
Sie haben eine gemeinsame Ausrichtung,<br />
teilen zentrale Werte und pflegen<br />
bewusst ihre Paarbeziehung.<br />
Eine Grundähnlichkeit zwischen<br />
beiden ist sicher günstig. Ich fordere<br />
Paare, die heiraten möchten, jeweils<br />
auf, mir drei Schwächen des anderen<br />
zu nennen. Diese beziehe ich ins<br />
Eheversprechen mit ein. Es geht also<br />
auch darum, den anderen mit seinen<br />
Stärken und auch Schwächen anzuerkennen<br />
und anzunehmen.
Psychologie & Gesellschaft<br />
Mehr Platz für Kinder!<br />
Öffentliche Räume zum Spielen werden immer rarer, und die Angst der Eltern<br />
vor Gefahren wird grösser. Dabei ist unbeaufsichtigtes Spielen für eine<br />
gesunde Entwicklung wichtig. Deshalb hat Pro Juventute die Kampagne<br />
«Mehr Platz für Kinder!» lanciert, bei der Kinder als Experten Spielplätze<br />
bewerten können. Text: Susan Edthofer<br />
Hier geht es nicht mehr weiter. Der Weg<br />
führt über die Brücke und nicht durch<br />
den Wald», ruft Karla ihren Freunden<br />
zu. «Wir müssen umkehren.» Umgehend<br />
machen die Kinder kehrt. «Hey,<br />
Leute, aufgepasst, das ist keine gewöhnliche Brücke,<br />
sondern eine Hängebrücke. Es wackelt ziemlich, und<br />
ihr müsst euch festhalten», warnt Jorin. Zögerlich die<br />
einen, wagemutig und unerschrocken die andern, überqueren<br />
die Kinder die Brücke. Auf der anderen Seite<br />
angekommen, bemerkt Mirjam mit leicht besorgter<br />
Miene, wie sich dicke Gewitterwolken zusammenballen.<br />
«Beeilt euch, ein Gewitter ist im Anzug. Hoffentlich<br />
schaffen wir es noch bis zur Hütte, ohne nass zu werden.»<br />
So intensiv und spannend kann das Zusammensein<br />
mit Gleichaltrigen sein.<br />
Doch der neunjährige Timo erlebt dieses Abenteuer<br />
nicht wirklich, sondern zu Hause am Bildschirm. Noch<br />
packender wäre dieser Ausflug, wenn er in der realen<br />
Welt und mit richtigen Freunden stattfinden würde.<br />
Primarschulkinder brauchen Angebote, um in der näheren<br />
Umgebung ihres Zuhauses herumzutollen <strong>–</strong> auch<br />
mal ausser Sichtweite von Erwachsenen.<br />
Öffentlicher Spielraum wird rar<br />
Für viele Kinder ist das Spielen im Freien aus unterschiedlichen<br />
Gründen kaum möglich. Vielleicht ist die<br />
Wohnsituation so, dass es in der näheren Umgebung gar<br />
keine Spielmöglichkeiten gibt. Oder die Eltern haben<br />
Angst um ihr Kind und verbieten das unbeaufsichtigte<br />
Spielen im Freien. Laut einer aktuellen Studie haben in<br />
Deutschland vier von zehn Kindern in ihrem Wohnumfeld<br />
kaum die Möglichkeit, frei und unbeaufsichtigt zu<br />
spielen. Erfahrungswerte aus der Schweiz ergeben ein<br />
ähnliches Bild. Dabei werden beim Rennen, Klettern<br />
oder Purzelbaumschlagen Ausdauer und Beweglichkeit<br />
gefördert, beim Balanceakt über Stämme oder schmale<br />
Mauern wird das Gleichgewicht verbessert.<br />
Im Spiel lernen Kinder, aufeinander einzugehen, sich<br />
in einer Gruppe zu organisieren und allfällige Kon flikte<br />
selbst auszutragen. Eltern, die ihren Kindern solche<br />
Eigenständigkeit zugestehen, helfen das<br />
Selbstvertrauen zu stärken und die Selbständigkeit<br />
zu fördern. Da nicht alle Kinder<br />
das Privileg haben, in einem Haus mit Garten<br />
aufzuwachsen, und öffentliche Spiel orte<br />
zunehmend seltener werden, wurde Pro<br />
Juventute aktiv. Mit der nationalen Kampagne «Mehr<br />
Platz für Kinder!» macht die Stiftung darauf aufmerksam,<br />
dass es auch in der Schweiz immer weniger kinderfreundliche<br />
Räume gibt.<br />
Spielorte mit Aufforderungscharakter<br />
Raum zum Spielen ist nicht bloss eine gutgemeinte, kinderfreundliche<br />
Idee, sondern ein grundlegendes Recht,<br />
das Kindern laut UN-Kinderrechtskonvention zusteht.<br />
Das Recht auf Spiel steht in wechselseitiger Verbindung<br />
mit anderen Kinderrechten wie beispielsweise dem Recht<br />
auf Beteiligung. Dieses bedeutet, Kinderanliegen ernst<br />
zu nehmen und Kindern zu ermöglichen, ihre Meinung<br />
kundzutun. Mit der Kinder-App «Mehr Platz für dich!»<br />
kommt Pro Juventute dieser Forderung nach. Als Spielexpertinnen<br />
und Spielexperten können Kinder öffentliche<br />
Spielplätze auskundschaften und bewerten.<br />
Spielplätze werden oft aus Sicht von Erwachsenen<br />
konzipiert, und bei der Spielplatzgestaltung wird nicht<br />
selten über die Köpfe von Kindern hinweg entschieden.<br />
Damit Spielräume attraktiv und ansprechend sind, müssen<br />
die Bedürfnisse der Kinder besser ausgelotet und<br />
die jungen Akteure direkt miteinbezogen werden.<br />
«Spielplätze werden<br />
oft ohne Kinder<br />
geplant und<br />
umgesetzt.»<br />
Susan Edthofer ist Redaktorin<br />
im Bereich Kommunikation<br />
von Pro Juventute.<br />
Pro Juventute: Kinderkampagne «Mehr Platz für Kinder!»<br />
Die Kampagne macht darauf aufmerksam, dass Kinder Freiraum brauchen,<br />
um gesund aufzuwachsen. Mit der Kinder-App können Kinder ihre<br />
Umgebung erkunden und im Freiraum-Game anzeigen, wo es ihnen gefällt.<br />
Gratis-Download und weitere Informationen und Materialien zum Thema<br />
unter www.projuventute.ch/freiraum. Individuelle Beratung finden Eltern<br />
bei der Pro Juventute Elternberatung, Telefon 058 261 61 61 oder im<br />
Internet unter www.projuventute-elternberatung.ch.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>637
Im Dschungel<br />
der Vaterschaft<br />
Wie beeinflusst der kulturelle Hintergrund eines Mannes dessen Rolle<br />
als Vater? Welche Auswirkungen hat dies auf seine Familie? Auf der<br />
Suche nach Antworten sind zwei Anthropologen in die Wälder der Republik<br />
Kongo gereist, wo zwei Kulturen mit sehr unterschiedlichen Ansichten<br />
zur Vaterschaft Seite an Seite leben.<br />
Text: Adam Howell Boyette und Lee Gettler<br />
«Bei manchen jungen<br />
Vätern verändern sich<br />
Hormonhaushalt<br />
und Gehirnfunktion.»<br />
Lee Gettler ist Assistenzprofessor für<br />
Anthropologie an der University of Notre<br />
Dame, Indiana, USA. Er und seine Frau Laura<br />
sind stolze Eltern eines aufgeweckten<br />
15 Monate alten Kindes.<br />
E<br />
s war Mittag. Der Himmel<br />
war bedeckt. Am<br />
Tag zuvor hatte der<br />
Tropenregen den Staub<br />
weggespült, und die<br />
Luft war klar. Wir hatten gerade einige<br />
Eltern der Mbendjele zu ihren Vorstellungen<br />
zum Thema Vaterschaft<br />
befragt und hörten von einem Tanz<br />
am anderen Ende des Dorfes. Es war<br />
der Tanz von Dzengi, dem Geist des<br />
Waldes. Die Tänzer bildeten zwei<br />
konzentrische Kreise <strong>–</strong> die Männer<br />
in der Mitte und die Frauen um sie<br />
herum <strong>–</strong> und sangen mehrstimmige<br />
Harmonien, während sie dem Geist<br />
folgten, der, geschmückt mit den hellgrünen<br />
Blättern der jungen Raphiapalme,<br />
umherwirbelte.<br />
Vor uns, inmitten der Schar, die<br />
Dzengi folgte, übergab eine Frau<br />
einen schlafenden Säugling an dessen<br />
Beim Stamm der Mbendjele<br />
teilen sich Vater und Mutter<br />
die elterlichen Pflichten.<br />
Vater, um ungestört tanzen zu können.<br />
Er schlang die Trageschlinge<br />
flink um seinen Hals und setzte das<br />
Baby auf seiner Hüfte ab. Er tanzte<br />
weiter und tätschelte dem Kind sanft<br />
den Rücken im Rhythmus der Musik.<br />
«Taye munye!», rief unser einheimischer<br />
Führer, der fröhlich in der<br />
Nähe tanzte und sang. Da er unser<br />
Projekt bereits kannte, deutete er auf<br />
das, was wir gerade beobachtet hatten:<br />
«Taye munye» <strong>–</strong> «guter Vater».<br />
[Adam Boyettes Feldnotizen, 22. Juni<br />
<strong>2<strong>01</strong>5</strong>]<br />
Diese Szene ist typisch für den<br />
Stamm der Mbendjele. Als gleichberechtigte<br />
Jäger und Sammler ist es<br />
ihnen wichtig, einander in jedem<br />
Lebensbereich zu helfen. Geprägt<br />
durch diese Einstellung teilen sich<br />
Vater und Mutter die elterlichen<br />
Pflichten, von der Nahrungsbeschaffung<br />
bis hin zum Trösten des weinenden<br />
Säuglings.<br />
Ihre Nachbarn, die Bantu, die an<br />
den Rändern des Regenwaldes<br />
Landwirtschaft betreiben, haben<br />
ganz andere Vorstellungen von<br />
Vaterschaft. Bei ihnen sind die Väter<br />
die Familienoberhäupter. Sie werden<br />
gefürchtet und respektiert. Interaktionen<br />
zwischen Vater und Kind<br />
sind unüblich und beschränken sich<br />
eher auf Bestrafung als auf Fürsorge.<br />
In unserer Studie fokussieren wir<br />
auf diese beiden Gruppen. Wir<br />
untersuchen, inwiefern sich verschiedene<br />
Ansichten zur Rolle des<br />
Mannes in der Familie auf die Biologie<br />
des Vaters auswirken. Bei manchen<br />
Männern, die gerade Väter<br />
38 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Psychologie & Gesellschaft<br />
geworden sind, kann man eine Veränderung<br />
der Hormon- und Ge -<br />
hirnfunktion beobachten. Diese hilft<br />
den Vätern, sich auf die Fürsorge<br />
vorzubereiten <strong>–</strong> zumindest in Kulturen,<br />
in denen sie sich diese Rolle<br />
mit der Mutter oder anderen Menschen<br />
teilen.<br />
Noch gibt es nur wenig Erkenntnisse<br />
darüber, wie sich die Biologie<br />
des Vaters an die Anforderungen der<br />
Vaterschaft in jenen Kulturen angepasst,<br />
in denen von Vätern nicht<br />
erwartet wird, dass sie ihre Kinder<br />
umsorgen und mit ihnen spielen.<br />
Ebenso wenig ist darüber bekannt,<br />
welche Auswirkungen diese Unterschiede<br />
auf das physische und psychische<br />
Wohlergehen der Kinder<br />
haben.<br />
Mit unserer Studie wollen wir<br />
zum Verständnis beitragen, wie flexibel<br />
die Biologie des Vaters durch<br />
die Evolution geprägt ist und wie<br />
Massnahmen gestaltet werden können,<br />
um Vätern zu helfen, ihren<br />
Kindern das zu geben, was sie brauchen.<br />
Wir wollen verstehen, wie<br />
Aspekte des menschlichen Umfelds,<br />
wie kulturelle Normen und Sozialsysteme<br />
mit biologischen Funktionen<br />
interagieren, um das Verhalten<br />
und letztendlich die Gesundheit<br />
beeinflussen zu können. Diese<br />
Wechselwirkungen wollen wir in<br />
verschiedenen Kontexten erforschen.<br />
Die meisten Studien über die<br />
Rolle des Mannes in der Familie<br />
sind in westlichen Gesellschaften <strong>–</strong><br />
vor allem in den USA und Westeuropa<br />
<strong>–</strong> durchgeführt worden und<br />
repräsentieren damit nur einen<br />
Bruchteil der Menschheit und der<br />
Art, wie Männer die Vaterrolle ausüben.<br />
Auch gibt es nur wenige Er -<br />
kenntnisse darüber, wie verschiedene<br />
Modelle des Familienlebens<br />
und der Vaterrolle mit biologischen<br />
Mustern in Zusammenhang stehen<br />
oder welche Zusammenhänge es<br />
zwischen Biologie, Vaterverhalten<br />
sowie Kultur und der Gesundheit<br />
von Kindern gibt.<br />
Bei den Bantu sind die Väter<br />
eher fürs Bestrafen als für<br />
die Fürsorge zuständig.<br />
Diese Beweggründe haben uns in<br />
den Kongo geführt. Mit dem Projekt<br />
schlagen wir eine Brücke zwischen<br />
unseren Forschungsinteressen und<br />
methodischen Kompetenzen. Lee<br />
Gettler widmet sich der Frage, wie<br />
sich der Hormonhaushalt von Männern<br />
mit der Vaterschaft verändert<br />
und wie sich diese Veränderungen<br />
und das Vaterverhalten von Männern<br />
untereinander beeinflussen.<br />
Adam Howell Boyette hat jahrelang<br />
in Jäger-und-Sammler-Gemeinschaften<br />
und landwirtschaftlichen<br />
Gemeinschaften im Kongobecken<br />
gelebt. Dort erforschte er, wie Kultur<br />
und Ökologie das Erlernen der<br />
Vaterrolle strukturieren.<br />
Dieses Jahr haben wir die Mbendjele<br />
und Bantu besucht und mit den<br />
Befragungen begonnen. Nächstes<br />
Jahr werden wir biologische Proben<br />
von Vätern sammeln, um festzustellen,<br />
ob ihr Hormonspiegel in Ab -<br />
hängigkeit von der Interaktion mit<br />
ihren Kindern variiert und inwieweit<br />
sie dem Bild eines «guten<br />
Vaters» innerhalb ihrer jeweiligen<br />
Gemeinschaft entsprechen. Ausserdem<br />
werden wir Untersuchungen<br />
über die Gesundheit und das Wohlbefinden<br />
der Kinder durchführen.<br />
Schliesslich ist es das Ziel vieler<br />
Väter, ihre Kinder wachsen und<br />
gedeihen zu sehen. Wir glauben,<br />
dass die Ergebnisse Aufschluss darüber<br />
geben, wie Väter dieses Ziel<br />
unter vielfältigen Umständen und<br />
geprägt von individuellen Unterschieden,<br />
Kultur und Biologie erreichen<br />
können.<br />
«Wir wollen wissen, wie sich<br />
kulturelle Ansichten zur<br />
Vaterrolle auf die Biologie<br />
von Vätern auswirken.»<br />
Adam Howell Boyette ist Anthropologe und<br />
dozierender Mitarbeiter an der Duke University<br />
in Durham, North Carolina, USA. Zum<br />
Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels<br />
erwarten er und seine Frau Emilia die Geburt<br />
ihres zweiten Kindes.<br />
Jacobs Foundation<br />
Als eine der weltweit führenden gemeinnützigen<br />
Stiftungen verpflichtet sich die Jacobs Foundation<br />
seit 25 Jahren der Forschungsförderung im Bereich<br />
der Kinder- und Jugendentwicklung. Die Stiftung<br />
möchte künftige Generationen durch die<br />
Verbesserung ihrer Entwicklungsmöglichkeiten<br />
nachhaltig unterstützen.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>639
Wenn die Angst das Leben bestimmt<br />
Ängste sind im Kindes- und Jugendalter weit verbreitet und gehören zur normalen<br />
Entwicklung. Wenn die Angst jedoch zu einem Problem im Alltag des Kindes<br />
und dessen Familie wird, ist professionelle Hilfe angesagt. Text: Irina Kammerer<br />
blamieren, vor den anderen blöd<br />
dazustehen oder ausgelacht zu werden.<br />
Während der Pause steht er fast<br />
immer mit gesenktem Kopf abseits<br />
des Spielgeschehens alleine herum.<br />
In der Klasse beginnt er nie ein<br />
Gespräch mit anderen Kindern, und<br />
er hat grosse Schwierigkeiten zu antworten,<br />
wenn er angesprochen wird.<br />
Das Verhalten zu Hause ist völlig<br />
anders: In der Familie ist Jonas herzlich<br />
und aufgeschlossen.<br />
Angststörungen<br />
sind die<br />
häufigste<br />
psychische<br />
Störung bei<br />
Kindern.<br />
Die achtjährige Sabine<br />
hängt am Rockzipfel<br />
ihrer Mutter. Sie verfolgt<br />
diese Schritt für<br />
Schritt und kann sich<br />
kaum von ihr lösen. In der ersten<br />
Klasse musste die Mutter Sabine<br />
immer bis ins Schulzimmer begleiten.<br />
Alltägliche Verrichtungen, wie<br />
beim Bäcker Brot kaufen, kann Sabine<br />
nicht meistern. Sie beginnt nach<br />
solchen Aufforderungen gleich zu<br />
weinen, klammert sich an die Mutter<br />
oder schreit und schlägt wild um<br />
sich. Sabine fürchtet, ihrer Mutter<br />
könnte etwas zustossen, deshalb<br />
weicht sie nicht von ihrer Seite.<br />
Der zehnjährige Jonas traut sich<br />
nicht, etwas vor der ganzen Klasse<br />
zu sagen. Er streckt nie auf. Über<br />
anstehende Vorträge macht er sich<br />
bereits Wochen im Voraus viele<br />
Gedanken. Jonas hat Angst, dass er<br />
sich verspricht; er befürchtet, sich zu<br />
Foto: Plainpicture / Millennium<br />
Ängste im Kindesalter sind normal<br />
Angst ist zunächst einmal eine normale<br />
und lebenswichtige Reaktion<br />
des Organismus, welche hilft, Gefahren<br />
rechtzeitig zu erkennen und diese<br />
zu bewältigen. Ängste im Kindesund<br />
Jugendalter sind normal. In<br />
jeder Entwicklungsphase durchlaufen<br />
Kinder typische Ängste, sogenannte<br />
entwicklungsphasentypische<br />
Ängste wie die Angst vor der Dunkelheit,<br />
vor dem «Monster unter dem<br />
Bett». Sie gehören zur normalen<br />
Entwicklung und verändern sich mit<br />
der kognitiven Entwicklung. Von<br />
einer Angststörung im klinischen<br />
Sinne wird dann gesprochen, wenn<br />
die Ängste zu einem erheblichen<br />
Leidensdruck führen, das Leben und<br />
die Entwicklung beeinträchtigt sind<br />
und das Kind über einen längeren<br />
Zeitraum unter der Angst leidet.<br />
Verschiedene Angststörungen<br />
Sabine leidet unter einer emotionalen<br />
Störung mit Trennungsangst des<br />
Kindesalters, Jonas unter einer Störung<br />
mit sozialer Ängstlichkeit des<br />
Kindesalters. Nebst diesen beiden<br />
40 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Psychologie & Gesellschaft<br />
Angststörungen zählen die phobische<br />
Störung des Kindesalters sowie<br />
die generalisierte Angststörung zu<br />
den häufigsten Angststörungen im<br />
Kindes- und Jugendalter. Die Panikstörung<br />
und die Agoraphobie (Angst<br />
vor Plätzen) treten bei Kindern selten<br />
auf. Die Zwangsstörungen und<br />
die posttraumatische Belastungsstörung<br />
werden ebenfalls unter die<br />
Kategorie der Angststörungen subsumiert.<br />
Kinder und Jugendliche mit einer<br />
generalisierten Angststörung ma -<br />
chen sich übermässig starke oder<br />
unbegründete und nicht kontrollierbare<br />
Sorgen über verschiedene, alltägliche<br />
Dinge. So beispielsweise<br />
auch die 12-jährige Valentina. Sie<br />
hat Angst davor, dass sie nicht<br />
pünktlich zum Unterricht erscheint<br />
oder ihre Mutter den Arzttermin am<br />
Nachmittag vergisst und nicht angegurtet<br />
Auto fährt. Sie denkt bereits<br />
permanent an den in zwei Wochen<br />
stattfindenden Sporttag, an dem sie<br />
ein möglichst gutes Resultat erlangen<br />
möchte. Obwohl sie eine sehr<br />
gute Schülerin ist, macht sich Valentina<br />
vor jeder Prüfung grosse Sorgen.<br />
Das Mädchen wirkt körperlich<br />
sehr angespannt und hat oft Mühe,<br />
einzuschlafen.<br />
Simone ist sieben Jahre alt und<br />
hat ausgeprägte Angst vor Wespen.<br />
Sie spielt seit mehreren Monaten<br />
nicht mehr im Freien, sie weigert<br />
sich, über eine Wiese zu gehen oder<br />
im Freien zu essen oder zu trinken.<br />
Sie befürchtet, gestochen zu werden.<br />
Sobald sie ein Summen hört oder<br />
eine Wespe sieht, fängt sie an, wild<br />
um sich zu schlagen. Sie weint dann,<br />
schreit und läuft schnell ins Haus.<br />
Ihre Spielkameraden wenden sich<br />
zunehmend von ihr ab, da sie nicht<br />
immer zum Spielen zu Simone nach<br />
Hause gehen wollen. Zudem werden<br />
die Pausen in der Schule zu einem<br />
Problem, da sich Simone weigert,<br />
auf den Pausenplatz zu gehen.<br />
Angststörungen zählen zur häufigsten<br />
psychischen Störung des<br />
Kindes- und Jugendalters. Jedes<br />
zehnte Kind ist davon betroffen.<br />
Angststörungen sind ernst zu nehmen,<br />
da sie einen bedeutenden Risikofaktor<br />
für die Entwicklung psychischer<br />
Störungen im Jugend- und<br />
Erwachsenenalter darstellen. Leider<br />
werden Kinder mit Angststörungen<br />
leicht verkannt, da sie nicht wie<br />
unruhige, zappelige oder aggressive<br />
Kinder auffallen.<br />
Welche Ursachen haben Ängste?<br />
Aus wissenschaftlicher Sicht ist ein<br />
multifaktorielles Erklärungsmodell<br />
(das biopsychosoziale Modell) für<br />
die Entstehung von Angststörungen<br />
verantwortlich. Zur Entstehung und<br />
Aufrechterhaltung von Angststörungen<br />
zählen zum einen Faktoren, die<br />
beim Kind selber liegen (wie genetische<br />
Disposition, Temperament),<br />
psychische Faktoren (Kognitionen<br />
wie Interpretation von Reizen und<br />
Situationen) und soziale und interpersonale<br />
Faktoren (wie die Eltern-<br />
Kind-Interaktion, stark überbehütender<br />
und kontrollierender Erziehungsstil,<br />
ängstliches Vorbild der<br />
Eltern, Aufmerksamkeitszuwendung<br />
der Eltern bei ängstlichem Verhalten<br />
des Kindes, Eltern, die selber unter<br />
einer Angststörung leiden usw.). Die<br />
Entwicklung einer Angststörung<br />
kann meist durch das Auftreten von<br />
mehreren ungünstigen Faktoren<br />
erklärt werden. Ungünstige Eltern-<br />
Kind-Interaktionen können zudem<br />
die Angst aufrechterhalten.<br />
Wie werden Ängste behandelt?<br />
Die grundsätzliche Botschaft lautet:<br />
Ängste im Kindes- und Jugendalter<br />
sind normal. Wenn diese jedoch ein<br />
Ausmass und eine Häufigkeit annehmen,<br />
die über das normale, entwicklungsadäquate<br />
Verhalten hinausgehen,<br />
ist professionelle Hilfe angesagt.<br />
Ängste lassen sich bei frühzeitigem<br />
Intervenieren gut behandeln und<br />
haben dann eine gute Prognose.<br />
Zentrales Ziel in der Behandlung<br />
von Angststörungen sind der Abbau<br />
von Vermeidungsverhalten, die Veränderung<br />
der Bewertung von Angst-<br />
Ursachen von Angststörungen<br />
im Kindes- und Jugendalter<br />
Genetische Disposition, Temperament<br />
des Kindes<br />
Psychische Faktoren: Wie interpretiert<br />
das Kind z. B. Reize und Situationen?<br />
Soziale und interpersonale Faktoren<br />
wie z. B. die Eltern-Kind-Interaktion, ein<br />
sehr überbehütender und kontrollierender<br />
Erziehungsstil, ängstliches Vorbild der Eltern,<br />
Aufmerksamkeitszuwendung der Eltern bei<br />
ängstlichem Verhalten des Kindes oder Eltern,<br />
die selber unter einer Angststörung leiden<br />
Die Entwicklung einer Angststörung<br />
kann meist durch das Auftreten mehrerer<br />
ungünstiger Faktoren erklärt werden.<br />
Ungünstige Eltern-Kind-Interaktionen<br />
können zudem die Angst aufrechterhalten.<br />
auslösern und Angstsymptomen<br />
sowie die Veränderung von ungünstigen<br />
Eltern-Kind-Interak tionen. Im<br />
weiteren Sinn steht die Stärkung des<br />
Selbstwertgefühls und der Selbstwirksamkeit<br />
im Fokus.<br />
Die kognitive Verhaltenstherapie<br />
ist derzeit die wirksamste Behandlung<br />
von Angststörungen und gilt<br />
als Methode der ersten Wahl. Für<br />
Kinder bis sechs Jahre sollte vor<br />
allem mit den Eltern gearbeitet werden.<br />
Im Schulalter erweist sich die<br />
Arbeit sowohl mit dem Kind als<br />
auch mit den Eltern als wirkungsvoll.<br />
Irina Kammerer<br />
Dr. phil., ist Psychologin und leitet am<br />
Psychotherapeutischen Zentrum des<br />
Psychologischen Instituts der Universität<br />
Zürich den Bereich Beratung und Therapie<br />
für Kinder, Jugendliche und Familien.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>641
«Meine Mama lügt nie!»<br />
Dürfen Eltern schwindeln? Die Bloggerin Nina Massek hat ein amüsantes Buch<br />
über diese Frage geschrieben. Ein Auszug.<br />
42 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Abgedruckt<br />
Illustration: Partner&Partner / 123RF<br />
Ich bin mir nicht sicher mit<br />
dem Weihnachtsmann, das<br />
ist bestimmt eine Lüge. Das<br />
mit den Rentieren und dem<br />
Schlitten, und dann kommen<br />
die alle durch den Kamin<br />
gesaust … Nee, irgendwie stimmt<br />
das nicht. Aber mein kleiner Bruder<br />
glaubt ja noch daran, und dann<br />
sage ich natürlich nichts. Aber den<br />
Nikolaus, den gibt es! Weisst du,<br />
warum ich das weiss?»<br />
«Nee, sach ma!»<br />
«Also, wir legen dem immer<br />
einen Apfel vor die Tür, und wenn<br />
der dann da war und die Geschenke<br />
gebracht hat, ist IMMER ein<br />
Zahnabdruck im Apfel. Also dann<br />
muss er ja da gewesen sein, oder?»<br />
Ich muss mir das Lachen verkneifen<br />
und nicke stattdessen. Ich<br />
sitze im Klassenraum meines Sohnes<br />
und führe mit ihm und seinen<br />
Schulkameraden Interviews zum<br />
Thema Lüge. Die Eltern meiner<br />
kleinen blonden Gesprächspartnerin<br />
haben wohl alles richtig<br />
gemacht mit der klassischsten aller<br />
Elternlügen. Das Weihnachtsmann-Nikolaus-Osterhase-Märchen<br />
funktioniert hier zumindest<br />
noch teilweise, und ich werde den<br />
Teufel tun und die Kleine ihrer<br />
schönen Illusion berauben.<br />
Am nächsten Tag darf ich die ganze<br />
Klasse befragen. «Die Frau hier<br />
schreibt ein Buch, das davon handelt,<br />
wie Erwachsene Kinder anlügen.»<br />
Bei diesen Worten schaut<br />
mich die Religionslehrerin leicht<br />
skeptisch an, es scheint, als sei ich<br />
ihr nicht so ganz geheuer. Offenbar<br />
habe ich ihr mein Buchprojekt vor<br />
meinem Auftritt nicht richtig<br />
erklärt. Ausserdem bin ich ein<br />
wenig aufgeregt. An den Wänden<br />
Bilder mit Bibelszenen, von den<br />
Kindern gemalt. Maria, Josef und<br />
das Jesuskind, viele Engel sind zu<br />
sehen, und ich erkenne auch<br />
Moses im Weidenkorb. Ein Kind<br />
hat ein Plakat gemalt, auf dem ich<br />
lese: «Die tsehn Gebohte». Auweia,<br />
die Kleinen sind also schon ethisch-moralisch aufgeklärt.<br />
Wie soll ich mich ihnen erklären? Und wie<br />
denken Kinder überhaupt über das Thema Wahrheit<br />
und Lüge? Sind sie noch vollkommen «unschuldig»,<br />
oder gibt es eventuell schon «Mini-Machiavellis»<br />
unter ihnen? Lügen Kinder also schon ziel- oder<br />
machtbewusst? Ist Lügen bei ihnen zweckgebunden?<br />
Die Kids schauen mich mit einer Mischung aus Interesse<br />
und Vorsicht an.<br />
Ich lächle, stelle mich mit fester Stimme vor und<br />
bleibe erst einmal bei der Wahrheit: «Hallo, ja genau,<br />
ich schreibe ein Buch. Und dafür würde ich gern<br />
von euch wissen, ob eure Eltern euch ab und zu anlügen<br />
und wie ihr das so findet. Also bei mir ist das<br />
so: Ich sage meinen Kindern manchmal nicht die<br />
Wahrheit.»<br />
Nun sind alle still, die Neugierde ist geweckt. Eine<br />
Erwachsene, die offen zugibt, dass sie lügt? Wo gibt’s<br />
denn so was? Ein Mädchen mit langen braunen<br />
Locken namens Victoria schaut sehr kritisch drein<br />
und meldet sich zu Wort. «Das ist dann aber voll<br />
gemein. Meine Mama lügt nie, das weiss ich!»<br />
Tja, was mache ich nun? Ich will ihr diesen Zahn<br />
jetzt nicht ziehen und sie daran erinnern, dass auch<br />
ihre Mutter sie vielleicht früher beim Trödeln mit den<br />
Worten «Dann gehe ich halt allein» mit einer Lüge zur<br />
Eile angetrieben hat. Als ob irgendeine Mama ein<br />
Kleinkind unbeaufsichtigt zu Hause lassen würde.<br />
Man stelle sich das mal vor. Was würde die oder der<br />
Kleine denn dann tun? Sicher schon mal die Wäsche<br />
zusammenlegen und die Steuererklärung machen, das<br />
wäre praktisch.<br />
Eltern sind teilweise sehr unkreativ, wenn es darum<br />
geht, ihre Kinder anzulügen. Und die «Dann gehe ich<br />
halt allein»-Lüge geht leider auf lange Sicht nicht gut.<br />
Spätestens wenn der Nachwuchs älter wird, ist dieses<br />
Verfahren nämlich eher kontraproduktiv. «Komm,<br />
Schatz, wir müssen jetzt Leergut wegbringen. Wenn<br />
du nicht kommst, gehe ich eben allein.»<br />
«Au ja, dann spiele ich ein bisschen mit den<br />
Küchenmessern und zünde alle Kerzen an.»<br />
Man muss schon genau aufpassen, was man so sagt als<br />
Mama. Und ich muss mir nun auch genau überlegen,<br />
wie ich mit der Klasse über mich spreche. Es ist sehr<br />
unwahrscheinlich, dass die Mutter des braun gelockten<br />
Mädchens noch nie eine Lüge angewandt hat, aber<br />
das muss Victoria ja nicht von mir erfahren.<br />
«Das ist ja toll, dass deine Mama so ehrlich ist»,<br />
sage ich also zunächst einmal, um Zeit zu schinden.<br />
Doch das Mädchen holt, ohne mit der Wimper zu<br />
zucken, zum nächsten Schlag aus. «Weiss Sebastian,<br />
dass du ihn anlügst?» Sie schaut erst meinen Sohn<br />
prüfend an, um dann mich sehr streng zu fixieren.<br />
Okay, das war irgendwie anders<br />
geplant. Jetzt werde also ich<br />
gegrillt. «Nein, man lügt ja auch<br />
oft, weil man jemanden nicht enttäuschen<br />
will … Also das ist dann<br />
eine ‹gute Lüge›, eine Notlüge.<br />
Weisst du schon, was das ist?»<br />
Hoffentlich funktioniert die<br />
Ab lenkung.<br />
Aber das «Verhör» ist noch<br />
nicht beendet. Nun befragt Victoria<br />
ihren Kronzeugen: «Sebastian, was<br />
sagst du denn dazu?»<br />
«Meine Mama lügt immer bei<br />
Süssigkeiten», legt er auch gleich<br />
wie aus der Pistole geschossen los.<br />
«Sie sagt zum Beispiel: ‹An diesem<br />
Nachmittag haben alle Zuckerverbot›,<br />
und dann isst sie doch was.»<br />
Die Zuhörer prusten los vor<br />
Lachen.<br />
Hallooo, ich bin auch noch da?<br />
Die sorgfältig geplante Umfrage<br />
mit den Kindern geht gerade<br />
gründlich schief. Die Autorität ist<br />
futsch, also bleibt mir nur noch,<br />
meinen Sohn zu fragen: «Und wie<br />
hast du herausgefunden, dass ich<br />
lüge?»<br />
«Ich weiss es einfach.»<br />
Ich bin also überführt. Von meinem<br />
eigenen Sohn.<br />
Nina Massek: Eine Mama<br />
am Rande des<br />
Nervenzusammenbruchs<br />
Goldmann, <strong>2<strong>01</strong>5</strong>.<br />
288 Seiten, Fr. 14.90,<br />
E-Book Fr. <strong>10</strong>.90<br />
Nina Massek<br />
studierte Neuere deutsche Literatur und<br />
Medien sowie Amerikanistik in Magdeburg.<br />
Seit vier Jahren betreibt sie den<br />
erfolgreichen Blog «Frau Mutter». Sie lebt<br />
mit ihrer Familie in Berlin.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>643
Aufgeklärt<br />
HILFE!<br />
Quelle der Freude<br />
In meiner letzten Kolumne möchte ich etwas Allgemeines,<br />
jedoch etwas vom Wichtigsten im Umgang mit jungen<br />
Menschen ansprechen: die Freude an ihnen. Und es geht<br />
auch um das Wertvollste, das wir ihnen schenken können:<br />
unser Interesse für sie.<br />
Text: Eveline von Arx<br />
Eveline von Arx<br />
Dr. phil. Pädagogin<br />
Foto: Geri Born, Illustration: Adão Iturrusgarai<br />
Seit Jahren schon beschäftige ich mich<br />
mit Jugendlichen. Als Studentin,<br />
Doktorandin und Dozentin an der<br />
Uni interessierte mich ihre Entwicklung<br />
<strong>–</strong> und wie von ihnen auch kritische<br />
Phasen bewältigt werden können <strong>–</strong> aus<br />
wissenschaftlicher Sicht. In meiner Tätigkeit<br />
als Leiterin des Dr.-Sommer-Teams bei der<br />
Jugendzeitschrift «Bravo» befasste ich mich<br />
mit den unzähligen und vielfältigen Anliegen,<br />
die Pubertierende im Umgang mit ihren<br />
Gefühlen, ihrer sexuellen Entwicklung, der<br />
ersten Liebe bewegen. Und in den vergangenen<br />
fünf Jahren hatte ich als Redaktionsleiterin<br />
und wissenschaftliche Mitarbeiterin beim<br />
Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi mit<br />
meinem Team die Chance, den Leserinnen<br />
und Lesern mit handlungsrelevantem Wissen<br />
aus den Bereichen Erziehung und Schule mittels<br />
journalistisch aufbereiteter Fachtexte<br />
unterstützend zur Seite zu stehen.<br />
Bei all diesen Aufgaben war es mir stets<br />
wichtig, das Verständnis für die Jugend zu<br />
schärfen. Aufwachsen bedeutet für Jugendliche<br />
heute vor allem auch, einen verantwortungsvollen<br />
Umgang mit den anderen <strong>–</strong> und<br />
mit sich selber <strong>–</strong> zu lernen. Also herauszufinden,<br />
wie man sich als Mitglied in diese Gesellschaft<br />
einbringen, aber auch individuieren,<br />
das heisst eine eigene Persönlichkeit entwickeln<br />
kann. Dies stellt eine grosse Herausforderung<br />
dar <strong>–</strong> sowohl für die jungen Menschen<br />
selber als auch für ihre Eltern, Lehr- und<br />
anderen wichtigen Bezugspersonen.<br />
Die Jugendlichen brauchen uns insofern,<br />
als wir sie dabei unterstützen können, an der<br />
Es geht auch darum, jungen<br />
Menschen zu zeigen, dass wir<br />
uns an ihnen erfreuen.<br />
Gemeinschaft zu partizipieren. Dadurch erleben<br />
sie sich als selbstwirksam, denn auf sie<br />
wird gehört.<br />
Schliesslich geht es dabei immer auch darum,<br />
den jungen Menschen zu zeigen, dass wir<br />
uns an ihnen erfreuen und wir uns für sie echt<br />
interessieren. So erfahren sie Bedeutung, entfalten<br />
ihre Stärken und kommen besser durchs<br />
Leben. Indem sie sich auf ihre persönlichen<br />
und sozialen Ressourcen stützen und verlassen<br />
können, wird ihre Resilienz <strong>–</strong> die psychische<br />
Widerstandsfähigkeit <strong>–</strong> gestärkt. In dem Sinne:<br />
Tragen Sie Sorge zur Jugend, es lohnt sich!<br />
44 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
150 Gratis-Denksportaufgaben<br />
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zu erhalten, sich gut zu verstehen und Alltagskonflikte<br />
fair zu lösen ohne Machtanwendungen und Verlierende.<br />
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Lernkarten und App - Lernen mit Spass<br />
führt zum Erfolg<br />
Gymicards wurde von zwei Ärzten aus Zürich gegründet, welche ihre<br />
gesamte Schulzeit in Zürich verbracht haben und bestens mit dem<br />
Schulsystem in der Schweiz vertraut sind.<br />
Im Zeitalter der Globalisierung und Digitalisierung hat Gymicards eine<br />
aufeinander angepasste Kombination aus Lernkarten und App<br />
entwickelt, um Schüler durch ihre Schulzeit zu begleiten und<br />
insbesondere effektiv auf die Gymiprüfung vorzubereiten. Zahlreiche<br />
Lehrer binden die Gymicards als Lehrmaterial ein.<br />
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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>645
Wenn das Essen<br />
zum Problem wird<br />
Wenn das Kind<br />
wenig oder auch<br />
viel zu viel essen<br />
mag, wird das oft<br />
zum Drama für die<br />
ganze Familie.<br />
«Falsche» oder ungünstige Essgewohnheiten können sich bereits im<br />
Vorschulalter, häufiger jedoch in den ersten Schuljahren zwischen acht und<br />
zwölf Jahren entwickeln. Je besser Eltern über derartige Entwicklungen<br />
Bescheid wissen, desto grösser ist die Chance, diese rechtzeitig zu<br />
erkennen und handeln zu können. Text: Susanne Kurz<br />
Im Säuglingsalter und in der frühen Kindheit ist<br />
ein wählerisches und auf wenige Nahrungsmittel<br />
beschränktes Essverhalten normal. Mit zunehmendem<br />
Alter des Kindes wächst sich dies in der<br />
Regel aus. Die allermeisten Eltern kennen dieses<br />
Phänomen. Weniger bekannt ist die Tatsache, dass einige<br />
wenige Kinder dieses Essverhalten beibehalten.<br />
Ein Schulkind sollte gelernt haben, verschiedene<br />
Speisen zu akzeptieren und auch Neues auszuprobieren.<br />
Akzeptiert es aber nur Pommes Chips und Tiefkühlpizzen,<br />
stellt dies sowohl für das Kind als auch für die ganze<br />
Familie ein Problem dar. Einseitige Ernährung kann<br />
einen Mangel an Nährstoffen zur Folge haben, die gerade<br />
für die kindliche Entwicklung wichtig sind. So wird<br />
das Thema Essen zum Dauerdrama in der Familie.<br />
Ein anderes Phänomen, das wenig bekannt ist und<br />
oft im Schulalter des Kindes auftritt, sind regelmässige<br />
Essanfälle oder eine unkontrollierte Nahrungszufuhr.<br />
Das Kind ist dabei nicht mehr in der Lage, die Nahrungsmittelmenge<br />
zu kontrollieren. Je nach Studie<br />
er leben dies zwischen 9 und 36,5 Prozent der 6- bis<br />
14-jährigen Kinder, wobei die hohen Fallzahlen fast<br />
ausschliesslich bei übergewichtigen Kindern zu finden<br />
sind.<br />
Essstörungen wie die Magersucht oder die Ess-Brech-<br />
Sucht sind im Allgemeinen bekannt. Die weit häufiger<br />
auftretenden Essprobleme in der Kindheit wie selektives<br />
Essen oder Essanfälle stehen hingegen weniger im Blickfeld.<br />
Im «Diagnostischen und Statistischen Manual Psychischer<br />
Stö rungen» kommen zwei neue Essstörungen<br />
vor: die vermeidend/restriktive Ernährungsstörung und<br />
die Binge-Eating-Störung/Essanfallsstörung. Dadurch<br />
erhofft man sich, dass Fachleute und nicht zuletzt auch<br />
Eltern diese ungünstigen Essgewohnheiten eher wahrnehmen.<br />
Vermeidend/restriktives Essverhalten<br />
Die vermeidend/restriktive Ernährungsstörung ist ge -<br />
kennzeichnet durch ein eingeschränktes Essverhalten,<br />
das aber nicht von Gewichts- oder Figursorgen herrührt,<br />
wie es bei der Magersucht und der Ess-Brech-Sucht der<br />
Fall ist. Betroffene Kinder leiden häufig unter starkem<br />
Gewichtsverlust, Nährstoffmangel oder unter Beeinträchtigungen<br />
im Umgang mit der Familie oder den<br />
Freunden. Laut Forschungen* berichteten 3,2 Prozent<br />
von insgesamt 1444 untersuchten 8- bis 12-jährigen<br />
Schweizer Kindern der Kantone Waadt, Freiburg und<br />
Bern von solchen Verhaltensweisen. Diese Form<br />
Obwohl selektives Essen häufig<br />
vorkommt, ist diese Form der<br />
Essstörung kaum bekannt. >>><br />
46 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Psychologie & Gesellschaft<br />
Foto: Plainpicture / Cultura<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>647
von Ernährungsstörung umfasst verschiedene<br />
ungünstige Essgewohnheiten, wozu auch das selektive<br />
Essen gehört. Fragte man nur danach, ohne die gesamten<br />
Kriterien der vermeidend/restriktiven Ernährungsstörung<br />
zu beachten, gaben rund ein Viertel aller befragten<br />
Kinder an, selektive Esser zu sein. Stark aus geprägte<br />
selektive Esser akzeptieren nur eine kleine Auswahl an<br />
spezifischen Lebensmitteln, die sich in Farbe, Geruch<br />
oder Konsistenz häufig durch eine Besonderheit auszeichnen.<br />
Leider werden vor allem kohlenhydratreiche<br />
und süsse Lebensmittel akzeptiert, alles andere wird<br />
verschmäht.<br />
Für Eltern ist dies sehr stressreich und frustrierend.<br />
Sie machen sich Sorgen, dass ihr Kind nicht ausreichend<br />
ernährt wird, machen sich Vorwürfe und erleben einen<br />
täglichen Kampf ums Essen. Die Teilnahme an Familien-<br />
oder Schulanlässen ist oft gar nicht mehr möglich,<br />
bei manchen Kindern kann es gar zur Schulverweigerung<br />
kommen.<br />
Eine andere Form der vemeidend/restriktiven Ernährungsstörung<br />
ist die sogenannte Nahrungsvermeidung<br />
mit emotionaler Störung. Von einer Nahrungsvermeidung<br />
aufgrund von Gefühlen wurde in derselben Studie<br />
von knapp einem Fünftel aller befragten Kinder berichtet.<br />
Betroffene Kinder erleben häufig Gefühle wie Traurigkeit,<br />
Ärger oder Langeweile, was sich störend auf<br />
ihren Appetit und ihren Hunger auswirkt. Demzufolge<br />
sind sie häufig untergewichtig, obwohl sie eigentlich an<br />
Gewicht zunehmen möchten. Diese Essstörung kommt<br />
häufiger bei Mädchen vor, während die selektiven Esser<br />
eher bei den Knaben vertreten sind.<br />
Übermässiges Essverhalten<br />
Die Essanfallstörung tritt vor allem im Jugend- und im<br />
Erwachsenenalter auf. Betroffene leiden unter immer<br />
wiederkehrenden Essanfällen: Sie verzehren eine unüblich<br />
grosse Menge an Nahrungsmitteln und nehmen<br />
gleichzeitig das Gefühl eines Kontrollverlustes wahr.<br />
Anders als bei Betroffenen mit einer Ess-Brech-Sucht<br />
kompensieren sie den Essanfall jedoch nicht mit Massnahmen<br />
wie übertriebenen sportlichen Aktivitäten. Eine<br />
unkontrollierte Zufuhr von Nahrung kann bereits im<br />
Kindesalter auftreten. Kommt dies regelmäs sig vor und<br />
verursacht Leiden beim Kind, sollte das Essproblem<br />
ernst genommen und angegangen werden. Sonst besteht<br />
die Gefahr, dass die Gewichtszunahme zu Übergewicht<br />
führt, welches sich bis ins Erwachsenenalter hält, oder<br />
dass sich das Essproblem verhärtet.<br />
Was sind die Ursachen?<br />
Wenn das selektive Essen nach der frühen Kindheit<br />
bestehen bleibt und sich vielleicht sogar bis ins Erwachsenenalter<br />
zieht, kann das mehrere Gründe haben. Selektive<br />
Esser sind häufig von ängstlicher oder zwanghafter<br />
Es ist nicht einfach, Kindern<br />
klar zu machen, dass Pizza<br />
pur auf Dauer schadet.<br />
Natur. Neben dem Temperament spielt auch die Entwicklung<br />
des Kindes eine Rolle. Nicht selten ist zum<br />
Beispiel eine verspätete Sprachentwicklung zu beobachten.<br />
Und nicht zuletzt sind Betroffene häufig in ihrer<br />
sensorischen Wahrnehmungsfähigkeit hypersensibel,<br />
was es für sie schwierig macht, bestimmte Texturen im<br />
Mund zu spüren. Auch die Nahrungsvermeidung mit<br />
emotionaler Störung entwickelt sich meist schon sehr<br />
früh und kann in manchen Fällen auch noch im Erwachsenenalter<br />
fortbestehen. Ein ängstliches und zwanghaftes<br />
Naturell oder depressive Tendenzen machen auch<br />
das Weiterbestehen dieser Essgewohnheit wahrscheinlicher.<br />
Betroffene Kinder berichten ausserdem häufig<br />
von unerklärlichen körperlichen Beschwerden.<br />
Episoden von Essanfällen und Essen mit einem<br />
Gefühl des Kontrollverlustes können sich aus verschiedenen<br />
Gründen einschleichen. So kann übermässiges<br />
Essen eine Strategie gegen Gefühle wie Ärger, Frust,<br />
Angst, Trauer oder auch Langeweile sein. In vielen Fällen<br />
sind die betroffenen Kinder übergewichtig und mit<br />
ihrem Körper unzufrieden. Die daraus resultierenden<br />
Diätversuche lösen wiederum anfallartiges Essen aus.<br />
Aber auch starke elterliche Kontrolle und Kritik in<br />
Bezug auf Essverhalten, Gewicht oder Figur können<br />
übermässiges Essen begünstigen.<br />
Was können Eltern tun?<br />
Eine Strategie, die bei allen hier besprochenen Essgewohnheiten<br />
hilfreich sein kann, ist das Gespräch. Klagen<br />
Sie Ihr Kind aber nicht an, sondern klären Sie es über<br />
die Risiken auf, die mit seinem Essverhalten verbunden<br />
sind. Gerade selektive Esser leiden häufig nicht unter<br />
ihrem Verhalten, weshalb ein Aufzeigen der Konsequenzen<br />
umso wichtiger ist. Die Tatsache, dass Ihr Kind Mühe<br />
haben wird, an öffentlichen Events teilzunehmen oder<br />
mit Freunden gemeinsam zu essen, wird bei ihm<br />
bestimmt Gehör finden. Eine weitere Strategie, die bei<br />
allen Essgewohnheiten angewendet werden kann, ist<br />
eine täglich mindestens einmal stattfindende, gemeinsame<br />
und in angenehmer Atmosphäre verlaufende Mahlzeit.<br />
Dabei werden bei Tisch keine heiklen Themen<br />
besprochen und auf Kritik wird verzichtet. Grundsätzlich<br />
wichtig ist für ein Kind auch, dass Sie ihm das Gefühl<br />
48 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Psychologie & Gesellschaft<br />
vermitteln: Ich kann mit meinem Äusseren zufrieden<br />
sein, und so, wie ich bin, ist es gut.<br />
Bei selektiven Essern können Eltern ausserdem folgende<br />
Methode versuchsweise anwenden: Ermutigen<br />
Sie Ihr Kind, einmal einen halben Teelöffel von einer<br />
bisher nicht akzeptierten Darreichungsform auszuprobieren,<br />
etwa ein bisschen Kartoffelstock statt der ge <br />
wohnten Kartoffelchips. In kleinen Schritten kann somit<br />
die Akzeptanz von unterschiedlichen Texturen, Farben<br />
oder Gerüchen erweitert werden <strong>–</strong> ein langwieriger Prozess<br />
zwar, der sich jedoch lohnt. Denn wenn Sie auf- und<br />
nachgeben und das Kind nur das isst, was es selbst auswählt,<br />
wird sich sein Essproblem immer mehr verhärten.<br />
Wenn Ihr Kind an Essanfällen leidet, planen Sie gegebenenfalls<br />
gemeinsam mit Ihrem Kind die Umsetzung<br />
für ein gesundes Essverhalten. Achten Sie zum Beispiel<br />
darauf, dass im Haushalt nicht zu viele süsse oder knackige<br />
Snacks greifbar sind. Besonders wichtig sind auch<br />
regelmässige und ausreichende Mahlzeiten, damit das<br />
Kind weiss, wann gegessen wird, und sich das Verlangen<br />
nach Essen reduziert.<br />
Wenn der Leidensdruck gross ist oder das Kind viel<br />
an Gewicht zu- oder abnimmt, sollten Sie nicht zögern,<br />
bei einer Fachperson Rat zu suchen, die sich in der<br />
Behandlung von Essstörungen auskennt. Eine kognitive<br />
Verhaltenstherape zum Beispiel kann bei den hier er <br />
wähnten ungünstigen Essgewohnheiten eine kurz- wie<br />
auch langfristig wirksame Massnahme darstellen.<br />
>>><br />
* Die Forschungen wurden im Rahmen des Schweizerischen<br />
Nationalfonds-Projekts «Swiss University Study of Nutrition»<br />
an den Universitäten in Freiburg und Lausanne unter der<br />
Leitung von Prof. Anja Hilbert und Prof. Simone Munsch<br />
durchgeführt.<br />
Anzeige<br />
Wie reagieren bei Essstörungen der Kinder?<br />
Zeigen Sie Ihrem Kind mögliche Nachteile auf, die<br />
es verstehen kann <strong>–</strong> zum Beispiel dass Essen mit<br />
Freunden so schwierig ist.<br />
Essen Sie mindestens einmal täglich gemeinsam<br />
und in entspannter Atmosphäre.<br />
Überreden Sie das Kind immer wieder zu probieren <strong>–</strong><br />
und sei die Portion noch so klein.<br />
Vermitteln Sie Ihrem Kind das Gefühl,<br />
dass sein Körper gut ist, wie er ist.<br />
Planen Sie regelmässige und gesunde Mahlzeiten<br />
und halten Sie wenig Süsses oder Knackiges vorrätig.<br />
Wenn das ungewöhnliche Ess verhalten anhält,<br />
suchen Sie einen Therapeuten auf.<br />
Susanne Kurz<br />
Abenteuer, Freundschaft und<br />
prägende Erlebnisse...<br />
Psychologin FSP am Familieninstitut der Universität<br />
Freiburg, beendet gerade ihre Doktorarbeit zu<br />
atypischen Essstörungen in der Kindheit. Sie hofft, dass<br />
die beschriebenen Essprobleme künftig eher erkannt<br />
und präventiv behandelt werden, um das Risiko für<br />
später auftretende Essstörungen zu reduzieren.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
...im Cevi, dem vielfältigsten<br />
Jugendverband.<br />
www.cevi.ch<br />
Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>649
Flüchtlingskinder <strong>–</strong><br />
sind unsere Schulen bereit?<br />
Seit Anfang November reisen immer mehr Flüchtlinge in die Schweiz ein, mit ihnen viele Kinder <strong>–</strong><br />
und die Frage, ob die Schulen auf die damit verbundenen enormen Anfordungen vorbereitet sind.<br />
Nein, findet der Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH und fordert die Politiker<br />
zum Handeln auf. Text: Jürg Brühlmann<br />
«Wo, wenn nicht in der Schule,<br />
kann Integration stattfinden?»<br />
Jürg Brühlmann, lic. phil., ist Primar-, Sekundarund<br />
Sonderklassenlehrer und leitet die<br />
Pädagogische Arbeitsstelle des Dachverbandes<br />
Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH.<br />
Die Bedürfnisse von<br />
Kindern und Jugendlichen<br />
aus Ländern,<br />
in denen seit Jahren<br />
Bürgerkrieg herrscht<br />
und die Infrastruktur zusammengebrochen<br />
ist, sind vielschichtig: Kinder<br />
brauchen Schutz, medizinische<br />
Versorgung, Nahrung, Betreuung<br />
und nicht zuletzt Bildung. Zuwarten,<br />
wie es noch Anfang Oktober<br />
von der Konferenz der Erziehungsdirektoren<br />
propagiert wurde, bringt<br />
ihnen nichts. Gefragt ist jetzt ein<br />
vorausschauendes und gemeinsames<br />
Handeln der kantonalen Politiker.<br />
Sieben Herausforderungen sind<br />
zu bewältigen:<br />
1. Kurzfristige Aufnahme und<br />
Vorbereitung auf die Schule<br />
Flüchtlingskinder aus Bürgerkriegsgebieten<br />
sind zum Teil schon lange<br />
nicht mehr oder nie in die Schule<br />
gegangen. Sie sind oft traumatisiert<br />
und kennen die hier geltenden<br />
Regeln noch nicht. Viele sind ohne<br />
ihre Eltern da. Es braucht Ideen, Pläne<br />
und Massnahmen, um die wachsende<br />
Zahl von geflüchteten Kindern<br />
und Jugendlichen kurzfristig aufzunehmen<br />
und auf eine mittelfristige<br />
Integration in die öffentlichen Schulen<br />
vorzubereiten. Die bestehenden<br />
Strukturen sowie die personellen<br />
und finanziellen Ressourcen sind<br />
darauf nicht ausgerichtet. Unbegleitete<br />
Kinder brauchen integrierte An <br />
gebote mit Unterricht und Betreuung.<br />
2. Vorbereitung auf das<br />
zukünftige Berufsleben<br />
Wir müssen davon ausgehen, dass<br />
die Kinder und Jugendlichen länger<br />
hier bleiben. Nachdem sie nach etwa<br />
20 Wochen in Empfangsklassen<br />
etwas Deutsch gelernt und die hier<br />
geltenden Regeln kennengelernt<br />
haben, muss insbesondere bei Jugendlichen<br />
eine zukunftsorientierte<br />
Vorbereitung auf den Wechsel in<br />
Berufsausbildungen oder an weiterführende<br />
Schulen stattfinden. Die<br />
Begleitung durch das bereits bestehende<br />
Casemanagement muss ausgebaut<br />
werden. Jedes Zu warten bei<br />
der Integration führt später zu Kostensteigerungen<br />
im Sozialwesen.<br />
3. Vorbereitung der Schulen<br />
Die anstehenden fachlichen Herausforderungen<br />
für Schulleitungen und<br />
Lehrpersonen sind enorm und teilweise<br />
sehr zeitaufwendig. Zusätzliche<br />
Assistenz- und Betreuungspersonen<br />
(u. a. Zivildienstleistende)<br />
können Kinder beispielsweise beim<br />
Schwimmen oder bei Hausaufgaben<br />
unterstützen oder sie zu Therapiebesuchen<br />
begleiten. Die Weiterbildung<br />
für den Umgang mit traumatischen<br />
Symptomen muss ausgebaut<br />
werden. Schulleitungen brauchen<br />
administrative Unterstützung, wenn<br />
die Kontakte mit Betreuungszentren<br />
zunehmen.<br />
4. Information der Eltern<br />
Eltern müssen frühzeitig informiert<br />
werden, wie sich die Kantone und<br />
Gemeinden sowie die Schulen die<br />
Integration der geflüchteten Kinder<br />
und Jugendlichen vorstellen. Die<br />
Ängste um das Wohl und den Schulerfolg<br />
der eigenen Kinder brauchen<br />
eine glaubwürdige Antwort. Es muss<br />
50 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Erziehung & Schule<br />
klar werden, wie die Schulen mit der<br />
Heterogenität, mit Unterschieden in<br />
Mentalität, Kultur und Religion<br />
umgehen, die Leistungen sichern,<br />
die Kommunikation unter Kindern<br />
und Eltern gestalten.<br />
5. Verlässliche Perspektiven<br />
Schulen müssen als wichtige Partner<br />
in den Integrationsprozess einbezogen<br />
werden. Dazu gehören auch früh<br />
zu regelnde Details wie Schulmaterial,<br />
Kleidung und Ausrüstungen für<br />
Sport oder Lager. Kinder, Jugendliche<br />
und die Schulen brauchen Ruhe<br />
und möglichst verlässliche Perspektiven.<br />
Lernen funktioniert nur in<br />
einem sicheren Rahmen, mit guten<br />
Beziehungen und Zukunftsperspektiven.<br />
Plötzliche Abschiebungen sind<br />
ein Schock für alle Kinder und die<br />
Lehrpersonen.<br />
6. Bereitstellung der<br />
Ressourcen<br />
Niemand hat sich diese Situation<br />
gewünscht. Aber sie ist da. Die<br />
Schulgemeinden und Schulen müssen<br />
früh genug wissen, was auf sie<br />
zukommt. Die Kantone müssen den<br />
nötigen Support budgetieren und<br />
kommunizieren. Es ist unverständlich,<br />
wenn ausgerechnet jetzt Stellen<br />
für Deutsch als Zweitsprache oder<br />
für die inte grierte Förderung abgebaut<br />
werden, wie das beispielsweise<br />
der Kanton Luzern tun will. Wenn<br />
einzelne Kantone meinen, sie könnten<br />
Steuern für reiche Personen tief<br />
halten, an den Schulen weiter sparen<br />
und Schulgebühren erhöhen, dann<br />
schüren sie Ärger, Missgunst und<br />
Unruhe.<br />
Viel Erfahrung mit migrierten Kindern<br />
und Jugendlichen haben zum<br />
Beispiel vereinzelte Quims-Schulen<br />
in Zürich (www.quims.ch). Von solchen<br />
Er fahrungen kann man profitieren,<br />
wenn sie über Internetplattformen<br />
oder Besuchsprogramme<br />
wie beispielsweise www.profilQ/<br />
schulvisite.ch bekannt gemacht werden.<br />
Dafür müssten sich die Kantone<br />
vermehrt engagieren.<br />
Anzeige<br />
Was können Eltern tun?<br />
Wenn Sie sich Sorgen um Ihr Kind machen: Fragen<br />
Sie an Ihrer Schule nach, wie die Sicherheit und die<br />
Leistungen garantiert werden. Viele Schulen haben<br />
vielleicht noch keine Antwort bereit. Bleiben Sie<br />
geduldig dran.<br />
Wenn Sie sich für gute Rahmenbedingungen<br />
engagieren wollen: Fragen Sie bei geplanten<br />
Senkungen der Steuerprozente in Ihrer Gemeinde<br />
nach, ob noch genug Geld für eine gute Bildung auch<br />
unter erschwerten Umständen bereitsteht.<br />
Wenn Sie an Sonderklassen für Flüchtlinge denken:<br />
Überlegen Sie, was das für die Zukunft Ihrer Kinder<br />
bedeutet, wenn immer mehr Ausländer in der Schweiz<br />
leben, die unsere Kultur und Sprache nicht kennen.<br />
Wo sonst, wenn nicht in der Schule, kann Integration<br />
stattfinden?<br />
Wenn Sie sich konkret engagieren wollen: Fragen Sie<br />
in Ihrer Schule oder reden Sie mit anderen Eltern,<br />
welche Angebote die Integration erleichtern würden<br />
und wie Sie sich an solchen beteiligen könnten.<br />
Es gibt viele schöne Beispiele wie Kochanlässe,<br />
Gesellschaftstänze oder Einladungen für Mittagessen<br />
zu Hause.<br />
Pflanzen- und<br />
Quintessenzen<br />
3000 Therapeutinnen<br />
und Naturheilpraktiker<br />
wissen Bescheid.<br />
7. Wertvolle Erfahrungen nutzen<br />
In Gemeinden und Stadtteilen mit<br />
Zentren für migrierte Menschen gibt<br />
es Schulen mit langjähriger Erfahrung.<br />
Älteren Semestern ist das<br />
Pestalozzidorf in Trogen AR noch<br />
ein Begriff, wo damals verwaiste<br />
Kinder aus dem Zweiten Weltkrieg<br />
und später auch Kinder aus Tibet<br />
eine neue Heimat gefunden haben.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
www.naturaerzte.ch<br />
Naturärzte Vereinigung Schweiz<br />
Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>651
Elterncoaching<br />
Wenn Kinder<br />
ständig jammern<br />
«Die Frau Weber ist so ungerecht! Weisst du, was die heute gemacht<br />
hat?» Frau Klein weiss es nicht <strong>–</strong> und sie würde es eigentlich gerne dabei<br />
belassen. Stattdessen setzt sie sich hin und sagt: «Nein, was war denn?»<br />
Fabian Grolimund<br />
ist Psychologe und Autor («Mit<br />
Kindern lernen»). In der Rubrik<br />
«Elterncoaching» beantwortet<br />
er Fragen aus dem Familienalltag.<br />
Der 36-Jährige ist verheiratet<br />
und Vater eines Sohnes, 3, und<br />
einer Tochter, 9 Monate. Er lebt<br />
mit seiner Familie in Freiburg.<br />
www.mit-kindern-lernen.ch<br />
www.biber-blog.com<br />
Manche Kinder sind<br />
richtige kleine<br />
Pessimisten. Sie<br />
sehen jedes Problem,<br />
jede Ungerechtigkeit,<br />
alles, was falsch läuft.<br />
Und sie reden darüber <strong>–</strong> fast pau <br />
senlos. Die Eltern können sich teilweise<br />
gar nicht vorstellen, woher das<br />
kommt, und helfen, so gut sie können:<br />
durch Zuhören, mit Verständnis,<br />
Beschwichtigen, Tipps und Vorschlägen.<br />
Jammern hat oft verdeckte Gründe<br />
Bei Kindern, die sehr oft jammern,<br />
hat man als Eltern das Gefühl, gegen<br />
Windmühlen zu kämpfen. Kaum ist<br />
ein Problem gelöst, taucht schon ein<br />
neues auf. Es scheint den Kindern<br />
eher darum zu gehen, ein Problem<br />
zu haben, als es zu lösen. Dieser<br />
Gedanke führt auf die richtige Spur.<br />
Oft erfüllt das Jammern einen<br />
Zweck, der Kind und Eltern verborgen<br />
bleibt: Es befriedigt wichtige<br />
Bedürfnisse. Die Frage ist dann nur:<br />
welche?<br />
Erzählt ein Kind von einem<br />
Problem, hat es sofort die<br />
ungeteilte Aufmerksamkeit<br />
der Eltern.<br />
Für Kinder ist das Jammern eine<br />
Möglichkeit, fast sofort das Interesse<br />
und die Aufmerksamkeit der Eltern<br />
zu erlangen. Fast nie hören Eltern so<br />
intensiv zu, wie wenn ihr Kind von<br />
einem Problem erzählt. Sofort sind<br />
wir hellwach und ganz Ohr. Manche<br />
Kinder registrieren diesen Zusammenhang<br />
zwischen einer intensiven<br />
Beziehungserfahrung und dem Jammern<br />
unbewusst. Sie haben gelernt:<br />
Auf diese Weise kann ich Nähe und<br />
Intimität herstellen und bekomme<br />
das Gefühl, dass sich jemand um<br />
mich kümmert.<br />
Auch für Eltern ist diese Situation<br />
zunächst oft mit positiven Gefühlen<br />
verbunden. Sie hören zu, zeigen Verständnis,<br />
helfen und dürfen erleben,<br />
wie sich die Miene des Kindes aufhellt,<br />
da sie ihm haben helfen können,<br />
ein Problem zu lösen oder eine<br />
Situation anders zu sehen. Auch für<br />
die Eltern stellt dies eine schöne<br />
Beziehungserfahrung dar. Zudem<br />
fühlen sie sich kompetent und anerkannt.<br />
Sie machen die Erfahrung:<br />
Ich bin wichtig für mein Kind!<br />
Dies zeigt sich manchmal darin,<br />
dass ein Elternteil stolz darauf ist,<br />
dass das Kind mit Problemen zu ihm<br />
kommt <strong>–</strong> dem verständnisvollen<br />
Elternteil, der sich auf das Kind einlässt.<br />
Manchmal entwickelt sich aus<br />
diesen Prozessen heraus ein Teufels<br />
52 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
kreis. Das Kind jammert immer<br />
öfter, die Eltern werden müde. Nun<br />
reagieren die Eltern ungeduldiger,<br />
hören etwas weniger zu.<br />
Das Kind reagiert darauf, indem<br />
es mit noch dramatischeren Problemen<br />
aufwartet, um die ersehnte<br />
Aufmerksamkeit und Zuwendung<br />
zurückzugewinnen. Gleichzeitig<br />
reagieren die Eltern immer weniger<br />
auf positive Meldungen des Kindes,<br />
da sie froh sind, wenn endlich einmal<br />
alles in Ordnung ist und das<br />
Kind sie nicht braucht.<br />
Heraus aus dem Teufelskreis!<br />
Kritik am Kind, Zurechtweisungen<br />
oder Apelle, die Welt positiver zu<br />
sehen, nützen wenig. Erlebt das Kind<br />
diese Reaktionen als Zurückweisung,<br />
verstärkt das seinen Wunsch,<br />
Nähe herzustellen, und es wird noch<br />
eindringlicher über seine Sorgen<br />
sprechen.<br />
Falls hinter dem Jammern das<br />
Bedürfnis nach Nähe, Zuwendung<br />
und Intimität steckt, lässt sich der<br />
Teufelskreis am leichtesten durchbrechen,<br />
indem man das Kind die<br />
Erfahrung machen lässt: Meine<br />
Eltern sind voll und ganz da für<br />
mich, wenn es mir gut geht und<br />
wenn ich über schöne Erlebnisse<br />
spreche.<br />
Hören Sie weiterhin zu, wenn das<br />
Kind jammert <strong>–</strong> aber achten Sie darauf,<br />
dass Sie noch einen Tick präsenter<br />
sind, wenn es über seine Stärken,<br />
schöne Momente mit anderen Kindern<br />
oder die Sonnenseiten seiner<br />
Lehrerin oder seines Lehrers spricht.<br />
Vielleicht merken Sie, dass es<br />
Ihnen viel schwerer fällt, zuzuhören,<br />
wenn Ihr Kind über positive Aspekte<br />
spricht. Wir sind es gewohnt, Probleme<br />
genau zu sezieren. Das<br />
machen wir jedoch viel zu wenig bei<br />
schönen Erlebnissen. Wenn ein<br />
Kind erzählt, dass die Lehrerin<br />
gemein war, dann fragen wir sofort:<br />
«Was ist passiert? Warum hat sie das<br />
gesagt? Wie ging es dir dabei?»<br />
Erzählt ein Kind hingegen davon,<br />
dass die Lehrerin ihm ein Kompli<br />
ment gemacht hat, lassen wir es oft<br />
bei einem «Aha <strong>–</strong> schön!» bewenden.<br />
Falls Ihr Kind ein kleiner Pessimist<br />
ist, können Sie beginnen, bei<br />
guten Erlebnissen genauer nachzufragen:<br />
«Was ist genau passiert? Wie<br />
lief das ab? Was hast du da gemacht?<br />
Was meinst du, warum ist das<br />
passiert?»<br />
Das mag sich am Anfang seltsam<br />
anfühlen. Vielleicht hilft Ihnen in<br />
diesem Fall die «Was ist gut gelaufen»-Übung<br />
aus der positiven Psychologie:<br />
Bei dieser Übung nehmen<br />
Sie sich am Abend einen Moment<br />
Zeit, um am Bett mit Ihrem Kind<br />
über drei Momente zu sprechen, die<br />
am Tag «gut gelaufen» sind. Sie können<br />
lediglich das Kind erzählen lassen<br />
oder selbst drei Momente beisteuern.<br />
Damit lenken Sie einerseits<br />
Was ist heute bei dir gut<br />
gelaufen? Und was meinst<br />
du, warum ist das passiert?<br />
den Fokus des Kindes auf die schönen<br />
Aspekte seines Lebens <strong>–</strong> auf der<br />
anderen Seite vermitteln Sie ihm<br />
indirekt: Ich bin auch dann für dich<br />
da und höre dir zu, wenn du über<br />
Positives sprichst!<br />
Vertiefen Sie das Gespräch,<br />
indem Sie Fragen zu den positiven<br />
Erlebnissen stellen wie «Was meinst<br />
du, warum ist das passiert?», «Was<br />
hast du dazu beigetragen?», «Wie<br />
könntest du dafür sorgen, dass das<br />
öfter passiert?». Indem Sie den schönen<br />
Dingen auf den Grund gehen,<br />
werden diese erlebbar, wiederholbar<br />
und zu einem verbindenden Element<br />
in der Beziehung zu Ihrem<br />
Kind.<br />
Anti-Nörgel-Tipps<br />
Regen Sie Ihr Kind dazu an, über positive<br />
Aspekte seines Lebens zu sprechen <strong>–</strong> zum<br />
Beispiel mit der «Was ist gut gelaufen»-Übung.<br />
Hören Sie gut zu, wenn Ihr Kind über schöne<br />
Erlebnisse spricht.<br />
Vertiefen Sie gute Erfahrungen, indem<br />
Sie neugierig nachfragen.<br />
Vermitteln Sie dem Kind, wie viel Spass es<br />
macht, sich über Positives auszutauschen,<br />
indem Sie dabei zusammen lachen, Schönes<br />
gemeinsam in Gedanken nochmals durchspielen<br />
und Pläne aushecken, um noch<br />
mehr Tolles auf die Beine zu stellen.<br />
In der nächsten Ausgabe:<br />
Mein Kind hat Angst, aber es kann nicht sagen, wovor.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>653
Der Wirkstoff Methylphenidat, enthalten in Ritalin, unterliegt dem<br />
Betäubungsmittelgesetz. Widerspricht die Behandlung mit<br />
solchen Medikamenten dem Kindeswohl oder ist sie dem Kind<br />
dienlich? Was und wie viel dürfen Eltern bei der Behandlung<br />
mitbestimmen? Was muss das Kind selbst entscheiden dürfen?<br />
Ein Blick auf das Thema AD(H)S aus der (kinder)rechtlichen<br />
Perspektive. Text: Sandra Hotz<br />
54 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Serie<br />
Das Kindeswohl gilt<br />
in der Schweiz als<br />
Leitmaxime. Das<br />
heisst, dass dem<br />
Kindeswohl Vorrang<br />
vor anderen Interessen<br />
zukommt, gegebenenfalls selbst<br />
vor den Wünschen der Eltern.<br />
Massnahmen, die im Rahmen des<br />
Bildungssystems oder Gesundheitswesens<br />
getroffen werden und<br />
den Kindesinteressen nicht ausreichend<br />
Rechnung tragen, können<br />
somit rechtswidrig sein.<br />
Schwierig ist es jedoch, im Einzelfall<br />
zu bestimmen, was dem<br />
Kindeswohl entspricht und was<br />
nicht; vor allem dann, wenn<br />
Eltern-, Schul- und Kindesinteressen<br />
sowie die medizinische Fachmeinung<br />
bezüglich der Förderung<br />
eines Kindes mit AD(H)S auseinandergehen.<br />
Sind bekannte Nebenwirkungen<br />
eines Medikamentes<br />
wie Schlafstörungen oder Appetitverlust<br />
zu rechtfertigen, wenn das<br />
Kind dafür seinen Übertritt von<br />
der 3. in die 4. Klasse schafft oder<br />
sich dadurch besser mit Freunden<br />
und Geschwistern versteht?<br />
Kommt es dem Kindeswohl<br />
möglicherweise indirekt zugute,<br />
wenn durch die erhöhte Chance,<br />
sich zu strukturieren, seine Familie<br />
entlastet wird?<br />
Erschwerend kommt hinzu, dass in<br />
diesem Zusammenhang selten eine<br />
unabhängige «dritte» Behörde oder<br />
ein Gericht über das Kindeswohl<br />
entscheidet. Die Akteure sind vielmehr<br />
direkt involviert, und manchmal<br />
dürfte unklar sein, wer die<br />
«Regie führt», wenn sich die Interessen<br />
der Eltern, der Fachpersonen<br />
und des Kindes gegenüberstehen.<br />
Eltern haben ein Recht wie auch<br />
die Pflicht, für ihre Kinder zu sorgen,<br />
insbesondere in Gesundheitsund<br />
Schulbelangen. Sie stellen für<br />
ihre minderjährigen Kinder<br />
grundsätzlich die rechtliche Vertretung<br />
dar und entscheiden mit<br />
über alle Fördermassnahmen und<br />
medizinischen Behandlungen der<br />
Schulkinder. Eine Lehrperson<br />
kann beispielsweise nicht von sich<br />
aus entscheiden, ob das Kind in<br />
den Zusatzunterricht zur Logopädin<br />
soll. Das funktioniert grundsätzlich<br />
nur in Absprache mit den<br />
Eltern. Und so muss auch eine<br />
Ärztin vor einem Behandlungsbeginn<br />
die Eltern fragen, ob sie mit<br />
der vorgeschlagenen Therapie einverstanden<br />
sind. Notfälle sind vorbehalten.<br />
Da eine Behandlung mit Medikamenten<br />
nicht harmlos ist, liegt<br />
eine Entscheidung nicht mehr<br />
allein im Ermessen der Eltern: So<br />
muss nicht nur die medizinische<br />
Notwendigkeit zuerst eindeutig<br />
und verlässlich von der medizinischen<br />
Fachperson diagnostiziert<br />
und entschieden werden, auch das<br />
Kind muss in den Entscheidungsprozess<br />
miteinbezogen werden. Je<br />
nach Auffassungsgabe und Reifegrad<br />
des Kindes, seiner Urteilsfähigkeit,<br />
entscheidet es auch selbst.<br />
Dafür, ab wann ein Kind<br />
urteilsfähig ist, gibt es im<br />
schweizerischen Recht keine fixen<br />
Altersvoraussetzungen. Dies ist<br />
von Fall zu Fall zu beurteilen. Ein<br />
Kind muss erfassen und einschätzen<br />
können, was es tut, und zusätzlich<br />
muss es dementsprechend<br />
differenziert handeln können. Ein<br />
Beispiel: Ein 12-jähriges Kind mit<br />
einer AD(H)S-Diagnose verweigert<br />
ein Medikament, weil es dessen<br />
Wirkungen seit einem Jahr<br />
kennt, diese schon mit den Eltern<br />
und/oder Arzt besprochen hat und<br />
dann zum Schluss kommt, es helfe<br />
ihm in der Schule nicht bei der<br />
Verbesserung seiner Leistungen.<br />
Dies muss es auch kommunizieren<br />
können. Doch selbst wenn ein<br />
Kind angemessen partizipieren<br />
und/oder mitentscheiden kann, ist<br />
es im Primarschulalter dem Einfluss<br />
der Erwachsenen am stärksten<br />
ausgesetzt. Das heisst, es bleibt<br />
beeinflussbar. Mit einer Medikation<br />
werden bewusst gewisse<br />
Nebenwirkungen, unter Umständen<br />
irreversible Folgen wie Wachstumsstörungen,<br />
Tics oder Psychosen,<br />
in Kauf genommen, die das<br />
Kind alleine zu tragen hat. Darin<br />
könnte auch ein fundamentales<br />
rechtliches Problem gesehen werden:<br />
Dürfen Vertretungsberechtigte<br />
tatsächlich etwas für das Kind<br />
entscheiden, wenn dessen negative<br />
Konsequenz alleine das Kind zu<br />
tragen hat?<br />
Schule und Elternhaus haben eine<br />
gesetzliche Pflicht, zum Wohl des<br />
Kindes zusammenzuarbeiten.<br />
Besteht beim Kind ein Förderbedarf,<br />
spielt die Lehrperson eine<br />
wichtige Rolle. Sie wird in der<br />
Regel als Erste das Gespräch mit<br />
den Eltern suchen und sie auf<br />
«Auffälligkeiten» des Kindes im<br />
Unterricht aufmerksam machen.<br />
Danach wird gemeinsam über<br />
Fördermassnahmen entschieden.<br />
Die Lehrperson spielt auch eine<br />
wichtige Rolle für den Schulerfolg<br />
eines Kindes mit AD(H)S. Ist das<br />
Kindswohl gefährdet, wollen die<br />
Eltern keine Abhilfe schaffen und<br />
sind die Möglichkeiten der Beratung<br />
erschöpft, hat die Schule auch<br />
AD(H)S <strong>–</strong> Medizinrechtliche Grundsätze<br />
Sorgfältige medizinische Diagnose: Eine AD(H)S-<br />
Diagnose muss nach in der Fachwelt anerkannten und gut<br />
geprüften Diagnosekriterien erfolgen (DSM-5, ICD <strong>10</strong>).<br />
Sie kann unter anderem nur dann als sorgfältig angesehen<br />
werden, wenn das Kind persönlich untersucht worden ist,<br />
seit mehr als sechs Monaten ein Problemverhalten besteht,<br />
die Symptome in mehreren Lebensbereichen (Elternhaus,<br />
Schule) auftreten und die Beeinträchtigungen eine<br />
gewisse Erheblichkeit aufweisen.<br />
Verschreibung von Ritalin: In der Schweiz dürfen alle<br />
zugelassenen Ärztinnnen und Ärzte die Diagnose AD(H)S<br />
stellen und gegebenenfalls das Medikament Ritalin (oder<br />
ein anderes Präparat mit dem Wirkstoff Methylphenidat,<br />
MPH) verschreiben. Das Schweizerische Heilmittelinstitut<br />
Swissmedic formuliert aber auf seiner Website die<br />
Empfehlung, dass die medikamentöse «Behandlung nur<br />
von solchen Ärztinnen und Ärzten begonnen werden soll,<br />
die auf Verhaltensstörungen von Kindern und Jugendlichen<br />
beziehungsweise Erwachsenen spezialisiert sind, und<br />
auch von einer oder einem solchen überwacht werden<br />
sollte».<br />
Medizinische Notwendigkeit der Behandlung: Zur<br />
Behandlung einer diagnostizierten ADHS gibt es mittlerweile<br />
eine ganze Reihe von verschiedenen Ansätzen. Die Auswahl<br />
obliegt den Eltern mit ihrem Kind und der medizinischen<br />
Fachperson. Klar ist, dass die zu befürchtenden<br />
gesundheitlichen Nachteile bei einer Nicht behandlung<br />
die in Kauf zu nehmenden Leiden, Schädigungen und Risiken<br />
einer Behandlung übertreffen müssen.<br />
Informed Consent: Voraussetzung für die gültige<br />
Einwilligung in eine Behandlung und jeden körperlichen<br />
Eingriff ist eine vorgängige Aufklärung über die in Frage<br />
kommende Behandlungsmethode (u. a. möglicher Nutzen,<br />
Risiken, Nebenwirkungen, Kosten). Fehlt diese Aufklärung,<br />
können die Betroffenen nicht abschätzen, was diese<br />
Behandlung bedeutet, und deren Zustimmung ist rechtlich<br />
unwirksam. Die Zustimmung zu einer medizinischen<br />
Behandlung des Kindes dürfen im Normalfall die Eltern oder<br />
der zuständige Elternteil geben. Das Kind ist grundsätzlich<br />
mit in die Entscheidung einzubeziehen. Je höher der<br />
Reifegrad des Kindes/Jugendlichen und je breiter die<br />
eigenen Erfahrungen mit AD(H)S, umso eher entscheiden<br />
die Betroffenen selbst.Eine medikamentöse Behandlung<br />
eines Kindes ohne medizinische Notwendigkeit und/oder<br />
ohne Informed Consent widerspricht dem Völkerrecht, dem<br />
Verfassungsrecht, dem Straf- und Zivilrecht.<br />
Neuro-Enhancement: Wenn ein Kind ohne medizinische<br />
Notwendigkeit mit Medikamenten behandelt wird, kann man<br />
von Neuro-Enhancement sprechen, also von einer<br />
Leistungssteigerungsmassnahme. Eine Schönheitsoperation<br />
etwa ist medizinisch nicht indiziert, aber es mag sein, dass<br />
die betroffene Patientin sich nachher entschieden besser<br />
fühlt. Ebenso kann es sein, dass das Kind, das ein<br />
Medikament nimmt, dieses aus medizinischer Sicht nicht<br />
braucht, sich aber besser fühlt, weil es weniger Ausbrüche<br />
hat und so weniger von Freundinnen und Freunden<br />
ausgegrenzt wird oder es besser lernt und dadurch mehr<br />
gelobt wird. Die Abgrenzungen werden hier sehr fliessend.<br />
56 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Serie<br />
eine Pflicht, die Kinder- und<br />
Erwachsenenschutzbehörde zu<br />
informieren. Klappt die Zusammenarbeit<br />
zwischen Eltern und<br />
Schule gut, beispielsweise durch<br />
laufende mündliche Rückmeldungen,<br />
sind auch die Eltern entlastet.<br />
Dabei gilt es das Partizipationsund<br />
Mitbestimmungsrecht des<br />
Kindes auch in schulischen Angelegenheiten<br />
zu wahren. Es ist also<br />
bei Schule-Elternhaus-Gesprächen<br />
grundsätzlich miteinzubeziehen.<br />
Letztendlich ist die Frage entscheidend,<br />
wie in dieser komplexen<br />
Materie die Kinderrechte und<br />
das Kindeswohl gesichert werden<br />
können. Zum einen muss das Kind<br />
altersgerecht partizipieren, das<br />
heisst, es äussert seine Meinung<br />
und entscheidet laufend mit über<br />
seine Behandlung. Des Weiteren<br />
muss das Leiden des Kindes die<br />
psychischen und physischen Nachteile,<br />
die durch die Nebenwirkungen<br />
eines Medikamentes entstehen<br />
können, klar «überwiegen». Um<br />
dies besser einschätzen zu können,<br />
besteht grosser Forschungsbedarf.<br />
Aus rechtlicher Sicht sind auch<br />
formelle Hürden in der Verschreibungsbefugnis<br />
zu diskutieren, wie<br />
ein zeitlicher Übereilungsschutz <strong>–</strong><br />
die Beschwerden müssen mindestens<br />
ein Jahr lang bestehen, die<br />
Behandlung muss einmal im<br />
Monat überprüft werden. Ausserdem<br />
zu diskutieren sind auch eine<br />
Beschränkung auf Kinderpsychiaterinnen<br />
und Kinderpsychiater<br />
oder eine Zusatzausbildung für<br />
Allgemeinmediziner, damit<br />
Ausschlussdia gnosen getätigt<br />
werden können.<br />
>>><br />
Sandra Hotz<br />
ist Juristin und Co-Leiterin des Projekts «Kinder<br />
fördern. Eine interdisziplinäre Studie» am Institut<br />
für Familienforschung und -beratung der Universität<br />
Freiburg. Sie interessiert sich für Kinderrecht<br />
und Fragen der Selbstbestimmung von Patienten.<br />
EVO W OOD S557<br />
19 Funktionen<br />
Seit mehr als 130 Jahren sind die legendären<br />
Swiss Army Knives zuverlässige Begleiter auf der<br />
Reise durch die Abenteuer unseres Alltags.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>657<br />
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Do sier<br />
Dossier<br />
Do sier<br />
Andre Lehner ist seit<br />
zwölf Jahren<br />
a leinerziehend.<br />
Seine Frau verliess<br />
ihn, als Sohn Robin<br />
ein Jahr alt war.<br />
«Wertvolle und<br />
anregende Beiträge»<br />
Zu negativ bewertet<br />
(Dossier «Pubertät», Heft 9/15)<br />
… denn sie wissen<br />
nicht, was sie tun<br />
Die Pubertät ist wie ein Sturm, der über Familien<br />
hinwegfegt. Eine Tortur für Eltern und Kinder.<br />
Im Unterschied zu Mama und Papa können<br />
die Jugendlichen jedoch meist nicht anders.<br />
Text: Claudia Landolt Bilder: Ruth Erdt<br />
<strong>10</strong> NOVEMBER <strong>2<strong>01</strong>5</strong><br />
NOVEMBER <strong>2<strong>01</strong>5</strong> 1<br />
«Es ist völlig daneben!»<br />
(Kolumne «Wozu überhaupt Bildung?»,<br />
Heft 8/15)<br />
Sehr geehrter Herr Krogerus<br />
Mikael Krogerus<br />
ist Autor und Journalist.<br />
Der Finne ist Vater einer<br />
Tochter und eines Sohnes, lebt<br />
in Biel und schreibt regelmässig<br />
für das Schweizer ElternMagazin<br />
Fritz+Fränzi und andere<br />
Schweizer Medien.<br />
Kolumne<br />
Wozu überhaupt<br />
Bildung?<br />
E<br />
s ist unschwer zu erkennen: Kinder von heute wo len nicht mehr<br />
lernen. Sie haben kein Intere se. Ihre Aufmerksamkeit spanne reicht<br />
nicht mal aus, um das Laden einer Website abzuwarten, wie<br />
so len sie sich da ernsthaft auf die Lektüre von, sagen wir, «Emilia<br />
Galo ti» oder das Lösen eines mathematischen Problems einla sen?<br />
Ich sehe das an meinen Kindern. Sie kommen in die dri te und die achte<br />
Klasse, haben aber beide schon <strong>–</strong> beziehungsweise noch <strong>–</strong> keine Lust auf Lernen.<br />
Die einzigen Mi tel sind Druck und Zwang. Notendurchschni t, Nachhilfe,<br />
Elterngespräch <strong>–</strong> das Bermudadreieck des bildungsbürgerlichen Elterndaseins.<br />
Ach, es ist zum Davonlaufen!<br />
Meine Tochter sagt gern, wenn sie an den Hausaufgaben sitzt: «Sooo wichtig<br />
ist Schule doch nicht.»<br />
«Was ist wichtiger?» frage ich.<br />
«Spielen.»<br />
Ihre Antwort ist herzig. Aber wenn man drüber nachdenkt, fä lt einem kein<br />
wirkliches Gegenargument ein. Denn seien wir ehrlich, was von dem, was<br />
wir in der Schule gelernt haben, brauchen wir heute schon? Zehn Jahre<br />
Französisch <strong>–</strong> Subjonctif rauf und runter, Textanalyse von Vercors’ «Le silence<br />
de la mer» <strong>–</strong>, aber in Frankreich sehe ich mich nicht im Stande, nach dem<br />
Halbzeitstand von Paris St-Germain gegen den FC Barcelona zu fragen oder<br />
wenigstens fehlerfrei ein lokales Bier zu beste len. Ich könnte vermutlich noch<br />
das endoplasmatische Retikulum auf einer schematischen Zeichnung erkennen,<br />
wüsste aber nicht, wofür es gut ist. So viel zur angewandten Biologie. Unser<br />
Deutschlehrer mit seiner Vorliebe für mi telhochdeutsche Literatur zwang uns<br />
zu seelenlos durchstrukturierten Erörterungen, einen Sinn für die Schönheit<br />
deutscher Sprache oder einen sicheren Blick für scharfe Argumente<br />
entwickelten wir dabei nicht. In Mathematik behielt ich mit meiner frühen<br />
Vermutung recht, da s mir Vektoren jenseits der Schule nie mehr begegnen<br />
würden. Und was war los in meinem Lieblingsfach Geschichte? Eurozentrisches<br />
Weltbild, komple t unkritische Antikenverehrung und eine fragwürdige<br />
Vorliebe für Grössenwahnsinnige wie Alexander der Gro se.<br />
Mag ja sein, da s Selfies, Minecraft, und Let’s Play die Kids abstumpfen<br />
la sen. Aber wie lebensbejahend sind Differentialrechnungen, Walter von der<br />
Vogelweide oder Periodensysteme? Nie wieder in meinem Leben war ich<br />
so müde wie im Mathematikunte richt. Nie wieder verga s ich etwa so<br />
schne l wie die langsam eingepaukten Chemieformeln. Und umgekehrt wird<br />
erst so richtig ein Schuh draus: Wenn ich mein bisheriges Leben betrachte,<br />
welche Kerneigenschaften haben mir am meisten geholfen? Ich würde spontan<br />
Zufa l, Mitgefühl, Neugierde und Humor nennen. Ich bezweifle, da sie in<br />
irgendeinem Lehrplan standen.<br />
Ich rede hier übrigens nicht obskuren No-Schooling-Praktiken oder dem<br />
Homeschooling das Wort; es ist sicher nicht verkehrt, fehlerfrei lesen,<br />
schreiben und rechnen zu können und auch mal Dinge zu lernen, für die<br />
man nie wieder Verwendung findet. Ich sage nur, was ich auch meiner<br />
Tochter sagte: «Geh raus, spielen!»<br />
62 OKTOBER <strong>2<strong>01</strong>5</strong><br />
I lustration: Petra Dufkova/Die I lustratoren<br />
Vielen Dank für die neue Fritz+Fränzi Ausgabe. Sie ist heute bei mir<br />
eingetroffen und ich konnte bereits teilweise darin lesen.<br />
Da steht wirklich sehr viel über Pubertät drin. Einmal mehr war ich<br />
erstaunt, wie negativ diese Zeit der Kinder bewertet wird. Dies ist<br />
keine Kritik an Sie als Herausgeber, so wird tatsächlich gedacht.<br />
Ja, die Eltern haben sogar regelrecht Angst vor der Pubertät ihrer<br />
Kinder.<br />
Das finde ich schade. Ich jedenfalls finde diese Zeit genial! Es ist<br />
so spannend, und für mich bedeutet es viele neue Freiheiten.<br />
Ich habe Ihre Kolumne meinen Töchtern, 11 und 22 Jahre alt,<br />
zum Lesen gegeben <strong>–</strong> ob ich Sie richtig verstehe. O-Ton meiner<br />
jüngeren Tochter: «Es ist völlig daneben!»<br />
Sie, die offensichtlich das grosse Glück hatten, eine breit<br />
gefächerte Bildung zu geniessen, so dass Sie weit mehr können<br />
als fehlerfrei lesen, schreiben und rechnen, Sie raten den in Ihrer<br />
Zeitschrift Rat suchenden Eltern tatsächlich, ihre Kinder doch<br />
besser zum Spielen zu schicken, statt sie zum Durchhalten zu<br />
ermuntern? Ihr Argument erinnert mich doch sehr an meine<br />
eigene pubertäre Phase: Lerninhalte, die man später nie mehr<br />
in seinem Leben braucht!<br />
Hätten Sie doch Ihren Humor genutzt! Sie hätten uns davon<br />
erzählen können, wie Sie <strong>–</strong> der guten alten Schallplatte gleich <strong>–</strong><br />
Ihren Kindern immer wieder den unschätzbaren Wert einer<br />
breiten Bildung nahebringen: Dass es Glücksgefühle auslöst,<br />
wenn man wieder ein Stück der Welt besser verstanden hat. Dass<br />
es ein Riesenglück ist, wenn man Werke der Weltliteratur nicht<br />
nur lesen darf, sondern zu deren tiefgründigem Erfassen<br />
angeleitet wird. Dass es in der Schule darum geht, den Horizont<br />
zu erweitern, neugierig immer wieder durch eine andere Brille auf<br />
die Welt zu schauen. Dass man Spielen und Lernen genauso<br />
wenig gegeneinander ausspielen darf wie Mutter und Vater <strong>–</strong><br />
beide Seiten gehören zu einem erfüllten Leben. Doch vor allem:<br />
Dass Zufall definitiv nicht zu den Kerneigenschaften für einen<br />
erfolgreichen und zufriedenen Menschen zählt, sondern<br />
Ausdauer!<br />
Ausdauer ist das A und O beim Lernen <strong>–</strong> wie übrigens auch in<br />
der Erziehung. Wenn man diese oft genug mühsame Anstrengung<br />
dann würzen kann mit Mitgefühl, Neugierde und Humor <strong>–</strong> umso<br />
besser, dann macht Lernen wie Erziehen auch noch Spass.<br />
Ausdauer beim Erziehen ist das Gegenteil von «Geh raus,<br />
spielen!».<br />
Eine muntere Diskussion mit Ihnen wäre nach meinem<br />
Geschmack gewesen, so ist es nun eine Mail :-)<br />
Caroline Märki, Männedorf (per Mail)<br />
«Ich fühlte mich unter<br />
Gleichgesinnten»<br />
(Dossier Alleinerziehend, Heft 7/15)<br />
Lieber Herr Niethammer<br />
Auf sich gestellt<br />
Sie machen täglich den Spagat zwischen Kindererziehung und<br />
Job: alleinerziehende Mü ter und Väter. Im komplizierten A ltag<br />
kämpfen viele von ihnen mit finanziellen Schwierigkeiten. Und<br />
der Gewissheit, ihren Kindern nicht immer gerecht zu werden.<br />
Text: Martina Bortolani / Mitarbeit: Evelin Hartma n Fotos: A ne Gabriel-Jürgens<br />
12 SEPTEMBER <strong>2<strong>01</strong>5</strong><br />
SEPTEMBER <strong>2<strong>01</strong>5</strong> 13<br />
Es geht turbulent zu und her in einer Einelternfamilie :-) Wenn ich<br />
mal freie Zeit habe, bin ich so müde, dass ich keinen klaren<br />
Gedanken mehr fassen kann. Aber jetzt passt es gerade, dass ich<br />
Ihnen ein Feedback geben kann.<br />
Ich habe den Artikel über Alleinerziehende mit Neugierde gelesen.<br />
Ich fühlte mich unter Gleichgesinnten. Was mich aber brennend<br />
interessiert hätte: Was machen die Frauen oder Männer, wenn sie<br />
vor lauter Aufgaben den Durchblick verlieren? Wo holen sie sich<br />
Hilfe, wenn sie nicht mehr weiterwissen. Wo tanken sie auf?<br />
Wie vorhin schon erwähnt, wenn ich freie Zeit habe, bin ich so<br />
müde, dass ich nur noch schlafen möchte.<br />
Ich nehme nicht an, dass es ein Patentrezept gibt, wie man das<br />
alles schafft und selbst nicht auf der Strecke bleibt. Dennoch<br />
würde es mich wundernehmen, wie andere Alleinerziehende das<br />
machen ...<br />
Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg und viele Leser für<br />
Fritz+Fränzi!<br />
Freundliche Grüsse<br />
Kerstin Zeidler (per Mail)<br />
Herzliche Grüsse<br />
Tanja Nasso, Gretzenbach SO (per Mail)<br />
58 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Do sier<br />
Do sier<br />
Leserbriefe<br />
Ziemlich unsensibel<br />
Grüezi mitenand<br />
Undifferenziert, absurd<br />
(Dossier «Generation Smartphone»,<br />
Heft 8/15)<br />
Liebe Fritz+Fränzi-Redaktion<br />
Generation<br />
Smartphone<br />
Damit Medien Spass machen und nicht zur Gefahr<br />
werden, braucht es grosse Medienkompetenz <strong>–</strong> und<br />
zwar besonders der Eltern. Das ist anstrengend, trägt<br />
aber zu einer guten Eltern-Kind-Beziehung bei.<br />
<strong>10</strong> OKTOBER <strong>2<strong>01</strong>5</strong> OKTOBER <strong>2<strong>01</strong>5</strong> 11<br />
Text: Bianca Fritz Fotos: Stephan Rappo / 13 Photo<br />
Zuerst einmal ein grosses Kompliment für Ihre Fachzeitschrift.<br />
Ich lese sie immer gerne und empfinde die meisten Beiträge<br />
als fachlich sehr wertvoll und inhaltlich anregend.<br />
Nur aus dem Interviewbeitrag zu sozialen Netzwerken und wie<br />
Kinder/Jugendliche damit umgehen, konnte ich alles andere als<br />
fachlichen Nutzen ziehen. Ich empfand sehr viele Aussagen und<br />
Argumentationen von Herrn Prof. Daniel Miller als sehr<br />
undifferenziert und teilweise geradezu absurd! Als Beispiel: Kinder<br />
sollen doch während den Hausaufgaben per Webcam online sein,<br />
damit sie sich sicherer fühlen. Geradezu eine vernichtende und<br />
kontraproduktive pädagogische Empfehlung bei der heutigen<br />
sinkenden Aufmerksamkeits- und Konzentrationsleistung der<br />
Kinder.<br />
Oder: Mädchen sind die Hauptgefahr im Internet?! Gefährlicher<br />
als Pädophile? Sind dies wissenschaftlich fundierte Aussagen<br />
oder widerspiegelt dies die persönliche Meinung des Professors?<br />
Weiter kochte ich innerlich bei der Verharmlosung, Kinderfotos<br />
online zu stellen. Hat nicht die Polizei kürzlich dazu aufgerufen,<br />
dies zum Schutz des Kindes zu unterlassen? Und überhaupt:<br />
Ist es wirklich nötig, jeden kleinen «Pups» des Kleinen der<br />
ganzen Welt zu zeigen?<br />
Ich wünsche den Eltern Freude an ihrem Kind, Gelassenheit,<br />
Zufriedenheit und eine gehörige Portion Stolz, doch geniessen<br />
und teilen sollen sie es mit ihrer Kernfamilie!<br />
Meiner Meinung nach vermischt Herr Prof. Miller auf sehr<br />
unprofessionelle Weise sein quantitatives wissenschaftliches<br />
Wissen über den Umgang der Kinder und Jugendlichen mit<br />
sozialen Netzwerken mit seinen unreflektierten Aussagen,<br />
Ursachenerklärungen und Empfehlungen über Erziehung,<br />
Pädagogik und Psychologie.<br />
Der Journalistin kann ich hingegen ein Lob entgegenbringen.<br />
Bei der Art und Weise, wie sie die weiterführenden Fragen stellte,<br />
spüre ich eine kritische Haltung.<br />
Ich hoffe, Ihnen hat der Inhalt des Interviews ebenfalls zu denken<br />
gegeben. Ich hoffe, dass ein solch frappant schlechter Inhalt die<br />
Ausnahme bleibt oder nicht gedruckt wird ;)<br />
Freundliche Grüsse<br />
Marion Zeller, Ergotherapeutin in der Pädiatrie (per Mail)<br />
Ich habe Fritz+Fränzi schon länger abonniert und finde die<br />
Zeitschrift eigentlich sehr gut.<br />
Jedoch möchte ich etwas anmerken: Mir fällt immer wieder auf,<br />
dass zu allen möglichen Themen Anregungen, Tipps, Abhilfe usw.<br />
gegeben werden, diese jedoch oft den Partner miteinbeziehen.<br />
Es steht dann zum Beispiel, man solle gemeinsam mit dem<br />
Partner mit dem Kind …<br />
Diese Artikel nützen mir (und sehr vielen anderen Lesern sicher<br />
auch) nicht viel, weil kein Partner da ist, mit dem man irgendetwas<br />
zusammen machen oder besprechen usw. kann.<br />
Ich finde das etwas unsensibel von Ihnen, weil wie gesagt die<br />
Anregung dann nicht weiterverfolgt werden kann. Dazu erinnert<br />
es einen immer daran, dass da ja kein Partner ist.<br />
Ich hoffe, dass Sie das in Zukunft besser auch auf alleinerziehende<br />
Eltern ausgerichtet bringen.<br />
Danke und freundliche Grüsse<br />
Barbara Milne (per Mail)<br />
Ihr macht ein super Heft!<br />
Grüezi<br />
Sehr gerne lese ich immer euer Heft und bin begeistert. Ihr macht<br />
es super!!<br />
Ganz herzlichen Dank, freundliche Grüsse<br />
Andrea Einspieler (per Mail)<br />
Schreiben Sie uns!<br />
Ihre Meinung ist uns wichtig. Sie erreichen uns über:<br />
leserbriefe@fritzundfraenzi.ch oder Redaktion Fritz+Fränzi,<br />
Dufourstrasse 97, 8008 Zürich. Und natürlich auch über Facebook:<br />
www.facebook.com/fritzundfraenzi<br />
und Twitter: @fritzundfraenzi<br />
Die Leserbriefe bilden die Meinung der jeweiligen Autoren ab,<br />
nicht die der Redaktion. Kürzungen behält sich die Redaktion vor.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>659
Kolumne<br />
Morgenstund<br />
ist ungesund<br />
Mikael Krogerus<br />
ist Autor und Journalist.<br />
Der Finne ist Vater einer<br />
Tochter und eines Sohnes, lebt<br />
in Biel und schreibt regelmässig<br />
für das Schweizer ElternMagazin<br />
Fritz+Fränzi und andere<br />
Schweizer Medien.<br />
Von den vielen Dingen, die mich an der Schule stören, ist das<br />
schlimmste, dass sie so früh morgens beginnt. Algebra, Relativpronomen,<br />
Subjonctif <strong>–</strong> das ist alles schwierig, aber mit etwas<br />
Übung kann man es meistern. Frühe Schulzeiten hingegen<br />
sind zermürbender als jeder Stellungskrieg. Man muss ja nicht<br />
mal eigene Schulkinder haben, um das zu verstehen, man muss sich bloss erinnern:<br />
Gab es als Kind oder Jugendlicher etwas Schlimmeres als das Klingeln<br />
des Weckers unter der Woche? Draussen tiefe Dunkelheit, im Herzen und<br />
im Kopfe auch. Bei mir fing die Schule um 7 Uhr 40 an. Das war schon unerbittlich<br />
früh. Die Schule meiner Kinder beginnt um 7 Uhr 25 beziehungsweise<br />
7 Uhr 35. In 30 Jahren hat sich die Schule um rund fünfzehn Minuten zurückentwickelt.<br />
Alles wird benutzerfreundlicher <strong>–</strong> ausser die Schule!<br />
Dabei haben Psychologen, Pädagogen und Politiker jeden Bereich des Schullebens<br />
restrukturiert, reformiert, optimiert in der Hoffnung, das Lernen<br />
stressfreier und sinnvoller zu gestalten. Lehrpläne wurden entrümpelt, Fächer<br />
zusammengelegt oder gleich ganz abgeschafft (hallo, Altgriechisch!). Man hat<br />
über bewegte Schulen, Projektunterricht, ja sogar über Generationen-Klassenzimmer<br />
nachgedacht, aber praktisch nie über einen späteren Unterrichtsbeginn.<br />
Den Schweizer Bildungsdelegationen, die sich im PISA-Rausch finnischen<br />
Unterricht anschauten, ist offensichtlich nicht aufgefallen, dass finnische<br />
Schulen sich vor allem in einem Punkt von schweizerischen unterscheiden: in<br />
der Anfangszeit des Unterrichts. In Finnland geht vor 8 Uhr 30 oder sogar 9 Uhr<br />
fast nichts. Natürlich können die Schüler früher kommen, sie machen dann<br />
Hausaufgaben oder langweilen sich, bis die Schule beginnt.<br />
Interessanterweise gibt es fast niemanden, der in diesem Punkt anderer<br />
Meinung wäre. Kein Kind freut sich, früh in die Schule zu kommen. Kein<br />
Elternteil erlebt eine tiefe Befriedigung, wenn er im Stockdunkeln Kinder aus<br />
dem Bett reisst. Keinen Lehrer motiviert der Anblick gähnender Schüler. Pro<br />
Jahr erscheinen unzählige Studien, die alle ungefähr das beweisen, was die<br />
Erfahrung ohnehin lehrt: Wer länger schläft, ist besser dran. Einige Hirnund<br />
Schlafforscher plädieren sogar dafür, erst um <strong>10</strong> Uhr mit dem Unterricht zu<br />
beginnen. Die Argumente der Gegenseite sind so schwach, dass man sie fast<br />
nicht aufzählen mag: Es war schon immer so. Wer früh anfängt, ist früh fertig.<br />
Morgenstund hat Gold im Mund. Und dann ist da das Nullargument aller<br />
zwinglianischen Kulturkreise: Schule ist Teil der Gesellschaft, deshalb muss sich<br />
der Unterrichtsbeginn der Arbeitszeit der Eltern anpassen. Damit nähern wir<br />
uns dem Kern des Problems: Vielleicht fängt ja nicht nur die Schule, sondern<br />
unser ganzes Leben zu früh an. Mir jedenfalls fällt kein einziger Mensch ein,<br />
dem nicht eine Stunde länger Schlaf unendlich guttun würde.<br />
Illustration: Petra Dufkova/Die Illustratoren<br />
60 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>661
Gesunder Darm <strong>–</strong> gesundes Kind<br />
Wie man seine Verdauung in Schuss hält, und warum das so wichtig ist.<br />
Text: Sandra Matteotti<br />
Illustration: © Jill Enders<br />
62 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Ernährung & Gesundheit<br />
Während beim Kleinkind noch jeder<br />
Pups kommentiert wird, gilt später:<br />
Verdauung hat man, man spricht<br />
nicht drüber. Eigentlich schade,<br />
denn was im Darm passiert, ist<br />
nicht nur spannend, sondern wirkt sich auf unsere<br />
gesamte Gesundheit aus.<br />
Etwa ab dem fünften Lebensjahr ist der Darm vollständig<br />
entwickelt. Dann unterscheiden sich Kinderund<br />
Erwachsenendarm nicht mehr. Trotzdem sind<br />
gerade die Kinderjahre für die Entwicklung einer gesunden<br />
Darmflora sehr wichtig. Denn der Darm vergisst<br />
nicht. Was er mal gelernt hat, das prägt ihn fürs Leben.<br />
Und eine gesunde Darmflora ist eine wichtige Grundlage<br />
für das gesunde Dasein überhaupt. Damit Eltern<br />
wissen, was sie für einen gesunden Darm tun können,<br />
sollten sie wissen, wie die Verdauung funktioniert.<br />
Gut gekaut ist halb verdaut<br />
Reisen wir also mit unserem Essen in die Tiefe. Das<br />
Verdauungssystem erstreckt sich vom Mundraum über<br />
die Speiseröhre durch den Magen zum Darm. Auf der<br />
ganzen Strecke laufen verschiedene Verdauungsprozesse<br />
ab. Schon der Speichel leistet seinen Anteil: Er lässt<br />
das Essen besser durch den Rachen rutschen und killt<br />
erste Bakterien. Und hier kann der Mensch mithelfen:<br />
Wer gut kaut, durchmengt alles mit Speichel und hilft<br />
so, die Verdauung zu unterstützen. In kleinen Stücken<br />
purzelt das Essen in die Speiseröhre und wird dort von<br />
Muskeln weitertransportiert, um schliesslich in den<br />
Magen zu fallen <strong>–</strong> ein Auffangbecken mit einem Volumen<br />
von einem knappen Liter. Hier treffen die zerkauten<br />
Stücke auf die Magensäure. Sie enthält spezifische<br />
Verdauungsenzyme, die das Essen in noch kleinere<br />
Stücke zerteilen. Die Nahrungsstücke prallen von<br />
Magenwand zu Magenwand, bis sie die Grösse eines<br />
Sesamkorns erreicht haben.<br />
Am Ende des Magens sitzt ein Muskel, der Pförtner<br />
genannt wird. Er prüft die Grösse der Stücke, bevor er<br />
sie für die Weiterreise freigibt. Dann gelangt das Essen<br />
endlich in den Darm. Mit 5 Metern Länge und 32 Quadratmetern<br />
Oberfläche ist er das grösste Verdauungsorgan.<br />
In ihm befinden sich die verschiedensten Mikroorganismen.<br />
Ihre Aufgabe ist es, ein stabiles Ökosystem<br />
im Körper aufrechtzuerhalten. Der Darm lernt<br />
dafür, zwischen normalen Einflüssen und Schädlingen<br />
zu unterscheiden, um Letztere zu bekämpfen.<br />
Aber natürlich kann der Darm nur mit Dingen arbeiten,<br />
die er kennt. Viele Asiaten haben zum Beispiel eine<br />
Laktose-Intoleranz, weil sie nicht gewohnt sind, Milch<br />
zu trinken. Ihr Darm bildete darum die für deren Verdauung<br />
nötigen Enzyme nie aus. Die Darmflora eines<br />
Menschen aus dem asiatischen Raum sieht also anders<br />
aus als die eines Menschen aus Europa oder Amerika.<br />
Alles wirkt auf den Darm:<br />
Schmetterlinge im Bauch,<br />
Angst oder Stress.<br />
Genauso unterscheidet sich die Darmflora eines Menschen,<br />
der sich gesund ernährt, von jener eines Menschen,<br />
dessen Hauptnahrungsmittel Süssigkeiten sind.<br />
Der Gesundheits-Alleskönner<br />
Doch auch wenn der Darm ein Gewohnheitstier zu sein<br />
scheint: Durch eine gezielte Ernährungsumstellung können<br />
jederzeit positive Veränderungen erwirkt werden.<br />
Wer sich gesund ernährt, senkt das Risiko für Darmerkrankungen,<br />
Hämorrhoidalleiden, Darm- und eventuell<br />
Magenkrebs. Ausserdem werden Blutdruck und<br />
Cholesterinspiegel verbessert. Der Darm nimmt auch<br />
grossen Einfluss auf das Immunsystem und ist so Ur -<br />
sache für viele Krankheiten, die man nie mit ihm in<br />
Verbindung bringen würde. Zum Beispiel Allergien,<br />
Haut erkrankungen und Unverträglichkeiten. Zudem<br />
hat die Darmflora einen enormen Einfluss auf das Aussehen<br />
sowie das Körpergewicht.<br />
Gefühle sind Darmsache<br />
Das Gehirn ist das Organ mit den meisten Nervenzellen<br />
<strong>–</strong> und gleich danach kommt der Darm mit einer ganzen<br />
Million Nervenzellen. Emotionen beeinflussen die<br />
Darmfunktionen da, wo sie entstehen: im limbischen<br />
System, welches mit dem Darm verbunden ist. Dabei<br />
wirkt alles auf den Darm: Schmetterlinge im Bauch,<br />
Angst, Stress. Wenn Adrenalin ausgeschüttet wird, kann<br />
dies die Darmfunktion stören, Blähungen, Völlegefühl,<br />
Verstopfung sind die Folge. Andere Hormone, zum Beispiel<br />
Angsthormone, haben die gegenteilige Wirkung<br />
und der Darm schaltet auf Durchzug. Die Aussage «vor<br />
etwas Schiss haben» kommt also nicht von ungefähr.<br />
Umgekehrt wirkt der Darm auch auf die Gefühle:<br />
95 Prozent der Glückshormone werden im Darm gebildet.<br />
Wer also glücklich sein will, muss seinen Darm in<br />
Schuss halten. Und andersherum gilt: Der Darm merkt<br />
sich psychische Probleme. Wer also einen gesunden<br />
Darm will, sollte möglichst häufig glücklich sein.<br />
Tabuthema Stuhlgang<br />
Bei all diesen Abhängigkeiten stellt sich natürlich die<br />
Frage: Wann ist der Darm gesund? Ob es dem Darm gut<br />
geht, sieht man gut an der Farbe und Konsistenz des<br />
Stuhlgangs. Wenn dieser aussieht wie eine braune Paste,<br />
ist alles in Ordnung. Bei kleinen dunklen Kügelchen,<br />
die das Gefühl hinterlassen, dass noch mehr gehen >>><br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>663
müsste, fängt der Darm an zu kranken. Wenn es<br />
weniger als dreimal pro Woche zu einer Entleerung<br />
kommt, dabei die Menge gering und der Stuhl hart ist,<br />
spricht man von einer Verstopfung. Hier sollte man aber<br />
nicht gleich zu Medikamenten greifen. Viel Flüssigkeit,<br />
eine ausgewogene Ernährung und viel Bewegung sowie<br />
ausreichend Entspannung sind ein gutes Gegenmittel.<br />
Wenn der Darm damit nicht wieder in Schwung kommt,<br />
sollte der Arzt aufgesucht werden. Wenn der Stuhl zu<br />
flüssig ist und sich kaum halten lässt, spricht man von<br />
Durchfall. Gefährlich dabei ist bei längerer Dauer der<br />
Flüssigkeitsverlust. Nach drei Tagen sollte darum ein<br />
Arzt kontaktiert werden.<br />
Unabhängig von der Konsistenz des Stuhls sitzen die<br />
meisten von uns eigentlich falsch auf dem Klo: Für eine<br />
richtige Haltung sollten die Füsse leicht erhöht werden,<br />
so dass die Knie höher als das Becken sind. So rutscht<br />
der Stuhl besser und man muss ihn nicht mit Druck<br />
pressen. Das schont wiederum die Hämorrhoiden.<br />
20 Mal furzen pro Tag<br />
Die Furzforschung <strong>–</strong> ja, so etwas gibt es tatsächlich <strong>–</strong><br />
untersucht, wieso Flatulenzen so unterschiedlich riechen.<br />
30 Tonnen Lebensmittel wandern im Leben durch<br />
den Darm, einige davon verursachen Blähungen, zum<br />
Beispiel bestimmte Zuckerarten, die in Kohl, Bohnen<br />
und Zwiebeln enthalten sind. Gase, die im Körper sind,<br />
müssen auch wieder heraus, und so furzt jeder Mensch<br />
etwa 20 Mal im Tag. Je länger Nahrung im Körper bleibt,<br />
desto mehr Gase können sich entwickeln. Um die Verdauung<br />
zu beschleunigen und so vielleicht weniger zu<br />
furzen, gilt also: nach dem Essen ruhen! Denn Verdauung<br />
ist für den Körper Höchstleistung. Und: Auch wenn<br />
es als unanständig gilt, zu rülpsen und zu furzen: Die<br />
Gase müssen heraus, sie verdauen sich auf keine andere<br />
Weise. Hält man sie zu lange zurück, kommt es zu<br />
Schmerzen. Wenn sie gar nicht entweichen können, zum<br />
Beispiel bei einem Darmverschluss, besteht die Gefahr,<br />
dass der Darm platzt.<br />
Um zu verstehen, wie ein Furz entsteht, müssen wir<br />
nun noch einmal gedanklich in den Darm reisen.<br />
Zunächst gelangt der Essensbrei in den Dünndarm, wo<br />
er durchgeknetet wird <strong>–</strong> Zotten unterstützen diesen<br />
Vorgang. Über die Blutbahn werden die Nährstoffe<br />
abtransportiert und versorgen den Körper mit den nötigen<br />
Stoffen und Energie. Der Dünndarm schiebt alles<br />
Unverarbeitete als Brei weiter in den Dickdarm. Genau<br />
hier entstehen die Gase: Stickstoff, Wasserstoff, Kohlendioxid<br />
<strong>–</strong> der perfekte Furz. Enthält dieser Schwefelverbindungen<br />
von mindestens einem Prozent, riecht er.<br />
Schwefel findet sich in der Ernährung vor allem in tierischen<br />
Produkten wie Fleisch oder Eiern, aber auch in<br />
pflanzlichen Produkten wie Zwiebeln und Knoblauch.<br />
Die individuelle Darmflora entscheidet nun, was mit<br />
dem Schwefel passiert. Je nach Darmflora stinkt es bei<br />
einem Menschen nach dem Essen, während der andere<br />
geruchsfrei flatuliert. Bei starken Blähungen sollte man<br />
die Bestandteile der häufig verwendeten Nahrungsmittel<br />
prüfen. Vor allem Fertiggerichte oder Fast Food<br />
haben oft Zuckerbestandteile, die Blähungen fördern.<br />
Ernährung von Jugendlichen<br />
Gerade die blähende Fertignahrung ist es aber, die Kindern<br />
so gut schmeckt. Und je grösser sie werden, desto<br />
weniger Einfluss hat man auf ihr Essverhalten. Sie holen<br />
sich schnell mit Kollegen einen Burger beim amerikanischen<br />
Riesen oder verpflegen sich über Mittag in der<br />
Mensa, wo sie selten Salat wählen. Obwohl Jugendliche<br />
heutzutage viel über gesunde Ernährung und die Notwendigkeit<br />
von ausreichend Bewegung wissen, halten<br />
sie sich im Alltag selten daran: Pizza siegt über Gemüse,<br />
die Playstation über den Waldspaziergang. Doch Zwang<br />
und Druck helfen gerade in diesem Alter wenig. Sie<br />
vermiesen das Essen und die Stimmung. Bereits vor der<br />
Pubertät sollte man, dem Darm zuliebe, dem Kind ein<br />
gesundes Essverhalten vorleben und schmackhaft<br />
machen. Da der Mensch ein Gewohnheitstier ist, wird<br />
Lässt sich fertiger Fruchtsalat im<br />
Kühlschrank so einfach nehmen<br />
wie Schoggi, hat er eine Chance.<br />
7 Tipps für einen gesunden Darm<br />
Ausgewogene Ernährung besteht aus vielen Ballaststoffen,<br />
Obst und Gemüse, Fleisch und kleinen Mengen Fett.<br />
Die gesunde Nahrung von Anfang an auf dem<br />
Speiseplan haben und auch Jugendlichen möglichst leicht<br />
zugänglich machen. Wenn sich der fertige Fruchtsalat im<br />
Kühlschrank genauso einfach konsumieren lässt wie die<br />
Tafel Schoggi, hat er eine Chance.<br />
Gut kauen und langsam essen <strong>–</strong> was Sie herunterschlingen,<br />
belastet hinterher den Darm.<br />
Ausreichend Flüssigkeit nicht vergessen: Wasser, Tee,<br />
verdünnte Säfte sind gute Flüssigkeitslieferanten.<br />
Bewegung hält den Menschen und seinen Darm in Schuss <strong>–</strong><br />
lieber die Treppe als den Lift nehmen, auch ein Spaziergang,<br />
eine Radtour oder ein Fitnessabo helfen.<br />
Nach dem Essen besser erst einmal ruhen <strong>–</strong> denn Verdauen<br />
ist für den Körper anstrengend.<br />
Für genug Entspannung und gesunden Schlaf sorgen.<br />
64 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Ernährung & Gesundheit<br />
auch der Jugendliche nicht alles vergessen, auch wenn<br />
er gerne einmal einen Burger mit Freunden verdrückt.<br />
Pflegen Sie regelmässige Mahlzeiten mit der ganzen<br />
Familie, damit der Teenager auch Gesundes zu essen<br />
bekommt. Ideal wären pro Tag 30 Gramm Ballaststoffe,<br />
wenig Fett, viel Wasser und Bewegung.<br />
Das regelmässige Familienessen ist zudem eine gute<br />
Möglichkeit, mit Jugendlichen im Gespräch zu bleiben,<br />
Anliegen loszuwerden und über wichtige Themen zu<br />
reden. Am Familientisch werden Probleme besprochen<br />
und Lösungen gefunden. Das wirkt sich positiv auf die<br />
Atmosphäre, aber auch auf den Darm aus.<br />
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über den Darm von<br />
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Sandra Matteotti<br />
Dr. phil., ist studierte Germanistin und Philosophin. Sie<br />
forschte zu Themen der Literatur, Ethik und Moral und hat<br />
sich in Weiterbildungen mit dem menschlichen Körper und<br />
mit Ernährung befasst. Sie arbeitet als freie Journalistin<br />
und Künstlerin und ist Mutter eines Teenagers.<br />
Buchtipp<br />
Giulia Enders:<br />
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informativ. Ullstein, 2<strong>01</strong>4.<br />
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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>665<br />
RUKKA.CH
Ernährung & Gesundheit<br />
Weniger einkaufen heisst weniger wegwerfen<br />
Ist das Jogurt noch geniessbar, obwohl das Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist? Dem Portemonnaie und<br />
der Umwelt zuliebe sollte man zweimal nachdenken, bevor man Lebensmittel entsorgt. Text: Regula Thut Borner<br />
Schweizer Haushalte<br />
werfen pro Jahr knapp<br />
<strong>10</strong>0 Kilogramm Nahrungsmittel<br />
weg. Dabei<br />
wäre mehr als die Hälfte<br />
davon noch einwandfrei. Viele<br />
Konsumentinnen und Konsumenten<br />
sind unsicher, was die angegebenen<br />
Haltbarkeitsdaten auf<br />
Lebensmitteln bedeuten, und<br />
werfen sie sicherheitshalber lieber<br />
weg. Das muss nicht sein.<br />
Planen und aufbewahren<br />
Was man nicht kauft, muss man<br />
auch nicht wegschmeissen. Eine<br />
gute Menüplanung und Einkaufslisten<br />
helfen, dass man nur das<br />
einkauft, was man auch wirklich<br />
braucht. Heute ist der Kühlschrank<br />
einer der wichtigsten<br />
Lagerorte. Seine Temperatur sollte<br />
nicht höher als 6 °C sein. Wichtig<br />
ist, den Überblick zu bewahren<br />
und regelmässig auch die hinterste<br />
Ecke des Kühlschranks nach allenfalls<br />
vergessenen Produkten zu<br />
durchstöbern.<br />
Milch: Riecht sie sauer, sollte<br />
man sie entsorgen.<br />
Jogurt, Quark, Frischkäse,<br />
Rahm: Bei einwandfreier<br />
Verpackung sind ungeöffnete<br />
Becher bis zu zwei Wochen über<br />
das MHD hinaus geniessbar. Bei<br />
Schimmelbildung Produkte<br />
wegwerfen.<br />
Käsereste: Kann man auch tiefgefrieren<br />
und später für Gratins<br />
und Käsekuchen verwenden.<br />
Abgepackter Käse ist etwa zwei<br />
Wochen über das MHD hinaus<br />
geniessbar. Schimmel auf Hartkäse<br />
grosszügig wegschneiden<br />
und den Rest sofort verwerten.<br />
Schimmligen Weichkäse immer<br />
entsorgen.<br />
Butter: Bestens geeignet zum<br />
Tiefkühlen. Solange sie nicht<br />
ranzig riecht, kann man sie über<br />
das MHD hinaus verwenden.<br />
Eier: Im Kühlschrank mit dem<br />
Spitz nach unten lagern. Möglichst<br />
frisch verwenden. In den<br />
ersten 20 Tagen hat das Ei<br />
eigene natürliche Enzyme, die<br />
eine Keimvermehrung verhindern.<br />
Ältere Eier zum Backen<br />
verwenden.<br />
Früchte und Gemüse: Kleine<br />
Druckstellen und schrumpelige<br />
Haut sind gesundheitlich unbedenklich.<br />
Faule und schimmlige<br />
Früchte und Gemüse entsorgen.<br />
Kartoffeln: Dunkel und kühl<br />
aufbewahren. Weisse Triebe<br />
können weggeschnitten werden.<br />
Grünlich gefärbte Kartoffeln<br />
entsorgen.<br />
Brot: Für Brotreste gibt es viele<br />
salzige und süsse Rezeptideen.<br />
Schimmliges Brot wegwerfen.<br />
Konfitüre: Hat es Schimmel,<br />
Konfitüre vernichten: Den<br />
Schimmel oben abnehmen<br />
reicht nicht, da die Fäden bis<br />
weit in die Konfitüre hinein<br />
gelangen können.<br />
Regula<br />
Thut Borner<br />
ist dipl. Ernährungsberaterin<br />
HF und<br />
Projektleiterin<br />
Fachbereich<br />
Ernährung<br />
bei Swissmilk.<br />
ernaehrungsberatung@<br />
swissmilk.ch<br />
www.swissmilk.ch<br />
Essen oder entsorgen?<br />
Bei überschrittenem Mindesthaltbarkeitsdatum<br />
(MHD) ist es bei<br />
den meisten Produkten ratsam,<br />
den gesunden Menschenverstand<br />
walten zu lassen und sich auf seine<br />
Sinne zu verlassen. Hinterlässt das<br />
Le bensmittel von Geruch,<br />
Geschmack, Konsistenz und Farbe<br />
her den gleichen Eindruck wie<br />
nicht abgelaufene Ware, dann<br />
kann es noch konsumiert werden.<br />
Hier einige Orientierungspunkte:<br />
66 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Bonbons<br />
Esellager für Kind mit Begleitperson<br />
Fritz+Fränzi verlost 2 × 1 Teilnahme in einem WWF-Lager im Wert von je Fr. 1180.<strong>–</strong><br />
Fotos: © WWF Schweiz / Ramon Lehmann<br />
Der WWF Schweiz motiviert Kinder und Jugendliche zu einem nachhaltigen Lebensstil <strong>–</strong> zum Beispiel<br />
in unseren beliebten Ferienlagern.<br />
Im Esellager im Tessin unternehmen wir <strong>–</strong> zusammen mit elf Langohren <strong>–</strong> Ausflüge in die Natur. Wir putzen,<br />
füttern, umsorgen die liebenswerten Vierbeiner und machen Reitübungen. Neben dem abwechslungsreichen<br />
Programm bleibt viel Zeit zum Spielen und für den gemeinsamen Austausch. Das Esellager findet<br />
vom 18. 7. bis 23. 7. in Casserio (TI) statt.<br />
Gemeinsam für die Natur: Unterstützen Sie den WWF dabei, die Tier- und Pflanzenwelt zu erhalten,<br />
und lernen Sie viel Spannendes über die Natur: www.wwf.ch/familien<br />
Teilnahmeberechtigt sind alle in der Schweiz wohnhaften Personen ab 18 Jahre. Ausgenommen sind die Mitarbeitenden<br />
des WWF Schweiz. Die Preise werden nicht ausbezahlt. Über den Wettbewerb wird keine Korrespondenz geführt.<br />
Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />
Wettbewerbsteilnahme auf www.fritzundfraenzi.ch/bonbons<br />
Teilnahmeschluss: <strong>10</strong>. Januar 2<strong>01</strong>6<br />
Teilnahme per SMS: Stichwort FF WWF an 959 senden (30 Rp./SMS)<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>667
«Wie die Hungrigen<br />
im Süssigkeitenladen»<br />
Pornografie-Webseiten gehören zu den am häufigsten besuchten Internetseiten weltweit.<br />
Professor Jakob Pastötter über die Macht der Bilder, Eltern, die Taschentücher zählen,<br />
und warum Sex im Netz abstumpft. Interview: Bianca Fritz<br />
trauen gewinnt und ihnen zuhört.<br />
Nur gibt es solche Studien bis heute<br />
nicht.<br />
Trotzdem sehen Sie eine Gefahr darin,<br />
wenn Jugendliche auf Pornoseiten<br />
herumsurfen.<br />
Das liegt an einer einfachen psychologischen<br />
Grundregel: Bilder sind<br />
immer stärker als Worte. Wir können<br />
die Kinder also noch so gut darüber<br />
aufklären, dass Pornos nicht der<br />
Realität entsprechen <strong>–</strong> gegen das, was<br />
sie mit eigenen Augen sehen, kommen<br />
Worte nicht an. Zum Beispiel<br />
wird ja beim Analsex nie gezeigt,<br />
dass er häufig mit Schmerzen verbunden<br />
ist oder dass es lange Spülungen<br />
braucht, damit alles so sauber<br />
zugeht. Jugendliche stehen vor der<br />
extrem schwierigen Aufgabe, Realität,<br />
Fiktion und dann auch noch die<br />
eigenen Wünsche auseinanderzuhalten.<br />
Eigene Erfahrungen könnten<br />
ihnen dabei helfen, aber die haben<br />
sie oft noch nicht gemacht, wenn sie<br />
auf diese Masse an Pornovideos stossen,<br />
die wirklich jede Vorliebe bedienen.<br />
Und das mitten in der hormonellen<br />
Verwirrung der Pubertät. Das<br />
ist ein bisschen so, wie wenn der<br />
Hungrige im Süssigkeitenladen<br />
steht.<br />
Ändert sich das, wenn es zu echten<br />
Erfahrungen kommt? Ist Sex mit<br />
einem Partner nicht befriedigender<br />
als Pornografie?<br />
Das geben alle Befragten an, ja. Das<br />
liegt auch daran, dass all unsere Sinnesorgane<br />
mitbeteiligt sind. Aber<br />
Herr Pastötter, durch das Internet<br />
kommen heute auch Jugendliche ganz<br />
leicht an Pornografie. Welchen Einfluss<br />
hat das auf ihre Sexualität?<br />
Wenn man das so leicht sagen könnte.<br />
Denn die meisten Forschungen<br />
über Sexualität stützen sich auf die<br />
Selbsteinschätzung der Befragten.<br />
Nur: Nicht einmal Er wachsene<br />
schätzen sich immer richtig ein. Wie<br />
wollen es da Jugendliche tun, die ihre<br />
Sexualität doch gerade erst entdecken?<br />
Warum sind Selbstauskünfte in<br />
Sachen Sexualität so schwierig?<br />
Ein einfaches Beispiel: Schon die<br />
Frage, wie häufig man masturbiert,<br />
ist doch enorm schwierig zu beantworten.<br />
Wer führt denn darüber<br />
Buch? Und das kann ja diesen Monat<br />
ganz anders sein als letzten. Dazu<br />
kommen Vorstellungen davon, wie<br />
oft man etwas tun sollte. Und es gibt<br />
sogar Geschlechtsunterschiede:<br />
Wenn wir Männer fragen, wie viele<br />
Sexpartnerinnen sie hatten, neigen<br />
diese dazu, zu schätzen. Frauen hingegen<br />
zählen. So kommen sie zu<br />
unterschiedlichen Ergebnissen. Und<br />
schädliches Verhalten, zum Beispiel<br />
«zu viel Pornos gucken», schreiben<br />
wir sowieso nur den anderen zu.<br />
Fragebögen taugen also Ihrer Meinung<br />
nach nichts. Wie kann man jugendliche<br />
Sexualität anders erforschen?<br />
Zum Beispiel indem man einzelne<br />
Jugendgruppen begleitet <strong>–</strong> an verschiedenen<br />
Orten, in unterschiedlichen<br />
Milieus. Indem man ihr Verwenn<br />
wir mit der Pornografie gelernt<br />
haben, dass hauptsächlich das Sehorgan<br />
stimuliert werden muss, sind<br />
wir beim echten Sex verwirrt oder<br />
gar enttäuscht. Junge Menschen<br />
haben ein Handicap, wenn sie so in<br />
eine Beziehung treten. Deshalb treffen<br />
sie Aussagen wie: «Ich habe das<br />
Gefühl, immer so agieren zu müssen,<br />
als wäre eine Kamera auf mich<br />
gerichtet.» Zudem ist der Orgasmus<br />
meist intensiver, wenn man alleine<br />
und mit Pornografie masturbiert.<br />
Nicht nur weil man hier manuell<br />
feintunen kann, sondern weil die<br />
Reize sehr stark sind. Und weil man<br />
jederzeit weiterklicken kann, wenn<br />
einen etwas nicht oder nicht mehr<br />
erregt.<br />
Besteht dabei auch die Gefahr, gegen<br />
die Reize des Partners abzustumpfen?<br />
Natürlich! Wenn ich gelernt habe,<br />
dass jede nur erdenkliche Art von<br />
Sex mit unterschiedlichen Partnern<br />
jederzeit und ohne Aufwand verfügbar<br />
ist und ich dabei auch noch<br />
einen richtig guten Orgasmus erleben<br />
kann, hat mein Partner ein<br />
Pro blem. Auch hier gibt es keine<br />
verlässlichen Zahlen, aber meine<br />
Kol legen und ich haben schon jetzt<br />
17-, 18-, 19-Jährige in der Beratung,<br />
die mit ihrer Freundin im Bett liegen<br />
und die nichts mehr anmacht.<br />
Die meisten Kinder und Jugendlichen<br />
ekeln sich doch, wenn sie erstmals auf<br />
pornografisches Material stossen ...<br />
Und deshalb verharmlosen auch viele<br />
das Problem. Aber es gibt das Phä<br />
68 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Digital & Medial<br />
Pornokonsum<br />
schläfert auch<br />
die Lust auf den<br />
Partner ein.<br />
Foto: Gallery Stock<br />
nomen der Angstlust. Dieses kennen<br />
wir von Horrorfilmen. Wir finden<br />
sie schrecklich, lernen aber, dass sie<br />
uns auch Lust bereiten, wenn wir nur<br />
oft genug hinsehen. Dann versprechen<br />
sie sogar einen ganz besonderen<br />
Reiz.<br />
Haben Jugendliche heute früher Sex?<br />
Eher im Gegenteil. Wir lernen, unsere<br />
Bedürfnisse nicht mehr auszuleben,<br />
sondern stattdessen zuzusehen.<br />
Es wird sogar eine Hemmschwelle<br />
aufgebaut durch die Pornografie,<br />
weil die Messlatte so verdammt hoch<br />
liegt. Sexualität wirklich zu leben,<br />
macht ausserdem auch viel mehr<br />
Arbeit.<br />
Was können Eltern gegen die Macht<br />
der Bilder tun? Ihren Kindern romantische<br />
Liebesfilme zeigen?<br />
Das ist wirklich eine schwierige Frage.<br />
Verständnis dafür zeigen, dass<br />
Sexualität überwältigend ist. Und<br />
eine Atmosphäre schaffen, in der<br />
Kinder Fragen stellen können. Auf<br />
die Gefahren der Pornografie hinweisen,<br />
aber bloss nicht die Taschentücher<br />
zählen, welche die Jungs verbrauchen.<br />
Und natürlich: liebevolle<br />
Beziehungen vorleben, damit Kinder<br />
und Jugendliche deren Wert erkennen.<br />
Nicht zu unterschätzen ist auch,<br />
dass Jugendliche ihre Bedürfnisse<br />
kennen sollten. Pornografie hat ja oft<br />
nichts mehr damit zu tun, dass der<br />
Körper nach Befriedigung verlangt<br />
<strong>–</strong> sie funktioniert auch, wenn der<br />
Körper eigentlich schon genug hat.<br />
Es ist reiner Konsum eines Produktes.<br />
Im Kanton Zürich wurde einmal der<br />
Vorschlag diskutiert, Pornografie im<br />
Schulunterricht anzusehen und zu<br />
besprechen ...<br />
Das ist sehr schwierig. Schulklassen<br />
sind Zwangsgemeinschaften. Da<br />
sollte man nichts zeigen, was die<br />
Schamgrenze überschreitet. Das<br />
führt doch nur dazu, dass sich die<br />
Coolen besonders aufspielen und<br />
sich die Ruhigen noch weiter zurückziehen.<br />
Eventuell wäre es in freiwilligen<br />
Gruppen denkbar <strong>–</strong> zum Beispiel<br />
in Form eines Workshops bei<br />
einer Familienberatung. Aber es<br />
bleibt ein rechtliches Problem: Er <br />
wachsene dürfen Kindern im Normalfall<br />
keine Pornografie vorführen.<br />
Und auch wenn Jugendliche intellektuell<br />
etwas verstanden haben,<br />
muss das noch lange nicht handlungsleitend<br />
sein.<br />
Jakob Pastötter<br />
Professor, ist Präsident der Deutschen<br />
Gesellschaft für sozialwissenschaftliche<br />
Sexualforschung und bietet Sexualberatung<br />
per Skype an <strong>–</strong> auch für Jugendliche und<br />
deren Eltern. www.sexualitaetleben.de<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>669
Lernen, wann, wo, wie und<br />
mit wem es mir gefällt?<br />
Das Konzept der erweiterten Lernwelten zeigt<br />
Ideen, wie die Schule Schülerinnen und Schüler<br />
auf die digitale Arbeitswelt vorbereiten kann.<br />
Text: Michael In Albon<br />
Das Arbeitsleben hat<br />
sich in den vergangenen<br />
Jahren stark verändert.<br />
Angestellte<br />
haben heute immer<br />
häufiger die Wahl: die Wahl zwischen<br />
Homeoffice oder physischer<br />
Präsenz im Unternehmen, die Wahl<br />
zwischen Grossraumbüro, Einzelbüro<br />
und Rückzugsraum <strong>–</strong> je nach Lust<br />
und Laune. Man könnte von «launebasiertem<br />
Arbeiten» sprechen.<br />
Was bedeutet das nun für die Schule,<br />
die unsere Kinder auf die Arbeitswelt<br />
von morgen vorbereitet? Wie<br />
kann «launebasiertes Lernen» stattfinden?<br />
Bei der Suche einer Antwort traf<br />
ich auf das Konzept der «erweiterten<br />
Lernwelten». Dieses pädagogische<br />
Konzept verknüpft analoges und<br />
virtuelles Lernen. Seine Grundidee<br />
lautet: Lernen mit Unterstützung<br />
des Internets öffnet den klassischen<br />
geschlossenen Lernalltag und weitet<br />
ihn aus <strong>–</strong> inhaltlich, sozial und<br />
räumlich. Ist die Schule der Zukunft<br />
also nur noch ein gelegentlicher<br />
Treffpunkt für Schülerinnen und<br />
Schüler, die an einem bestimmten<br />
Projekt interessiert sind?<br />
Individuelle Lernwege, Lernorte und<br />
Lernzeiten<br />
So könnte Lernen 2025 aussehen: Es<br />
findet in einer Cloud statt, wo die<br />
Daten über die Schülerinnen und<br />
Schüler gespeichert sind <strong>–</strong> Prüfungsergebnisse<br />
etwa und erreichte Kompetenzen.<br />
Wie die Daten in die<br />
Cloud wandern? Einerseits dokumentieren<br />
die Schüler selber ihre<br />
schulische und persönliche Entwicklung,<br />
andererseits arbeiten auch<br />
Lehrpersonen und Eltern in der<br />
Cloud. Der Lehrer erstellt zu einzelnen<br />
Themen Aufgaben und gliedert<br />
sie nach Kompetenzen. Die Schüler<br />
erarbeiten die Aufgaben selbständig,<br />
der Lehrer bewertet diese Inhalte<br />
und weist den Schülern neue individuelle<br />
Aufgaben zu.<br />
Ein typischer Tag könnte so aussehen,<br />
dass der Schüler die Schule<br />
betritt, sich mit der Lehrperson<br />
berät, seinen individuellen Lernweg<br />
für den Tag, die Woche oder den<br />
Monat festlegt und sich «auf seinen<br />
Lernweg» macht. Dieser kann ihn in<br />
Schulungsräumen oder in einem<br />
Café mit anderen Schülerinnen und<br />
Schülern zu einem intensiven Austausch<br />
in der Gruppe zusammenführen,<br />
so dass soziales Lernen weiterhin<br />
ein Bestandteil bleibt.<br />
Sein Weg kann ihn aber auch in<br />
eine Vorlesung, in ein persönliches<br />
Ge spräch, in ein Lernspiel oder digital<br />
zu Video-Tutorials, Skype-Besprechungen<br />
oder Online-Lernspielen<br />
führen. Der Lernweg kann auch<br />
in eine stille Arbeit am eigenen<br />
Arbeitsplatz münden <strong>–</strong> im eigenen<br />
Zimmer zu Hause etwa oder im<br />
Wohnzimmer der Grosseltern.<br />
Unterstützt durch mobile Endgeräte,<br />
die überall Zugang zu Wissen<br />
ermöglichen, werden neue Orte zu<br />
Lernorten. Das Lernen wird durch<br />
das Konzept der erweiterten Lernwelten<br />
zudem weniger zeitgebunden.<br />
Das verlangt von Schulen und<br />
auch Eltern eine grosse Offenheit,<br />
denn Schülerinnen und Schüler<br />
können ihren Unterricht weitgehend<br />
selber organisieren. Sie kommen<br />
und gehen, wann es ihnen<br />
passt. Vielleicht brauchen sie <strong>–</strong> einzeln<br />
oder in Gruppen <strong>–</strong> Unterstützung<br />
und Begleitung. Genau so, wie<br />
es heute in der Arbeitswelt immer<br />
häufiger funktioniert.<br />
Wohin Schulen steuern, wissen<br />
wir nicht. Und der Schulalltag verändert<br />
sich auch nicht über Nacht.<br />
Eines ist aber sicher: Digitale Geräte<br />
haben längst Einzug in den Schulalltag<br />
gehalten. Wie schnell und<br />
stark sie ihn verändern, wird sich<br />
zeigen.<br />
Michael In Albon<br />
ist Jugendmedienschutz-Beauftragter<br />
von Swisscom.<br />
Auf Medienstark finden Sie Tipps und interaktive<br />
Lernmodule für den kompetenten Umgang<br />
mit digitalen Medien im Familienalltag.<br />
swisscom.ch/medienstark<br />
70 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
CHF 9.50<br />
EUR 8.50<br />
Digital & Medial<br />
70 Prozent<br />
der Schweizer Kinder zwischen 6 und 13 Jahren lesen mindestens einmal<br />
pro Woche in der Freizeit in einem Buch.<br />
Das ergab die repräsentative MIKE-Studie der Zürcher Hochschule<br />
für Angewandte Wissenschaften.<br />
Sich mit Flüchtlingen<br />
verständigen<br />
Wie können hiesige Kinder mit den ankommenden<br />
Flüchtlingskindern kommunizieren?<br />
Darüber machen sich Medien<br />
und Verlage Gedanken. Die Sendung mit<br />
der Maus hat <strong>–</strong> auf Wunsch von jungen<br />
Zuschauern <strong>–</strong> einen Teil ihrer Lach- und<br />
Sachgeschichten auf Arabisch, Kurdisch und<br />
Dari übersetzt. Zu finden unter: www.wdrmaus.de/sachgeschichten/maus-international.<br />
Der Verlag Ars-Edition hat ausserdem<br />
ein Willkommens-ABC herausgebracht, das<br />
einfache deutsche Begriffe mit Bildern lehrt.<br />
Dieses gibt es kostenlos als PDF, App oder<br />
als E-Book: www.willkommensabc.de.<br />
Zu viel Facebook<br />
gefährdet Mädchen<br />
Wer mehr als drei Stunden pro Tag auf<br />
sozialen Netzwerken wie Facebook,<br />
Twitter und Instagram verbringt,<br />
gefährdet seine psychische Gesundheit.<br />
Das besagt eine aktuelle Studie<br />
des britischen Office for National<br />
Statistics. Demnach haben Jugendliche<br />
zwischen <strong>10</strong> und 15 Jahren, die<br />
viel Zeit in den Netzwerken verbringen,<br />
ein doppelt so hohes Risiko,<br />
psychische Probleme zu bekommen,<br />
wie Jugendliche, die dieses Angebot<br />
gar nicht nutzen. Mädchen sind<br />
besonders häufig exzessive Nutzer <strong>–</strong><br />
und damit gefährdeter als Jungen.<br />
App-Tipp<br />
Schattenbilder<br />
ar<br />
Fritz+Fränzi-App<br />
downloaden, starten,<br />
Seite scannen und<br />
Szenen aus dem<br />
Shadowmatic-Spiel<br />
sehen.<br />
«Shadowmatic» ist eine spannende und ziemlich knifflige<br />
Denkspiel-App für ältere Kinder und Erwachsene.<br />
In toll gemachtem 3-D-Design brilliert die App mit<br />
Grafik und Sound. Zum Spielprinzip: Ein undefinierbarer,<br />
abstrakter Körper schwebt in der Luft, durch<br />
Wischen auf iPad oder iPhone kann man ihn in alle<br />
Richtungen drehen. Ein Lichtkegel wirft von dem<br />
Gegenstand einen Schatten auf die Wand. Man dreht so<br />
lange am Objekt, bis der Schatten einen klaren Gegenstand<br />
abbildet. Es gibt schwierigere Level, bei denen der<br />
Körper geteilt wurde und die einzelnen Stücke erst richtig<br />
verbunden werden müssen. Sechs leuchtende Punkte<br />
zeigen an, wie nah man der Lösung ist. Die App gibt es<br />
in vielen Sprachen, unter anderem auf Deutsch. Das<br />
Spiel fördert räumliches Sehen und logisches Denken<br />
und macht viel Spass. Da die Lösung schon etwas<br />
schwierig sein kann, empfehlen wir die App ab zehn<br />
Jahren. Und auf jeden Fall auch den Eltern. Insgesamt<br />
gibt es zehn Räume <strong>–</strong> jeder hat eine eigene Sound-Atmosphäre<br />
und entsprechend passende Schattenfiguren.<br />
Fazit: eine sehr hübsch gestaltete und gut gemachte App<br />
für kleine und grosse Rätselfans <strong>–</strong> sehr zu empfehlen!<br />
Erhältlich auf iTunes für drei Franken.<br />
Die App-Kritik wurde mit freundlicher Genehmigung von<br />
ene-mene-mobile.de veröffentlicht <strong>–</strong> der Webseite für Kinder-App-Rezensionen<br />
von zwei jungen Frauen aus Berlin.<br />
Foto: ZVG<br />
Grosseltern MAGAZIN<br />
# <strong>10</strong>/ Oktober <strong>2<strong>01</strong>5</strong><br />
Gross-<br />
eltern<br />
im<br />
Abo<br />
Das erste<br />
MAGAZIN FÜR<br />
GROSSELTERN<br />
in der Schweiz.<br />
Schenken Sie Ihren Eltern<br />
und Schwiegereltern<br />
als Dankeschön ein<br />
Abonnement des neuen<br />
Magazins für Grosseltern.<br />
# <strong>10</strong> // Oktober <strong>2<strong>01</strong>5</strong><br />
Grosseltern<br />
Mein Enkel mit<br />
dem Down-Syndrom<br />
Wie Kyle seine Nonna auf Trab hält (S. 20)<br />
# 11/ Oktober <strong>2<strong>01</strong>5</strong><br />
Grosseltern MAGAZIN<br />
Grosseltern MAGAZIN<br />
Grosseltern MAGAZIN<br />
Grosseltern<br />
www.grosseltern-magazin.ch<br />
Familienrezepte<br />
aus Afghanistan<br />
Wie Flüchtlinge kochen (S. 38)<br />
Das Magazin über das Leben mit Enkelkindern<br />
Schellen-Ursli<br />
Weshalb der Engadiner Bub bis heute<br />
Grosseltern und Enkel begeistert (S. 24)<br />
Grosseltern MAGAZIN<br />
# 11 / November <strong>2<strong>01</strong>5</strong><br />
www.grosseltern-magazin.ch<br />
Das Magazin über das Leben mit Enkelkindern<br />
Inkl. Dossier<br />
DIGITALES<br />
LEBEN<br />
ab Seite 48<br />
Wenn die Kinder<br />
Heimweh haben<br />
Was hilft gegen die Tränen? (S. 30)<br />
GROSSMÜTTER<br />
IM TIERREICH<br />
Bei Elefanten ist die Oma Babysitterin<br />
und Boss <strong>–</strong> wie Claudy in Knies Kinderzoo. (S. 38)<br />
# 09/ September <strong>2<strong>01</strong>5</strong><br />
Diagnose ADHS<br />
Wie Grosseltern einen hyperaktiven Enkel<br />
unterstützen können (S. 26)<br />
Grosseltern<br />
Grosseltern MAGAZIN<br />
Wenn der Hund<br />
die Enkel anknurrt<br />
Tipps einer Tierexpertin (S. 26)<br />
Inkl. Dossier<br />
GROSSELTERN<br />
IN EUROPA<br />
ab Seite 48<br />
Mit den Enkeln<br />
auf die Piste<br />
So gelingen gemeinsame Skiferien (S. 34)<br />
NICHT<br />
VERWANDT UND<br />
DOCH GANZ NAH<br />
Wahl-Opa Fritz betreut regelmässig drei Mädchen<br />
einer befreundeten Familie. (S. 20)<br />
0<strong>01</strong>_GEMag_Titel_1115.indd 1 15.<strong>10</strong>.15 20:56<br />
# 09 / September <strong>2<strong>01</strong>5</strong><br />
www.grosseltern-magazin.ch<br />
Das Magazin über das Leben mit Enkelkindern<br />
0<strong>01</strong>_GEMag_Titel_<strong>10</strong>15.indd 1 <strong>10</strong>.09.15 17:53<br />
Wahlen <strong>2<strong>01</strong>5</strong><br />
Das sagen die Parteichefs über die<br />
Grosseltern-Generation (S. 30)<br />
DIMITRI<br />
UND SAMUEL<br />
Ein Gespräch mit Dimitri und seinem Enkel über<br />
gemeinsame Auftritte, Familie und Poesie. (S. 20)<br />
0<strong>01</strong>_GEMag_Titel_0915.indd 1 13.08.15 17:15<br />
CHF 9.50<br />
EUR 8.50<br />
Jetzt bestellen unter<br />
www.grosselternmagazin.ch/abo<br />
oder per<br />
Telefon 031 740 97 53.<br />
CHF 9.50<br />
EUR 8.50<br />
Chöre für Grosseltern<br />
und ihre Enkel<br />
Das neue Projekt von Linard Bardi l (S. 38)<br />
DIE SCHULE VON<br />
A BIS Z<br />
Inkl. Dossier<br />
ab Seite 52<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6<br />
GEMag_FritzFraenzi_43x252_23<strong>10</strong>15.indd 1 23.<strong>10</strong>.15 12:0
Digital & Medial<br />
Ich bitte die Tochter, ihrem Bruder etwas von ihrer Banane abzugeben.<br />
Sie gibt ihm die Schale. So fangen ganz grosse Politikerkarrieren an.<br />
Tweet von @marlenehelene79<br />
Fotos: ZVG<br />
«Jedes Kind wird von<br />
uns angerufen»<br />
Auf zambo.ch unterhalten sich mehrere<br />
Tausend Kinder <strong>–</strong> im geschützten Raum. Die<br />
fleissigsten Schreiber werden oft Zambo-<br />
Reporter oder Akteure für eine Geschichte im<br />
Radio und Fernsehen SRF. Zambo-Redaktionsleiterin<br />
Susanne Eberhart über die Community.<br />
Interview: Bianca Fritz<br />
Frau Eberhart, Medienpädagogen<br />
empfehlen soziale Netzwerke erst ab 12 <strong>–</strong><br />
bei zambo.ch können sich Kinder ab 6<br />
unterhalten. Wie passt das zusammen?<br />
Zunächst einmal: Die meisten unserer<br />
Nutzer sind zwischen 9 und 12 Jahre alt.<br />
Das Chatten und Bloggen macht ja erst<br />
Spass, wenn man schon einigermassen<br />
schnell schreiben kann. Wir haben aus<br />
Sicherheitsgründen sehr hohe Hürden,<br />
um sich in der Community anzumelden.<br />
Zunächst bekommen Eltern und<br />
Kinder jeweils eine Mail und müssen<br />
bestätigen, dass sie mit den Zambo-<br />
Regeln einverstanden sind. Dann wird<br />
jedes Kind von uns angerufen <strong>–</strong> wir<br />
möchten hören, ob sich wirklich ein<br />
Kind meldet.<br />
Wie läuft so ein Telefongespräch ab?<br />
Wir stellen uns vor und erklären dem<br />
Kind ein paar grundlegende Regeln der<br />
Community. Dass man anständig zueinander<br />
sein soll, aber vor allem auch,<br />
dass man nie private Daten wie Telefonnummern<br />
oder Adressen posten darf.<br />
Das wirkt <strong>–</strong> wir müssen ganz selten<br />
jemanden verwarnen, es kam fast noch<br />
nie vor, dass ein Kind in der Community<br />
nicht mehr mitmachen durfte.<br />
Was sind die Themen, die Kinder in der<br />
Community besonders beschäftigen?<br />
Schulnoten, was man in den Ferien<br />
macht, die Show des Turnvereins, ungerechte<br />
Lehrer, ein Kind aus der Klasse,<br />
das gemobbt wird ... Das ist jeden Tag<br />
ein bisschen anders. Wir haben damit<br />
natürlich auch eine Schatzkiste an Themen<br />
und können bei Zambo direkt<br />
über das berichten, was Kinder wirklich<br />
interessiert.<br />
Und mit 15 ist dann einfach so Schluss?<br />
Ja, Kindern, die so lange dabei sind,<br />
fällt der Abschied oft schwer und sie<br />
schreiben noch eine Abschlussnachricht<br />
am Tag vor dem 15. Geburtstag.<br />
www.zambo.ch<br />
ar<br />
Laden<br />
und starten<br />
Sie die Fritz+Fränzi-App,<br />
scannen Sie diese<br />
Seite und sehen Sie<br />
den neuen Film von<br />
Fabian Grolimund.<br />
Grausamer Klassenchat<br />
Bestimmt würden viele Eltern gerne<br />
einmal nachlesen, was die Kinder da in<br />
ihrem Klassenchat so schreiben. Tun es<br />
aber nicht <strong>–</strong> der Privatsphäre zuliebe. Der<br />
ungewöhnliche Roman «Der Chat»,<br />
geschrieben vom Schweizer Vater-und-<br />
Tochter-Paar Mirjam und Gregor Klaus,<br />
kann Abhilfe schaffen, denn er ist ein<br />
einziger Chatverlauf zwischen Jugendlichen<br />
<strong>–</strong> authentisch und nicht nur sprachlich<br />
zuweilen ziemlich grausam. Schon<br />
nach wenigen Seiten ist klar, wer den Ton<br />
angibt in dieser Gruppe, wer es zu Hause<br />
oder in der Schule recht schwer hat und<br />
auch wer von der Gruppe als Opfer<br />
auserkoren wurde. Der Ton spitzt sich zu,<br />
und schnell ist klar <strong>–</strong> das kann nicht gut<br />
ausgehen, weder im Chat noch im Leben<br />
abseits des Smartphonebildschirms.<br />
Klaus/Klaus: Der Chat. Cosmos <strong>2<strong>01</strong>5</strong>,<br />
215 Seiten, 29 Franken<br />
Neuer Biber-Film<br />
Im aktuellen Film der Serie «Was<br />
Kinder stark macht» erfahren Sie,<br />
wie man wertvolle Zeit zu zweit für<br />
Eltern und Kinder auch in stressigen<br />
Zeiten in den Alltag integriert.<br />
72 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Psychiatrie,<br />
Psychotherapie und<br />
Psychosomatik für<br />
Kinder und Jugendliche<br />
Gefunden:<br />
Selbstwertgefühl.<br />
Zuerst war es ein tolles Gefühl, abzunehmen.<br />
Ich dachte, so würde ich perfekt<br />
werden, mehr Anerkennung und Liebe<br />
bekommen. Doch es war nicht so. Also<br />
wollte ich noch dünner werden. Bis ich<br />
zusammenbrach. In der Clienia habe<br />
ich gelernt, wieder gern zu essen, ohne<br />
ständig Kalorien zu zählen, und mich zu<br />
mögen, wie ich bin <strong>–</strong> ein gutes Lebensgefühl<br />
für mich.<br />
Wir übernehmen in der Clienia Privatklinik Littenheid<br />
die stationäre Behandlung von Kindern und<br />
Jugendlichen ab Vorschulalter bis zum Alter von<br />
18 Jahren mit Störungsbildern aus dem gesamten<br />
Spektrum der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Die<br />
psychotherapeutische Behandlung erfolgt durch<br />
verhaltenstherapeutische, systemische und tiefenpsychologische<br />
Verfahren, eingebettet in einem<br />
milieutherapeutischen und sozialpädagogischen<br />
Rahmen. Die Zusammenarbeit mit Eltern, Lehrern,<br />
Therapeuten und Institutionen ist uns ein wichtiges<br />
Anliegen.<br />
Im Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> eröffnen wir unseren Erweiterungsbau<br />
mit 16 zusätzlichen stationären Plätzen<br />
für Kinder und Jugendliche und erhöhen unsere<br />
Kapazität damit auf insgesamt 52 Betten.<br />
Mehr Informationen unter www.clienia.ch.<br />
Führend in Psychiatrie<br />
und Psychotherapie<br />
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Werden Sie Gastfamilie<br />
Wir ermöglichen jährlich über 200 Jugendlichen aus aller Welt einen unvergesslichen<br />
Austausch bei uns in der Schweiz.<br />
Schenken auch Sie solche Momente, öffnen Sie<br />
Ihr Herz und wachsen Sie als Familie an einer<br />
neuen Erfahrung.<br />
Engagieren Sie sich als Gastfamilie bei<br />
AFS Schweiz. Wir betreuen und unterstützen<br />
Sie während diesem<br />
interkulturellen Abenteuer!<br />
info@afs.ch<br />
044 218 19 19<br />
Lassen Sie sich von den Erlebnissen<br />
unserer Gastfamilien<br />
inspirieren: afs.ch/berichte<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>673
Spielwelten zum Anfassen<br />
Ein ausgewachsener, dreidimensionaler Western auf dem Stubentisch, eine Nacht unter Werwölfen,<br />
das Zusammenstellen eines bunten Flickenteppichs: Analoge Spielwelten sind vielfältig wie<br />
das Leben selbst und bringen die ganze Familie zu einem gemeinsamen emotionalen Erlebnis<br />
zusammen. Text: Tom Felber<br />
Fotos: Cathy Yeulet / 123RF, ZVG<br />
Machen Computerspiele den analogen Brettspielen<br />
nicht langsam den Garaus? <strong>–</strong> So lautet eine der meistgestellten<br />
Fragen an Spiele-Journalisten. Nein, überhaupt<br />
nicht! Das Gegenteil ist der Fall: Weil sich die<br />
Digitalisierung in immer weitere Teile des Freizeitund<br />
Alltagslebens frisst, steigt das Bedürfnis nach nicht digitalen,<br />
unmittelbaren, gemeinsamen emotionalen Erlebnissen. Bei analogen<br />
Gesellschaftsspielen sieht man sich in die Augen und bekommt die<br />
Gefühle der Mitspieler ungefiltert mit: Bluffen, verhandeln, jemanden<br />
austricksen, sich ärgern, sich freuen haben eine ganz andere Qualität.<br />
Wir stellen fünf aktuelle Spiele vor, die auch Spielemuffel faszinieren<br />
können und Kinder und Jugendliche an den Spieltisch zurückholen.<br />
Ihr Kind kann<br />
nicht verlieren?<br />
Laden und starten<br />
Sie die Fritz+Fränzi-App,<br />
scannen Sie diese Seite.<br />
Im Video helfen Fabian<br />
Grolimund und der<br />
Biber weiter.<br />
74 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Service<br />
Für Smartphone-Junkies<br />
Werwölfe <strong>–</strong> Vollmondnacht<br />
Hier darf man sogar das Smartphone zum Spiel mitbringen:<br />
Ein Dorf versucht herauszufinden, wer sich<br />
nachts in Werwölfe verwandelt. Das Werwölfe-Grossgruppenspiel<br />
erfreut sich bei Jugendlichen grosser<br />
Beliebtheit und ist aus Ski- und Klassenlagern nicht<br />
wegzudenken. Dank der neuen Ravensburger-Version<br />
und einer App, die gratis aufs Smartphone heruntergeladen<br />
wird, braucht es nun keine Fussballmannschaft<br />
mehr dazu. Das Spiel funktioniert bereits ab drei Mitspielern.<br />
Niemand scheidet vorzeitig aus. Die Moderation<br />
übernimmt die App. Jeder Spieler bekommt eine<br />
Rollenkarte zugelost, drei Rollenkarten sind in der Mitte.<br />
Eine Partie spielt in nur einer Nacht. Alle schliessen<br />
die Augen. Nacheinander werden Charaktere wie die<br />
Seherin oder die Unruhestifterin aufgerufen, die sich<br />
Karten ansehen und/oder vertauschen dürfen. Wer<br />
noch dachte, ein Werwolf zu sein, wird am Morgen<br />
selber überrascht.<br />
«Werwölfe <strong>–</strong> Vollmondnacht» von Ted Alspach<br />
und Akihisa Okui<br />
Kommunikationsspiel für 3 bis <strong>10</strong> Spieler ab 8 Jahren<br />
Spielzeit: etwa <strong>10</strong> Minuten<br />
Preis: Fr. 18.<strong>–</strong><br />
Ravensburger<br />
www.ravensburger.com<br />
Für Comic- und Western-Fans<br />
Colt Express<br />
Die Spielidee zu «Colt Express» kam Spieleautor<br />
Christophe Raimbault bei der Lektüre von Lucky-Luke-<br />
Comics. Nicht nur die Grafik des «Spiels des Jahres<br />
<strong>2<strong>01</strong>5</strong>» ist im typischen französischen Comic-Stil gehalten,<br />
die Spielatmosphäre imitiert tatsächlich den Slapstick<br />
einer Westernparodie. Gespielt wird auf einem<br />
dreidimensionalen Zug, der vor der ersten Partie<br />
zusammengesteckt werden muss. Jeder Spieler<br />
bekommt einen Charakter mit einer Sonderfähigkeit<br />
und versucht, den Zug zu überfallen und dabei am<br />
meisten Beute zu machen. Die Spieler «programmieren»<br />
mit ihren Spielkarten den Ablauf zunächst wie in<br />
einem Drehbuch: Karten, die das Bewegen, Klettern,<br />
Schiessen oder Prügeln erlauben, werden verdeckt oder<br />
offen auf einem Stapel abgelegt. Erst nach einer Runde<br />
wird der Stapel umgedreht und Karte für Karte mit den<br />
Figuren eins zu eins auf dem Zug ausgewertet. Das<br />
sorgt für Chaos und witzige Überraschungen.<br />
«Colt Express» von Christoph Raimbault<br />
Brettspiel für 2 bis 6 Spieler ab <strong>10</strong> Jahren<br />
Spielzeit: etwa 40 Minuten<br />
Preis: Fr. 39.90<br />
Ludonaute<br />
www.asmodee.com<br />
Für Leute, die nicht<br />
verlieren können<br />
The Game<br />
Viele Menschen können nicht damit umgehen, wenn sie<br />
gegen andere verlieren. Bei kooperativen Spielen treten alle<br />
gemeinsam im Team gegen ein Spielsystem an. Ist die<br />
Gruppe dabei nicht so erfolgreich, ist geteiltes Leid halbes<br />
Leid. «The Game» ist ein Kartenspiel mit minimalistischen<br />
Regeln. Theoretisch beschrieben wirkt es nicht besonders<br />
speziell, wer aber selber mitspielt, gerät sofort in eine<br />
ungeheure emotionale Sogwirkung. Es ist eine gruppendynamische<br />
Patience. 98 Karten mit den Zahlenwerten<br />
von 2 bis 99 sollen auf vier Stapel abgelegt werden. Wer an<br />
der Reihe ist, muss mindestens zwei seiner Karten loswerden,<br />
blockiert dadurch aber meistens die Möglichkeiten<br />
der Mitspieler. Es ist verboten, über seine Kartenwerte zu<br />
reden. Trotzdem ist «The Game» ein astreines Kommunikationsspiel<br />
und lebt von dem, was nicht gesagt wird,<br />
und dem Wechselbad der Gefühle, welche die Zwänge<br />
des Spiels auslösen.<br />
«The Game» von Steffen Benndorf<br />
Kartenspiel für 1 bis 5 Spieler ab 8 Jahren<br />
Spielzeit: etwa 20 Minuten<br />
Preis: Fr. 12.50<br />
Game Factory<br />
www.gamefactory-spiele.com<br />
>>><br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>675
Service<br />
Duell für zwei<br />
Patchwork<br />
Für Fans von Computerwelten<br />
Loony Quest<br />
Das haben die Macher von «Loony Quest» bei Computerspielen<br />
abgeguckt: Wie dort, muss man sich durch<br />
die Level von sieben Fantasy-Welten kämpfen, aber<br />
nicht mit Joystick oder Maus, sondern mit durchsichtiger<br />
Folie und Stift. «Loony Quest» ist ein Malspiel, bei<br />
dem man aber gar nicht Malen können muss. Sondern<br />
es geht darum, aus der Ferne die Objekte eines Bildes<br />
nur durch vergleichendes Schauen möglichst genau zu<br />
treffen. Dazu wird ein quadratischer Spielplan mit der<br />
Vorlage eines Dungeons oder einer Landschaft in der<br />
Mitte in die Schachtel gelegt. Jeder Spieler muss daraufhin<br />
an seinem Platz auf einer Folie mit einem Stift<br />
Wege an Hindernissen und feindlichen Kreaturen vorbei<br />
einzeichnen oder Objekte markieren. Danach wird<br />
jede Folie deckungsgleich auf den Spielplan gelegt, verglichen<br />
und es kommt zur Punkteabrechnung.<br />
«Loony Quest» von Laurent Excoffier und David Franck<br />
Malspiel für 2 bis 5 Spieler ab 8 Jahren<br />
Spielzeit: etwa 20 Minuten<br />
Preis: Fr. 33.90<br />
Libellud<br />
www.asmodee.com<br />
Nicht immer hat man viele Mitspieler zur Verfügung,<br />
oft herrscht bloss Zweisamkeit. Dafür gibt es «Patchwork»,<br />
ein reines Zweipersonen-Spiel, bei dem die<br />
beiden Konkurrenten jeder für sich einen möglichst<br />
lückenlosen Flickenteppich legen müssen. Zahlungsmittel<br />
sind sinnigerweise Knöpfe. Die Flicken sind<br />
flache, farbige Kartonplättchen in unterschiedlichen<br />
Grössen und Formen, die zum Teil an «Tetris» erinnern.<br />
Die Spieler sind nicht abwechselnd am Zug, sondern<br />
es spielt immer, wer mit seinem «Zeitstein» gerade<br />
weiter hinten liegt. Deshalb kann ein Spieler mehrfach<br />
hintereinander an die Reihe kommen und das taktisch<br />
nutzen. Wer an der Reihe ist, darf einen von drei<br />
jeweils verfügbaren Flicken kaufen. Jeder Flicken kostet<br />
Knöpfe und «Zeit», um ihn in die eigene Decke einzunähen.<br />
Die Regeln sind einfach, man ist sofort im Spiel<br />
drin, jede Partie ist spannend und dauert höchstens<br />
eine halbe Stunde.<br />
«Patchwork» von Uwe Rosenberg<br />
Legespiel für 2 Spieler ab 8 Jahren<br />
Spielzeit: etwa 30 Minuten<br />
Preis: Fr. 25.90<br />
Lookout Spiele<br />
www.lookout-spiele.de<br />
Tom Felber<br />
ist freier Journalist, Gerichtsreporter und Vorsitzender der<br />
unabhängigen Kritikerjury «Spiel des Jahres». Ihn fasziniert immer<br />
wieder aufs Neue, wie man unterschiedlichste Menschentypen mit<br />
einem simplen Kartenspiel zusammen für Stunden an einen Tisch<br />
fesseln und dabei erst noch ziemlich gut kennenlernen kann.<br />
76 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Service<br />
<strong>10</strong><strong>01</strong> Adressen<br />
Die wichtigsten Institutionen, Stellen und Vereine, die Eltern informieren<br />
und unterstützen <strong>–</strong> von Kinderbetreuung über Rechtshilfe bis Suchtberatung.<br />
Noch mehr<br />
Adressen finden Sie auf<br />
www.fritzundfraenzi.ch<br />
> Netzwerk<br />
> <strong>10</strong><strong>01</strong> Adressen<br />
Telefonnummern<br />
für den Notfall<br />
143<br />
•Die Dargebotene<br />
Hand<br />
agredis.ch <strong>–</strong><br />
gewaltberatung<br />
Unterlachenstrasse 12<br />
6005 Luzern<br />
Tel. 041 362 23 33<br />
Hotline 078 744 88 88<br />
Fax 041 361 20 30<br />
gewaltberatung@agredis.ch<br />
www.agredis.ch<br />
Elternnotruf Aargau<br />
Beratungsstelle bei<br />
Erziehungsfragen,<br />
Überforderung<br />
und Kindsmisshandlung<br />
Tel. 0848 35 45 55<br />
24h@elternnotruf.ch<br />
www.elternnotruf.ch<br />
Elternnotruf<br />
Region Zug<br />
Beratungsstelle bei<br />
Erziehungsfragen,<br />
Überforderung<br />
und Kindsmisshandlung<br />
Tel. 0848 35 45 55<br />
24h@elternnotruf.ch<br />
www.elternnotruf.ch<br />
Elternnotruf +<br />
Beratungsstelle<br />
Region Zürich<br />
Beratungsstelle bei<br />
Erziehungsfragen,<br />
Überforderung<br />
und Kindsmisshandlung<br />
Weinbergstrasse 135<br />
8006 Zürich<br />
Tel. 0848 35 45 55<br />
24h@elternnotruf.ch<br />
www.elternnotruf.ch<br />
Internet- und<br />
SMS-Seelsorge<br />
per SMS an 767<br />
per E-Mail an<br />
seelsorge@seelsorge.net<br />
www.seelsorge.net<br />
Kinder- und Jugendnotruf<br />
St. Gallen<br />
Kinderschutzzentrum<br />
St. Gallen<br />
Tel. 071 243 77 77<br />
www.kjn.ch<br />
Pro Juventute<br />
Beratung<br />
+ Hilfe 147<br />
Telefon, SMS, Chat,<br />
Thurgauerstrasse 39<br />
Postfach, 8050 Zürich<br />
Tel. 147, www.147.ch<br />
Schweizerisches<br />
Toxikologisches<br />
Informationszentrum<br />
Tel. 044 251 51 51<br />
Hotline 145<br />
www.toxi.ch<br />
Sorgentelefon<br />
Tel. 044 261 21 21<br />
Verein<br />
Tele-Hilfe Basel<br />
Bruderholzallee 167<br />
4059 Basel<br />
NOTRUF 143<br />
Tel. 061 367 90 90<br />
Fax 061 367 90 95<br />
basel@143.ch<br />
www.basel.143.ch<br />
Opferhilfestellen<br />
Benefo-Stiftung<br />
•Fachstelle Opferstelle<br />
Thurgau<br />
Zürcherstrasse 149<br />
8500 Frauenfeld<br />
Tel. 052 723 48 26<br />
(Erwachsene)<br />
Tel. 052 723 48 23 (Kinder)<br />
benefo@benefo.ch,<br />
www.benefo.ch<br />
Beratungsstelle<br />
Frauenhaus Region Biel<br />
Für weibliche Opfer von<br />
häuslicher Gewalt<br />
Kontrollstrasse 12<br />
2503 Biel<br />
Tel. 032 322 03 44<br />
info@solfemmes.ch<br />
www.solfemmes.ch<br />
Beratungsstelle<br />
Gewaltbetroffene<br />
Frauen<br />
•Fachstelle der<br />
Stiftung Opferhilfe<br />
SG/AI/AR<br />
Teufenerstrasse 11<br />
90<strong>01</strong> St. Gallen<br />
Tel. 071 227 11 44<br />
beratungsstelle.frauen@<br />
opferhilfe-sg.ch<br />
www.opferhilfe-sg.ch<br />
Beratungsstelle<br />
Nottelefon für<br />
Frauen <strong>–</strong> gegen<br />
sexuelle Gewalt<br />
Postfach, 8026 Zürich<br />
Tel. 044 291 46 46<br />
Fax 044 242 82 14<br />
info@frauenberatung.ch<br />
www.frauenberatung.ch<br />
Beratungsstelle<br />
Opferhilfe<br />
•Fachstelle der<br />
Stiftung Opferhilfe<br />
SG/AI/AR<br />
Teufenerstrasse 11<br />
90<strong>01</strong> St. Gallen<br />
Tel. 071 227 11 00<br />
Fax 071 227 11 09<br />
beratungsstelle.<br />
opferhilfe@opferhilfe-sg.ch<br />
www.opferhilfe-sg.ch<br />
BaselCard.<br />
Mehr Stadt für wenig Geld.<br />
Geniessen Sie Ihren Besuch in Basel mit der ganzen Familie und nutzen Sie die zahlreichen attraktiven Angebote der<br />
BaselCard: Freier Eintritt in den Zoo Basel, kostenlose Stadtführung, gratis City Treasure Hunt Light, eine Überfahrt mit der<br />
Fähre, 50% Ermässigung auf den Eintritt in diverse Basler Museen, 50% Reduktion auf Schifffahrten und vieles mehr. Die<br />
BaselCard ist an den Tourist Informationsstellen von Basel Tourismus sowie online erhältlich:<br />
www.basel.com/baselcard<br />
Basel Tourismus<br />
Tel. +41 (0)61 268 68 68, Fax +41 (0)61 268 68 70<br />
Das info@basel.com, Schweizer ElternMagazin www.basel.com Fritz+Fränzi Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>677
Service<br />
Unser Wochenende …<br />
in Basel<br />
Text: Leo Truniger<br />
Rhein<br />
A3<br />
Weihnachtsmarkt<br />
Tinguely-Brunnen<br />
Theater Basel<br />
Markthalle<br />
Zoo<br />
A2<br />
Tinguely-Museum<br />
St.-Alban-Fähre<br />
A3<br />
Basel Backpack<br />
Breite-Hotel<br />
Papiermühle<br />
Jugendherberge<br />
Frenkendorf <strong>10</strong> km<br />
sind. Begleitet werden Sie auf dem eineinhalbstündigen Par -<br />
cours, der für Familien mit Kindern im Alter von vier bis vier -<br />
zehn Jahren geschaffen wurde, vom Drachen Basil.<br />
Kosten: ein Kind und eine erwachsene Person: 20 Franken, pro<br />
weiteres Kind <strong>10</strong>, pro weitere erwachsene Person 5 Franken.<br />
Täglich begehbar. www.basel.com > Suche: Schatzsuche<br />
… Wenige Gehminuten vom Stadtzentrum entfernt liegt der<br />
Zolli. Er ist nicht nur der älteste Zoo der Schweiz, sondern<br />
beherbergt in seiner eher kleinen, aber feinen Anlage auch am<br />
meisten Tiere: mehr als 7000 aus über 600 Arten. Und er<br />
gehört wegen seiner Zuchterfolge zu den bedeutendsten<br />
europäischen Tiergärten. Zurzeit sind Jungtiere etwa bei den<br />
Löwen, Schneeleoparden, Giraffen, Schimpansen oder ein gut<br />
zwei Jahre altes Nashorn zu beobachten. Ausserdem<br />
spazieren von November bis Februar die Königspinguine um<br />
etwa 11 Uhr im Garten, sofern die Temperatur unter <strong>10</strong> Grad<br />
fällt und es nicht stark regnet.<br />
Zoo, Binningerstrasse 40. Eintritt: Kinder 6 bis 15 Jahre 7,<br />
Jugendliche bis 24 Jahre 12, Erwachsene 18, Familien (Eltern<br />
mit eigenen Kindern unter 20 Jahren) 39 Franken. Offen: 8 bis<br />
17.30 Uhr. www.zoobasel.ch<br />
Gut zu wissen …<br />
… Je nach Bedürfnis und Planung empfiehlt sich die Basel-<br />
Card mit attraktiven Angeboten wie: kostenlose Stadtführung,<br />
freier Eintritt in den Zoo, kostenlose Fährfahrt, 50 Prozent<br />
Reduktion auf den Eintritt in manche Museen oder Ermässigung<br />
in verschiedenen Restaurants.<br />
Kosten für 24 Stunden: Erwachsene 24, Kinder (bis 16 Jahre)<br />
<strong>10</strong> Franken; für 48 Stunden: 27 bzw. 13 Franken 50. Die<br />
BaselCard ist an den Tourist-Informationsstellen von Basel<br />
Tourismus oder online erhältlich. www.basel.com/baselcard<br />
Erleben …<br />
… Eine unterhaltsame Möglichkeit, Eindrücke von der Stadt zu<br />
erhalten, ist die «Schatzsuche mit Basil». Vom Tinguely-<br />
Brunnen mit den verspielten Maschinenskulpturen im<br />
Wasserbecken führt der Streifzug über zehn weitere Stationen,<br />
an denen Aufgaben zu lösen und Antworten zu finden<br />
Geniessen …<br />
… In beste Adventsstimmung versetzt werden Sie und Ihre<br />
Kinder von den lichterüberzogenen Rheinbrücken und in der<br />
geschmückten historischen Altstadt vom Weihnachtsmarkt<br />
auf dem Barfüsserplatz und dem Münsterplatz. Dort bieten<br />
Händler und Kunsthandwerker in kleinen Holz-Chalets ihre<br />
Waren an, und auch für Gaumenfreuden ist gesorgt, sei es mit<br />
Raclette, Grillwürsten, Waffeln oder Basler Läckerli. Wer mehr<br />
über diese Spezialität erfahren möchte, besucht in Frenkendorf<br />
das Läckerli-Huus (www.laeckerli-huus.ch). Auf spezielle<br />
Art abrunden lässt sich der Tag im Foyer des Theaters Basel,<br />
wo täglich um 17 Uhr die Türchen eines besonderen Adventskalenders<br />
geöffnet werden <strong>–</strong> bei einer kleinen literarischen<br />
oder musikalischen Überraschung, von denen manche auch<br />
die Kinder ansprechen.<br />
Weihnachtsmarkt, Barfüsser- und Münsterplatz, bis<br />
23. Dezember, täglich von 11 bis 20.30 Uhr. Theater Basel,<br />
Elisabethenstrasse 16, bis 23. Dezember täglich um 17 Uhr.<br />
Eintritt frei. Tagesinfos: www.theaterbasel.ch<br />
78 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
So kann sich Basel im<br />
Winter präsentieren:<br />
am Weihnachtsmarkt<br />
auf dem Münsterplatz,<br />
mit Pinguinen<br />
unter den Besuchern<br />
im Zolli oder mit<br />
Jean Tinguelys<br />
Fasnachtsbrunnen<br />
aus Eisen und Eis.<br />
Fotos: Basel Tourismus, Jörg Ernst<br />
… In der Markthalle, in Zoo- und Bahnhofnähe, kaufen Sie<br />
ganz nach Ihrem Gusto an den Ständen am Tagesmarkt ein,<br />
wo es viele Sitzmöglichkeiten gibt, um sich vor Ort zu<br />
verpflegen. Haben Sie Lust auf eine traditionelle und<br />
saisongerechte Mahlzeit aus regionalen Produkten? Dann sind<br />
Sie beim Mittagstisch im Restaurant und Café Papiermühle<br />
richtig. Auf der kleinen Karte findet sich was für den kleinen<br />
wie für den grossen Hunger, bis zum hausgemachten Kuchen.<br />
Für geistige Nahrung ist gleich nebenan in der Papiermühle,<br />
dem Museum für Papier, Schrift und Druck, gesorgt, wo<br />
man eigenes Papier schöpfen und bedrucken kann. Oder Sie<br />
nehmen die nahe gelegene St.-Alban-Fähre «Wild Maa» und<br />
spazieren zum Tinguely-Museum.<br />
www.markthalle-basel.ch, Mo<strong>–</strong>Mi bis 19, Do/Fr bis 20, Sa bis<br />
18 Uhr. Papiermühle, Restaurant und Café, Sa geschlossen,<br />
St.-Alban-Tal 35, www.papiermuehle.ch. Museum: St.-Alban-Tal<br />
37, 11 Uhr, Sa 13 bis 17 Uhr, Mo geschlossen, www.papiermuseum.ch.<br />
Basler Fähren: www.faehri.ch. Tinguely-Museum,<br />
Paul-Sacher-Anlage 1, www.tinguely.ch<br />
Schlafen …<br />
… Als günstige familienfreundliche Unterkunft in der Nähe<br />
der Papiermühle empfiehlt sich die Jugendherberge<br />
(4-Bett-Zimmer mit Lavabo: 175 Franken/Nacht). Oder das<br />
Basel Backpack auf dem Gundeldinger Feld (4-Bett-Zimmer<br />
159 Franken/Nacht) mit Möglichkeit, selber zu kochen.<br />
Jugendherberge Basel, St.-Alban-Kirchrain <strong>10</strong>,<br />
Telefon 061 272 05 72, www.youthhostel.ch/basel.<br />
Basel Backpack, Dornacherstras se 192, Telefon 061 333 00 37,<br />
www.baselbackpack.com<br />
… Gastfreundschaft und modernes Design verspricht Ihnen<br />
Das Breite-Hotel in einer grossstädtischen Umgebung mit<br />
Autobahn, Eisenbahn, Hauptstrasse und Tram, das Sie in<br />
wenigen Minuten ins Stadtzentrum bringt.<br />
Das Breite-Hotel, Zürcherstrasse 149, Telefon 061 315 65 65,<br />
Preisbeispiel Familien-Special (mit einem oder zwei Kindern):<br />
247 Franken. www.dasbreitehotel.ch<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>679
Service<br />
an die Partner und Sponsoren<br />
Vielen Dank der Stiftung Elternsein:<br />
Finanzpartner Hauptsponsoren Heftsponsor<br />
Dr. iur. Ellen Ringier<br />
Walter Haefner Stiftung<br />
Rozalia Stiftung<br />
Credit Suisse AG<br />
UBS AG<br />
Aon Risk Solution Schweiz AG<br />
UBS AG<br />
Impressum<br />
Inhaltspartner<br />
Stiftungspartner<br />
15. Jahrgang. Erscheint <strong>10</strong>-mal jährlich<br />
Herausgeber<br />
Stiftung Elternsein,<br />
Seehofstrasse 6, 8008 Zürich<br />
www.elternsein.ch<br />
Institut für Familienforschung und -beratung<br />
der Universität Freiburg, www.unifr.ch/iff<br />
Schweizerische Vereinigung der Elternorganisationen,<br />
www.sveo.ch<br />
Präsidentin des Stiftungsrates:<br />
Dr. Ellen Ringier, ellen@ringier.ch,<br />
Tel. 044 400 33 11<br />
(Stiftung Elternsein)<br />
Geschäftsführer: Thomas Schlickenrieder,<br />
ts@fritzundfraenzi.ch, Tel. 044 261 <strong>01</strong> <strong>01</strong><br />
Verlag<br />
Fritz+Fränzi,<br />
Dufourstrasse 97, 8008 Zürich,<br />
Tel. 044 277 72 62,<br />
info@fritzundfraenzi.ch,<br />
verlag@fritzundfraenzi.ch,<br />
www.fritzundfraenzi.ch<br />
Leiter Business Development & Marketing<br />
(Stv. Verlagsleitung): Tobias Winterberg,<br />
t.winterberg@fritzundfraenzi.ch<br />
Verlagsadministration: Dominique Binder,<br />
d.binder@fritzundfraenzi.ch<br />
Verlagsassistentin: Éva Berger,<br />
e.berger@fritzundfraenzi.ch<br />
Redaktion<br />
redaktion@fritzundfraenzi.ch<br />
Chefredaktor: Nik Niethammer,<br />
n.niethammer@fritzundfraenzi.ch<br />
Evelin Hartmann (Stv. CR),<br />
e.hartmann@fritzundfraenzi.ch<br />
Bianca Fritz,<br />
b.fritz@fritzundfraenzi.ch<br />
Leo Truniger,<br />
l.truniger@fritzundfraenzi.ch<br />
Dr. Eveline von Arx (wissenschaftliche<br />
Beratung), e.vonarx@fritzundfraenzi.ch<br />
Onlineredaktion:<br />
Irena Ristic, i.ristic@fritzundfraenzi.ch<br />
Redaktionelle Mitarbeit<br />
Nicole Althaus, Adam Howell Boyette,<br />
Jörg Brühlmann, Kathrin Buholzer,<br />
Susan Edthofer, Elisabeth Eggenberger,<br />
Tom Felber, Lee Gettler, Fabian Grolimund,<br />
Sandra Hotz, Michael In Albon,<br />
Irina Kammerer, Mikael Krogerus,<br />
Susanne Kurz, Sandra Matteotti,<br />
Peter Schneider, Regula Thut Borner,<br />
Nadine Zimet<br />
Bildredaktion<br />
13 Photo AG, Zürich, www.13photo.ch<br />
Korrektorat<br />
Brunner AG, Kriens, www.bag.ch<br />
Anzeigen<br />
Anzeigenverkauf: Brigitte Killias,<br />
b.killias@fritzundfraenzi.ch,<br />
Tel. 044 277 72 60 (vormittags erreichbar)<br />
Jacqueline Zygmont,<br />
j.zygmont@fritzundfraenzi.ch,<br />
Tel. 044 277 72 65<br />
Bettina Müller,<br />
b.mueller@fritzundfraenzi.ch,<br />
Tel. 044 577 06 88<br />
Anzeigenadministration: Dominique Binder,<br />
d.binder@fritzundfraenzi.ch,<br />
Tel. 044 277 72 62<br />
Druck<br />
Konradin Heckel,<br />
www.konradinheckel.de<br />
Auflage<br />
(WEMF/SW-beglaubigt 2<strong>01</strong>3)<br />
total verbreitet <strong>10</strong>3 381<br />
davon verkauft 17 206<br />
Preis<br />
Jahresabonnement Fr. 62.<strong>–</strong><br />
Einzelausgabe Fr. 7.50<br />
iPad Fr. 3.<strong>–</strong><br />
Abo-Service<br />
Galledia Verlag AG Berneck<br />
Karin Schwarz<br />
Tel. 0800 814 813, Fax 058 344 92 54<br />
abo.fritzundfraenzi@galledia.ch<br />
Für Spenden<br />
Stiftung Elternsein, 8008 Zürich<br />
Postkonto 87-447004-3<br />
IBAN: CH40 0900 0000 8744 7004 3<br />
Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz,<br />
www.lch.ch<br />
Verband Schulleiterinnen und Schulleiter Schweiz,<br />
www.vslch.ch<br />
Jacobs Foundation,<br />
www.jacobsfoundation.org<br />
Forum Bildung, www.forumbildung.ch<br />
Elternnotruf, www.elternnotruf.ch<br />
Pro Juventute, www.projuventute.ch<br />
Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik Zürich,<br />
www.hfh.ch<br />
Marie-Meierhofer-Institut für das Kind,<br />
www.mmizuerich.ch<br />
Schule und Elternhaus Schweiz,<br />
www.schule-elternhaus.ch<br />
Pädagogische Hochschule Zürich, www.phzh.ch<br />
Schweizerischer Verband alleinerziehender Mütter<br />
und Väter SVAMV, www.svamv.ch<br />
Pro Familia Schweiz, www.profamilia.ch<br />
Art Direction/Produktion<br />
Partner & Partner, Winterthur,<br />
www.partner-partner.ch<br />
Schweizerisches Institut für Kinder- und<br />
Jugendmedien, www.sikjm.ch<br />
Kinderlobby Schweiz, www.kinderlobby.ch<br />
80 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Buchtipps<br />
Fotos: Rotraut Susanne Berners Winter-Wimmelbuch © Gerstenberg Verlag, ZVG<br />
Hunderte kleine Szenen in einem Buch, die<br />
es zu entdecken und zu erzählen gilt.<br />
Ganz ohne Worte bieten Wimmelbilderbücher<br />
stundenlang Beschäftigung.<br />
Was für ein Gewimmel!<br />
In Wimmlingen gibt es zu jeder Jahreszeit andere<br />
Geschichten zu entdecken.<br />
In der Stadt ist etwas los: Ein<br />
Christbaumverkäufer überreicht<br />
gerade ein schönes<br />
Exemplar einer Dame, deren<br />
Hund das Bein an einem<br />
Baum hebt. Im Obergeschoss des<br />
«Gasthauses zur Gans» hängt eine<br />
Frau Weihnachtsdekorationen auf,<br />
während im Estrich der Buchhandlung<br />
ein Mann Ski und Schlitten<br />
hervorsucht. Auf der Strasse wirft<br />
eine Frau mit Kopftuch einen Brief<br />
ein, und ein Mädchen, unterwegs<br />
mit Schlittschuhen, gibt einem<br />
Mann im Trainingsanzug den verlorenen<br />
Schlüssel zurück.<br />
Alle diese Szenen und viele weitere<br />
finden sich auf einem einzigen<br />
Bild in Rotraut Susanne Berners<br />
«Winter-Wimmelbuch». Für jede<br />
Jahreszeit hat die deutsche Illustratorin<br />
ein Buch gezeichnet, in der die<br />
immer gleiche Stadt Wimmlingen<br />
dargestellt ist. Manche der Szenen<br />
und Figuren lassen sich quer durch<br />
die Bücher verfolgen. Sie gehören<br />
neben jenen von Ali Mitgutsch und<br />
der Serie «Wo ist Walter?» von Martin<br />
Handford zu den Bestsellern der<br />
Wimmelbilderbücher. In diesen<br />
werden mit wenig oder gar keinem<br />
Text Hunderte von kleinen Geschichten<br />
erzählt, die es erst zu entdecken<br />
gilt.<br />
So eignen sie sich hervorragend<br />
zum gemeinsamen Betrachten,<br />
Suchen, Erzählen und Erzählenlassen<br />
und sind daher auch in der<br />
Sprachförderung beliebt. Ohne pädagogische<br />
Intention machen Wimmelbücher<br />
aber ebenfalls Spass <strong>–</strong><br />
und zwar in jedem Alter.<br />
In Rotraut<br />
Suanne Berners<br />
Buch wimmelt es<br />
von Aktivitäten<br />
am Dorfrand.<br />
Rotraut Susanne<br />
Berner:<br />
Das Winter-<br />
Wimmelbuch.<br />
Gerstenberg,<br />
2005, Fr. 17.90,<br />
ab 2 Jahren<br />
Das Bern-<br />
Wimmelbuch<br />
In einer reduzierten<br />
Grafik und doch<br />
mit hohem Wiedererkennungswert<br />
wimmelt es hier<br />
rund um Marzili, Reitschule und<br />
Bundeshaus. Weitere Schweizer<br />
Städte-Wimmelbücher sind geplant.<br />
Vatter+Vatter, 2<strong>01</strong>3, Fr. 19.90,<br />
ab 6 Jahren<br />
Geburtstag<br />
mit Torte<br />
Der niederländische<br />
Künstler Thé<br />
Thjong-Khing<br />
erzählt auch im dritten seiner<br />
Bücher über die verschwundene<br />
Torte. Eine rasante Geschichte <strong>–</strong><br />
ganz ohne Worte, dafür mit vielen,<br />
vielen Nebenschauplätzen.<br />
Moritz, 2<strong>01</strong>3, Fr. 19.90, ab 4 Jahren<br />
Willkommen bei<br />
den Wolvertons.<br />
Ein fantastisches<br />
Wimmelbuch<br />
In diesem<br />
Wimmelbuch von<br />
Lena Pflüger gilt<br />
es ein ganzes Universum, das von<br />
seltsamen schwarzen Figuren<br />
bevölkert wird, zu entdecken.<br />
Dabei fordern die ungewohnten<br />
Perspektiven auch ältere Betrachter<br />
und Betrachterinnen heraus.<br />
Beltz & Gelberg, 2<strong>01</strong>4, Fr. 17.90,<br />
ab 5 Jahren<br />
Verfasst von Elisabeth Eggenberger,<br />
Mitarbeiterin des Schweizerischen<br />
Instituts für Kinder- und Jugendmedien<br />
SIKJM. Auf www.sikjm.ch<br />
sind weitere Buchempfehlungen zu<br />
finden.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>681
Eine Frage <strong>–</strong> drei Meinungen<br />
Mein Sohn, 9, kommt mit wenig Schlaf aus. Er schleicht bis spätabends<br />
im Haus herum, kommt am Morgen aber nur schwer in die Gänge.<br />
Genau wie meine Tochter, 11; sie ist ein ausgesprochener Morgenmuffel.<br />
Beide sind gute Schläfer und gute Schüler, leiden aber manchmal<br />
an Konzentrationsschwächen. Was kann ich tun, ausser den beiden<br />
morgens Kaffee oder Red Bull zu verabreichen? Sonja, 42, Solothurn<br />
Nicole Althaus:<br />
Im Falle der Tochter gibt es<br />
eine klare Antwort: Pubertät.<br />
Teenager sind Morgenmuffel,<br />
das ist wissenschaftlich<br />
bewiesen, daran sind<br />
die Hormone schuld, und<br />
dagegen können Sie wenig<br />
tun. Der Sohn jedoch gehört<br />
schlicht und einfach früher<br />
ins Bett. Feste Schlafenszeiten verbessern Konzentration<br />
und Schulnoten. Auch das ist wissenschaftlich<br />
erwiesen. Führen Sie abends eine feste Bettzeit ein, für<br />
Sohn und Tochter. Und verhandeln Sie nicht darüber.<br />
Ihre Kinder sind zu jung, um selber zu entscheiden,<br />
wann, wie viel und wo sie schlafen. Und welche Aufputschmittel<br />
sie konsumieren sowieso.<br />
Kathrin Buholzer:<br />
Kinder brauchen Strukturen.<br />
Rituale sind deshalb oft hilfreich<br />
<strong>–</strong> auch beim Schlafengehen<br />
am Abend. Deshalb<br />
empfehle ich Ihnen, den Tag<br />
immer etwa ähnlich ausklingen<br />
zu lassen. Legen Sie<br />
zusammen einen Zeitpunkt<br />
fest, wann die Kinder in ihre<br />
Zimmer gehen, und lassen Sie ihnen noch etwas Zeit<br />
für sich allein. Schauen Sie, dass es einen «richtigen<br />
Schlusspunkt» gibt. Gehen Sie nochmals ins Zimmer,<br />
plaudern Sie kurz mit ihnen und sagen dann «Gute<br />
Nacht» und löschen das Licht.<br />
Fotos: Anne Gabriel-Jürgens / 13 Photo, Lea Meienberg / 13 Photo<br />
Peter Schneider:<br />
Hm … Ein doppelter<br />
Espresso statt schlichter<br />
Kaffee am Morgen? Ich<br />
fürchte, am Schlafrhythmus<br />
kann man<br />
wenig ändern, wenn Sie<br />
Ihren Kindern nicht<br />
abends auch noch ein<br />
Melatonin zum Schlummertrunk<br />
geben wollen. Der frühe Schulanfang ist<br />
für die meisten Kinder ein kompletter Blödsinn.<br />
Aber nichts hält sich bekanntlich so hartnäckig wie<br />
schlechte Gewohnheiten.<br />
Nicole Althaus, 47, ist Kolumnistin, Autorin<br />
und Mitglied der Chefredaktion der NZZ am<br />
Sonntag. Zuvor war sie Chefredaktorin von<br />
«wir eltern» und hat den Mamablog auf<br />
«Tagesanzeiger.ch» initiiert und geleitet.<br />
Nicole Althaus ist Mutter von zwei Kindern,<br />
15 und 11.<br />
Kathrin Buholzer, 42, ist Journalistin,<br />
Elternberaterin, Betreiberin des Elternblogs<br />
«www.elternplanet.ch» und Mutter zweier<br />
Töchter, 13 und 11.<br />
Peter Schneider, 58, ist praktizierender<br />
Psychoanalytiker, Autor und SRF-Satiriker<br />
(«Die andere Presseschau»). Er lehrt als<br />
Privatdozent für klinische Psychologie<br />
an der Uni Zürich und ist Professor für<br />
Entwicklungspsychologie an der Uni<br />
Bremen. Peter Schneider ist Vater eines<br />
erwachsenen Sohnes.<br />
Haben Sie auch eine Frage?<br />
Schreiben Sie eine E-Mail an:<br />
redaktion@fritzundfraenzi.ch<br />
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31. Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong><br />
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Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>683
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zum 30.09.<strong>2<strong>01</strong>5</strong>. Historische Wertentwicklungen und Finanzmarktszenarien sind kein verlässlicher<br />
Indikator für laufende und zukünftige Ergebnisse.<br />
84 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi