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10/2015 – 01/2016

Fritz + Fränzi

Fritz + Fränzi

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Fr. 7.50 <strong>10</strong>/Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> 1/Januar 2<strong>01</strong>6<br />

Sex im Netz<br />

Wie wir unsere<br />

Kinder schützen<br />

Fitness für den Darm<br />

Gesunde Verdauung <strong>–</strong><br />

gesundes Kind<br />

Erziehen<br />

ohne Strafe <strong>–</strong><br />

wie geht das?


Immer da, wo Zahlen sind.<br />

Die schönsten Skigebiete<br />

zum halben Preis.<br />

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Wir machen den Weg frei


Editorial<br />

Liebe Leserin, lieber Leser<br />

Foto: Geri Born<br />

Unser Bub sitzt am Tisch und stochert in seinem Teller. «Magst du keinen<br />

Salat?» <strong>–</strong> «Nein, der ist so sauer.» Ich schiebe den Salat zurück in die<br />

Schüssel, hole frische Blätter aus der Küche, ohne Sauce. «Besser?» Der Bub<br />

rümpft die Nase, verteilt den Salat auf dem Tisch. «Mit dem Essen spielt<br />

man nicht. Hör auf damit.» Der Bub schaut kurz hoch, beginnt mit dem<br />

Messer in die Tischkante zu säbeln. «Was soll das? Hör auf, sag ich, sonst<br />

gehst du vom Tisch.» Der Bub säbelt weiter, springt vom Stuhl und reisst<br />

seine Schwester an den Zöpfen. Sie schreit, ich schreie, der Bub schreit,<br />

während ich ihn ins Zimmer bringe. Türe zu. Tief durchatmen.<br />

Nik Niethammer<br />

Chefredaktor<br />

Jede Mutter, jeder Vater kennt diese Situationen: Unser Kind tut etwas,<br />

was es in den Augen von uns Erwachsenen nicht tun sollte. Wir weisen es<br />

zurecht, zuerst freundlich, dann bestimmt. Später drohen wir <strong>–</strong> schliesslich<br />

folgt die Strafe: Ab ins Zimmer. Handyverbot. Kein Computer. Am<br />

Wochenende ist der Ausgang gestrichen.<br />

«Erziehung ist zwecklos,<br />

die Kinder machen den<br />

Eltern ohnehin alles nach.»<br />

Karl Valentin, deutscher Komiker (1882<strong>–</strong>1948)<br />

«Falsch», sagt die Psychologin Nadine Zimet. «Der Preis, den Eltern mit<br />

einer strafenden Erziehung zahlen, ist sehr hoch.» Wie gewaltfreie Kommunikation<br />

funktioniert und warum es so wichtig ist, auf die<br />

Gefühle und Bedürfnisse seiner Kinder einzugehen,<br />

erzählen wir Ihnen im Dossier «Erziehung ohne Strafe» <strong>–</strong><br />

ab Seite 11.<br />

***<br />

Meine Kollegin Eveline von Arx, die Sie während vier<br />

Jahren an dieser Stelle begrüsste, verabschiedet sich mit<br />

der Dezember-Ausgabe von Ihnen, liebe Leserin, lieber<br />

Leser. Die studierte Erziehungswissenschaftlerin leitete die Geschicke unseres<br />

Magazins mit viel Umsicht, grossem Fachwissen und persönlicher Hingabe.<br />

Unter ihrer Verantwortung hat sich die Qualität des Magazins kontinuierlich<br />

erhöht <strong>–</strong> der Gewinn des Q-Awards für die beste Fachzeitschrift<br />

der Schweiz im Herbst 2<strong>01</strong>4 war der verdiente Lohn dieser Anstrengungen.<br />

In den vergangenen zwölf Monaten unterstützte mich Eveline als wissenschaftliche<br />

Beraterin und kümmerte sich um das grosse Expertengespräch<br />

und die Kolumne «Aufgeklärt». Jetzt will sich die zweifache Mutter wieder<br />

vermehrt der Wissenschaft und der psychologischen Tätigkeit zuwenden.<br />

Ich danke Eveline von Arx im Namen meiner Kolleginnen und Kollegen<br />

von Redaktion und Verlag für ihr unermüdliches Engagement für die<br />

Stiftung Elternsein, das stets einem Ziel folgte: Sie als Eltern zu unterstützen,<br />

Ihre Kompetenz in Erziehungs- und Bildungsfragen zu stärken, Ihnen Wegbegleiter<br />

zu sein in nicht immer einfachen Zeiten.<br />

Ich wünsche dir, liebe Eveline, für die Zukunft nur das Allerbeste, stets ein<br />

leichtes Herz <strong>–</strong> und Glück an allen Tagen. Uns gibt es im neuen Jahr wieder,<br />

am 3. Februar. Bleiben Sie gesund <strong>–</strong> und bleiben Sie uns gewogen.<br />

Herzlichst, Ihr Nik Niethammer<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>63


Fr. 7.50 <strong>10</strong>/Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> 1/Januar 2<strong>01</strong>6<br />

Inhalt<br />

Ausgabe <strong>10</strong> / Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> 1 / Januar 2<strong>01</strong>6<br />

Augmented Reality<br />

Überall, wo Sie dieses Zeichen sehen, erhalten Sie digitalen<br />

Mehrwert im Heft. Hinter dem ar-Logo verbergen sich Videos<br />

und Zusatzinformationen zu den Artikeln.<br />

Psychologie & Gesellschaft<br />

37 Raus zum Spielen!<br />

Kinder bewerten Spielplätze.<br />

38 Der kulturelle Vater<br />

Feldforscher zeigen, wie sehr Vaterschaft<br />

von ihrer Kultur geprägt wird <strong>–</strong> und reisen<br />

dafür in den Dschungel.<br />

40 Wenn die Angst das Leben bestimmt<br />

Angststörungen sind die häufigsten<br />

psychischen Störungen bei Kindern und<br />

Jugendlichen.<br />

46 Selektive Esser und Fressanfälle<br />

Wenn das Essverhalten von Kindern zum<br />

Problem wird.<br />

<strong>10</strong><br />

Dossier:<br />

Erziehen ohne Strafe<br />

Foto: Gabi Vogt / 13 Photo<br />

<strong>10</strong> Geht nicht? Geht doch!<br />

Die Psychotherapeutin Nadine Zimet über<br />

gewaltfreie Kommunikation <strong>–</strong> eine Anleitung.<br />

23 «Im Alltag untauglich»<br />

Sieben Vorbehalte gegen straffreie Erziehung.<br />

24 «Max, du hast deinen Freund gewürgt»<br />

Wie Eltern ohne Drohung, ohne Strafe einen<br />

Konflikt lösen können <strong>–</strong> ein Beispiel.<br />

28 «Kinder brauchen keine Therapeuten»<br />

Familiencoach Fabian Grolimund über<br />

Elternratgeber. Und die Frage, welche<br />

Erziehungsmethode die richtige ist.<br />

Sex im Netz<br />

Wie wir unsere<br />

Kinder schützen<br />

Fitness für den Darm<br />

Gesunde Verdauung <strong>–</strong><br />

gesundes Kind<br />

Erziehen<br />

ohne Strafe <strong>–</strong><br />

wie geht das?<br />

Cover<br />

Unser Titelheld heisst<br />

Oskar, 6. Er ist eigentlich<br />

ein netter Junge und<br />

schreit nur für unsere<br />

Fotografin <strong>–</strong> das Bild<br />

ist gestellt.<br />

Fotos: Gabi Vogt / 13 Photo, Salvatore Vinci / 13 Photo, Plainpicture<br />

4 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


32<br />

40<br />

46<br />

Herr Pfarrer Bianca, welche Rituale helfen<br />

uns dabei, den Ex-Partner loszulassen?<br />

Angst gehört zum Kindsein <strong>–</strong> doch<br />

zu viel Angst macht krank.<br />

Das Kind isst nichts ausser Nudeln und<br />

Pizza? Das könnte eine Essstörung sein.<br />

Erziehung & Schule<br />

50 Schule und Flüchtlinge<br />

Die Schweizer Schullandschaft ist<br />

schlecht vorbereitet.<br />

54 ADHS-Serie, Teil 4<br />

Die rechtliche Seite: Wer darf über die<br />

Behandlung des Kindes bestimmen?<br />

Ernährung & Gesundheit<br />

62 Darm gut, alles gut<br />

Warum das Organ so wichtig ist<br />

und wie man es von Kindesjahren<br />

an in Schuss hält.<br />

66 Weniger wegwerfen<br />

Woran man erkennt, ob Lebensmittel<br />

noch essbar sind.<br />

Digital & Medial<br />

68 Internetpornografie<br />

Wie wirken die drastischen Bilder<br />

auf Jugendliche? Ein Interview mit<br />

einem Sexualwissenschaftler.<br />

70 Lernwelten<br />

Wie die Schule auf die digitale<br />

Arbeitswelt vorbereitet.<br />

71 Mixed Media<br />

Rubriken<br />

03 Editorial<br />

06 Entdecken<br />

32 Monatsinterview<br />

Pfarrer Andrea Marco Bianca weiss,<br />

wie und warum Rituale bei einer<br />

Scheidung hilfreich sind.<br />

42 Abgedruckt<br />

Eine Mama am Rande des<br />

Nervenzusammenbruchs.<br />

44 Aufgeklärt<br />

Was die Jugend wirklich braucht.<br />

52 Elterncoaching<br />

Was tun, wenn das Kind ein notorischer<br />

Pessimist ist?<br />

58 Leserbriefe<br />

60 Kolumne<br />

Mikael Krogerus über den Unsinn des<br />

frühen Aufstehens für die Schule.<br />

82 Eine Frage <strong>–</strong> drei Meinungen<br />

Wenn Kinder Morgenmuffel sind.<br />

Service<br />

67 Bonbons<br />

74 Spieletipps<br />

Analoge Gesellschaftspiele für<br />

die ganze Familie.<br />

77 <strong>10</strong><strong>01</strong> Adressen<br />

78 Unser Wochenende …<br />

… in Basel.<br />

80 Impressum/Sponsoren<br />

81 Buchtipps<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>65


Entdecken<br />

Bei ihrem Eintritt in die Arbeitswelt zeigen sich Schweizer Studenten nicht gerade<br />

bescheiden. Ein Ingenieurstudent fordert umgerechnet 82 220 Franken Lohn<br />

pro Jahr. Mehr verlangen nur noch Ingenieurstudenten aus Saudiarabien<br />

(89 950 Franken) und aus den Emiraten (82 685 Franken).<br />

Dies geht aus einer weltweiten Befragung von 425 832 Studenten durch das Beratungsunternehmen Universum hervor.<br />

Vorsicht Alkohol!<br />

Übermässiger Alkoholkonsum in den<br />

Jahren vor der Zeugung hat negative<br />

Folgen für das Nervensystem des<br />

späteren Säuglings. Das haben<br />

Experten des Istituto di Biologia<br />

Cellulare e Neurobiologia (IBCN) in<br />

Rom bei der Untersuchung werdender<br />

Väter ermittelt. Der Befund basiert auf<br />

einem Experiment mit zwei Gruppen<br />

von Labormäusen. Die männlichen<br />

Tiere wurden dazu mit Alkoholmengen<br />

versorgt, die einem jahrelangen hohen<br />

Konsum bei Erwachsenen<br />

entsprachen. Beim Mäusenachwuchs<br />

zeigte es sich, dass die Veränderung<br />

des Erbguts beim Vater dazu führen<br />

kann, dass seine Jungen ebenfalls<br />

einen ausgeprägten Hang zum Alkohol<br />

entwickeln.<br />

Für die ganze Familie<br />

Umweltschutz, erneuerbare Energien, biologische Ernährung <strong>–</strong> spätestens<br />

wenn das erste Kind kommt, machen sich viele Gedanken über einen<br />

nachhaltigeren Lebensstil. Der World Wildlife Fund (WWF) Schweiz hat sich<br />

zum Ziel gesetzt, Familien diese Themen näherzubringen <strong>–</strong> mit spannenden<br />

Naturferienlagern, Familienaktionen und kindgerecht gestalteten Zeitschriften.<br />

Familien, die eine Familienmitgliedschaft beim WWF abschliessen, profitieren<br />

von diesen und vielen weiteren Angeboten <strong>–</strong> und unterstützen den WWF bei<br />

seiner Arbeit, die Tier- und Pflanzenwelt zu schützen.<br />

Jahresbeitrag: 120 Franken, alle weiteren Infos auf: www.wwf.ch<br />

Fotos: Zoonar GmbH / Alamy, WWF Schweiz<br />

Mami, ich wünsch mir einen Hund<br />

Ein Hund zu Weihnachten? Was Eltern bei einem<br />

lebenden Geschenk beachten sollten, weiss Fabien<br />

Loup vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und<br />

Veterinärwesen BLV. Interview: Evelin Hartmann<br />

Herr Loup, wie sollten Eltern ihre Kinder auf das neue<br />

Familienmitglied vorbereiten?<br />

Ein Hund kann viel verändern. Es ist wichtig, dass die<br />

ganze Familie eine Diskussion über dieses Thema führt,<br />

über die täglichen Pflichten, das Aufteilen der<br />

Verantwortlichkeiten, die Organisation der Familie rund<br />

um den Hund. Es empfiehlt sich, gemeinsam eine<br />

Charta zu erstellen, eine Art Vertrag, in der die<br />

Verantwortlichkeiten und Aufgaben festgehalten<br />

werden. Alle Familienmitglieder verpflichten sich mit<br />

ihrer Unterschrift, diese Charta einzuhalten.<br />

Worauf kommt es in den ersten Tagen und Wochen<br />

mit dem neuen Familienmitglied an?<br />

Wichtig ist es, sich Zeit zu nehmen. Zudem ist die<br />

Beratung durch einen Hundetrainer sehr wichtig, um<br />

bestimmte Fehler zu vermeiden. Kinder können in<br />

dieses Training miteinbezogen werden.<br />

Nach einiger Zeit lässt das Interesse von Kindern oft<br />

nach, die Hauptarbeit bleibt an den Eltern hängen.<br />

Dies ist der richtige Moment, um die Charta hervorzunehmen.<br />

Vielleicht müssen einige Aufgaben neu verteilt<br />

werden. Die Familie entwickelt sich weiter, und der<br />

neuen Situation sollte Rechnung getragen werden.<br />

Die Kinder müssen dann neu motiviert werden.<br />

Mehr Infos findet man in der Broschüre «Mein Hund»,<br />

zu bestellen unter www.blv.admin.ch/publikationen<br />

6 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Taten statt Worte Nr. 251<br />

Da schau her:<br />

Alle unsere frischen Ananas<br />

werden fair gehandelt.<br />

Bereits seit 1992 sind wir Partnerin der Max Havelaar-Stiftung und setzen uns damit für nachhaltigen Anbau<br />

und fairen Handel ein. Aus gutem Grund: Fairtrade sorgt bei Kleinbauern und Arbeitern für bessere<br />

Arbeits- und Lebensbedingungen. Schweizweit haben wir das grösste Fairtrade-Angebot <strong>–</strong> und wir bauen es<br />

laufend aus. So ist seit <strong>2<strong>01</strong>5</strong> jede unserer frischen Ananas fair gehandelt. Damit es wirklich allen schmeckt.<br />

Alles über das Nachhaltigkeits-Engagement<br />

von Coop auf: taten-statt-worte.ch<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>67


Entdecken<br />

«Eines der grössten Probleme der Jugendlichen ist, dass sie keine Ahnung von<br />

ihrer eigenen Sexualität haben. Die meisten Jungen gehen höchstens ein- oder zweimal<br />

ins Bordell, wollen etwas lernen und erfahren. Das ist völlig normal.»<br />

Sex-Expertin Maggie Tapert im «Tages-Anzeiger» zum Ergebnis einer Genfer Studie, nach der 16- bis 18-Jährige<br />

immer öfter Sex bei Prostituierten suchen.<br />

Kinder und Krebs<br />

Jedes Jahr erkranken über 200 Kinder und Jugendliche in der<br />

Schweiz an Krebs <strong>–</strong> am häufigsten an Leukämien und<br />

Hirntumoren. Neben einer gewissen genetischen Veranlagung<br />

wird auch der Einfluss von verschiedenen Umweltfaktoren als<br />

Ursache diskutiert, etwa der Luftverschmutzung. Autoabgase<br />

zum Beispiel enthalten Benzol und andere bekannte<br />

krebserregende Stoffe. Studienergebnisse einer Forschergruppe<br />

vom Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität<br />

Bern (ISPM) erhärten nun die Vermutung, dass Verkehrsabgase<br />

das Leukämierisiko bei Kindern erhöhen. Zwar sei die<br />

Schadstoffbelastung durch den Verkehr seit den 90er-Jahren<br />

zurückgegangen, doch in unmittelbarer Nähe von vielbefahrenen<br />

Strassen sei die Schadstoffkonzentration noch immer gross.<br />

Fotos: ZVG, Joana Kruse / Arcangel, iStockphoto<br />

Mein unsichtbarer Freund<br />

65 Prozent aller Kinder haben irgendwann im Leben einen<br />

imaginären Freund, mal für kurze Zeit, mal über Jahre. Dieser<br />

hat oft dasselbe Geschlecht und Alter wie das Kind <strong>–</strong> und tritt<br />

in Übergangssituationen in Erscheinung, etwa beim<br />

Schuleintritt. So Forschungsergebnisse der University of<br />

Oregon und der Yale University. Dabei sind es vor allem die<br />

drei- bis siebenjährigen Kinder, die mit den Fantasiefiguren<br />

leben. Meist sind die Begleiter Menschen, aber auch<br />

Superhelden, Tiere oder Zauberer kommen vor. Manche der<br />

Begleiter passen in die Hosentasche, andere schweben.<br />

Schräg? Nein! Laut Experten vielmehr ein Beweis dafür, dass<br />

ein Kind fantasievoll mit seinen Gefühlen umgehen kann.<br />

Mein Papi ist ein toller Chef<br />

Augen auf bei der Chefwahl! CEOs mit Töchtern behandeln<br />

ihre Angestellten besser, da sie mehr soziale Verantwortung<br />

zeigen <strong>–</strong> zu diesem Schluss kam jedenfalls eine Studie der<br />

University of Miami in Kooperation mit der China Europe<br />

International Business School. So bieten Führungskräfte mit<br />

weiblichem Nachwuchs eher Möglichkeiten zur<br />

Kinderbetreuung an, gewähren flexible Arbeitszeiten und<br />

haben eine vielfältigere Belegschaft. Das Phänomen ist<br />

besonders ausgeprägt, wenn es sich bei der Tochter um das<br />

erstgeborene Kind handelt. Für ihre Erhebung haben die<br />

Forscher die Entscheidungen von fast 400 CEOs analysiert.<br />

Kreativ sein<br />

mit Kindern? Auf<br />

www.hallofamilie.de<br />

finden sich tolle Bastelund<br />

Backtipps zu<br />

Weihnachten.<br />

8 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


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wünsche<br />

lebensfreude für kinder<br />

mit einer Krankheit, Behinderung<br />

oder schweren Verletzung<br />

herzenswünsche<br />

Wir erfüllen Herzenswünsche und lassen Träume wahr werden.<br />

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Wir unterstützen Sternenprojekte, die Freude und Abwechslung<br />

in den Spital- und Heimalltag bringen.<br />

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Wir offerieren Ausflugsmöglichkeiten und Freizeiterlebnisse<br />

für betroffene Familien und Gruppen.<br />

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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>69<br />

Diese Anzeige wurde uns geschenkt von der Stiftung Elternsein.


Dossier<br />

Erziehen ohne Strafen <strong>–</strong><br />

ja, das geht!<br />

Wie bringen wir Kinder dazu, unerwünschtes Verhalten zu unterlassen?<br />

Indem wir sie bestrafen oder ihnen etwas Positives entziehen.<br />

Doch es geht auch anders. Eine Anleitung zum konstruktiven Umgang<br />

mit Kindern in Konfliktsituationen.<br />

Text: Nadine Zimet Bilder: Gabi Vogt /13 Photo<br />

<strong>10</strong> Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>611


Dossier<br />

Auch wenn man es den Bildern nicht ansieht:<br />

Noemi, <strong>10</strong>, Fay, <strong>10</strong>, Oskar, 6, Paul, 5, und die<br />

Familie Hottenroth hatten während des<br />

Shootings sehr viel Spass. Die Szenen sind<br />

gestellt; für diese Bildproduktion mussten<br />

weder Kinder noch Eltern leiden.<br />

Der Glaube, dass das<br />

Zusammenleben der<br />

Menschen ohne<br />

Strafe nicht möglich<br />

sei, ist tief in unseren<br />

Überzeugungen und Gefühlen verankert.<br />

Wir denken sofort an Menschen,<br />

die Greueltaten begehen und<br />

anderen Menschen tiefes Leid zufügen.<br />

Wir glauben, dass diese es verdient<br />

haben, bestraft zu werden, sie<br />

nur durch eine schmerzhafte Strafe<br />

verstehen, dass wir ihr Verhalten<br />

nicht billigen, und wir eine Verhaltensänderung<br />

erwarten und erzwingen<br />

können, wenn sie am eigenen<br />

Leib spüren, wie weh sie anderen<br />

getan haben. Wir strafen bewusst<br />

und absichtlich und entziehen<br />

Tätern legal ihre Freiheiten, damit<br />

sie merken, welche Einschränkungen<br />

andere durch sie erfahren<br />

haben. Die Strafe soll sie davor<br />

abschrecken, anderen wieder Leid<br />

zuzufügen. Und für die anderen soll<br />

die Strafe eine abschreckende Wirkung<br />

haben. Deshalb sehen Staaten<br />

Gefängnis, Folter und die Todesstrafe<br />

vor, weil die Überzeugung<br />

herrscht, dass man ohne die ultimative<br />

Abschreckung ein Land nicht<br />

regieren kann.<br />

Wir sind zudem davon überzeugt,<br />

dass die Gerechtigkeit zwischen<br />

Täter und Opfer wiederhergestellt<br />

wird, wenn der Täter für seine<br />

Tat leidet und büsst. Sein Leiden,<br />

sein Schmerz, seine Busse und im<br />

Idealfall seine Reue geben uns, wenn<br />

wir Opfer geworden sind >>><br />

Der Glaube, ein Zusammenleben<br />

der Menschen ohne Strafe sei<br />

nicht möglich, ist tief verankert.<br />

12 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>613


Dossier<br />

14 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

Mit einer Strafe erzielen Eltern<br />

meist kurzfristig Erfolg, aber<br />

keine nachhaltige Wirkung.<br />

>>> oder wenn wir uns mit dem<br />

Opfer einfühlsam verbinden, ein<br />

Gefühl der Genugtuung, der Wiedergutmachung<br />

und der Wiederherstellung<br />

von Gerechtigkeit und Ordnung.<br />

Wir ahnen nicht, dass wir<br />

damit gerade das Gegenteil bewirken.<br />

Menschen lernen durch Strafen<br />

kein Mitgefühl, sondern werden<br />

noch verbitterter und fühlen sich in<br />

ihrem feindseligen Menschenbild<br />

bestätigt.<br />

Zweifelsohne gibt es Menschen,<br />

die zerstörerisch und brutal handeln,<br />

sodass sie für eine gewisse Zeit<br />

an einen sicheren Ort gebracht werden<br />

müssen, damit sie vor sich selbst<br />

und andere vor ihnen geschützt werden.<br />

Dort sollten sie Hilfe bekommen<br />

und lernen, ihre Emotionen zu<br />

verstehen, ihre Einstellungen und<br />

ihr Verhalten zu ändern. Allerdings<br />

sollten sie dort nicht gedemütigt<br />

werden, zugrunde gehen oder so<br />

wütend werden, dass sie sich, sobald<br />

sie wieder auf freiem Fuss sind, in<br />

einem noch viel grösseren Ausmass<br />

rächen für das Leid und die Ungerechtigkeit,<br />

die ihnen in ihren Augen<br />

angetan worden sind. Die härteste<br />

Strafe kann diesen schwelenden<br />

Hass nicht zum Guten wenden oder<br />

sie daran hindern, wieder Gewalt<br />

anzuwenden, wenn sie sich nach der<br />

Busse Rache geschworen haben.<br />

Direkte und indirekte Bestrafung<br />

Doch was ist Strafe überhaupt, und<br />

was bewirkt sie? Eine Strafe ist eine<br />

disziplinierende Reaktion auf ein<br />

Verhalten, das etwa von einer Erziehungsperson<br />

als unangemessen oder<br />

regelüberschreitend angesehen wird.<br />

In der Psychologie redet man von<br />

direkter Bestrafung, wenn auf das<br />

unerwünschte Verhalten eine negative<br />

Konsequenz folgt. Zum Beispiel<br />

fordert der Erwachsene: «Wasch<br />

deine Hände, bevor du an den Tisch<br />

kommst!» Das Kind sagt Nein, der<br />

Erwachsene baut Druck auf, bis das<br />

Kind nachgibt und sich die Hände<br />

wäscht. Bei der indirekten Bestrafung<br />

wird etwas Positives entzogen.<br />

«Wenn du die Hände nicht wäschst,<br />

bekommst du kein Dessert.» Das<br />

Ziel von Bestrafung ist, Autorität<br />

durchzusetzen. Das Kind lernt, zu<br />

gehorchen und sich dem Willen<br />

einer anderen Person unterzuordnen,<br />

oder es geht in die Opposition<br />

und kämpft für seine eigene Sache.<br />

Die meisten Eltern erleben, dass<br />

sie damit kurzfristig Erfolg haben,<br />

aber langfristig immer wieder am<br />

gleichen Punkt stehen und tausend<br />

Mal das Gleiche sagen müssen. Es<br />

fehlt ihnen die Erfahrung, dass es<br />

auch anders gehen könnte, und sie<br />

ahnen nicht, wie das Kind durch<br />

Forderung, Kontrolle und Strafe in<br />

seinem tiefsten Bedürfnis nach<br />

Autonomie und Respekt so sehr<br />

gekränkt wird, dass es Nein zur Forderung<br />

und nicht Nein zum Bedürfnis<br />

der Eltern sagt. Das Kind versteht<br />

das echte Bedürfnis der Eltern,<br />

z. B. nach Hygiene, nicht, das hinter<br />

der Forderung steht, und es kann<br />

nicht darauf eingehen.<br />

Strafen und Konsequenzen<br />

Viele lehnen inzwischen das Strafen<br />

ab und fordern stattdessen die «mildere»<br />

Form, die Konsequenz. In<br />

Wirklichkeit ist die Konse- >>><br />

15


Dossier<br />

>>> quenz keine mildere Form der<br />

Strafe. Die Konsequenz schiebt einen<br />

Schritt zwischen die Kontrolle und<br />

die Strafe, eine Art Denkpause, in<br />

der dem Kind eine Wahlfreiheit vorgegaukelt<br />

wird, die keine ist, weil es<br />

letztendlich keine Wahl hat und<br />

gehorchen muss. In Erziehungsratgebern<br />

wird den Eltern nahegelegt,<br />

dass sie die Konsequenzen durchziehen<br />

müssten, wenn sie diese angedroht<br />

hätten, ansonsten würden sie<br />

die Glaubwürdigkeit und Autorität<br />

gegenüber dem Kind verlieren. Die<br />

Erwartung ist, dass durch den Bezug<br />

zwischen unerwünschter Handlung<br />

und der Konsequenz beim Kind die<br />

Einsicht gefördert wird und es dann<br />

das gewünschte Verhalten zeigt oder<br />

das unerwünschte eben unterlässt.<br />

Forscher konnten jedoch nachweisen,<br />

dass dieser graduelle Unterschied<br />

zwischen Konsequenz und<br />

Strafe für Kinder grundsätzlich<br />

unverständlich ist. Was beim Kind<br />

jedoch wirkt, ist das Gefühl der<br />

Angst, Schuld oder Scham. Strafen<br />

und Konsequenzen lösen beim Kind<br />

eindeutig destruktive Gefühle aus,<br />

und es werden ihm keine Alternativen<br />

für sein unerwünschtes Verhalten<br />

aufgezeigt. In den Köpfen der<br />

Kinder entwickelt sich schon früh<br />

die Vorstellung eines Belohnungsund<br />

Bestrafungssystems und auch<br />

die Überzeugung, dass es wirksam<br />

ist, Macht über andere auszuüben.<br />

Kinder lernen, dass Eltern das<br />

Recht haben, Kindern ihren Willen<br />

aufzuzwingen. Kinder folgern zu<br />

Recht daraus, dass das Zufügen von<br />

Leid eine legitime Machtausübung<br />

ist, und entwickeln ein Menschenbild,<br />

in dem das Prinzip Zuckerbrot<br />

und Peitsche herrscht: Man erreicht<br />

seine Ziele, wenn man dem anderen<br />

so lange Schmerz zufügt, bis er nachgibt.<br />

Dieses hierarchische Strafsystem<br />

wird gelebt und somit auch an<br />

die eigenen Kollegen und Geschwister<br />

weitergegeben.<br />

Wenn wir mitbekommen, dass<br />

ein Kind ein anderes beschimpft,<br />

bedroht, würgt oder haut, lehnen wir<br />

dieses Verhalten ab und bestrafen es<br />

dafür, obwohl wir es ihm beigebracht<br />

haben und täglich vorleben. Diesen<br />

Widerspruch kann ein Kind nicht<br />

verstehen. In seinem Herzen entsteht<br />

ein Gefühl von Verwirrung<br />

und Verzweiflung. Denn die Menschen,<br />

von denen es abhängt und die<br />

es so sehr liebt, wenden sich ab,<br />

wenn es das Gleiche tut wie sie. Das<br />

Kind bekommt Strafangst und verliert<br />

das Vertrauen in die bedingungslose<br />

Liebe, das stärkste Band<br />

zwischen Eltern und Kindern.<br />

Verängstigte Kinder<br />

In meiner Tätigkeit als Psychotherapeutin<br />

begegne ich Kindern, die zwar<br />

keine Angst davor haben, auf die<br />

Strasse zu rennen oder sich selber zu<br />

schneiden, die jedoch Angst haben<br />

vor der Reaktion ihrer Eltern oder<br />

der Lehrpersonen. Die angeborene<br />

und lebenserhaltende Angst vor<br />

Gefahren zum Schutz des Lebens<br />

nimmt ab, und die anerzogene Angst<br />

vor den Menschen nimmt zu. Wenn<br />

das Kind das Vertrauen in uns<br />

Erwachsene verliert, verlieren wir die<br />

beschützende Führung des Kindes.<br />

Wir haben die Verbindung, seine<br />

bedingungslose Liebe und sein Vertrauen<br />

in uns verloren. Dies wiederherzustellen,<br />

ist der erste Schritt auf<br />

dem Weg hin zu einer empathischen<br />

Kommunikation, die Eltern und Kinder<br />

unglaublich viel glücklicher<br />

macht.<br />

Verbindung wiederherstellen<br />

Beziehung und Verbindung entstehen<br />

dadurch, dass wir die Bedürfnisse,<br />

die ein Kind bewegen, verstehen.<br />

Dem Kind sind seine Bedürfnisse oft<br />

unbewusst. Die Gefühle sind die<br />

Ampeln, die auf die Bedürfnisse hinweisen.<br />

Die Beziehungsperson hilft<br />

dem Kind, seine Gefühle zu lesen<br />

und zu erkennen, um welches Bedürfnis<br />

es ihm geht. Das beobachtbare<br />

Verhalten, welches das Kind<br />

zeigt, ist lediglich die in der Situation<br />

beste Strategie, die das Kind kennt,<br />

um das Befriedigen seiner Bedürfnisse<br />

sicherstellen zu können. Deshalb<br />

steht nicht das Verhalten im<br />

Mittelpunkt eines Gesprächs, sondern<br />

die Bedürfnisse dahinter. Indem<br />

eine Mutter ihrem Kind zuhört, ohne<br />

zu bewerten, und in ihren Worten<br />

wiederholt, was das Kind gesagt hat,<br />

entsteht Empathie. Verbindung und<br />

Empathie kann man lernen (siehe<br />

Box auf Seite 24).<br />

Erziehung, die glücklich macht<br />

Die meisten Eltern wissen nicht, wie<br />

machtvoll das Äussern von Gefühlen<br />

und Bedürfnissen ist und wie sie ihre<br />

eigenen Bedürfnisse so mitteilen<br />

können, dass das Kind sie versteht.<br />

Wenn das gelingt, entstehen >>><br />

Der Preis, den Eltern mit<br />

einer strafenden Erziehung<br />

zahlen, ist sehr hoch.<br />

16 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Corinna Nüesch, 39<br />

Fotos: ZVG<br />

«Ich wollte<br />

herausfinden,<br />

warum<br />

ich oft schlecht<br />

gelaunt und<br />

unzufrieden war.»<br />

Text: Eveline von Arx<br />

Vor drei Jahren besuchte Corinna<br />

Nüesch, 39, mit ihrem Mann<br />

Da niel, 45, einen Elternkurs zur<br />

gewaltfreien Kommunikation nach<br />

Marshall B. Rosenberg. In der fünfköpfigen<br />

Familie war es immer<br />

wieder zu Spannungen und Reibereien<br />

gekommen.<br />

«Mein Mann und ich, aber auch<br />

unsere drei Kinder sind ziemlich<br />

eigensinnig und dickköpfig», sagt<br />

Corinna Nüesch selbstkritisch.<br />

Thorin, 14, habe schon als kleines<br />

Kind die Auseinandersetzung mit<br />

seiner Mutter gesucht. «Er war<br />

sehr wissbegierig, und mit einfachen<br />

Erklärungen liess er sich<br />

nicht abspeisen», erinnert sich die<br />

Mutter.<br />

Als Corinna Nüesch einmal von<br />

ihm verlangte, er solle sein Zimmer<br />

aufräumen, drohte er ihr, von<br />

zu Hause wegzulaufen. Und so<br />

kam es auch: Der kleine Bub packte<br />

seine Zahnbürste und sein<br />

Kuscheltuch ein, zog Schuhe und<br />

Jacke an und lief aus der Wohnung.<br />

Die Eltern folgten ihm, so<br />

dass dem Jungen nichts passieren<br />

konnte.<br />

Im Kurs über gewaltfreie Kommunikation<br />

merkten Corinna und<br />

ihr Mann, dass in der Theorie manches<br />

einfacher ist als im Alltag. Es<br />

brauchte viel Übung, bis die beiden<br />

die zentrale Haltung der<br />

gewaltfreien Kommunikation<br />

zunehmend besser umsetzen<br />

konnten: Verbundenheit entsteht,<br />

indem wir versuchen, nicht nur auf<br />

das Gesagte, sondern auch auf<br />

das Gemeinte zu hören.<br />

Corinna erkannte vor allem,<br />

dass es für sie eine grosse Herausforderung<br />

war, ihre eigenen<br />

Bedürfnisse als Mutter zu erkennen<br />

und zu kommunizieren. Herauszufinden,<br />

warum sie etwa<br />

schlecht gelaunt oder unzufrieden<br />

war und was sie brauchte, damit<br />

es ihr wieder besser ging, war für<br />

sie ein längerer Prozess.<br />

Heute weiss sie, dass sie vor<br />

allem dann «aus dem Gleichgewicht»<br />

gerät, wenn ihr zentrales<br />

Bedürfnis nach Autonomie verletzt<br />

oder ihr zu wenig Vertrauen<br />

entgegengebracht wird. Sie kann<br />

dies nun auch äussern und vor<br />

allem kundtun, was sie möchte<br />

und braucht.<br />

Der veränderte Umgang in der<br />

Familie führte zu neuen Erkenntnissen:<br />

Im «Nein» immer auch ein<br />

«Ja» <strong>–</strong> jedoch zu etwas anderem<br />

<strong>–</strong> zu sehen. Es galt nun vermehrt<br />

zu klären, wozu man denn «Ja»<br />

meinte, wenn «Nein» gesagt wurde.<br />

Wer etwas nicht will, möchte<br />

etwas anderes. Und wer seine<br />

Bedürfnisse kennt, kann auch viel<br />

besser seine Wünsche äussern.<br />

Corinna und Daniel leben seit<br />

einem Jahr getrennt, stehen<br />

jedoch in einem freundschaftlichen<br />

Verhältnis zueinander.<br />

Jeweils am Sonntagabend isst die<br />

ganze Familie gemeinsam.<br />

Die gewaltfreie Kommunikation<br />

habe ihr und auch Daniel dabei<br />

geholfen, ihren Konflikt auf der<br />

Paarebene anzugehen, ohne die<br />

Kinder damit zu belasten. Weil das<br />

Verständnis füreinander gefördert<br />

worden sei, sagt Corinna Nüesch.<br />

Und die <strong>10</strong>-jährige Smetine erinnert<br />

ihre Eltern manchmal daran,<br />

doch in der «Giraffensprache»<br />

miteinander zu reden.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>617


Dossier<br />

Giraffensprache <strong>–</strong><br />

die Sprache der Herzen<br />

Der amerikanische Psychologe Marshall<br />

B. Rosenberg, der Begründer der gewaltfreien<br />

Kommunikation, stellte zwei Erziehungssysteme<br />

einander gegenüber: die<br />

manipulative autoritative Erziehung und<br />

die verbindende Beziehung zwischen<br />

Menschen. Um dies zu veranschaulichen,<br />

verlieh er zwei Fabelwesen Wesenszüge,<br />

die unsere alltägliche Kommunikation<br />

charakterisieren. Der Wolf verkörpert die<br />

Haltung und die Sprachgewohnheiten des<br />

Ärgers, die Giraffe die des Mitgefühls.<br />

Jeder Mensch trägt beide Wesenszüge in<br />

sich. Die Frage ist, wie er in der Kindheit<br />

gelernt hat, damit umzugehen.<br />

Der Wolf<br />

Der Wolf hat gelernt, in Kategorien<br />

von Richtig und Falsch, Gut und Böse,<br />

Feinden, Opfern und Tätern zu denken.<br />

Wölfe verurteilen Fehler und suchen nach<br />

dem Schuldigen, kündigen Konsequenzen<br />

an und verteilen Strafen. Sie sind fest<br />

davon überzeugt, dass Druck, Schmerz,<br />

Angst, Schuld und Scham Menschen<br />

motivieren, Gewalt zu unterlassen und<br />

sozial zu handeln. Mit seinen Wolfsohren<br />

interpretiert er jede Kommunikation<br />

als wölfischen Angriff. Er hört aus den<br />

Worten der anderen Kritik, Urteile, Forderungen,<br />

Vorwürfe und Ablehnung. Deshalb<br />

reagiert er aggressiv.<br />

Was ein Wolf denkt<br />

«Ich bin ein Versager, ich habe etwas<br />

falsch gemacht, ich bin wütend auf mich.»<br />

Oder: «Du bist gemein, du hast meinen<br />

Geburtstag vergessen, weil ich dir nicht<br />

wichtig bin, ich bin wütend auf dich.» Entspricht<br />

etwas nicht seinen Vorstellungen<br />

und Werten, denkt er: «Du musst dich<br />

ändern, damit es mir wieder gut geht.»<br />

Der Wolf denkt in einer Handlungssprache<br />

und stellt Forderungen. Er glaubt, dass<br />

Kritik und Forderungen der geeignete<br />

Weg sind, Menschen zu motivieren, ihr<br />

Verhalten zu ändern. Ein Wolf sieht nicht,<br />

dass er damit den andern und sich selbst<br />

entweder zur Rebellion oder zur Unterwerfung<br />

zwingt.<br />

Wölfe sind nicht böse, aber sie fühlen<br />

sich immer angegriffen und haben<br />

deshalb einen Hör- und Sprachfehler und<br />

sehen ihre innere Schönheit nicht. Wenn<br />

sie lernen, auf ihre innere Lebendigkeit<br />

zu hören, auf ihre Gefühle und Bedürfnisse<br />

hinter den Urteilen, lernen sie, wie<br />

sie andere Menschen gewinnen können,<br />

ihnen zuzuhören und auf ihre Bedürfnisse<br />

einzugehen.<br />

Die Giraffe<br />

Die Giraffe weiss, welche erfüllten oder<br />

nicht erfüllten Gefühle und Bedürfnisse<br />

hinter den Worten und Taten das Herz der<br />

18 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

>>> gegenseitig tiefes Verständnis<br />

und Glück. Kinder lernen über das<br />

Vorbild und spüren Veränderungen<br />

sehr schnell. Wenn Eltern im Kontakt<br />

sind mit ihren Gefühlen und<br />

Bedürfnissen und lernen, darüber<br />

zu sprechen, lernt das Kind wiederum<br />

schnell, dass es vertrauen kann<br />

und in Sicherheit ist, wenn es sich<br />

öffnet und sich an die Eltern bindet.<br />

Es liegt in unseren Händen, wie<br />

wir mit unseren Kindern sprechen,<br />

wie wir uns ihnen gegenüber verhalten<br />

und welche Vorbilder wir sind.<br />

Wenn wir Frieden wollen, müssen<br />

wir konsequent Frieden vorleben<br />

und lehren. Leider sind in unserer<br />

Gesellschaft Druck und Strafe nach<br />

wie vor selbstverständlich. Auch<br />

Erwachsene werden heutzutage an<br />

ihren Leistungen gemessen und mittels<br />

Bestrafungs- und Belohnungssystem<br />

geführt. Diese scheinen die<br />

besten Werkzeuge dafür zu sein, um<br />

Motivation zu erhöhen, Effizienz zu<br />

erreichen und Gewalt einzudämmen.<br />

Bestrafung und Belohnung<br />

repräsentieren das heutige Bedürfnis<br />

nach «schnellen Lösungen». Der<br />

wirtschaftliche Gedanke der Effizienz<br />

durchzieht Erziehung und Bildung<br />

und unterstützt den Glaubenssatz,<br />

dass nur Kinder, die Disziplin<br />

lernen, es im Leben zu etwas bringen,<br />

weil sie sich eben unterordnen<br />

können. Der Preis, den Eltern mit<br />

einer strafenden Erziehung zahlen,<br />

ist hoch. Und daraus gehen >>><br />

Empathie entsteht, indem<br />

Eltern ihrem Kind zuhören,<br />

ohne zu bewerten.<br />

Literatur-Tipps<br />

Elizabeth A. Meckstroth, James<br />

T. Webb, Stephanie S. Tolan<br />

Hochbegabte Kinder, ihre Eltern,<br />

ihre Lehrer. Ein Ratgeber.<br />

Überarbeitet und ergänzt von<br />

Nadine Zimet und Franzis Preckel.<br />

Hans Huber Verlag, Bern<br />

Marshall B. Rosenberg: Kinder<br />

einfühlend ins Leben begleiten<br />

Junfermann, 2007, broschiert<br />

(Das Beispiel von Seite 24 ist hier<br />

ausführlich nachzulesen).<br />

Menschen bewegen. Sie weiss, dass das<br />

goldene Band, das Menschen miteinander<br />

verbindet, das Streben nach Erfüllung von<br />

Bedürfnissen ist. Es ist ihre Aufgabe, dafür<br />

zu sorgen, dass dieses Band nicht zerreisst.<br />

Mit ihren Giraffenohren übersetzt<br />

sie jede Kommunikation auf Giraffisch.<br />

Sie versteht, was hinter dem Angriff des<br />

Wolfes in seinem Herzen lebendig ist, und<br />

übersetzt seine Sprache in seine Gefühle<br />

und Bedürfnisse.<br />

Was eine Giraffe denkt<br />

«Sieh die Schönheit in mir, und ich sehe<br />

die Schönheit in dir.» Giraffen sind bei<br />

sich und spüren, wie es ihnen geht. Sie<br />

stellen keine Forderungen und machen<br />

keine Vorwürfe. Sie übernehmen selber<br />

die Verantwortung, dem anderen zu<br />

sagen, was sie bewegt und was sie<br />

brauchen, um glücklich zu sein. Harmonie<br />

entsteht auf Giraffisch, wenn ich den Mut<br />

habe, ehrlich alles zu sagen, was ich beobachte,<br />

fühle und brauche, und wenn ich<br />

um das bitte, was ich brauche.<br />

Die Giraffe weiss, dass Verbindung<br />

die stärkste Kraft ist, die die Menschen<br />

zusammenhält. Sie setzt sich dafür ein,<br />

die Verbindung wiederzufinden, wenn<br />

sie zu zerbrechen droht. Sie lenkt den<br />

Fokus auf die Ästhetik, auf das Prinzip der<br />

Natur nach Balance und Harmonie, Ruhe,<br />

Frieden und Ausgeglichenheit zwischen<br />

Geben und Nehmen, Haben und Sein.<br />

Sie lenkt bewusst ihren Fokus auf die<br />

Menschlichkeit im anderen. Das will sie in<br />

jedem Moment erkennen. Sie hört nicht<br />

auf das, was aus dem Mund einer anderen<br />

Person kommt oder was sie denkt und tut.<br />

Sie hört auf das, was im Herzen lebendig<br />

ist, auf die Gefühle und Bedürfnisse, die<br />

den anderen gerade in diesem Moment<br />

bewegen. Das hilft ihr, klar zu denken.<br />

Wölfe und Giraffen haben die gleichen<br />

Ziele, gehen aber andere Wege. Es<br />

stellt sich letztlich die Frage, wer von<br />

beiden das bekommt, was er oder sie<br />

sich wünscht, wer Türen öffnet und wer<br />

Mauern baut.<br />

Wie eine Mutter mit ihrem Kind<br />

Giraffisch spricht<br />

Im Beispiel auf Seite 24 wird veranschaulicht,<br />

wie eine Giraffenmutter mit<br />

ihrem Kind Giraffisch spricht. Ihr Sohn<br />

ist wütend und verzweifelt. Er schlägt<br />

und würgt andere Kinder und hört nicht<br />

mehr zu. Er hat Angst, ist im Widerstand<br />

und sagt zu allem Nein. Trotzdem schafft<br />

es die Mutter, wieder eine Verbindung<br />

herzustellen. Sie hilft dem Kind, dass es<br />

zu seinem Schutz seine Einstellung, sein<br />

Gefühl und sein Verhalten ändert. Er vertraut<br />

ihr, dass sie ihm helfen will und ihm<br />

keine Schmerzen zufügt.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>619


Dossier<br />

>>> Menschen hervor, die wieder<br />

in diesen Denkweisen gefangen<br />

sind. Wir beklagen die Missstände<br />

im Zusammenleben und sehen<br />

deren Folgen, aber die Zusammenhänge<br />

zwischen Ursache und Symptom<br />

sind uns nicht klar. Strafendes<br />

Handeln zu vermeiden, mit seinen<br />

Kindern immer wieder in Verbindung<br />

zu treten und zu versuchen,<br />

die Bedürfnisse hinter einem Verhalten<br />

zu sehen und zu begreifen,<br />

erfordert Übung und letztlich eine<br />

gewaltfreie Kommunikation. Diese<br />

sorgfältige Sprache zeigt Eltern und<br />

Pädagogen anhand vieler konkreter<br />

Beispiele, wie sie aus der Gewaltund<br />

Straf spirale aussteigen und in<br />

Kontakt mit sich und den Kindern<br />

kommen können.


Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>621


Dossier<br />

22 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

Hier antwortet Psychologin<br />

Nadine Zimet auf die sieben häufigsten<br />

Vorbehalte gegen straflose Erziehung<br />

1. Eltern haben weder die Zeit noch die Nerven,<br />

jedes Fehlverhalten ihres Kindes ausführlich zu<br />

bereden.<br />

Tausendmal das Gleiche zu sagen (wie etwa: «Wasch<br />

die Hände!», «Sei nicht so grob!», «Stell den PC ab!»),<br />

kostet auch viel Nerven, Ärger und Zeit. Fehlverhalten<br />

entsteht immer aus einem Bedürfniskonflikt zwischen<br />

Eltern und Kind. Das Gespräch über Bedürfnisse und<br />

Strategien bringt Verständnis, Verbundenheit und<br />

die Bereitschaft, andere Strategien zu entwickeln,<br />

die für alle akzeptabel sind und somit nicht mehr zu<br />

Fehlverhalten führen. Die Zeit, die es braucht, um<br />

dies zu lernen, ist eine schöne Zeit. Wir entschleunigen<br />

und vereinfachen die Kommunikation. Denn für<br />

Kinder sprechen wir immer zu schnell, zu viel und am<br />

Thema vorbei. Teilen wir ihnen unsere Bedürfnisse<br />

nicht mit, bleiben wir für sie wie ein versiegeltes Buch.<br />

Zwar spüren sie unsere Wut, aber sie verstehen nicht,<br />

welche Bedürfnisse hinter unserer Wut schlummern<br />

und nicht respektiert worden sind. Dieses Verständnis<br />

ist der erste Schritt, um Konflikte langfristig zu lösen,<br />

Fehlverhalten zu vermeiden oder nachhaltig zu<br />

ändern.<br />

2. Eine Konfliktlösung in wenigen Schritten ist<br />

nicht praktikabel, weil sich im Alltag mit Kindern<br />

laufend neue Konflikte ergeben, die nach einer<br />

raschen Lösung verlangen.<br />

Die Schritte sind leicht verständlich und mit etwas<br />

Übung schnell durchgeführt, während sich Machtkämpfe<br />

jedoch wiederholen, Sieg und Niederlage<br />

entzweien und die Stimmung verderben.<br />

3. Gerade weil Kinder ihre Bedürfnisse oft nicht<br />

kennen, brauchen sie klare Ansagen von Erwachsenen.<br />

Es lohnt sich, die Zeit aufzubringen, um Kinder in<br />

Kontakt mit ihren Gefühlen und Bedürfnissen zu<br />

bringen und ihnen Wege zu zeigen, wie sie diese<br />

erfüllen und gleichzeitig auch die Bedürfnisse anderer<br />

respektieren können. Das macht Kinder empathisch,<br />

autonom und stark.<br />

4. Spätestens dann, wenn Kinder, die ohne<br />

Bestrafung aufwachsen, in einer Konfliktsituation<br />

auf Kinder treffen, die «herkömmlich» erzogen<br />

wurden, funktioniert die Methode nicht.<br />

Kinder lernen schneller als Erwachsene. Sie werden<br />

zu Experten im Lösen von Konflikten. Sie sagen, was<br />

sie fühlen und brauchen, ohne die anderen anzuklagen,<br />

und wissen, wie sie für sich Verantwortung<br />

übernehmen können.<br />

5. Es wird Eltern niemals gelingen, das Umfeld ihres<br />

Kindes (Schule, Nachbarschaft) in ihre straflose<br />

Erziehungsmethode einzubeziehen.<br />

Familien, die gelassen reagieren, sind beliebt und<br />

inspirieren durch ihre besonnene Art Nachbarschaft<br />

und Schule.<br />

6. Kinder sind auf authentische Reaktionen von<br />

Erwachsenen angewiesen. Diese dürfen auch<br />

einmal wütend ausfallen. Echte, authentische<br />

Interaktion geht verloren, wenn Eltern jedes Mal<br />

versuchen, ein Problem vernünftig mit dem Kind<br />

zu reflektieren.<br />

Wenn Vater oder Mutter wütend sind, fühlt sich das<br />

Kind schuldig, weil es denkt, dass es etwas falsch<br />

gemacht hat und sich ändern muss. Diese Schuldgefühle<br />

überfordern das Kind. Authentisch wäre es,<br />

zu sagen: «Ich bin wütend, weil ich jetzt dringend Ruhe<br />

brauche», und mit dem Kind darüber zu sprechen<br />

und ihm Zeit zu geben, dies zu verstehen.<br />

7. Nicht jeder Konfliktsituation mit Kindern liegt<br />

ein tieferes kindliches Bedürfnis zugrunde.<br />

Manchmal wollen Kinder einfach nur Grenzen austesten,<br />

eine Reaktion provozieren, ausprobieren,<br />

wie weit sie gehen können.<br />

An dem Punkt ist der Machtkampf, wer der Stärkere<br />

ist und wer recht behält, bereits in vollem Gange …<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>623


Dossier<br />

«Max, du hast deinen Freund gewürgt»<br />

Wie Eltern einen Konflikt klären können <strong>–</strong> ohne Drohung. Ohne Strafe. Ein Beispiel.<br />

Text: Nadine Zimet<br />

Max ist 6 Jahre alt und hat in der<br />

Pause Streit mit einem 7-jährigen<br />

Knaben. Er hat ihn heftig gewürgt.<br />

Von der Lehrperson ist er abgemahnt<br />

und bestraft worden. Er<br />

kommt geknickt nach Hause und<br />

erzählt seiner Mutter, was passiert<br />

ist. Nachfolgend ein Ausschnitt aus<br />

dem Dialog zwischen Max und der<br />

Mutter, die sich bemüht, das<br />

Gespräch zu entschleunigen.<br />

Die Mutter schildert ihre Beobachtung:<br />

Mutter: Max, du hast deinen Freund<br />

gewürgt, das geht nicht. Bist du frustriert,<br />

weil du den Ball möchtest?<br />

Max: Ja, er gibt ihn nie her. Er nimmt<br />

ihn mir immer weg. Er lässt mich<br />

nie damit spielen.<br />

Mutter: Also Max, wärst du zufrieden,<br />

wenn du den Ball bekommen<br />

würdest?<br />

Max: Nein. Ich will mit den anderen<br />

Kindern Ball spielen.<br />

Die Mutter fragt nach den Gefühlen<br />

und Bedürfnissen:<br />

Mutter: Bist du traurig, weil du mit<br />

den anderen Kindern spielen möchtest,<br />

sie dich aber nicht lassen?<br />

Max: Ja.<br />

Die Mutter teilt ihre Gefühle und<br />

ihre Bitte Max mit:<br />

Mutter: Ich bin besorgt um die<br />

Sicherheit und Freude aller Kinder<br />

auf dem Spielplatz. Sag mir bitte, was<br />

du brauchst, damit du auf diesem<br />

Spielplatz spielen kannst und andere<br />

Kinder nicht verletzt werden.<br />

Max: Ich weiss es nicht.<br />

Die Mutter checkt Max’ Bereitschaft,<br />

über eine andere Strategie<br />

nachzudenken:<br />

Mutter: Max, möchtest du überlegen,<br />

was du tun könntest, um mitspielen<br />

zu können, statt andere zu<br />

würgen?<br />

Max: Ich weiss es nicht.<br />

Die Mutter merkt, dass Max noch<br />

nicht bereit ist:<br />

Mutter: Wenn ich etwas möchte,<br />

ändere ich meine Worte und sage<br />

zum Beispiel: Ich sehe, du hast den<br />

gelben Ball, darf ich mit dir spielen?<br />

Willst du auch probieren, andere<br />

Worte zu wählen?<br />

Max: Ich habe ihm gesagt, er soll mir<br />

den Ball geben, und er hat es trotzdem<br />

nicht getan.<br />

Die Mutter merkt, dass ihre Botschaft<br />

noch nicht bei Max angekommen<br />

ist, und spricht seinen<br />

Frust an:<br />

Mutter: Ich kann sehen, dass du<br />

immer noch sehr frustriert bist, weil<br />

du den Ball haben wolltest und ihn<br />

nicht bekommen hast.<br />

Max: Ja, und ich hab geredet, aber<br />

er hat ihn mir trotzdem nicht gegeben.<br />

Mutter: Wie hast du das gesagt?<br />

Max: Gib mir den Ball!<br />

Mutter: Vielleicht kannst du mit<br />

anderen Worten versuchen zu fragen<br />

und ihn um den Ball zu bitten?<br />

Bist du bereit, nach anderen Worten<br />

zu suchen?<br />

Max: Die würden mir den Ball<br />

sowieso nie geben, ganz egal, wie ich<br />

danach frage.<br />

Die Mutter merkt, dass eine tiefe<br />

Kränkung vorliegt:<br />

Mutter: Bist du traurig, weil das mit<br />

dem Reden nicht funktioniert hat?<br />

Max: Ja, die hören mir nie zu, kein<br />

Einziger von ihnen.<br />

Mutter: Das macht dich sehr traurig.<br />

Möchtest du, dass dir die Leute<br />

zuhören, aber du weisst nicht, wie<br />

du sie dazu bringen kannst?<br />

Max: Ja, Papa hört mir auch nicht<br />

zu.<br />

Mutter: Du möchtest wirklich, dass<br />

dir die Menschen zuhören.<br />

Max: Ja.<br />

An dieser Stelle hat die Mutter Max<br />

zum ersten Mal im «Ja». Jetzt sind<br />

die beiden in Kontakt. Max fühlt<br />

sich von ihr verstanden und hört<br />

ihr zu.<br />

Mutter: Ich bin froh, dass du mir<br />

deine Gefühle anvertraust. Ich verstehe,<br />

wie hoffnungslos du bist, weil<br />

dir die Menschen nicht das geben,<br />

was du möchtest.<br />

Max: Ja.<br />

Die Mutter klärt jetzt erneut die<br />

Bereitschaft für die neue Strategie:<br />

Mutter: Willst du ausprobieren, wie<br />

die Kinder reagieren, wenn du «bitte»<br />

statt «ich will» sagst?<br />

Max: Ja.<br />

Mutter: Wenn du «Gib mir den<br />

Ball!» sagst, könnte das die Kinder<br />

ärgern. Wie wäre es mit: «Wärest du<br />

bereit, mir den Ball zu geben?»<br />

Max ist noch unsicher.<br />

Die Mutter geht noch einen Schritt<br />

weiter und ebnet den Weg auch für<br />

einen Misserfolg:<br />

Mutter: Lass uns das versuchen.<br />

Wenn du es mit den anderen Kindern<br />

probiert hast, dann komm<br />

zurück und berichte mir. Und wenn<br />

es nicht funktionieren sollte, dann<br />

versuchen wir etwas anderes. Wärest<br />

du bereit, da mitzumachen?<br />

Max: In Ordnung.<br />

Mutter: In Ordnung. Und wärest du<br />

bereit, dies an Stelle des Würgens<br />

auszuprobieren?<br />

Max: In Ordnung.<br />

24


Dossier<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>625


Dossier<br />

Eva Schmid, 46<br />

«Ich habe meinen<br />

Sohn frühmorgens<br />

oft angeschrien<br />

und versucht,<br />

ihn aus dem Bett<br />

zu zerren.»<br />

Text: Eveline von Arx<br />

Alles fing damit an, dass Aaron<br />

nicht mehr in den Kindergarten<br />

wollte. Der damals Fünfjährige<br />

zeigte verschiedene Ängste und<br />

entwickelte sich zu einem Kind,<br />

das zunehmend unglücklich war.<br />

Im Kindergarten zog Aaron sich<br />

zurück, und als er in die 1. Klasse<br />

kam, verstärkte sich dies.<br />

Eva Schmid, 46, liess ihren<br />

Sohn bei Nadine Zimet psychologisch<br />

abklären. Die Untersuchung<br />

ergab, dass Aaron ein hochbegabter<br />

und hochsensibler Junge ist <strong>–</strong><br />

jedoch mit asynchronem Begabungsprofil.<br />

In seinem Fall<br />

bedeutet dies, dass er sehr hohe<br />

Leistungen im mathematischen<br />

Bereich zeigt, jedoch beim Lesen<br />

und Schreiben mehr Unterstützung<br />

benötigt als andere Kinder.<br />

In der Schule wurde von Aaron<br />

vor allem verlangt, dass er sich<br />

anpasst. Für den hochsensiblen<br />

Jungen, der sich in den mathematischen<br />

Fächern langweilte und<br />

beim Schönschreiben erfolglos<br />

abmühte, war das unmöglich. Er<br />

fühlte sich unverstanden, anders<br />

als die anderen, wollte morgens<br />

oft nicht mehr aufstehen und war<br />

antriebslos.<br />

Eva Schmid hatte immer<br />

gespürt, dass es ihrem Kind nicht<br />

gut ging. Dennoch hatte sie während<br />

vielen Jahren versucht, Aaron<br />

«windschnittig» zu machen. Sie<br />

wollte ihn disziplinieren, seine<br />

Anpassung an die Schule forcieren.<br />

Bis die Verzweiflung des Jungen<br />

so gross war, dass er der Mutter<br />

gegenüber Suizidgedanken<br />

äusserte. Eva Schmid wusste nun,<br />

dass es so nicht mehr weitergehen<br />

konnte, und holte sich Unterstützung.<br />

In einem mehrmonatigen Kurs<br />

über gewaltfreie Kommunikation<br />

lernte sie, wie sie ihre eigenen<br />

Bedürfnisse und die ihrer Kinder<br />

besser wahrnehmen konnte. Sie<br />

merkte, dass sie oft aus Erschöpfung<br />

und Überforderung nicht auf<br />

ihre Kinder einging und sie deshalb<br />

schimpfte und herumschrie.<br />

Sie merkte auch, dass sie mit Drohungen<br />

und Bestrafungen ihre<br />

Kinder nicht erreichte.<br />

Eva Schmid traf auf andere<br />

Eltern, die mit ihrem bisherigen<br />

Erziehungsstil ebenfalls an ihre<br />

Grenzen stiessen. Gemeinsam mit<br />

ihnen fand die 46-Jährige heraus,<br />

wie sie die Bedürfnisse hinter dem<br />

Verhalten ihrer Kinder erkennen<br />

und diesen so eher gerecht werden<br />

konnte.<br />

«Während mich meine Mutter<br />

früher in ihrer Verzweiflung morgens<br />

anschrie, ich solle nun endlich<br />

aufstehen, sie mich aus dem<br />

Bett zu zerren versuchte, verstand<br />

sie nun, dass all dies die Situation<br />

nur verschlimmerte», sagt der<br />

17-jährige Aaron heute.<br />

Seine Mutter habe angefangen,<br />

viel einfühlsamer mit ihm zu<br />

reden, aber auch ihre eigenen<br />

Grenzen kundzutun. Auf dieser<br />

Basis habe das Vertrauensverhältnis<br />

zwischen ihm und seiner Mutter<br />

allmählich wieder wachsen<br />

können. Und während der Sohn<br />

erzählt, wird spürbar, wie sehr die<br />

Mutter die positiven Veränderungen<br />

nach all den Jahren immer<br />

noch berührt.<br />

Auch der heute 14-jährige Bruder<br />

erinnert sich gerne daran<br />

zurück, wie der Umgang zwischen<br />

ihm und seiner Mutter zusehends<br />

ein anderer wurde: «Wir redeten<br />

wirklich miteinander und hörten<br />

uns zu <strong>–</strong> und es war viel weniger<br />

Geschrei zu Hause.»<br />

Rico, 24, der älteste Sohn,<br />

wohnt nicht mehr bei der Mutter.<br />

Es schmerzt Eva Schmid, dass sie<br />

mit ihm während seiner Kindheit<br />

noch nicht auf diese Weise umgehen<br />

und kommunizieren konnte.<br />

Auf die Frage, ob sie denn nicht<br />

hin und wieder dennoch «ausflippe»<br />

oder die Nerven verliere,<br />

meint Eva Schmid gelassen: «Das<br />

passiert auch heute noch. Aber<br />

dann weiss ich, welches die Gründe<br />

dafür sind, und kann darüber<br />

reden und mich auch einmal entschuldigen.»<br />

Foto: Anne Gabriel-Jürgens / 13 Photo<br />

26 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>627


Dossier<br />

Kinder benötigen Eltern <strong>–</strong><br />

keine Therapeuten<br />

Familiencoach Fabian Grolimund über Elternratgeber, die Frage, welche Erziehungsmethode<br />

die richtige ist <strong>–</strong> und wie ein halbvertrockneter Regenwurm seinen Sohn bekehrte.<br />

Text: Fabian Grolimund Fotos: Gabi Vogt / 13 Photo<br />

Schau mal, eine Raupe!» Ich bücke mich hinunter,<br />

um meinem Krabbeltier-begeisterten Sohn<br />

ein besonders eindrückliches Exemplar zu<br />

zeigen. Zack! Ein kleiner Stiefel zerquetscht<br />

das arme Tier. «Spritzt er wie eine Traube!» Es<br />

ist September, mein Sohn ist gerade drei geworden <strong>–</strong><br />

und experimentiert mit Leben und Tod. «Das kannst du<br />

nicht machen! Schau, nun ist sie tot.» Interessiert schaut<br />

er hin: «Mach den wieder ganz!» Ich erkläre ihm, dass<br />

ich das nicht kann. Er hört zu. Zack! Eine Schnecke<br />

muss dran glauben. «Jetzt hör auf! Ich sage es nicht noch<br />

einmal!»<br />

Wir gehen weiter und ein Käfer gerät unter den Stiefel.<br />

Nun bin ich sauer und versuche es mit einer saftigen<br />

Drohung: «Wenn du heute noch ein Tier zertrittst, dann<br />

werde ich richtig wütend. Dann werde ich sehr schlimm<br />

schimpfen! Verstanden!?» Er wird ein wenig rot, sagt<br />

nichts mehr, nimmt meine Hand und geht stumm neben<br />

mir weiter. Ich bin hin- und hergerissen zwischen Wut<br />

und einem schlechten Gewissen <strong>–</strong> ich werde fast nie<br />

wütend, aber Tiere zu töten geht mir komplett gegen<br />

den Strich.<br />

Fünf Minuten später meint er: «Schau, Papa, ein kleines<br />

Schnecklein. Den lassen wir noch ein bisschen<br />

Der Gedanke, meine Kinder nach<br />

einem bestimmten Schema zu<br />

erziehen, ist mir unangenehm.<br />

leben.» «Was heisst denn hier noch?» «Ich mach den<br />

dann morgen tot.» Dabei grinst er mich so überlegenschelmisch<br />

an, dass ich einfach lachen muss.<br />

Nun liessen sich in dieser Situation alle möglichen<br />

Erziehungsmethoden durchspielen. Soll ich meinem<br />

Sohn eine Strafe auferlegen, wenn er eine Schnecke zertritt?<br />

Eine natürliche Konsequenz folgen lassen? (Welche<br />

wäre das in diesem Fall? Schneckenschleim vom<br />

Stiefel kratzen?) Oder soll ich mit ihm über sein «Machtbedürfnis»<br />

oder darüber, was da gerade am Werk ist,<br />

sprechen?<br />

Sollen Kinder bestraft werden oder nicht? Sind Konsequenzen<br />

ein gutes Erziehungsmittel? Sollen wir als<br />

Eltern mit unseren Kindern lange Gespräche über ihre<br />

Bedürfnisse führen und davon ausgehen, dass da immer<br />

noch etwas dahinterliegt, wenn ein Kind etwas getan<br />

hat, das wir nicht für gut befinden?<br />

Als Psychologe werde ich immer wieder gefragt, nach<br />

welchen Prinzipien ich meine Kinder erziehe und was<br />

ich von bestimmten Erziehungsmethoden halte. Auch<br />

die Frage der Fritz+Fränzi-Redaktion, was ich von einer<br />

«Erziehung ohne Strafen» denke, hat mich dazu angeregt,<br />

mir dazu Gedanken zu machen, welche Rolle Erziehungspsychologie,<br />

verschiedene Methoden und Prinzipien<br />

im Umgang mit meinen eigenen Kindern spielen.<br />

Ich halte es so: Psychologie hat einen Platz in meinem<br />

Leben als Vater oder Partner. Aber ich betrachte sie eher<br />

als eine Werkzeugkiste, die meist unbenutzt im Keller<br />

steht. Sie leitet mich nicht, und ich richte mich nicht<br />

nach ihr. Der Gedanke, meine Kinder nach einem<br />

bestimmten Schema zu erziehen, ist mir ausgesprochen<br />

unangenehm. >>><br />

28 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>629


Dossier<br />

>>> Ich möchte, dass meine Kinder mit einem Vater<br />

aufwachsen <strong>–</strong> nicht mit einem Psychologen. Dabei leitet<br />

mich eher eine Haltung als eine Methode. Diese habe<br />

ich nicht aus der Literatur, sondern hauptsächlich von<br />

meinen Eltern übernommen. Ich glaube, dass es wichtig<br />

ist, sich immer wieder neu auf Kinder, ihre Welt und ihr<br />

Tempo einzulassen, Geduld zu haben und sich Zeit zu<br />

nehmen, Liebe und Respekt zu zeigen.<br />

Als Vater sage ich aber auch mal: «Jetzt reichts! Hör<br />

auf mit diesem Mist!» oder «Du machst jetzt einfach,<br />

was ich sage <strong>–</strong> nein, nicht ‹warum› <strong>–</strong> du machst das, weil<br />

ich das sage und basta!».<br />

Ich finde es richtig und wichtig,<br />

dass wir uns erlauben, in der<br />

Erziehung Fehler zu machen.<br />

Ich finde es richtig und wichtig, dass wir es uns erlauben,<br />

in der Erziehung Fehler zu machen. Ich bin der Meinung,<br />

dass Kinder von einem echten Menschen, der mal<br />

lacht, wenn er nicht sollte, mal unfair ist, mal keine Lust<br />

hat und an seine Grenzen kommt, mehr profitieren als<br />

von jemandem, der sich ständig hinterfragt oder seine<br />

Kinder nach Schema F erzieht.<br />

Was den Umgang mit Erziehungsratgebern und -methoden<br />

angeht, finde ich es wichtig, dass der gesunde Menschenverstand,<br />

das eigene Empfinden über Theo rien,<br />

Prinzipien und Regeln stehen.<br />

Eine Mutter erzählte mir kürzlich ganz aufgelöst, sie<br />

hätte ein Buch gelesen, in dem der Autor eindrücklich<br />

davor warne, Kinder zu loben. Sie hätte dies bis anhin<br />

immer falsch gemacht. Dabei sei ihr jetzt klar, dass Lob<br />

eine Form der Manipulation sei und die echte Motivation<br />

eines Kindes untergrabe. Ich stellte ihr folgende<br />

Frage: «Wenn Ihnen ab heute niemand mehr sagt, dass<br />

Sie gut gekocht haben und Ihr Essen schmeckt <strong>–</strong> kochen<br />

Sie dann lieber? Wenn Ihr Chef Ihnen von heute an nie<br />

mehr sagt, dass er zufrieden ist oder Sie Ihre Sache gut<br />

machen <strong>–</strong> fühlen Sie sich dann weniger manipuliert?»<br />

Ihre Antwort darauf war: «Danke <strong>–</strong> jetzt bin ich beruhigt.»<br />

Natürlich gibt es Studien, die zeigen, dass die intrinsische<br />

Motivation <strong>–</strong> die Motivation, die aus eigenem Antrieb<br />

entsteht <strong>–</strong> abnehmen kann, wenn ein Kind für eine Tätigkeit,<br />

die es gerne tut, ständig zusätzlich belohnt und<br />

gelobt wird. Wir können uns auch manipuliert fühlen,<br />

wenn wir merken: Der Chef lobt mich nur, damit ich<br />

mich abrackere und Überstunden mache. Aber deswegen<br />

sollten wir nicht gleich darauf verzichten, anderen<br />

Menschen unsere Anerkennung zu zeigen.<br />

Auf die gleiche Weise gibt es Situationen, in denen<br />

es wichtig ist, mit Kindern über ihre Bedürfnisse und<br />

Gefühle zu sprechen und nach dem Warum zu fahnden.<br />

Es kann aber auch Situationen geben, in denen es ange-<br />

Im nächsten Heft:<br />

Kiffen<br />

Foto: Herbert Zimmermann / 13 Photo<br />

Cannabis ist unter Jugendlichen so weit<br />

verbreitet wie seit zehn Jahren nicht mehr.<br />

Warum? Wann ist man süchtig? Ist Cannabis<br />

gefährlich? Was sagt das Gesetz?<br />

Was sollen Eltern tun, wenn sie merken:<br />

mein Kind kifft? Fakten, Meinungen von<br />

Experten und Stimmen von Jugendlichen <strong>–</strong><br />

im Februar-Dossier.<br />

30 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


messener ist, zu sagen: «Leg jetzt dieses doofe Handy<br />

weg oder ich schliesse es bis morgen weg!»<br />

Privat und bei der Arbeit begegne ich vielen Eltern<br />

und habe das Gefühl: Die meisten machen einen wirklich<br />

guten Job. Sie lassen ihre Kinder spüren, dass sie sie<br />

gern haben, sind für sie da, hören zu, nehmen sich Zeit,<br />

bieten Halt und, wo es nötig ist, auch Führung und<br />

Grenzen. Die Beziehung zwischen Eltern und Kindern<br />

ist heute vielfach besser als früher. Darauf dürfen wir<br />

auch ein wenig stolz sein. Natürlich haben auch kompetente<br />

Eltern Probleme mit ihren Kindern und offene<br />

Fragen <strong>–</strong> und dann kann ein wenig Psychologie ganz<br />

nützlich sein.<br />

Was meinen Sohn anbelangt, habe ich am nächsten<br />

Tag in meinen Werkzeugkasten gegriffen. Ein halbvertrockneter<br />

Regenwurm wand sich auf der Terrasse. Nach<br />

einer etwas dramatisierenden Beschreibung über seinen<br />

höllischen Durst und seinen drohenden Tod meinerseits<br />

haben wir ihn ins Gras gesetzt und kräftig bewässert.<br />

Dieses Mal bekam mein Sohn rote Backen vor Freude<br />

und Stolz und wir zogen das Fazit: Retten ist besser als<br />

töten!


Monatsinterview<br />

Pfarrer Andrea<br />

Marco Bianca<br />

untersuchte die<br />

Wirkung von<br />

Scheidungsritualen<br />

auf der ganzen Welt.<br />

32 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Monatsinterview<br />

«Ein Ritual ist eine wichtige<br />

Stütze bei einer Scheidung»<br />

Immer mehr Menschen in einer Scheidung wünschen sich ein Ritual, um den Ex-Partner<br />

besser loslassen und einen neuen Lebensabschnitt befreiter beginnen zu können. Der<br />

reformierte Pfarrer Andrea Marco Bianca erklärt, warum ein solches sowohl dem Paar<br />

als auch den gemeinsamen Kindern hilft, mit der Situation umzugehen, und wie mögliche<br />

Rituale gestaltet sein können. Interview: Eveline von Arx Fotos: Salvatore Vinci / 13 Photo<br />

Ein sonniger Novembernachmittag. In<br />

der reformierten Kirche in Küsnacht bei<br />

Zürich ist es eher kühl. Pfarrer Andrea<br />

Marco Bianca trägt einen leichten Anzug<br />

ohne Krawatte. Er wirkt hellwach,<br />

spricht gerne und mit Hingabe <strong>–</strong> der<br />

Einstieg ins Thema geschieht rasch und<br />

unmittelbar.<br />

Herr Bianca, im Rahmen Ihrer<br />

Dissertation haben Sie sich viele Jahre<br />

mit Scheidungs ritualen befasst. Was<br />

sind die Haupt erkenntnisse Ihrer<br />

Forschung?<br />

Dass ein Ritual hilft, etwas auszudrücken,<br />

wozu man innerlich vielleicht<br />

gar noch nicht zu <strong>10</strong>0 Prozent<br />

be r eit ist.<br />

Zum Beispiel?<br />

Wenn man in einem Scheidungsritual<br />

dem Ex-Partner dafür dankt,<br />

was gut war in der Beziehung. Vielleicht,<br />

indem man sich einfach nur<br />

sagt: «Ich danke dir für alles, was du<br />

mir geschenkt hast» <strong>–</strong> und dann weitergeht,<br />

indem man sich gegenseitig<br />

auch vergibt, was schwierig war.<br />

Können Sie das näher erläutern?<br />

Für viele Menschen ist es nicht einfach,<br />

dass man in der heutigen individualisierten<br />

Zeit immer selber<br />

genau wissen muss, was das Richtige<br />

für einen ist, und man von allem, was<br />

man macht, sofort überzeugt sein<br />

soll. Bei einem Ritual ist das gerade<br />

nicht so ausgeprägt der Fall. Durch<br />

ein Ritual kann man in etwas <strong>–</strong> wie<br />

zum Beispiel in die Vergebung <strong>–</strong> hineinwachsen,<br />

und wenn man drin ist,<br />

gibt man sich möglichst ganz hin<br />

und geht mit.<br />

«Ein Ritual hilft<br />

auch,in etwas<br />

hineinzuwachsen,<br />

sich hinzugeben.»<br />

Wo zeigt sich das etwa?<br />

Beim Heiratsversprechen zum Beispiel.<br />

Da wird dem Brautpaar ein<br />

Satz vorgegeben: «Ja, ich will.» Und<br />

Mann und Frau sprechen ihn nach.<br />

Das ist eine Sprachhandlung, man<br />

sagt also etwas ganz bewusst, an<br />

einem besonderen Ort, selbst wenn<br />

es nicht selbst gewählte Worte sind.<br />

Das hat eine stärkere Wirkung, auch<br />

auf der spirituellen Ebene, als wenn<br />

man sich beiläufig erzählt, dass man<br />

den Partner heiraten möchte.<br />

Was bedeutet dies in Bezug auf ein<br />

Scheidungsritual?<br />

Nicht nur bei einer Hochzeit, sondern<br />

auch bei einer Scheidung kann<br />

ein Ritual mit bestimmten Sprachund<br />

Symbolhandlungen helfen, den<br />

Schritt in einen neuen Lebensabschnitt<br />

mit Klarheit und mit Kraft<br />

zu gehen; selbst wenn man, und das<br />

erleben ja viele so, gewisse Ambivalenzen<br />

in sich trägt.<br />

Wird denn die Trennung auf diese Weise<br />

auch verarbeitet?<br />

Nicht zwangsläufig. Ein Ritual kann<br />

ein Teil der Verarbeitung sein, zum<br />

Beispiel als Ergänzung zu den Ge -<br />

sprächen, die in einer Therapie oder<br />

mit vertrauten Menschen stattfinden.<br />

Wenn etwa sehr viel Wut da ist,<br />

kann es hilfreich sein, ein Scheidungsritual<br />

durchzuführen, bei dem<br />

diese Wut bewusst ausgedrückt wird,<br />

damit sie nicht zur Verbitterung<br />

wird. Indem man etwa die Gefühle<br />

zu Papier bringt und den Text dann<br />

verbrennt. Ein Scheidungsritual<br />

kann also eine hilfreiche Ergänzung<br />

zu einem therapeutischen oder beraterischen<br />

Angebot sein. Ich bin >>><br />

33


Monatsinterview<br />

>>> überzeugt davon, dass neben anerkannt werden. Und in einem Situationen, die einen nach einer<br />

den rechtlichen Aspekten in einer<br />

Scheidung am Gericht die emotionalen<br />

und sogar die spirituellen<br />

durch ein Ritual besser gelöst werden<br />

können. Gerade auch bei Eltern ist<br />

das sehr wichtig. Es geht dann darum,<br />

dritten Teil geht es schliesslich um<br />

das Geschiedensein als neue Lebensform.<br />

Diese drei Schritte spielen<br />

nicht nur bei Scheidungsritualen,<br />

sondern auch bei allen anderen<br />

Übergangsritualen eine Rolle.<br />

Warum ist dies so bedeutsam?<br />

vollzogenen Scheidung immer wieder<br />

einholen, an das Ri tual erinnern<br />

kann. Das Ritual ist wie eine Kraftquelle,<br />

aus der man schöpft.<br />

Können Sie ein Beispiel für ein Scheidungsritual<br />

für Eltern nennen?<br />

In Bezug auf den Wandel vom Ehe-<br />

«Bei einer Scheidung<br />

Wenn beispielsweise nur das dritte zum Elternpaar müsste es in folgende<br />

Richtung gehen: Die Frau und der<br />

Kriterium beachtet wird <strong>–</strong> also der<br />

ist es wichtig, auch<br />

dieser Zustand besonders zelebriert schiede mich von dir als meinem<br />

das Emotionale wird, dann fehlt der Schritt, wie man Ehepartner und sage ja zu dir als<br />

Zustand, wieder Single zu sein <strong>–</strong> und Mann sagen einander: «Ich verab­<br />

den Ex-Partner wirklich loslassen Mutter/Vater unserer Kinder.»<br />

und Spirituelle zu<br />

oder das Positive in der Ex-Beziehung<br />

sehen kann. Indem man jedoch scheiden lassen. Wie lässt sich dies<br />

Von den Kindern kann sich niemand<br />

berücksichtigen.»<br />

deutlich zu machen, dass man<br />

zwar kein Ehepaar mehr ist, aber<br />

Elternpaar bleibt.<br />

Ist es wichtig, dass Betroffene selber<br />

herausfinden, welches Scheidungsritual<br />

hilfreich sein könnte?<br />

In der christlichen Tradition gibt es<br />

keine vorgegebenen Scheidungsrituale.<br />

Das Ideal ist da nach wie vor,<br />

sich nicht scheiden zu lassen. Zum<br />

anderen ist jede Scheidung für die<br />

Betroffenen wieder anders. Von<br />

daher ist der individuelle Zugang<br />

unumgänglich. Es gibt aber inzwischen<br />

weltweit viele Beispiele von<br />

Scheidungsritualen, an denen man<br />

sich orientieren kann.<br />

Wie gehen Sie konkret vor, wenn ein<br />

getrenntes Paar oder auch eine Einzelperson<br />

in Scheidung zu Ihnen kommt<br />

und ein Ritual durchführen möchte?<br />

zum Beispiel sagt: «Ich lasse dich<br />

gehen, danke und vergebe dir», löst<br />

man sich auch vom Versprechen,<br />

welches man sich bei der Hochzeit<br />

ja einmal gegeben hatte.<br />

Aus Ihren Forschungen geht hervor,<br />

dass nicht alle betroffenen Paare ein<br />

Scheidungsritual gemeinsam durchführen<br />

können, sondern es manchmal<br />

nur einer von ihnen für sich selber tut.<br />

Ja, meistens machen es dann die<br />

Frauen für sich allein. Bei Männern<br />

besteht oft noch die Befürchtung, es<br />

gehe in einem Ritual zu sehr in eine<br />

«Spür mich, fühl mich»-Richtung.<br />

Lassen sich Männer jedoch auf ein<br />

Ritual ein, empfinden sie es meist als<br />

sehr positiv. Es gibt ja auch eher<br />

nüchterne Möglichkeiten, etwa dass<br />

man sich die Eheringe zurückgibt.<br />

Will heissen: Man hat sich den Ring<br />

bei der Hochzeit gegenseitig angesteckt,<br />

und bei der Umwandlung im<br />

rituell einbinden?<br />

Kinder wollen ja selbst bei schwierigen<br />

Ehen meistens, dass die Eltern<br />

zusammenbleiben. Als Mutter und<br />

Vater können sie ihnen in einem<br />

Ritual zum Beispiel Folgendes versichern:<br />

«Wir haben uns voneinander<br />

getrennt, aber nicht von dir.<br />

Unsere Liebe zu dir hört nie auf.»<br />

Und dann könnte der Vater, die<br />

Mutter dem Kind symbolisch etwas<br />

übergeben. Zum Beispiel ein Medaillon.<br />

Das heisst, das Eheversprechen<br />

wird aufgelöst, das Elternversprechen<br />

bleibt. Eine andere Variante<br />

wäre, dass der Ritualleiter zum Kind<br />

sagt: «Du hast keine Verantwortung<br />

für die Scheidung deiner Eltern. Du<br />

kannst nichts dafür, und du musst<br />

auch nichts dagegen machen. Du<br />

bleibst eine Quelle der Freude.»<br />

Dann spielt zuerst einmal das Ge ­ Scheidungsritual wird er dem anderen<br />

wieder zurückgegeben.<br />

«Für die Kinder kann<br />

spräch eine zentrale Rolle. Ich höre<br />

zu und frage nach, um herauszuspüren,<br />

Und was macht man dann mit dem ein Scheidungsritual<br />

welche Bedürfnisse da sind und Ring des anderen?<br />

eine Entlastung<br />

welche Art von Ritual sich die Be ­ Je nachdem, vielleicht am besten<br />

troffenen vorstellen könnten. Dabei einschmelzen. Dann wandelt man bedeuten.»<br />

achte ich darauf, dass drei Kriterien<br />

erfüllt werden: Ein Teil des Rituals<br />

sollte darin bestehen, sich von der<br />

Ehe zu lösen, den Ex-Partner also<br />

loszulassen. Zweitens sollte eine<br />

Umwandlung, eine Umdeutung von<br />

dem, was geschehen ist, stattfinden.<br />

Dabei soll auch das Positive an der<br />

vergangenen Beziehung gesehen und<br />

konkret etwas um. Die Form verändert<br />

sich, aber die Substanz ist nicht<br />

weg. Wenn man aber nichts Rituelles<br />

unternimmt, nur das Rechtliche<br />

klärt, bleibt man emotional oft auf<br />

eine negative Art miteinander verbunden.<br />

Dieses Negative kann man<br />

durch ein Scheidungsritual auflösen.<br />

Gerade weil man sich in schwierigen<br />

Inwiefern ist ein Scheidungsritual<br />

auch eine Entlastung für die Kinder?<br />

Es sind die wenigen klaren Worte<br />

und Symbole, die eine Kraft und<br />

Wirkung haben. Die Kinder merken,<br />

dass ein Ritual ein besonderes Setting<br />

darstellt <strong>–</strong> wie etwa auch an<br />

34 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Weihnachten oder Geburtstagen.<br />

Und das hat dann eine tiefere Bedeutung,<br />

als wenn die Eltern dem Kind<br />

einfach en passant sagen, dass sie es<br />

weiterhin gerne hätten. Viele Kinder<br />

in Scheidungssituationen erfahren<br />

Zu rückweisung und Ablehnung und<br />

leiden unter Schuldgefühlen. Deshalb<br />

ist diese Entlastung auch so<br />

wichtig.<br />

Und wenn der Vater oder die Mutter<br />

wieder heiraten?<br />

Dann sollten die Kinder in die Feierlichkeiten<br />

integriert werden. Idealerweise<br />

ebenfalls mit einem Ritual.<br />

Denn die Kinder aus der vergangenen<br />

Beziehung sind ein wesentlicher<br />

Teil der neuen Familie. Es findet<br />

dann nicht eine Paar-Hochzeit, sondern<br />

eigentlich eine Familien-Hochzeit<br />

statt. So erhalten Kinder auch<br />

die Möglichkeit, eine neue Stellung<br />

zu bekommen und einzunehmen.<br />

Sie sagten, in manchen Fällen mache<br />

nur ein Elternteil, zumeist die Mutter,<br />

seltener der Vater, das Scheidungsritual.<br />

Was kann sie oder auch er dem<br />

Kind dann alleine vermitteln?<br />

Sicher die folgende Botschaft: «Du<br />

darfst zu Mama, zu Papa gehen. Du<br />

darfst sie oder ihn gerne haben. Du<br />

darfst es schön haben bei ihr oder<br />

ihm.» So stärkt man das Grundvertrauen<br />

des Kindes in den Weiterbestand<br />

der Elternschaft. Denn viele<br />

Kinder in einer Scheidungssituation<br />

sind unsicher, leiden darunter, dass<br />

die Eltern in Konkurrenz zueinander<br />

stehen, gerade in Bezug auf die Kinder.<br />

Ein solches Ritual hilft Müttern<br />

oder Vätern auch selber, weniger<br />

negativ über den anderen Elternteil<br />

zu sprechen, insbesondere den Kindern<br />

gegenüber.<br />

Was, wenn ein Jugendlicher, dessen<br />

Eltern getrennt sind, zu Ihnen kommt<br />

und alleine ein Ritual machen möchte<br />

<strong>–</strong> ohne seine Mutter oder seinen<br />

Vater?<br />

Es gibt tatsächlich Beispiele von<br />

Scheidungsritualen, bei denen die<br />

Eltern zwar dabei sind, aber die Kinder<br />

im Fokus stehen. Diese schildern<br />

dann, was sie auf dem Herzen >>><br />

Pfarrer Bianca hört<br />

Menschen in einer<br />

Scheidung gut zu und<br />

versucht mit ihnen<br />

herauszufinden, was<br />

ihnen hilft.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>635


Monatsinterview<br />

>>> haben, und die Eltern hören zu.<br />

Und anschliessend gehen die Eltern<br />

zu den Kindern, geben ihnen die<br />

Hände und versichern ihnen, dass<br />

sie sie weiterhin lieben werden, auch<br />

wenn sie sich als Paar getrennt<br />

haben. Ich konnte als Pfarrer auch<br />

schon mit einzelnen Jugendlichen<br />

sehr gut allein über ihre Familiensituation<br />

sprechen. Aber bei einem<br />

Scheidungsritual plädiere ich schon<br />

dafür, dass die Eltern dabei sind,<br />

zumindest ein Elternteil.<br />

Wo finden Scheidungsrituale statt?<br />

Das ist sehr individuell. Es kann,<br />

muss aber nicht in einer Kirche sein.<br />

Vielleicht dort, wo man das Hochzeitsfest<br />

gefeiert hat, oder in der<br />

«Ein Ritual hilft oft,<br />

besser annehmen zu<br />

können, was ist.»<br />

Natur, bei einer Weggabelung, im<br />

Wald, am Wasser, auf einer Anhöhe.<br />

Es sollte ein besonderer, symbolischer<br />

Ort sein. Auch im Garten des<br />

gemeinsamen Hauses möglicherweise;<br />

dort, wo das Familienleben im<br />

Zentrum stand.<br />

Hilft ein Scheidungsritual auch dann,<br />

wenn wieder eine neue Beziehung eingegangen<br />

wird?<br />

Ja, weil die Ex-Beziehung gelöster<br />

ist. Ohne Ritual streicht man oft die<br />

vergangene Ehe wie vollständig aus<br />

dem Leben. Oder man geht in die<br />

Gegenposition und glaubt nach wie<br />

vor, dass nur wenig gefehlt hätte, um<br />

weiterhin zusammenzubleiben. Beides<br />

verhindert, das eigene Leben, wie<br />

es wirklich ist, zu akzeptieren.<br />

Ist ein Ritual also auch hilfreich, um<br />

sich mit sich selbst zu versöhnen?<br />

Ja <strong>–</strong> das ist eine sehr wesentliche<br />

Wirkung. Für viele zeigt sich im<br />

Nachhinein nämlich, dass die Partnerwahl<br />

nicht selten eine Fehlwahl<br />

war.<br />

Das klingt ernüchternd …<br />

Man kann, wenn man heiratet, nicht<br />

wissen, wie man sich in den nächsten<br />

30 Jahren entwickeln wird. Viele<br />

gehen tatsächlich in unterschiedliche<br />

Richtungen. Wenn aus einem Paar<br />

eine Familie wird, bringt das oft auch<br />

einschneidende Veränderungen auf<br />

der Paarebene, die nicht alle bewältigen.<br />

Die Frau verändert sich durch<br />

die Mutterschaft, der Mann bekommt<br />

eine andere Stellung. Das ist emotional,<br />

spirituell und sozial anspruchsvoll.<br />

Wie ein Paar mit solchem Stress,<br />

auch mit beruflichen Belastungen<br />

umgeht, ist entscheidend dafür, ob<br />

man zusammenbleibt oder nicht.<br />

Was machen Paare, die zusammenbleiben,<br />

anders?<br />

Sie haben eine gemeinsame Ausrichtung,<br />

teilen zentrale Werte und pflegen<br />

bewusst ihre Paarbeziehung.<br />

Eine Grundähnlichkeit zwischen<br />

beiden ist sicher günstig. Ich fordere<br />

Paare, die heiraten möchten, jeweils<br />

auf, mir drei Schwächen des anderen<br />

zu nennen. Diese beziehe ich ins<br />

Eheversprechen mit ein. Es geht also<br />

auch darum, den anderen mit seinen<br />

Stärken und auch Schwächen anzuerkennen<br />

und anzunehmen.


Psychologie & Gesellschaft<br />

Mehr Platz für Kinder!<br />

Öffentliche Räume zum Spielen werden immer rarer, und die Angst der Eltern<br />

vor Gefahren wird grösser. Dabei ist unbeaufsichtigtes Spielen für eine<br />

gesunde Entwicklung wichtig. Deshalb hat Pro Juventute die Kampagne<br />

«Mehr Platz für Kinder!» lanciert, bei der Kinder als Experten Spielplätze<br />

bewerten können. Text: Susan Edthofer<br />

Hier geht es nicht mehr weiter. Der Weg<br />

führt über die Brücke und nicht durch<br />

den Wald», ruft Karla ihren Freunden<br />

zu. «Wir müssen umkehren.» Umgehend<br />

machen die Kinder kehrt. «Hey,<br />

Leute, aufgepasst, das ist keine gewöhnliche Brücke,<br />

sondern eine Hängebrücke. Es wackelt ziemlich, und<br />

ihr müsst euch festhalten», warnt Jorin. Zögerlich die<br />

einen, wagemutig und unerschrocken die andern, überqueren<br />

die Kinder die Brücke. Auf der anderen Seite<br />

angekommen, bemerkt Mirjam mit leicht besorgter<br />

Miene, wie sich dicke Gewitterwolken zusammenballen.<br />

«Beeilt euch, ein Gewitter ist im Anzug. Hoffentlich<br />

schaffen wir es noch bis zur Hütte, ohne nass zu werden.»<br />

So intensiv und spannend kann das Zusammensein<br />

mit Gleichaltrigen sein.<br />

Doch der neunjährige Timo erlebt dieses Abenteuer<br />

nicht wirklich, sondern zu Hause am Bildschirm. Noch<br />

packender wäre dieser Ausflug, wenn er in der realen<br />

Welt und mit richtigen Freunden stattfinden würde.<br />

Primarschulkinder brauchen Angebote, um in der näheren<br />

Umgebung ihres Zuhauses herumzutollen <strong>–</strong> auch<br />

mal ausser Sichtweite von Erwachsenen.<br />

Öffentlicher Spielraum wird rar<br />

Für viele Kinder ist das Spielen im Freien aus unterschiedlichen<br />

Gründen kaum möglich. Vielleicht ist die<br />

Wohnsituation so, dass es in der näheren Umgebung gar<br />

keine Spielmöglichkeiten gibt. Oder die Eltern haben<br />

Angst um ihr Kind und verbieten das unbeaufsichtigte<br />

Spielen im Freien. Laut einer aktuellen Studie haben in<br />

Deutschland vier von zehn Kindern in ihrem Wohnumfeld<br />

kaum die Möglichkeit, frei und unbeaufsichtigt zu<br />

spielen. Erfahrungswerte aus der Schweiz ergeben ein<br />

ähnliches Bild. Dabei werden beim Rennen, Klettern<br />

oder Purzelbaumschlagen Ausdauer und Beweglichkeit<br />

gefördert, beim Balanceakt über Stämme oder schmale<br />

Mauern wird das Gleichgewicht verbessert.<br />

Im Spiel lernen Kinder, aufeinander einzugehen, sich<br />

in einer Gruppe zu organisieren und allfällige Kon flikte<br />

selbst auszutragen. Eltern, die ihren Kindern solche<br />

Eigenständigkeit zugestehen, helfen das<br />

Selbstvertrauen zu stärken und die Selbständigkeit<br />

zu fördern. Da nicht alle Kinder<br />

das Privileg haben, in einem Haus mit Garten<br />

aufzuwachsen, und öffentliche Spiel orte<br />

zunehmend seltener werden, wurde Pro<br />

Juventute aktiv. Mit der nationalen Kampagne «Mehr<br />

Platz für Kinder!» macht die Stiftung darauf aufmerksam,<br />

dass es auch in der Schweiz immer weniger kinderfreundliche<br />

Räume gibt.<br />

Spielorte mit Aufforderungscharakter<br />

Raum zum Spielen ist nicht bloss eine gutgemeinte, kinderfreundliche<br />

Idee, sondern ein grundlegendes Recht,<br />

das Kindern laut UN-Kinderrechtskonvention zusteht.<br />

Das Recht auf Spiel steht in wechselseitiger Verbindung<br />

mit anderen Kinderrechten wie beispielsweise dem Recht<br />

auf Beteiligung. Dieses bedeutet, Kinderanliegen ernst<br />

zu nehmen und Kindern zu ermöglichen, ihre Meinung<br />

kundzutun. Mit der Kinder-App «Mehr Platz für dich!»<br />

kommt Pro Juventute dieser Forderung nach. Als Spielexpertinnen<br />

und Spielexperten können Kinder öffentliche<br />

Spielplätze auskundschaften und bewerten.<br />

Spielplätze werden oft aus Sicht von Erwachsenen<br />

konzipiert, und bei der Spielplatzgestaltung wird nicht<br />

selten über die Köpfe von Kindern hinweg entschieden.<br />

Damit Spielräume attraktiv und ansprechend sind, müssen<br />

die Bedürfnisse der Kinder besser ausgelotet und<br />

die jungen Akteure direkt miteinbezogen werden.<br />

«Spielplätze werden<br />

oft ohne Kinder<br />

geplant und<br />

umgesetzt.»<br />

Susan Edthofer ist Redaktorin<br />

im Bereich Kommunikation<br />

von Pro Juventute.<br />

Pro Juventute: Kinderkampagne «Mehr Platz für Kinder!»<br />

Die Kampagne macht darauf aufmerksam, dass Kinder Freiraum brauchen,<br />

um gesund aufzuwachsen. Mit der Kinder-App können Kinder ihre<br />

Umgebung erkunden und im Freiraum-Game anzeigen, wo es ihnen gefällt.<br />

Gratis-Download und weitere Informationen und Materialien zum Thema<br />

unter www.projuventute.ch/freiraum. Individuelle Beratung finden Eltern<br />

bei der Pro Juventute Elternberatung, Telefon 058 261 61 61 oder im<br />

Internet unter www.projuventute-elternberatung.ch.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>637


Im Dschungel<br />

der Vaterschaft<br />

Wie beeinflusst der kulturelle Hintergrund eines Mannes dessen Rolle<br />

als Vater? Welche Auswirkungen hat dies auf seine Familie? Auf der<br />

Suche nach Antworten sind zwei Anthropologen in die Wälder der Republik<br />

Kongo gereist, wo zwei Kulturen mit sehr unterschiedlichen Ansichten<br />

zur Vaterschaft Seite an Seite leben.<br />

Text: Adam Howell Boyette und Lee Gettler<br />

«Bei manchen jungen<br />

Vätern verändern sich<br />

Hormonhaushalt<br />

und Gehirnfunktion.»<br />

Lee Gettler ist Assistenzprofessor für<br />

Anthropologie an der University of Notre<br />

Dame, Indiana, USA. Er und seine Frau Laura<br />

sind stolze Eltern eines aufgeweckten<br />

15 Monate alten Kindes.<br />

E<br />

s war Mittag. Der Himmel<br />

war bedeckt. Am<br />

Tag zuvor hatte der<br />

Tropenregen den Staub<br />

weggespült, und die<br />

Luft war klar. Wir hatten gerade einige<br />

Eltern der Mbendjele zu ihren Vorstellungen<br />

zum Thema Vaterschaft<br />

befragt und hörten von einem Tanz<br />

am anderen Ende des Dorfes. Es war<br />

der Tanz von Dzengi, dem Geist des<br />

Waldes. Die Tänzer bildeten zwei<br />

konzentrische Kreise <strong>–</strong> die Männer<br />

in der Mitte und die Frauen um sie<br />

herum <strong>–</strong> und sangen mehrstimmige<br />

Harmonien, während sie dem Geist<br />

folgten, der, geschmückt mit den hellgrünen<br />

Blättern der jungen Raphiapalme,<br />

umherwirbelte.<br />

Vor uns, inmitten der Schar, die<br />

Dzengi folgte, übergab eine Frau<br />

einen schlafenden Säugling an dessen<br />

Beim Stamm der Mbendjele<br />

teilen sich Vater und Mutter<br />

die elterlichen Pflichten.<br />

Vater, um ungestört tanzen zu können.<br />

Er schlang die Trageschlinge<br />

flink um seinen Hals und setzte das<br />

Baby auf seiner Hüfte ab. Er tanzte<br />

weiter und tätschelte dem Kind sanft<br />

den Rücken im Rhythmus der Musik.<br />

«Taye munye!», rief unser einheimischer<br />

Führer, der fröhlich in der<br />

Nähe tanzte und sang. Da er unser<br />

Projekt bereits kannte, deutete er auf<br />

das, was wir gerade beobachtet hatten:<br />

«Taye munye» <strong>–</strong> «guter Vater».<br />

[Adam Boyettes Feldnotizen, 22. Juni<br />

<strong>2<strong>01</strong>5</strong>]<br />

Diese Szene ist typisch für den<br />

Stamm der Mbendjele. Als gleichberechtigte<br />

Jäger und Sammler ist es<br />

ihnen wichtig, einander in jedem<br />

Lebensbereich zu helfen. Geprägt<br />

durch diese Einstellung teilen sich<br />

Vater und Mutter die elterlichen<br />

Pflichten, von der Nahrungsbeschaffung<br />

bis hin zum Trösten des weinenden<br />

Säuglings.<br />

Ihre Nachbarn, die Bantu, die an<br />

den Rändern des Regenwaldes<br />

Landwirtschaft betreiben, haben<br />

ganz andere Vorstellungen von<br />

Vaterschaft. Bei ihnen sind die Väter<br />

die Familienoberhäupter. Sie werden<br />

gefürchtet und respektiert. Interaktionen<br />

zwischen Vater und Kind<br />

sind unüblich und beschränken sich<br />

eher auf Bestrafung als auf Fürsorge.<br />

In unserer Studie fokussieren wir<br />

auf diese beiden Gruppen. Wir<br />

untersuchen, inwiefern sich verschiedene<br />

Ansichten zur Rolle des<br />

Mannes in der Familie auf die Biologie<br />

des Vaters auswirken. Bei manchen<br />

Männern, die gerade Väter<br />

38 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Psychologie & Gesellschaft<br />

geworden sind, kann man eine Veränderung<br />

der Hormon- und Ge -<br />

hirnfunktion beobachten. Diese hilft<br />

den Vätern, sich auf die Fürsorge<br />

vorzubereiten <strong>–</strong> zumindest in Kulturen,<br />

in denen sie sich diese Rolle<br />

mit der Mutter oder anderen Menschen<br />

teilen.<br />

Noch gibt es nur wenig Erkenntnisse<br />

darüber, wie sich die Biologie<br />

des Vaters an die Anforderungen der<br />

Vaterschaft in jenen Kulturen angepasst,<br />

in denen von Vätern nicht<br />

erwartet wird, dass sie ihre Kinder<br />

umsorgen und mit ihnen spielen.<br />

Ebenso wenig ist darüber bekannt,<br />

welche Auswirkungen diese Unterschiede<br />

auf das physische und psychische<br />

Wohlergehen der Kinder<br />

haben.<br />

Mit unserer Studie wollen wir<br />

zum Verständnis beitragen, wie flexibel<br />

die Biologie des Vaters durch<br />

die Evolution geprägt ist und wie<br />

Massnahmen gestaltet werden können,<br />

um Vätern zu helfen, ihren<br />

Kindern das zu geben, was sie brauchen.<br />

Wir wollen verstehen, wie<br />

Aspekte des menschlichen Umfelds,<br />

wie kulturelle Normen und Sozialsysteme<br />

mit biologischen Funktionen<br />

interagieren, um das Verhalten<br />

und letztendlich die Gesundheit<br />

beeinflussen zu können. Diese<br />

Wechselwirkungen wollen wir in<br />

verschiedenen Kontexten erforschen.<br />

Die meisten Studien über die<br />

Rolle des Mannes in der Familie<br />

sind in westlichen Gesellschaften <strong>–</strong><br />

vor allem in den USA und Westeuropa<br />

<strong>–</strong> durchgeführt worden und<br />

repräsentieren damit nur einen<br />

Bruchteil der Menschheit und der<br />

Art, wie Männer die Vaterrolle ausüben.<br />

Auch gibt es nur wenige Er -<br />

kenntnisse darüber, wie verschiedene<br />

Modelle des Familienlebens<br />

und der Vaterrolle mit biologischen<br />

Mustern in Zusammenhang stehen<br />

oder welche Zusammenhänge es<br />

zwischen Biologie, Vaterverhalten<br />

sowie Kultur und der Gesundheit<br />

von Kindern gibt.<br />

Bei den Bantu sind die Väter<br />

eher fürs Bestrafen als für<br />

die Fürsorge zuständig.<br />

Diese Beweggründe haben uns in<br />

den Kongo geführt. Mit dem Projekt<br />

schlagen wir eine Brücke zwischen<br />

unseren Forschungsinteressen und<br />

methodischen Kompetenzen. Lee<br />

Gettler widmet sich der Frage, wie<br />

sich der Hormonhaushalt von Männern<br />

mit der Vaterschaft verändert<br />

und wie sich diese Veränderungen<br />

und das Vaterverhalten von Männern<br />

untereinander beeinflussen.<br />

Adam Howell Boyette hat jahrelang<br />

in Jäger-und-Sammler-Gemeinschaften<br />

und landwirtschaftlichen<br />

Gemeinschaften im Kongobecken<br />

gelebt. Dort erforschte er, wie Kultur<br />

und Ökologie das Erlernen der<br />

Vaterrolle strukturieren.<br />

Dieses Jahr haben wir die Mbendjele<br />

und Bantu besucht und mit den<br />

Befragungen begonnen. Nächstes<br />

Jahr werden wir biologische Proben<br />

von Vätern sammeln, um festzustellen,<br />

ob ihr Hormonspiegel in Ab -<br />

hängigkeit von der Interaktion mit<br />

ihren Kindern variiert und inwieweit<br />

sie dem Bild eines «guten<br />

Vaters» innerhalb ihrer jeweiligen<br />

Gemeinschaft entsprechen. Ausserdem<br />

werden wir Untersuchungen<br />

über die Gesundheit und das Wohlbefinden<br />

der Kinder durchführen.<br />

Schliesslich ist es das Ziel vieler<br />

Väter, ihre Kinder wachsen und<br />

gedeihen zu sehen. Wir glauben,<br />

dass die Ergebnisse Aufschluss darüber<br />

geben, wie Väter dieses Ziel<br />

unter vielfältigen Umständen und<br />

geprägt von individuellen Unterschieden,<br />

Kultur und Biologie erreichen<br />

können.<br />

«Wir wollen wissen, wie sich<br />

kulturelle Ansichten zur<br />

Vaterrolle auf die Biologie<br />

von Vätern auswirken.»<br />

Adam Howell Boyette ist Anthropologe und<br />

dozierender Mitarbeiter an der Duke University<br />

in Durham, North Carolina, USA. Zum<br />

Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels<br />

erwarten er und seine Frau Emilia die Geburt<br />

ihres zweiten Kindes.<br />

Jacobs Foundation<br />

Als eine der weltweit führenden gemeinnützigen<br />

Stiftungen verpflichtet sich die Jacobs Foundation<br />

seit 25 Jahren der Forschungsförderung im Bereich<br />

der Kinder- und Jugendentwicklung. Die Stiftung<br />

möchte künftige Generationen durch die<br />

Verbesserung ihrer Entwicklungsmöglichkeiten<br />

nachhaltig unterstützen.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>639


Wenn die Angst das Leben bestimmt<br />

Ängste sind im Kindes- und Jugendalter weit verbreitet und gehören zur normalen<br />

Entwicklung. Wenn die Angst jedoch zu einem Problem im Alltag des Kindes<br />

und dessen Familie wird, ist professionelle Hilfe angesagt. Text: Irina Kammerer<br />

blamieren, vor den anderen blöd<br />

dazustehen oder ausgelacht zu werden.<br />

Während der Pause steht er fast<br />

immer mit gesenktem Kopf abseits<br />

des Spielgeschehens alleine herum.<br />

In der Klasse beginnt er nie ein<br />

Gespräch mit anderen Kindern, und<br />

er hat grosse Schwierigkeiten zu antworten,<br />

wenn er angesprochen wird.<br />

Das Verhalten zu Hause ist völlig<br />

anders: In der Familie ist Jonas herzlich<br />

und aufgeschlossen.<br />

Angststörungen<br />

sind die<br />

häufigste<br />

psychische<br />

Störung bei<br />

Kindern.<br />

Die achtjährige Sabine<br />

hängt am Rockzipfel<br />

ihrer Mutter. Sie verfolgt<br />

diese Schritt für<br />

Schritt und kann sich<br />

kaum von ihr lösen. In der ersten<br />

Klasse musste die Mutter Sabine<br />

immer bis ins Schulzimmer begleiten.<br />

Alltägliche Verrichtungen, wie<br />

beim Bäcker Brot kaufen, kann Sabine<br />

nicht meistern. Sie beginnt nach<br />

solchen Aufforderungen gleich zu<br />

weinen, klammert sich an die Mutter<br />

oder schreit und schlägt wild um<br />

sich. Sabine fürchtet, ihrer Mutter<br />

könnte etwas zustossen, deshalb<br />

weicht sie nicht von ihrer Seite.<br />

Der zehnjährige Jonas traut sich<br />

nicht, etwas vor der ganzen Klasse<br />

zu sagen. Er streckt nie auf. Über<br />

anstehende Vorträge macht er sich<br />

bereits Wochen im Voraus viele<br />

Gedanken. Jonas hat Angst, dass er<br />

sich verspricht; er befürchtet, sich zu<br />

Foto: Plainpicture / Millennium<br />

Ängste im Kindesalter sind normal<br />

Angst ist zunächst einmal eine normale<br />

und lebenswichtige Reaktion<br />

des Organismus, welche hilft, Gefahren<br />

rechtzeitig zu erkennen und diese<br />

zu bewältigen. Ängste im Kindesund<br />

Jugendalter sind normal. In<br />

jeder Entwicklungsphase durchlaufen<br />

Kinder typische Ängste, sogenannte<br />

entwicklungsphasentypische<br />

Ängste wie die Angst vor der Dunkelheit,<br />

vor dem «Monster unter dem<br />

Bett». Sie gehören zur normalen<br />

Entwicklung und verändern sich mit<br />

der kognitiven Entwicklung. Von<br />

einer Angststörung im klinischen<br />

Sinne wird dann gesprochen, wenn<br />

die Ängste zu einem erheblichen<br />

Leidensdruck führen, das Leben und<br />

die Entwicklung beeinträchtigt sind<br />

und das Kind über einen längeren<br />

Zeitraum unter der Angst leidet.<br />

Verschiedene Angststörungen<br />

Sabine leidet unter einer emotionalen<br />

Störung mit Trennungsangst des<br />

Kindesalters, Jonas unter einer Störung<br />

mit sozialer Ängstlichkeit des<br />

Kindesalters. Nebst diesen beiden<br />

40 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Psychologie & Gesellschaft<br />

Angststörungen zählen die phobische<br />

Störung des Kindesalters sowie<br />

die generalisierte Angststörung zu<br />

den häufigsten Angststörungen im<br />

Kindes- und Jugendalter. Die Panikstörung<br />

und die Agoraphobie (Angst<br />

vor Plätzen) treten bei Kindern selten<br />

auf. Die Zwangsstörungen und<br />

die posttraumatische Belastungsstörung<br />

werden ebenfalls unter die<br />

Kategorie der Angststörungen subsumiert.<br />

Kinder und Jugendliche mit einer<br />

generalisierten Angststörung ma -<br />

chen sich übermässig starke oder<br />

unbegründete und nicht kontrollierbare<br />

Sorgen über verschiedene, alltägliche<br />

Dinge. So beispielsweise<br />

auch die 12-jährige Valentina. Sie<br />

hat Angst davor, dass sie nicht<br />

pünktlich zum Unterricht erscheint<br />

oder ihre Mutter den Arzttermin am<br />

Nachmittag vergisst und nicht angegurtet<br />

Auto fährt. Sie denkt bereits<br />

permanent an den in zwei Wochen<br />

stattfindenden Sporttag, an dem sie<br />

ein möglichst gutes Resultat erlangen<br />

möchte. Obwohl sie eine sehr<br />

gute Schülerin ist, macht sich Valentina<br />

vor jeder Prüfung grosse Sorgen.<br />

Das Mädchen wirkt körperlich<br />

sehr angespannt und hat oft Mühe,<br />

einzuschlafen.<br />

Simone ist sieben Jahre alt und<br />

hat ausgeprägte Angst vor Wespen.<br />

Sie spielt seit mehreren Monaten<br />

nicht mehr im Freien, sie weigert<br />

sich, über eine Wiese zu gehen oder<br />

im Freien zu essen oder zu trinken.<br />

Sie befürchtet, gestochen zu werden.<br />

Sobald sie ein Summen hört oder<br />

eine Wespe sieht, fängt sie an, wild<br />

um sich zu schlagen. Sie weint dann,<br />

schreit und läuft schnell ins Haus.<br />

Ihre Spielkameraden wenden sich<br />

zunehmend von ihr ab, da sie nicht<br />

immer zum Spielen zu Simone nach<br />

Hause gehen wollen. Zudem werden<br />

die Pausen in der Schule zu einem<br />

Problem, da sich Simone weigert,<br />

auf den Pausenplatz zu gehen.<br />

Angststörungen zählen zur häufigsten<br />

psychischen Störung des<br />

Kindes- und Jugendalters. Jedes<br />

zehnte Kind ist davon betroffen.<br />

Angststörungen sind ernst zu nehmen,<br />

da sie einen bedeutenden Risikofaktor<br />

für die Entwicklung psychischer<br />

Störungen im Jugend- und<br />

Erwachsenenalter darstellen. Leider<br />

werden Kinder mit Angststörungen<br />

leicht verkannt, da sie nicht wie<br />

unruhige, zappelige oder aggressive<br />

Kinder auffallen.<br />

Welche Ursachen haben Ängste?<br />

Aus wissenschaftlicher Sicht ist ein<br />

multifaktorielles Erklärungsmodell<br />

(das biopsychosoziale Modell) für<br />

die Entstehung von Angststörungen<br />

verantwortlich. Zur Entstehung und<br />

Aufrechterhaltung von Angststörungen<br />

zählen zum einen Faktoren, die<br />

beim Kind selber liegen (wie genetische<br />

Disposition, Temperament),<br />

psychische Faktoren (Kognitionen<br />

wie Interpretation von Reizen und<br />

Situationen) und soziale und interpersonale<br />

Faktoren (wie die Eltern-<br />

Kind-Interaktion, stark überbehütender<br />

und kontrollierender Erziehungsstil,<br />

ängstliches Vorbild der<br />

Eltern, Aufmerksamkeitszuwendung<br />

der Eltern bei ängstlichem Verhalten<br />

des Kindes, Eltern, die selber unter<br />

einer Angststörung leiden usw.). Die<br />

Entwicklung einer Angststörung<br />

kann meist durch das Auftreten von<br />

mehreren ungünstigen Faktoren<br />

erklärt werden. Ungünstige Eltern-<br />

Kind-Interaktionen können zudem<br />

die Angst aufrechterhalten.<br />

Wie werden Ängste behandelt?<br />

Die grundsätzliche Botschaft lautet:<br />

Ängste im Kindes- und Jugendalter<br />

sind normal. Wenn diese jedoch ein<br />

Ausmass und eine Häufigkeit annehmen,<br />

die über das normale, entwicklungsadäquate<br />

Verhalten hinausgehen,<br />

ist professionelle Hilfe angesagt.<br />

Ängste lassen sich bei frühzeitigem<br />

Intervenieren gut behandeln und<br />

haben dann eine gute Prognose.<br />

Zentrales Ziel in der Behandlung<br />

von Angststörungen sind der Abbau<br />

von Vermeidungsverhalten, die Veränderung<br />

der Bewertung von Angst-<br />

Ursachen von Angststörungen<br />

im Kindes- und Jugendalter<br />

Genetische Disposition, Temperament<br />

des Kindes<br />

Psychische Faktoren: Wie interpretiert<br />

das Kind z. B. Reize und Situationen?<br />

Soziale und interpersonale Faktoren<br />

wie z. B. die Eltern-Kind-Interaktion, ein<br />

sehr überbehütender und kontrollierender<br />

Erziehungsstil, ängstliches Vorbild der Eltern,<br />

Aufmerksamkeitszuwendung der Eltern bei<br />

ängstlichem Verhalten des Kindes oder Eltern,<br />

die selber unter einer Angststörung leiden<br />

Die Entwicklung einer Angststörung<br />

kann meist durch das Auftreten mehrerer<br />

ungünstiger Faktoren erklärt werden.<br />

Ungünstige Eltern-Kind-Interaktionen<br />

können zudem die Angst aufrechterhalten.<br />

auslösern und Angstsymptomen<br />

sowie die Veränderung von ungünstigen<br />

Eltern-Kind-Interak tionen. Im<br />

weiteren Sinn steht die Stärkung des<br />

Selbstwertgefühls und der Selbstwirksamkeit<br />

im Fokus.<br />

Die kognitive Verhaltenstherapie<br />

ist derzeit die wirksamste Behandlung<br />

von Angststörungen und gilt<br />

als Methode der ersten Wahl. Für<br />

Kinder bis sechs Jahre sollte vor<br />

allem mit den Eltern gearbeitet werden.<br />

Im Schulalter erweist sich die<br />

Arbeit sowohl mit dem Kind als<br />

auch mit den Eltern als wirkungsvoll.<br />

Irina Kammerer<br />

Dr. phil., ist Psychologin und leitet am<br />

Psychotherapeutischen Zentrum des<br />

Psychologischen Instituts der Universität<br />

Zürich den Bereich Beratung und Therapie<br />

für Kinder, Jugendliche und Familien.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>641


«Meine Mama lügt nie!»<br />

Dürfen Eltern schwindeln? Die Bloggerin Nina Massek hat ein amüsantes Buch<br />

über diese Frage geschrieben. Ein Auszug.<br />

42 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Abgedruckt<br />

Illustration: Partner&Partner / 123RF<br />

Ich bin mir nicht sicher mit<br />

dem Weihnachtsmann, das<br />

ist bestimmt eine Lüge. Das<br />

mit den Rentieren und dem<br />

Schlitten, und dann kommen<br />

die alle durch den Kamin<br />

gesaust … Nee, irgendwie stimmt<br />

das nicht. Aber mein kleiner Bruder<br />

glaubt ja noch daran, und dann<br />

sage ich natürlich nichts. Aber den<br />

Nikolaus, den gibt es! Weisst du,<br />

warum ich das weiss?»<br />

«Nee, sach ma!»<br />

«Also, wir legen dem immer<br />

einen Apfel vor die Tür, und wenn<br />

der dann da war und die Geschenke<br />

gebracht hat, ist IMMER ein<br />

Zahnabdruck im Apfel. Also dann<br />

muss er ja da gewesen sein, oder?»<br />

Ich muss mir das Lachen verkneifen<br />

und nicke stattdessen. Ich<br />

sitze im Klassenraum meines Sohnes<br />

und führe mit ihm und seinen<br />

Schulkameraden Interviews zum<br />

Thema Lüge. Die Eltern meiner<br />

kleinen blonden Gesprächspartnerin<br />

haben wohl alles richtig<br />

gemacht mit der klassischsten aller<br />

Elternlügen. Das Weihnachtsmann-Nikolaus-Osterhase-Märchen<br />

funktioniert hier zumindest<br />

noch teilweise, und ich werde den<br />

Teufel tun und die Kleine ihrer<br />

schönen Illusion berauben.<br />

Am nächsten Tag darf ich die ganze<br />

Klasse befragen. «Die Frau hier<br />

schreibt ein Buch, das davon handelt,<br />

wie Erwachsene Kinder anlügen.»<br />

Bei diesen Worten schaut<br />

mich die Religionslehrerin leicht<br />

skeptisch an, es scheint, als sei ich<br />

ihr nicht so ganz geheuer. Offenbar<br />

habe ich ihr mein Buchprojekt vor<br />

meinem Auftritt nicht richtig<br />

erklärt. Ausserdem bin ich ein<br />

wenig aufgeregt. An den Wänden<br />

Bilder mit Bibelszenen, von den<br />

Kindern gemalt. Maria, Josef und<br />

das Jesuskind, viele Engel sind zu<br />

sehen, und ich erkenne auch<br />

Moses im Weidenkorb. Ein Kind<br />

hat ein Plakat gemalt, auf dem ich<br />

lese: «Die tsehn Gebohte». Auweia,<br />

die Kleinen sind also schon ethisch-moralisch aufgeklärt.<br />

Wie soll ich mich ihnen erklären? Und wie<br />

denken Kinder überhaupt über das Thema Wahrheit<br />

und Lüge? Sind sie noch vollkommen «unschuldig»,<br />

oder gibt es eventuell schon «Mini-Machiavellis»<br />

unter ihnen? Lügen Kinder also schon ziel- oder<br />

machtbewusst? Ist Lügen bei ihnen zweckgebunden?<br />

Die Kids schauen mich mit einer Mischung aus Interesse<br />

und Vorsicht an.<br />

Ich lächle, stelle mich mit fester Stimme vor und<br />

bleibe erst einmal bei der Wahrheit: «Hallo, ja genau,<br />

ich schreibe ein Buch. Und dafür würde ich gern<br />

von euch wissen, ob eure Eltern euch ab und zu anlügen<br />

und wie ihr das so findet. Also bei mir ist das<br />

so: Ich sage meinen Kindern manchmal nicht die<br />

Wahrheit.»<br />

Nun sind alle still, die Neugierde ist geweckt. Eine<br />

Erwachsene, die offen zugibt, dass sie lügt? Wo gibt’s<br />

denn so was? Ein Mädchen mit langen braunen<br />

Locken namens Victoria schaut sehr kritisch drein<br />

und meldet sich zu Wort. «Das ist dann aber voll<br />

gemein. Meine Mama lügt nie, das weiss ich!»<br />

Tja, was mache ich nun? Ich will ihr diesen Zahn<br />

jetzt nicht ziehen und sie daran erinnern, dass auch<br />

ihre Mutter sie vielleicht früher beim Trödeln mit den<br />

Worten «Dann gehe ich halt allein» mit einer Lüge zur<br />

Eile angetrieben hat. Als ob irgendeine Mama ein<br />

Kleinkind unbeaufsichtigt zu Hause lassen würde.<br />

Man stelle sich das mal vor. Was würde die oder der<br />

Kleine denn dann tun? Sicher schon mal die Wäsche<br />

zusammenlegen und die Steuererklärung machen, das<br />

wäre praktisch.<br />

Eltern sind teilweise sehr unkreativ, wenn es darum<br />

geht, ihre Kinder anzulügen. Und die «Dann gehe ich<br />

halt allein»-Lüge geht leider auf lange Sicht nicht gut.<br />

Spätestens wenn der Nachwuchs älter wird, ist dieses<br />

Verfahren nämlich eher kontraproduktiv. «Komm,<br />

Schatz, wir müssen jetzt Leergut wegbringen. Wenn<br />

du nicht kommst, gehe ich eben allein.»<br />

«Au ja, dann spiele ich ein bisschen mit den<br />

Küchenmessern und zünde alle Kerzen an.»<br />

Man muss schon genau aufpassen, was man so sagt als<br />

Mama. Und ich muss mir nun auch genau überlegen,<br />

wie ich mit der Klasse über mich spreche. Es ist sehr<br />

unwahrscheinlich, dass die Mutter des braun gelockten<br />

Mädchens noch nie eine Lüge angewandt hat, aber<br />

das muss Victoria ja nicht von mir erfahren.<br />

«Das ist ja toll, dass deine Mama so ehrlich ist»,<br />

sage ich also zunächst einmal, um Zeit zu schinden.<br />

Doch das Mädchen holt, ohne mit der Wimper zu<br />

zucken, zum nächsten Schlag aus. «Weiss Sebastian,<br />

dass du ihn anlügst?» Sie schaut erst meinen Sohn<br />

prüfend an, um dann mich sehr streng zu fixieren.<br />

Okay, das war irgendwie anders<br />

geplant. Jetzt werde also ich<br />

gegrillt. «Nein, man lügt ja auch<br />

oft, weil man jemanden nicht enttäuschen<br />

will … Also das ist dann<br />

eine ‹gute Lüge›, eine Notlüge.<br />

Weisst du schon, was das ist?»<br />

Hoffentlich funktioniert die<br />

Ab lenkung.<br />

Aber das «Verhör» ist noch<br />

nicht beendet. Nun befragt Victoria<br />

ihren Kronzeugen: «Sebastian, was<br />

sagst du denn dazu?»<br />

«Meine Mama lügt immer bei<br />

Süssigkeiten», legt er auch gleich<br />

wie aus der Pistole geschossen los.<br />

«Sie sagt zum Beispiel: ‹An diesem<br />

Nachmittag haben alle Zuckerverbot›,<br />

und dann isst sie doch was.»<br />

Die Zuhörer prusten los vor<br />

Lachen.<br />

Hallooo, ich bin auch noch da?<br />

Die sorgfältig geplante Umfrage<br />

mit den Kindern geht gerade<br />

gründlich schief. Die Autorität ist<br />

futsch, also bleibt mir nur noch,<br />

meinen Sohn zu fragen: «Und wie<br />

hast du herausgefunden, dass ich<br />

lüge?»<br />

«Ich weiss es einfach.»<br />

Ich bin also überführt. Von meinem<br />

eigenen Sohn.<br />

Nina Massek: Eine Mama<br />

am Rande des<br />

Nervenzusammenbruchs<br />

Goldmann, <strong>2<strong>01</strong>5</strong>.<br />

288 Seiten, Fr. 14.90,<br />

E-Book Fr. <strong>10</strong>.90<br />

Nina Massek<br />

studierte Neuere deutsche Literatur und<br />

Medien sowie Amerikanistik in Magdeburg.<br />

Seit vier Jahren betreibt sie den<br />

erfolgreichen Blog «Frau Mutter». Sie lebt<br />

mit ihrer Familie in Berlin.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>643


Aufgeklärt<br />

HILFE!<br />

Quelle der Freude<br />

In meiner letzten Kolumne möchte ich etwas Allgemeines,<br />

jedoch etwas vom Wichtigsten im Umgang mit jungen<br />

Menschen ansprechen: die Freude an ihnen. Und es geht<br />

auch um das Wertvollste, das wir ihnen schenken können:<br />

unser Interesse für sie.<br />

Text: Eveline von Arx<br />

Eveline von Arx<br />

Dr. phil. Pädagogin<br />

Foto: Geri Born, Illustration: Adão Iturrusgarai<br />

Seit Jahren schon beschäftige ich mich<br />

mit Jugendlichen. Als Studentin,<br />

Doktorandin und Dozentin an der<br />

Uni interessierte mich ihre Entwicklung<br />

<strong>–</strong> und wie von ihnen auch kritische<br />

Phasen bewältigt werden können <strong>–</strong> aus<br />

wissenschaftlicher Sicht. In meiner Tätigkeit<br />

als Leiterin des Dr.-Sommer-Teams bei der<br />

Jugendzeitschrift «Bravo» befasste ich mich<br />

mit den unzähligen und vielfältigen Anliegen,<br />

die Pubertierende im Umgang mit ihren<br />

Gefühlen, ihrer sexuellen Entwicklung, der<br />

ersten Liebe bewegen. Und in den vergangenen<br />

fünf Jahren hatte ich als Redaktionsleiterin<br />

und wissenschaftliche Mitarbeiterin beim<br />

Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi mit<br />

meinem Team die Chance, den Leserinnen<br />

und Lesern mit handlungsrelevantem Wissen<br />

aus den Bereichen Erziehung und Schule mittels<br />

journalistisch aufbereiteter Fachtexte<br />

unterstützend zur Seite zu stehen.<br />

Bei all diesen Aufgaben war es mir stets<br />

wichtig, das Verständnis für die Jugend zu<br />

schärfen. Aufwachsen bedeutet für Jugendliche<br />

heute vor allem auch, einen verantwortungsvollen<br />

Umgang mit den anderen <strong>–</strong> und<br />

mit sich selber <strong>–</strong> zu lernen. Also herauszufinden,<br />

wie man sich als Mitglied in diese Gesellschaft<br />

einbringen, aber auch individuieren,<br />

das heisst eine eigene Persönlichkeit entwickeln<br />

kann. Dies stellt eine grosse Herausforderung<br />

dar <strong>–</strong> sowohl für die jungen Menschen<br />

selber als auch für ihre Eltern, Lehr- und<br />

anderen wichtigen Bezugspersonen.<br />

Die Jugendlichen brauchen uns insofern,<br />

als wir sie dabei unterstützen können, an der<br />

Es geht auch darum, jungen<br />

Menschen zu zeigen, dass wir<br />

uns an ihnen erfreuen.<br />

Gemeinschaft zu partizipieren. Dadurch erleben<br />

sie sich als selbstwirksam, denn auf sie<br />

wird gehört.<br />

Schliesslich geht es dabei immer auch darum,<br />

den jungen Menschen zu zeigen, dass wir<br />

uns an ihnen erfreuen und wir uns für sie echt<br />

interessieren. So erfahren sie Bedeutung, entfalten<br />

ihre Stärken und kommen besser durchs<br />

Leben. Indem sie sich auf ihre persönlichen<br />

und sozialen Ressourcen stützen und verlassen<br />

können, wird ihre Resilienz <strong>–</strong> die psychische<br />

Widerstandsfähigkeit <strong>–</strong> gestärkt. In dem Sinne:<br />

Tragen Sie Sorge zur Jugend, es lohnt sich!<br />

44 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


150 Gratis-Denksportaufgaben<br />

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1. Gratis Gymicards App runterladen<br />

2. Registrieren<br />

3. Im Feld Download-Code „Gymicards“ eingeben<br />

Das Gordon-Training bewirkt, respektvolle Beziehungen<br />

zu erhalten, sich gut zu verstehen und Alltagskonflikte<br />

fair zu lösen ohne Machtanwendungen und Verlierende.<br />

Aktuelle Kursangebote unter:<br />

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Lernkarten und App - Lernen mit Spass<br />

führt zum Erfolg<br />

Gymicards wurde von zwei Ärzten aus Zürich gegründet, welche ihre<br />

gesamte Schulzeit in Zürich verbracht haben und bestens mit dem<br />

Schulsystem in der Schweiz vertraut sind.<br />

Im Zeitalter der Globalisierung und Digitalisierung hat Gymicards eine<br />

aufeinander angepasste Kombination aus Lernkarten und App<br />

entwickelt, um Schüler durch ihre Schulzeit zu begleiten und<br />

insbesondere effektiv auf die Gymiprüfung vorzubereiten. Zahlreiche<br />

Lehrer binden die Gymicards als Lehrmaterial ein.<br />

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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>645


Wenn das Essen<br />

zum Problem wird<br />

Wenn das Kind<br />

wenig oder auch<br />

viel zu viel essen<br />

mag, wird das oft<br />

zum Drama für die<br />

ganze Familie.<br />

«Falsche» oder ungünstige Essgewohnheiten können sich bereits im<br />

Vorschulalter, häufiger jedoch in den ersten Schuljahren zwischen acht und<br />

zwölf Jahren entwickeln. Je besser Eltern über derartige Entwicklungen<br />

Bescheid wissen, desto grösser ist die Chance, diese rechtzeitig zu<br />

erkennen und handeln zu können. Text: Susanne Kurz<br />

Im Säuglingsalter und in der frühen Kindheit ist<br />

ein wählerisches und auf wenige Nahrungsmittel<br />

beschränktes Essverhalten normal. Mit zunehmendem<br />

Alter des Kindes wächst sich dies in der<br />

Regel aus. Die allermeisten Eltern kennen dieses<br />

Phänomen. Weniger bekannt ist die Tatsache, dass einige<br />

wenige Kinder dieses Essverhalten beibehalten.<br />

Ein Schulkind sollte gelernt haben, verschiedene<br />

Speisen zu akzeptieren und auch Neues auszuprobieren.<br />

Akzeptiert es aber nur Pommes Chips und Tiefkühlpizzen,<br />

stellt dies sowohl für das Kind als auch für die ganze<br />

Familie ein Problem dar. Einseitige Ernährung kann<br />

einen Mangel an Nährstoffen zur Folge haben, die gerade<br />

für die kindliche Entwicklung wichtig sind. So wird<br />

das Thema Essen zum Dauerdrama in der Familie.<br />

Ein anderes Phänomen, das wenig bekannt ist und<br />

oft im Schulalter des Kindes auftritt, sind regelmässige<br />

Essanfälle oder eine unkontrollierte Nahrungszufuhr.<br />

Das Kind ist dabei nicht mehr in der Lage, die Nahrungsmittelmenge<br />

zu kontrollieren. Je nach Studie<br />

er leben dies zwischen 9 und 36,5 Prozent der 6- bis<br />

14-jährigen Kinder, wobei die hohen Fallzahlen fast<br />

ausschliesslich bei übergewichtigen Kindern zu finden<br />

sind.<br />

Essstörungen wie die Magersucht oder die Ess-Brech-<br />

Sucht sind im Allgemeinen bekannt. Die weit häufiger<br />

auftretenden Essprobleme in der Kindheit wie selektives<br />

Essen oder Essanfälle stehen hingegen weniger im Blickfeld.<br />

Im «Diagnostischen und Statistischen Manual Psychischer<br />

Stö rungen» kommen zwei neue Essstörungen<br />

vor: die vermeidend/restriktive Ernährungsstörung und<br />

die Binge-Eating-Störung/Essanfallsstörung. Dadurch<br />

erhofft man sich, dass Fachleute und nicht zuletzt auch<br />

Eltern diese ungünstigen Essgewohnheiten eher wahrnehmen.<br />

Vermeidend/restriktives Essverhalten<br />

Die vermeidend/restriktive Ernährungsstörung ist ge -<br />

kennzeichnet durch ein eingeschränktes Essverhalten,<br />

das aber nicht von Gewichts- oder Figursorgen herrührt,<br />

wie es bei der Magersucht und der Ess-Brech-Sucht der<br />

Fall ist. Betroffene Kinder leiden häufig unter starkem<br />

Gewichtsverlust, Nährstoffmangel oder unter Beeinträchtigungen<br />

im Umgang mit der Familie oder den<br />

Freunden. Laut Forschungen* berichteten 3,2 Prozent<br />

von insgesamt 1444 untersuchten 8- bis 12-jährigen<br />

Schweizer Kindern der Kantone Waadt, Freiburg und<br />

Bern von solchen Verhaltensweisen. Diese Form<br />

Obwohl selektives Essen häufig<br />

vorkommt, ist diese Form der<br />

Essstörung kaum bekannt. >>><br />

46 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Psychologie & Gesellschaft<br />

Foto: Plainpicture / Cultura<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>647


von Ernährungsstörung umfasst verschiedene<br />

ungünstige Essgewohnheiten, wozu auch das selektive<br />

Essen gehört. Fragte man nur danach, ohne die gesamten<br />

Kriterien der vermeidend/restriktiven Ernährungsstörung<br />

zu beachten, gaben rund ein Viertel aller befragten<br />

Kinder an, selektive Esser zu sein. Stark aus geprägte<br />

selektive Esser akzeptieren nur eine kleine Auswahl an<br />

spezifischen Lebensmitteln, die sich in Farbe, Geruch<br />

oder Konsistenz häufig durch eine Besonderheit auszeichnen.<br />

Leider werden vor allem kohlenhydratreiche<br />

und süsse Lebensmittel akzeptiert, alles andere wird<br />

verschmäht.<br />

Für Eltern ist dies sehr stressreich und frustrierend.<br />

Sie machen sich Sorgen, dass ihr Kind nicht ausreichend<br />

ernährt wird, machen sich Vorwürfe und erleben einen<br />

täglichen Kampf ums Essen. Die Teilnahme an Familien-<br />

oder Schulanlässen ist oft gar nicht mehr möglich,<br />

bei manchen Kindern kann es gar zur Schulverweigerung<br />

kommen.<br />

Eine andere Form der vemeidend/restriktiven Ernährungsstörung<br />

ist die sogenannte Nahrungsvermeidung<br />

mit emotionaler Störung. Von einer Nahrungsvermeidung<br />

aufgrund von Gefühlen wurde in derselben Studie<br />

von knapp einem Fünftel aller befragten Kinder berichtet.<br />

Betroffene Kinder erleben häufig Gefühle wie Traurigkeit,<br />

Ärger oder Langeweile, was sich störend auf<br />

ihren Appetit und ihren Hunger auswirkt. Demzufolge<br />

sind sie häufig untergewichtig, obwohl sie eigentlich an<br />

Gewicht zunehmen möchten. Diese Essstörung kommt<br />

häufiger bei Mädchen vor, während die selektiven Esser<br />

eher bei den Knaben vertreten sind.<br />

Übermässiges Essverhalten<br />

Die Essanfallstörung tritt vor allem im Jugend- und im<br />

Erwachsenenalter auf. Betroffene leiden unter immer<br />

wiederkehrenden Essanfällen: Sie verzehren eine unüblich<br />

grosse Menge an Nahrungsmitteln und nehmen<br />

gleichzeitig das Gefühl eines Kontrollverlustes wahr.<br />

Anders als bei Betroffenen mit einer Ess-Brech-Sucht<br />

kompensieren sie den Essanfall jedoch nicht mit Massnahmen<br />

wie übertriebenen sportlichen Aktivitäten. Eine<br />

unkontrollierte Zufuhr von Nahrung kann bereits im<br />

Kindesalter auftreten. Kommt dies regelmäs sig vor und<br />

verursacht Leiden beim Kind, sollte das Essproblem<br />

ernst genommen und angegangen werden. Sonst besteht<br />

die Gefahr, dass die Gewichtszunahme zu Übergewicht<br />

führt, welches sich bis ins Erwachsenenalter hält, oder<br />

dass sich das Essproblem verhärtet.<br />

Was sind die Ursachen?<br />

Wenn das selektive Essen nach der frühen Kindheit<br />

bestehen bleibt und sich vielleicht sogar bis ins Erwachsenenalter<br />

zieht, kann das mehrere Gründe haben. Selektive<br />

Esser sind häufig von ängstlicher oder zwanghafter<br />

Es ist nicht einfach, Kindern<br />

klar zu machen, dass Pizza<br />

pur auf Dauer schadet.<br />

Natur. Neben dem Temperament spielt auch die Entwicklung<br />

des Kindes eine Rolle. Nicht selten ist zum<br />

Beispiel eine verspätete Sprachentwicklung zu beobachten.<br />

Und nicht zuletzt sind Betroffene häufig in ihrer<br />

sensorischen Wahrnehmungsfähigkeit hypersensibel,<br />

was es für sie schwierig macht, bestimmte Texturen im<br />

Mund zu spüren. Auch die Nahrungsvermeidung mit<br />

emotionaler Störung entwickelt sich meist schon sehr<br />

früh und kann in manchen Fällen auch noch im Erwachsenenalter<br />

fortbestehen. Ein ängstliches und zwanghaftes<br />

Naturell oder depressive Tendenzen machen auch<br />

das Weiterbestehen dieser Essgewohnheit wahrscheinlicher.<br />

Betroffene Kinder berichten ausserdem häufig<br />

von unerklärlichen körperlichen Beschwerden.<br />

Episoden von Essanfällen und Essen mit einem<br />

Gefühl des Kontrollverlustes können sich aus verschiedenen<br />

Gründen einschleichen. So kann übermässiges<br />

Essen eine Strategie gegen Gefühle wie Ärger, Frust,<br />

Angst, Trauer oder auch Langeweile sein. In vielen Fällen<br />

sind die betroffenen Kinder übergewichtig und mit<br />

ihrem Körper unzufrieden. Die daraus resultierenden<br />

Diätversuche lösen wiederum anfallartiges Essen aus.<br />

Aber auch starke elterliche Kontrolle und Kritik in<br />

Bezug auf Essverhalten, Gewicht oder Figur können<br />

übermässiges Essen begünstigen.<br />

Was können Eltern tun?<br />

Eine Strategie, die bei allen hier besprochenen Essgewohnheiten<br />

hilfreich sein kann, ist das Gespräch. Klagen<br />

Sie Ihr Kind aber nicht an, sondern klären Sie es über<br />

die Risiken auf, die mit seinem Essverhalten verbunden<br />

sind. Gerade selektive Esser leiden häufig nicht unter<br />

ihrem Verhalten, weshalb ein Aufzeigen der Konsequenzen<br />

umso wichtiger ist. Die Tatsache, dass Ihr Kind Mühe<br />

haben wird, an öffentlichen Events teilzunehmen oder<br />

mit Freunden gemeinsam zu essen, wird bei ihm<br />

bestimmt Gehör finden. Eine weitere Strategie, die bei<br />

allen Essgewohnheiten angewendet werden kann, ist<br />

eine täglich mindestens einmal stattfindende, gemeinsame<br />

und in angenehmer Atmosphäre verlaufende Mahlzeit.<br />

Dabei werden bei Tisch keine heiklen Themen<br />

besprochen und auf Kritik wird verzichtet. Grundsätzlich<br />

wichtig ist für ein Kind auch, dass Sie ihm das Gefühl<br />

48 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Psychologie & Gesellschaft<br />

vermitteln: Ich kann mit meinem Äusseren zufrieden<br />

sein, und so, wie ich bin, ist es gut.<br />

Bei selektiven Essern können Eltern ausserdem folgende<br />

Methode versuchsweise anwenden: Ermutigen<br />

Sie Ihr Kind, einmal einen halben Teelöffel von einer<br />

bisher nicht akzeptierten Darreichungsform auszuprobieren,<br />

etwa ein bisschen Kartoffelstock statt der ge ­<br />

wohnten Kartoffelchips. In kleinen Schritten kann somit<br />

die Akzeptanz von unterschiedlichen Texturen, Farben<br />

oder Gerüchen erweitert werden <strong>–</strong> ein langwieriger Prozess<br />

zwar, der sich jedoch lohnt. Denn wenn Sie auf- und<br />

nachgeben und das Kind nur das isst, was es selbst auswählt,<br />

wird sich sein Essproblem immer mehr verhärten.<br />

Wenn Ihr Kind an Essanfällen leidet, planen Sie gegebenenfalls<br />

gemeinsam mit Ihrem Kind die Umsetzung<br />

für ein gesundes Essverhalten. Achten Sie zum Beispiel<br />

darauf, dass im Haushalt nicht zu viele süsse oder knackige<br />

Snacks greifbar sind. Besonders wichtig sind auch<br />

regelmässige und ausreichende Mahlzeiten, damit das<br />

Kind weiss, wann gegessen wird, und sich das Verlangen<br />

nach Essen reduziert.<br />

Wenn der Leidensdruck gross ist oder das Kind viel<br />

an Gewicht zu- oder abnimmt, sollten Sie nicht zögern,<br />

bei einer Fachperson Rat zu suchen, die sich in der<br />

Behandlung von Essstörungen auskennt. Eine kognitive<br />

Verhaltenstherape zum Beispiel kann bei den hier er ­<br />

wähnten ungünstigen Essgewohnheiten eine kurz- wie<br />

auch langfristig wirksame Massnahme darstellen.<br />

>>><br />

* Die Forschungen wurden im Rahmen des Schweizerischen<br />

Nationalfonds-Projekts «Swiss University Study of Nutrition»<br />

an den Universitäten in Freiburg und Lausanne unter der<br />

Leitung von Prof. Anja Hilbert und Prof. Simone Munsch<br />

durchgeführt.<br />

Anzeige<br />

Wie reagieren bei Essstörungen der Kinder?<br />

Zeigen Sie Ihrem Kind mögliche Nachteile auf, die<br />

es verstehen kann <strong>–</strong> zum Beispiel dass Essen mit<br />

Freunden so schwierig ist.<br />

Essen Sie mindestens einmal täglich gemeinsam<br />

und in entspannter Atmosphäre.<br />

Überreden Sie das Kind immer wieder zu probieren <strong>–</strong><br />

und sei die Portion noch so klein.<br />

Vermitteln Sie Ihrem Kind das Gefühl,<br />

dass sein Körper gut ist, wie er ist.<br />

Planen Sie regelmässige und gesunde Mahlzeiten<br />

und halten Sie wenig Süsses oder Knackiges vorrätig.<br />

Wenn das ungewöhnliche Ess verhalten anhält,<br />

suchen Sie einen Therapeuten auf.<br />

Susanne Kurz<br />

Abenteuer, Freundschaft und<br />

prägende Erlebnisse...<br />

Psychologin FSP am Familieninstitut der Universität<br />

Freiburg, beendet gerade ihre Doktorarbeit zu<br />

atypischen Essstörungen in der Kindheit. Sie hofft, dass<br />

die beschriebenen Essprobleme künftig eher erkannt<br />

und präventiv behandelt werden, um das Risiko für<br />

später auftretende Essstörungen zu reduzieren.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

...im Cevi, dem vielfältigsten<br />

Jugendverband.<br />

www.cevi.ch<br />

Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>649


Flüchtlingskinder <strong>–</strong><br />

sind unsere Schulen bereit?<br />

Seit Anfang November reisen immer mehr Flüchtlinge in die Schweiz ein, mit ihnen viele Kinder <strong>–</strong><br />

und die Frage, ob die Schulen auf die damit verbundenen enormen Anfordungen vorbereitet sind.<br />

Nein, findet der Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH und fordert die Politiker<br />

zum Handeln auf. Text: Jürg Brühlmann<br />

«Wo, wenn nicht in der Schule,<br />

kann Integration stattfinden?»<br />

Jürg Brühlmann, lic. phil., ist Primar-, Sekundarund<br />

Sonderklassenlehrer und leitet die<br />

Pädagogische Arbeitsstelle des Dachverbandes<br />

Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH.<br />

Die Bedürfnisse von<br />

Kindern und Jugendlichen<br />

aus Ländern,<br />

in denen seit Jahren<br />

Bürgerkrieg herrscht<br />

und die Infrastruktur zusammengebrochen<br />

ist, sind vielschichtig: Kinder<br />

brauchen Schutz, medizinische<br />

Versorgung, Nahrung, Betreuung<br />

und nicht zuletzt Bildung. Zuwarten,<br />

wie es noch Anfang Oktober<br />

von der Konferenz der Erziehungsdirektoren<br />

propagiert wurde, bringt<br />

ihnen nichts. Gefragt ist jetzt ein<br />

vorausschauendes und gemeinsames<br />

Handeln der kantonalen Politiker.<br />

Sieben Herausforderungen sind<br />

zu bewältigen:<br />

1. Kurzfristige Aufnahme und<br />

Vorbereitung auf die Schule<br />

Flüchtlingskinder aus Bürgerkriegsgebieten<br />

sind zum Teil schon lange<br />

nicht mehr oder nie in die Schule<br />

gegangen. Sie sind oft traumatisiert<br />

und kennen die hier geltenden<br />

Regeln noch nicht. Viele sind ohne<br />

ihre Eltern da. Es braucht Ideen, Pläne<br />

und Massnahmen, um die wachsende<br />

Zahl von geflüchteten Kindern<br />

und Jugendlichen kurzfristig aufzunehmen<br />

und auf eine mittelfristige<br />

Integration in die öffentlichen Schulen<br />

vorzubereiten. Die bestehenden<br />

Strukturen sowie die personellen<br />

und finanziellen Ressourcen sind<br />

darauf nicht ausgerichtet. Unbegleitete<br />

Kinder brauchen integrierte An ­<br />

gebote mit Unterricht und Betreuung.<br />

2. Vorbereitung auf das<br />

zukünftige Berufsleben<br />

Wir müssen davon ausgehen, dass<br />

die Kinder und Jugendlichen länger<br />

hier bleiben. Nachdem sie nach etwa<br />

20 Wochen in Empfangsklassen<br />

etwas Deutsch gelernt und die hier<br />

geltenden Regeln kennengelernt<br />

haben, muss insbesondere bei Jugendlichen<br />

eine zukunftsorientierte<br />

Vorbereitung auf den Wechsel in<br />

Berufsausbildungen oder an weiterführende<br />

Schulen stattfinden. Die<br />

Begleitung durch das bereits bestehende<br />

Casemanagement muss ausgebaut<br />

werden. Jedes Zu warten bei<br />

der Integration führt später zu Kostensteigerungen<br />

im Sozialwesen.<br />

3. Vorbereitung der Schulen<br />

Die anstehenden fachlichen Herausforderungen<br />

für Schulleitungen und<br />

Lehrpersonen sind enorm und teilweise<br />

sehr zeitaufwendig. Zusätzliche<br />

Assistenz- und Betreuungspersonen<br />

(u. a. Zivildienstleistende)<br />

können Kinder beispielsweise beim<br />

Schwimmen oder bei Hausaufgaben<br />

unterstützen oder sie zu Therapiebesuchen<br />

begleiten. Die Weiterbildung<br />

für den Umgang mit traumatischen<br />

Symptomen muss ausgebaut<br />

werden. Schulleitungen brauchen<br />

administrative Unterstützung, wenn<br />

die Kontakte mit Betreuungszentren<br />

zunehmen.<br />

4. Information der Eltern<br />

Eltern müssen frühzeitig informiert<br />

werden, wie sich die Kantone und<br />

Gemeinden sowie die Schulen die<br />

Integration der geflüchteten Kinder<br />

und Jugendlichen vorstellen. Die<br />

Ängste um das Wohl und den Schulerfolg<br />

der eigenen Kinder brauchen<br />

eine glaubwürdige Antwort. Es muss<br />

50 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Erziehung & Schule<br />

klar werden, wie die Schulen mit der<br />

Heterogenität, mit Unterschieden in<br />

Mentalität, Kultur und Religion<br />

umgehen, die Leistungen sichern,<br />

die Kommunikation unter Kindern<br />

und Eltern gestalten.<br />

5. Verlässliche Perspektiven<br />

Schulen müssen als wichtige Partner<br />

in den Integrationsprozess einbezogen<br />

werden. Dazu gehören auch früh<br />

zu regelnde Details wie Schulmaterial,<br />

Kleidung und Ausrüstungen für<br />

Sport oder Lager. Kinder, Jugendliche<br />

und die Schulen brauchen Ruhe<br />

und möglichst verlässliche Perspektiven.<br />

Lernen funktioniert nur in<br />

einem sicheren Rahmen, mit guten<br />

Beziehungen und Zukunftsperspektiven.<br />

Plötzliche Abschiebungen sind<br />

ein Schock für alle Kinder und die<br />

Lehrpersonen.<br />

6. Bereitstellung der<br />

Ressourcen<br />

Niemand hat sich diese Situation<br />

gewünscht. Aber sie ist da. Die<br />

Schulgemeinden und Schulen müssen<br />

früh genug wissen, was auf sie<br />

zukommt. Die Kantone müssen den<br />

nötigen Support budgetieren und<br />

kommunizieren. Es ist unverständlich,<br />

wenn ausgerechnet jetzt Stellen<br />

für Deutsch als Zweitsprache oder<br />

für die inte grierte Förderung abgebaut<br />

werden, wie das beispielsweise<br />

der Kanton Luzern tun will. Wenn<br />

einzelne Kantone meinen, sie könnten<br />

Steuern für reiche Personen tief<br />

halten, an den Schulen weiter sparen<br />

und Schulgebühren erhöhen, dann<br />

schüren sie Ärger, Missgunst und<br />

Unruhe.<br />

Viel Erfahrung mit migrierten Kindern<br />

und Jugendlichen haben zum<br />

Beispiel vereinzelte Quims-Schulen<br />

in Zürich (www.quims.ch). Von solchen<br />

Er fahrungen kann man profitieren,<br />

wenn sie über Internetplattformen<br />

oder Besuchsprogramme<br />

wie beispielsweise www.profilQ/<br />

schulvisite.ch bekannt gemacht werden.<br />

Dafür müssten sich die Kantone<br />

vermehrt engagieren.<br />

Anzeige<br />

Was können Eltern tun?<br />

Wenn Sie sich Sorgen um Ihr Kind machen: Fragen<br />

Sie an Ihrer Schule nach, wie die Sicherheit und die<br />

Leistungen garantiert werden. Viele Schulen haben<br />

vielleicht noch keine Antwort bereit. Bleiben Sie<br />

geduldig dran.<br />

Wenn Sie sich für gute Rahmenbedingungen<br />

engagieren wollen: Fragen Sie bei geplanten<br />

Senkungen der Steuerprozente in Ihrer Gemeinde<br />

nach, ob noch genug Geld für eine gute Bildung auch<br />

unter erschwerten Umständen bereitsteht.<br />

Wenn Sie an Sonderklassen für Flüchtlinge denken:<br />

Überlegen Sie, was das für die Zukunft Ihrer Kinder<br />

bedeutet, wenn immer mehr Ausländer in der Schweiz<br />

leben, die unsere Kultur und Sprache nicht kennen.<br />

Wo sonst, wenn nicht in der Schule, kann Integration<br />

stattfinden?<br />

Wenn Sie sich konkret engagieren wollen: Fragen Sie<br />

in Ihrer Schule oder reden Sie mit anderen Eltern,<br />

welche Angebote die Integration erleichtern würden<br />

und wie Sie sich an solchen beteiligen könnten.<br />

Es gibt viele schöne Beispiele wie Kochanlässe,<br />

Gesellschaftstänze oder Einladungen für Mittagessen<br />

zu Hause.<br />

Pflanzen- und<br />

Quintessenzen<br />

3000 Therapeutinnen<br />

und Naturheilpraktiker<br />

wissen Bescheid.<br />

7. Wertvolle Erfahrungen nutzen<br />

In Gemeinden und Stadtteilen mit<br />

Zentren für migrierte Menschen gibt<br />

es Schulen mit langjähriger Erfahrung.<br />

Älteren Semestern ist das<br />

Pestalozzidorf in Trogen AR noch<br />

ein Begriff, wo damals verwaiste<br />

Kinder aus dem Zweiten Weltkrieg<br />

und später auch Kinder aus Tibet<br />

eine neue Heimat gefunden haben.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

www.naturaerzte.ch<br />

Naturärzte Vereinigung Schweiz<br />

Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>651


Elterncoaching<br />

Wenn Kinder<br />

ständig jammern<br />

«Die Frau Weber ist so ungerecht! Weisst du, was die heute gemacht<br />

hat?» Frau Klein weiss es nicht <strong>–</strong> und sie würde es eigentlich gerne dabei<br />

belassen. Stattdessen setzt sie sich hin und sagt: «Nein, was war denn?»<br />

Fabian Grolimund<br />

ist Psychologe und Autor («Mit<br />

Kindern lernen»). In der Rubrik<br />

«Elterncoaching» beantwortet<br />

er Fragen aus dem Familienalltag.<br />

Der 36-Jährige ist verheiratet<br />

und Vater eines Sohnes, 3, und<br />

einer Tochter, 9 Monate. Er lebt<br />

mit seiner Familie in Freiburg.<br />

www.mit-kindern-lernen.ch<br />

www.biber-blog.com<br />

Manche Kinder sind<br />

richtige kleine<br />

Pessimisten. Sie<br />

sehen jedes Problem,<br />

jede Ungerechtigkeit,<br />

alles, was falsch läuft.<br />

Und sie reden darüber <strong>–</strong> fast pau ­<br />

senlos. Die Eltern können sich teilweise<br />

gar nicht vorstellen, woher das<br />

kommt, und helfen, so gut sie können:<br />

durch Zuhören, mit Verständnis,<br />

Beschwichtigen, Tipps und Vorschlägen.<br />

Jammern hat oft verdeckte Gründe<br />

Bei Kindern, die sehr oft jammern,<br />

hat man als Eltern das Gefühl, gegen<br />

Windmühlen zu kämpfen. Kaum ist<br />

ein Problem gelöst, taucht schon ein<br />

neues auf. Es scheint den Kindern<br />

eher darum zu gehen, ein Problem<br />

zu haben, als es zu lösen. Dieser<br />

Gedanke führt auf die richtige Spur.<br />

Oft erfüllt das Jammern einen<br />

Zweck, der Kind und Eltern verborgen<br />

bleibt: Es befriedigt wichtige<br />

Bedürfnisse. Die Frage ist dann nur:<br />

welche?<br />

Erzählt ein Kind von einem<br />

Problem, hat es sofort die<br />

ungeteilte Aufmerksamkeit<br />

der Eltern.<br />

Für Kinder ist das Jammern eine<br />

Möglichkeit, fast sofort das Interesse<br />

und die Aufmerksamkeit der Eltern<br />

zu erlangen. Fast nie hören Eltern so<br />

intensiv zu, wie wenn ihr Kind von<br />

einem Problem erzählt. Sofort sind<br />

wir hellwach und ganz Ohr. Manche<br />

Kinder registrieren diesen Zusammenhang<br />

zwischen einer intensiven<br />

Beziehungserfahrung und dem Jammern<br />

unbewusst. Sie haben gelernt:<br />

Auf diese Weise kann ich Nähe und<br />

Intimität herstellen und bekomme<br />

das Gefühl, dass sich jemand um<br />

mich kümmert.<br />

Auch für Eltern ist diese Situation<br />

zunächst oft mit positiven Gefühlen<br />

verbunden. Sie hören zu, zeigen Verständnis,<br />

helfen und dürfen erleben,<br />

wie sich die Miene des Kindes aufhellt,<br />

da sie ihm haben helfen können,<br />

ein Problem zu lösen oder eine<br />

Situation anders zu sehen. Auch für<br />

die Eltern stellt dies eine schöne<br />

Beziehungserfahrung dar. Zudem<br />

fühlen sie sich kompetent und anerkannt.<br />

Sie machen die Erfahrung:<br />

Ich bin wichtig für mein Kind!<br />

Dies zeigt sich manchmal darin,<br />

dass ein Elternteil stolz darauf ist,<br />

dass das Kind mit Problemen zu ihm<br />

kommt <strong>–</strong> dem verständnisvollen<br />

Elternteil, der sich auf das Kind einlässt.<br />

Manchmal entwickelt sich aus<br />

diesen Prozessen heraus ein Teufels­<br />

52 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


kreis. Das Kind jammert immer<br />

öfter, die Eltern werden müde. Nun<br />

reagieren die Eltern ungeduldiger,<br />

hören etwas weniger zu.<br />

Das Kind reagiert darauf, indem<br />

es mit noch dramatischeren Problemen<br />

aufwartet, um die ersehnte<br />

Aufmerksamkeit und Zuwendung<br />

zurückzugewinnen. Gleichzeitig<br />

reagieren die Eltern immer weniger<br />

auf positive Meldungen des Kindes,<br />

da sie froh sind, wenn endlich einmal<br />

alles in Ordnung ist und das<br />

Kind sie nicht braucht.<br />

Heraus aus dem Teufelskreis!<br />

Kritik am Kind, Zurechtweisungen<br />

oder Apelle, die Welt positiver zu<br />

sehen, nützen wenig. Erlebt das Kind<br />

diese Reaktionen als Zurückweisung,<br />

verstärkt das seinen Wunsch,<br />

Nähe herzustellen, und es wird noch<br />

eindringlicher über seine Sorgen<br />

sprechen.<br />

Falls hinter dem Jammern das<br />

Bedürfnis nach Nähe, Zuwendung<br />

und Intimität steckt, lässt sich der<br />

Teufelskreis am leichtesten durchbrechen,<br />

indem man das Kind die<br />

Erfahrung machen lässt: Meine<br />

Eltern sind voll und ganz da für<br />

mich, wenn es mir gut geht und<br />

wenn ich über schöne Erlebnisse<br />

spreche.<br />

Hören Sie weiterhin zu, wenn das<br />

Kind jammert <strong>–</strong> aber achten Sie darauf,<br />

dass Sie noch einen Tick präsenter<br />

sind, wenn es über seine Stärken,<br />

schöne Momente mit anderen Kindern<br />

oder die Sonnenseiten seiner<br />

Lehrerin oder seines Lehrers spricht.<br />

Vielleicht merken Sie, dass es<br />

Ihnen viel schwerer fällt, zuzuhören,<br />

wenn Ihr Kind über positive Aspekte<br />

spricht. Wir sind es gewohnt, Probleme<br />

genau zu sezieren. Das<br />

machen wir jedoch viel zu wenig bei<br />

schönen Erlebnissen. Wenn ein<br />

Kind erzählt, dass die Lehrerin<br />

gemein war, dann fragen wir sofort:<br />

«Was ist passiert? Warum hat sie das<br />

gesagt? Wie ging es dir dabei?»<br />

Erzählt ein Kind hingegen davon,<br />

dass die Lehrerin ihm ein Kompli­<br />

ment gemacht hat, lassen wir es oft<br />

bei einem «Aha <strong>–</strong> schön!» bewenden.<br />

Falls Ihr Kind ein kleiner Pessimist<br />

ist, können Sie beginnen, bei<br />

guten Erlebnissen genauer nachzufragen:<br />

«Was ist genau passiert? Wie<br />

lief das ab? Was hast du da gemacht?<br />

Was meinst du, warum ist das<br />

passiert?»<br />

Das mag sich am Anfang seltsam<br />

anfühlen. Vielleicht hilft Ihnen in<br />

diesem Fall die «Was ist gut gelaufen»-Übung<br />

aus der positiven Psychologie:<br />

Bei dieser Übung nehmen<br />

Sie sich am Abend einen Moment<br />

Zeit, um am Bett mit Ihrem Kind<br />

über drei Momente zu sprechen, die<br />

am Tag «gut gelaufen» sind. Sie können<br />

lediglich das Kind erzählen lassen<br />

oder selbst drei Momente beisteuern.<br />

Damit lenken Sie einerseits<br />

Was ist heute bei dir gut<br />

gelaufen? Und was meinst<br />

du, warum ist das passiert?<br />

den Fokus des Kindes auf die schönen<br />

Aspekte seines Lebens <strong>–</strong> auf der<br />

anderen Seite vermitteln Sie ihm<br />

indirekt: Ich bin auch dann für dich<br />

da und höre dir zu, wenn du über<br />

Positives sprichst!<br />

Vertiefen Sie das Gespräch,<br />

indem Sie Fragen zu den positiven<br />

Erlebnissen stellen wie «Was meinst<br />

du, warum ist das passiert?», «Was<br />

hast du dazu beigetragen?», «Wie<br />

könntest du dafür sorgen, dass das<br />

öfter passiert?». Indem Sie den schönen<br />

Dingen auf den Grund gehen,<br />

werden diese erlebbar, wiederholbar<br />

und zu einem verbindenden Element<br />

in der Beziehung zu Ihrem<br />

Kind.<br />

Anti-Nörgel-Tipps<br />

Regen Sie Ihr Kind dazu an, über positive<br />

Aspekte seines Lebens zu sprechen <strong>–</strong> zum<br />

Beispiel mit der «Was ist gut gelaufen»-Übung.<br />

Hören Sie gut zu, wenn Ihr Kind über schöne<br />

Erlebnisse spricht.<br />

Vertiefen Sie gute Erfahrungen, indem<br />

Sie neugierig nachfragen.<br />

Vermitteln Sie dem Kind, wie viel Spass es<br />

macht, sich über Positives auszutauschen,<br />

indem Sie dabei zusammen lachen, Schönes<br />

gemeinsam in Gedanken nochmals durchspielen<br />

und Pläne aushecken, um noch<br />

mehr Tolles auf die Beine zu stellen.<br />

In der nächsten Ausgabe:<br />

Mein Kind hat Angst, aber es kann nicht sagen, wovor.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>653


Der Wirkstoff Methylphenidat, enthalten in Ritalin, unterliegt dem<br />

Betäubungsmittelgesetz. Widerspricht die Behandlung mit<br />

solchen Medikamenten dem Kindeswohl oder ist sie dem Kind<br />

dienlich? Was und wie viel dürfen Eltern bei der Behandlung<br />

mitbestimmen? Was muss das Kind selbst entscheiden dürfen?<br />

Ein Blick auf das Thema AD(H)S aus der (kinder)rechtlichen<br />

Perspektive. Text: Sandra Hotz<br />

54 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Serie<br />

Das Kindeswohl gilt<br />

in der Schweiz als<br />

Leitmaxime. Das<br />

heisst, dass dem<br />

Kindeswohl Vorrang<br />

vor anderen Interessen<br />

zukommt, gegebenenfalls selbst<br />

vor den Wünschen der Eltern.<br />

Massnahmen, die im Rahmen des<br />

Bildungssystems oder Gesundheitswesens<br />

getroffen werden und<br />

den Kindesinteressen nicht ausreichend<br />

Rechnung tragen, können<br />

somit rechtswidrig sein.<br />

Schwierig ist es jedoch, im Einzelfall<br />

zu bestimmen, was dem<br />

Kindeswohl entspricht und was<br />

nicht; vor allem dann, wenn<br />

Eltern-, Schul- und Kindesinteressen<br />

sowie die medizinische Fachmeinung<br />

bezüglich der Förderung<br />

eines Kindes mit AD(H)S auseinandergehen.<br />

Sind bekannte Nebenwirkungen<br />

eines Medikamentes<br />

wie Schlafstörungen oder Appetitverlust<br />

zu rechtfertigen, wenn das<br />

Kind dafür seinen Übertritt von<br />

der 3. in die 4. Klasse schafft oder<br />

sich dadurch besser mit Freunden<br />

und Geschwistern versteht?<br />

Kommt es dem Kindeswohl<br />

möglicherweise indirekt zugute,<br />

wenn durch die erhöhte Chance,<br />

sich zu strukturieren, seine Familie<br />

entlastet wird?<br />

Erschwerend kommt hinzu, dass in<br />

diesem Zusammenhang selten eine<br />

unabhängige «dritte» Behörde oder<br />

ein Gericht über das Kindeswohl<br />

entscheidet. Die Akteure sind vielmehr<br />

direkt involviert, und manchmal<br />

dürfte unklar sein, wer die<br />

«Regie führt», wenn sich die Interessen<br />

der Eltern, der Fachpersonen<br />

und des Kindes gegenüberstehen.<br />

Eltern haben ein Recht wie auch<br />

die Pflicht, für ihre Kinder zu sorgen,<br />

insbesondere in Gesundheitsund<br />

Schulbelangen. Sie stellen für<br />

ihre minderjährigen Kinder<br />

grundsätzlich die rechtliche Vertretung<br />

dar und entscheiden mit<br />

über alle Fördermassnahmen und<br />

medizinischen Behandlungen der<br />

Schulkinder. Eine Lehrperson<br />

kann beispielsweise nicht von sich<br />

aus entscheiden, ob das Kind in<br />

den Zusatzunterricht zur Logopädin<br />

soll. Das funktioniert grundsätzlich<br />

nur in Absprache mit den<br />

Eltern. Und so muss auch eine<br />

Ärztin vor einem Behandlungsbeginn<br />

die Eltern fragen, ob sie mit<br />

der vorgeschlagenen Therapie einverstanden<br />

sind. Notfälle sind vorbehalten.<br />

Da eine Behandlung mit Medikamenten<br />

nicht harmlos ist, liegt<br />

eine Entscheidung nicht mehr<br />

allein im Ermessen der Eltern: So<br />

muss nicht nur die medizinische<br />

Notwendigkeit zuerst eindeutig<br />

und verlässlich von der medizinischen<br />

Fachperson diagnostiziert<br />

und entschieden werden, auch das<br />

Kind muss in den Entscheidungsprozess<br />

miteinbezogen werden. Je<br />

nach Auffassungsgabe und Reifegrad<br />

des Kindes, seiner Urteilsfähigkeit,<br />

entscheidet es auch selbst.<br />

Dafür, ab wann ein Kind<br />


urteilsfähig ist, gibt es im<br />

schweizerischen Recht keine fixen<br />

Altersvoraussetzungen. Dies ist<br />

von Fall zu Fall zu beurteilen. Ein<br />

Kind muss erfassen und einschätzen<br />

können, was es tut, und zusätzlich<br />

muss es dementsprechend<br />

differenziert handeln können. Ein<br />

Beispiel: Ein 12-jähriges Kind mit<br />

einer AD(H)S-Diagnose verweigert<br />

ein Medikament, weil es dessen<br />

Wirkungen seit einem Jahr<br />

kennt, diese schon mit den Eltern<br />

und/oder Arzt besprochen hat und<br />

dann zum Schluss kommt, es helfe<br />

ihm in der Schule nicht bei der<br />

Verbesserung seiner Leistungen.<br />

Dies muss es auch kommunizieren<br />

können. Doch selbst wenn ein<br />

Kind angemessen partizipieren<br />

und/oder mitentscheiden kann, ist<br />

es im Primarschulalter dem Einfluss<br />

der Erwachsenen am stärksten<br />

ausgesetzt. Das heisst, es bleibt<br />

beeinflussbar. Mit einer Medikation<br />

werden bewusst gewisse<br />

Nebenwirkungen, unter Umständen<br />

irreversible Folgen wie Wachstumsstörungen,<br />

Tics oder Psychosen,<br />

in Kauf genommen, die das<br />

Kind alleine zu tragen hat. Darin<br />

könnte auch ein fundamentales<br />

rechtliches Problem gesehen werden:<br />

Dürfen Vertretungsberechtigte<br />

tatsächlich etwas für das Kind<br />

entscheiden, wenn dessen negative<br />

Konsequenz alleine das Kind zu<br />

tragen hat?<br />

Schule und Elternhaus haben eine<br />

gesetzliche Pflicht, zum Wohl des<br />

Kindes zusammenzuarbeiten.<br />

Besteht beim Kind ein Förderbedarf,<br />

spielt die Lehrperson eine<br />

wichtige Rolle. Sie wird in der<br />

Regel als Erste das Gespräch mit<br />

den Eltern suchen und sie auf<br />

«Auffälligkeiten» des Kindes im<br />

Unterricht aufmerksam machen.<br />

Danach wird gemeinsam über<br />

Fördermassnahmen entschieden.<br />

Die Lehrperson spielt auch eine<br />

wichtige Rolle für den Schulerfolg<br />

eines Kindes mit AD(H)S. Ist das<br />

Kindswohl gefährdet, wollen die<br />

Eltern keine Abhilfe schaffen und<br />

sind die Möglichkeiten der Beratung<br />

erschöpft, hat die Schule auch<br />

AD(H)S <strong>–</strong> Medizinrechtliche Grundsätze<br />

Sorgfältige medizinische Diagnose: Eine AD(H)S-<br />

Diagnose muss nach in der Fachwelt anerkannten und gut<br />

geprüften Diagnosekriterien erfolgen (DSM-5, ICD <strong>10</strong>).<br />

Sie kann unter anderem nur dann als sorgfältig angesehen<br />

werden, wenn das Kind persönlich untersucht worden ist,<br />

seit mehr als sechs Monaten ein Problemverhalten besteht,<br />

die Symptome in mehreren Lebensbereichen (Elternhaus,<br />

Schule) auftreten und die Beeinträchtigungen eine<br />

gewisse Erheblichkeit aufweisen.<br />

Verschreibung von Ritalin: In der Schweiz dürfen alle<br />

zugelassenen Ärztinnnen und Ärzte die Diagnose AD(H)S<br />

stellen und gegebenenfalls das Medikament Ritalin (oder<br />

ein anderes Präparat mit dem Wirkstoff Methylphenidat,<br />

MPH) verschreiben. Das Schweizerische Heilmittelinstitut<br />

Swissmedic formuliert aber auf seiner Website die<br />

Empfehlung, dass die medikamentöse «Behandlung nur<br />

von solchen Ärztinnen und Ärzten begonnen werden soll,<br />

die auf Verhaltensstörungen von Kindern und Jugendlichen<br />

beziehungsweise Erwachsenen spezialisiert sind, und<br />

auch von einer oder einem solchen überwacht werden<br />

sollte».<br />

Medizinische Notwendigkeit der Behandlung: Zur<br />

Behandlung einer diagnostizierten ADHS gibt es mittlerweile<br />

eine ganze Reihe von verschiedenen Ansätzen. Die Auswahl<br />

obliegt den Eltern mit ihrem Kind und der medizinischen<br />

Fachperson. Klar ist, dass die zu befürchtenden<br />

gesundheitlichen Nachteile bei einer Nicht behandlung<br />

die in Kauf zu nehmenden Leiden, Schädigungen und Risiken<br />

einer Behandlung übertreffen müssen.<br />

Informed Consent: Voraussetzung für die gültige<br />

Einwilligung in eine Behandlung und jeden körperlichen<br />

Eingriff ist eine vorgängige Aufklärung über die in Frage<br />

kommende Behandlungsmethode (u. a. möglicher Nutzen,<br />

Risiken, Nebenwirkungen, Kosten). Fehlt diese Aufklärung,<br />

können die Betroffenen nicht abschätzen, was diese<br />

Behandlung bedeutet, und deren Zustimmung ist rechtlich<br />

unwirksam. Die Zustimmung zu einer medizinischen<br />

Behandlung des Kindes dürfen im Normalfall die Eltern oder<br />

der zuständige Elternteil geben. Das Kind ist grundsätzlich<br />

mit in die Entscheidung einzubeziehen. Je höher der<br />

Reifegrad des Kindes/Jugendlichen und je breiter die<br />

eigenen Erfahrungen mit AD(H)S, umso eher entscheiden<br />

die Betroffenen selbst.Eine medikamentöse Behandlung<br />

eines Kindes ohne medizinische Notwendigkeit und/oder<br />

ohne Informed Consent widerspricht dem Völkerrecht, dem<br />

Verfassungsrecht, dem Straf- und Zivilrecht.<br />

Neuro-Enhancement: Wenn ein Kind ohne medizinische<br />

Notwendigkeit mit Medikamenten behandelt wird, kann man<br />

von Neuro-Enhancement sprechen, also von einer<br />

Leistungssteigerungsmassnahme. Eine Schönheitsoperation<br />

etwa ist medizinisch nicht indiziert, aber es mag sein, dass<br />

die betroffene Patientin sich nachher entschieden besser<br />

fühlt. Ebenso kann es sein, dass das Kind, das ein<br />

Medikament nimmt, dieses aus medizinischer Sicht nicht<br />

braucht, sich aber besser fühlt, weil es weniger Ausbrüche<br />

hat und so weniger von Freundinnen und Freunden<br />

ausgegrenzt wird oder es besser lernt und dadurch mehr<br />

gelobt wird. Die Abgrenzungen werden hier sehr fliessend.<br />

56 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Serie<br />

eine Pflicht, die Kinder- und<br />

Erwachsenenschutzbehörde zu<br />

informieren. Klappt die Zusammenarbeit<br />

zwischen Eltern und<br />

Schule gut, beispielsweise durch<br />

laufende mündliche Rückmeldungen,<br />

sind auch die Eltern entlastet.<br />

Dabei gilt es das Partizipationsund<br />

Mitbestimmungsrecht des<br />

Kindes auch in schulischen Angelegenheiten<br />

zu wahren. Es ist also<br />

bei Schule-Elternhaus-Gesprächen<br />

grundsätzlich miteinzubeziehen.<br />

Letztendlich ist die Frage entscheidend,<br />

wie in dieser komplexen<br />

Materie die Kinderrechte und<br />

das Kindeswohl gesichert werden<br />

können. Zum einen muss das Kind<br />

altersgerecht partizipieren, das<br />

heisst, es äussert seine Meinung<br />

und entscheidet laufend mit über<br />

seine Behandlung. Des Weiteren<br />

muss das Leiden des Kindes die<br />

psychischen und physischen Nachteile,<br />

die durch die Nebenwirkungen<br />

eines Medikamentes entstehen<br />

können, klar «überwiegen». Um<br />

dies besser einschätzen zu können,<br />

besteht grosser Forschungsbedarf.<br />

Aus rechtlicher Sicht sind auch<br />

formelle Hürden in der Verschreibungsbefugnis<br />

zu diskutieren, wie<br />

ein zeitlicher Übereilungsschutz <strong>–</strong><br />

die Beschwerden müssen mindestens<br />

ein Jahr lang bestehen, die<br />

Behandlung muss einmal im<br />

Monat überprüft werden. Ausserdem<br />

zu diskutieren sind auch eine<br />

Beschränkung auf Kinderpsychiaterinnen<br />

und Kinderpsychiater<br />

oder eine Zusatzausbildung für<br />

Allgemeinmediziner, damit<br />

Ausschlussdia gnosen getätigt<br />

werden können.<br />

>>><br />

Sandra Hotz<br />

ist Juristin und Co-Leiterin des Projekts «Kinder<br />

fördern. Eine interdisziplinäre Studie» am Institut<br />

für Familienforschung und -beratung der Universität<br />

Freiburg. Sie interessiert sich für Kinderrecht<br />

und Fragen der Selbstbestimmung von Patienten.<br />

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Do sier<br />

Dossier<br />

Do sier<br />

Andre Lehner ist seit<br />

zwölf Jahren<br />

a leinerziehend.<br />

Seine Frau verliess<br />

ihn, als Sohn Robin<br />

ein Jahr alt war.<br />

«Wertvolle und<br />

anregende Beiträge»<br />

Zu negativ bewertet<br />

(Dossier «Pubertät», Heft 9/15)<br />

… denn sie wissen<br />

nicht, was sie tun<br />

Die Pubertät ist wie ein Sturm, der über Familien<br />

hinwegfegt. Eine Tortur für Eltern und Kinder.<br />

Im Unterschied zu Mama und Papa können<br />

die Jugendlichen jedoch meist nicht anders.<br />

Text: Claudia Landolt Bilder: Ruth Erdt<br />

<strong>10</strong> NOVEMBER <strong>2<strong>01</strong>5</strong><br />

NOVEMBER <strong>2<strong>01</strong>5</strong> 1<br />

«Es ist völlig daneben!»<br />

(Kolumne «Wozu überhaupt Bildung?»,<br />

Heft 8/15)<br />

Sehr geehrter Herr Krogerus<br />

Mikael Krogerus<br />

ist Autor und Journalist.<br />

Der Finne ist Vater einer<br />

Tochter und eines Sohnes, lebt<br />

in Biel und schreibt regelmässig<br />

für das Schweizer ElternMagazin<br />

Fritz+Fränzi und andere<br />

Schweizer Medien.<br />

Kolumne<br />

Wozu überhaupt<br />

Bildung?<br />

E<br />

s ist unschwer zu erkennen: Kinder von heute wo len nicht mehr<br />

lernen. Sie haben kein Intere se. Ihre Aufmerksamkeit spanne reicht<br />

nicht mal aus, um das Laden einer Website abzuwarten, wie<br />

so len sie sich da ernsthaft auf die Lektüre von, sagen wir, «Emilia<br />

Galo ti» oder das Lösen eines mathematischen Problems einla sen?<br />

Ich sehe das an meinen Kindern. Sie kommen in die dri te und die achte<br />

Klasse, haben aber beide schon <strong>–</strong> beziehungsweise noch <strong>–</strong> keine Lust auf Lernen.<br />

Die einzigen Mi tel sind Druck und Zwang. Notendurchschni t, Nachhilfe,<br />

Elterngespräch <strong>–</strong> das Bermudadreieck des bildungsbürgerlichen Elterndaseins.<br />

Ach, es ist zum Davonlaufen!<br />

Meine Tochter sagt gern, wenn sie an den Hausaufgaben sitzt: «Sooo wichtig<br />

ist Schule doch nicht.»<br />

«Was ist wichtiger?» frage ich.<br />

«Spielen.»<br />

Ihre Antwort ist herzig. Aber wenn man drüber nachdenkt, fä lt einem kein<br />

wirkliches Gegenargument ein. Denn seien wir ehrlich, was von dem, was<br />

wir in der Schule gelernt haben, brauchen wir heute schon? Zehn Jahre<br />

Französisch <strong>–</strong> Subjonctif rauf und runter, Textanalyse von Vercors’ «Le silence<br />

de la mer» <strong>–</strong>, aber in Frankreich sehe ich mich nicht im Stande, nach dem<br />

Halbzeitstand von Paris St-Germain gegen den FC Barcelona zu fragen oder<br />

wenigstens fehlerfrei ein lokales Bier zu beste len. Ich könnte vermutlich noch<br />

das endoplasmatische Retikulum auf einer schematischen Zeichnung erkennen,<br />

wüsste aber nicht, wofür es gut ist. So viel zur angewandten Biologie. Unser<br />

Deutschlehrer mit seiner Vorliebe für mi telhochdeutsche Literatur zwang uns<br />

zu seelenlos durchstrukturierten Erörterungen, einen Sinn für die Schönheit<br />

deutscher Sprache oder einen sicheren Blick für scharfe Argumente<br />

entwickelten wir dabei nicht. In Mathematik behielt ich mit meiner frühen<br />

Vermutung recht, da s mir Vektoren jenseits der Schule nie mehr begegnen<br />

würden. Und was war los in meinem Lieblingsfach Geschichte? Eurozentrisches<br />

Weltbild, komple t unkritische Antikenverehrung und eine fragwürdige<br />

Vorliebe für Grössenwahnsinnige wie Alexander der Gro se.<br />

Mag ja sein, da s Selfies, Minecraft, und Let’s Play die Kids abstumpfen<br />

la sen. Aber wie lebensbejahend sind Differentialrechnungen, Walter von der<br />

Vogelweide oder Periodensysteme? Nie wieder in meinem Leben war ich<br />

so müde wie im Mathematikunte richt. Nie wieder verga s ich etwa so<br />

schne l wie die langsam eingepaukten Chemieformeln. Und umgekehrt wird<br />

erst so richtig ein Schuh draus: Wenn ich mein bisheriges Leben betrachte,<br />

welche Kerneigenschaften haben mir am meisten geholfen? Ich würde spontan<br />

Zufa l, Mitgefühl, Neugierde und Humor nennen. Ich bezweifle, da sie in<br />

irgendeinem Lehrplan standen.<br />

Ich rede hier übrigens nicht obskuren No-Schooling-Praktiken oder dem<br />

Homeschooling das Wort; es ist sicher nicht verkehrt, fehlerfrei lesen,<br />

schreiben und rechnen zu können und auch mal Dinge zu lernen, für die<br />

man nie wieder Verwendung findet. Ich sage nur, was ich auch meiner<br />

Tochter sagte: «Geh raus, spielen!»<br />

62 OKTOBER <strong>2<strong>01</strong>5</strong><br />

I lustration: Petra Dufkova/Die I lustratoren<br />

Vielen Dank für die neue Fritz+Fränzi Ausgabe. Sie ist heute bei mir<br />

eingetroffen und ich konnte bereits teilweise darin lesen.<br />

Da steht wirklich sehr viel über Pubertät drin. Einmal mehr war ich<br />

erstaunt, wie negativ diese Zeit der Kinder bewertet wird. Dies ist<br />

keine Kritik an Sie als Herausgeber, so wird tatsächlich gedacht.<br />

Ja, die Eltern haben sogar regelrecht Angst vor der Pubertät ihrer<br />

Kinder.<br />

Das finde ich schade. Ich jedenfalls finde diese Zeit genial! Es ist<br />

so spannend, und für mich bedeutet es viele neue Freiheiten.<br />

Ich habe Ihre Kolumne meinen Töchtern, 11 und 22 Jahre alt,<br />

zum Lesen gegeben <strong>–</strong> ob ich Sie richtig verstehe. O-Ton meiner<br />

jüngeren Tochter: «Es ist völlig daneben!»<br />

Sie, die offensichtlich das grosse Glück hatten, eine breit<br />

gefächerte Bildung zu geniessen, so dass Sie weit mehr können<br />

als fehlerfrei lesen, schreiben und rechnen, Sie raten den in Ihrer<br />

Zeitschrift Rat suchenden Eltern tatsächlich, ihre Kinder doch<br />

besser zum Spielen zu schicken, statt sie zum Durchhalten zu<br />

ermuntern? Ihr Argument erinnert mich doch sehr an meine<br />

eigene pubertäre Phase: Lerninhalte, die man später nie mehr<br />

in seinem Leben braucht!<br />

Hätten Sie doch Ihren Humor genutzt! Sie hätten uns davon<br />

erzählen können, wie Sie <strong>–</strong> der guten alten Schallplatte gleich <strong>–</strong><br />

Ihren Kindern immer wieder den unschätzbaren Wert einer<br />

breiten Bildung nahebringen: Dass es Glücksgefühle auslöst,<br />

wenn man wieder ein Stück der Welt besser verstanden hat. Dass<br />

es ein Riesenglück ist, wenn man Werke der Weltliteratur nicht<br />

nur lesen darf, sondern zu deren tiefgründigem Erfassen<br />

angeleitet wird. Dass es in der Schule darum geht, den Horizont<br />

zu erweitern, neugierig immer wieder durch eine andere Brille auf<br />

die Welt zu schauen. Dass man Spielen und Lernen genauso<br />

wenig gegeneinander ausspielen darf wie Mutter und Vater <strong>–</strong><br />

beide Seiten gehören zu einem erfüllten Leben. Doch vor allem:<br />

Dass Zufall definitiv nicht zu den Kerneigenschaften für einen<br />

erfolgreichen und zufriedenen Menschen zählt, sondern<br />

Ausdauer!<br />

Ausdauer ist das A und O beim Lernen <strong>–</strong> wie übrigens auch in<br />

der Erziehung. Wenn man diese oft genug mühsame Anstrengung<br />

dann würzen kann mit Mitgefühl, Neugierde und Humor <strong>–</strong> umso<br />

besser, dann macht Lernen wie Erziehen auch noch Spass.<br />

Ausdauer beim Erziehen ist das Gegenteil von «Geh raus,<br />

spielen!».<br />

Eine muntere Diskussion mit Ihnen wäre nach meinem<br />

Geschmack gewesen, so ist es nun eine Mail :-)<br />

Caroline Märki, Männedorf (per Mail)<br />

«Ich fühlte mich unter<br />

Gleichgesinnten»<br />

(Dossier Alleinerziehend, Heft 7/15)<br />

Lieber Herr Niethammer<br />

Auf sich gestellt<br />

Sie machen täglich den Spagat zwischen Kindererziehung und<br />

Job: alleinerziehende Mü ter und Väter. Im komplizierten A ltag<br />

kämpfen viele von ihnen mit finanziellen Schwierigkeiten. Und<br />

der Gewissheit, ihren Kindern nicht immer gerecht zu werden.<br />

Text: Martina Bortolani / Mitarbeit: Evelin Hartma n Fotos: A ne Gabriel-Jürgens<br />

12 SEPTEMBER <strong>2<strong>01</strong>5</strong><br />

SEPTEMBER <strong>2<strong>01</strong>5</strong> 13<br />

Es geht turbulent zu und her in einer Einelternfamilie :-) Wenn ich<br />

mal freie Zeit habe, bin ich so müde, dass ich keinen klaren<br />

Gedanken mehr fassen kann. Aber jetzt passt es gerade, dass ich<br />

Ihnen ein Feedback geben kann.<br />

Ich habe den Artikel über Alleinerziehende mit Neugierde gelesen.<br />

Ich fühlte mich unter Gleichgesinnten. Was mich aber brennend<br />

interessiert hätte: Was machen die Frauen oder Männer, wenn sie<br />

vor lauter Aufgaben den Durchblick verlieren? Wo holen sie sich<br />

Hilfe, wenn sie nicht mehr weiterwissen. Wo tanken sie auf?<br />

Wie vorhin schon erwähnt, wenn ich freie Zeit habe, bin ich so<br />

müde, dass ich nur noch schlafen möchte.<br />

Ich nehme nicht an, dass es ein Patentrezept gibt, wie man das<br />

alles schafft und selbst nicht auf der Strecke bleibt. Dennoch<br />

würde es mich wundernehmen, wie andere Alleinerziehende das<br />

machen ...<br />

Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg und viele Leser für<br />

Fritz+Fränzi!<br />

Freundliche Grüsse<br />

Kerstin Zeidler (per Mail)<br />

Herzliche Grüsse<br />

Tanja Nasso, Gretzenbach SO (per Mail)<br />

58 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Do sier<br />

Do sier<br />

Leserbriefe<br />

Ziemlich unsensibel<br />

Grüezi mitenand<br />

Undifferenziert, absurd<br />

(Dossier «Generation Smartphone»,<br />

Heft 8/15)<br />

Liebe Fritz+Fränzi-Redaktion<br />

Generation<br />

Smartphone<br />

Damit Medien Spass machen und nicht zur Gefahr<br />

werden, braucht es grosse Medienkompetenz <strong>–</strong> und<br />

zwar besonders der Eltern. Das ist anstrengend, trägt<br />

aber zu einer guten Eltern-Kind-Beziehung bei.<br />

<strong>10</strong> OKTOBER <strong>2<strong>01</strong>5</strong> OKTOBER <strong>2<strong>01</strong>5</strong> 11<br />

Text: Bianca Fritz Fotos: Stephan Rappo / 13 Photo<br />

Zuerst einmal ein grosses Kompliment für Ihre Fachzeitschrift.<br />

Ich lese sie immer gerne und empfinde die meisten Beiträge<br />

als fachlich sehr wertvoll und inhaltlich anregend.<br />

Nur aus dem Interviewbeitrag zu sozialen Netzwerken und wie<br />

Kinder/Jugendliche damit umgehen, konnte ich alles andere als<br />

fachlichen Nutzen ziehen. Ich empfand sehr viele Aussagen und<br />

Argumentationen von Herrn Prof. Daniel Miller als sehr<br />

undifferenziert und teilweise geradezu absurd! Als Beispiel: Kinder<br />

sollen doch während den Hausaufgaben per Webcam online sein,<br />

damit sie sich sicherer fühlen. Geradezu eine vernichtende und<br />

kontraproduktive pädagogische Empfehlung bei der heutigen<br />

sinkenden Aufmerksamkeits- und Konzentrationsleistung der<br />

Kinder.<br />

Oder: Mädchen sind die Hauptgefahr im Internet?! Gefährlicher<br />

als Pädophile? Sind dies wissenschaftlich fundierte Aussagen<br />

oder widerspiegelt dies die persönliche Meinung des Professors?<br />

Weiter kochte ich innerlich bei der Verharmlosung, Kinderfotos<br />

online zu stellen. Hat nicht die Polizei kürzlich dazu aufgerufen,<br />

dies zum Schutz des Kindes zu unterlassen? Und überhaupt:<br />

Ist es wirklich nötig, jeden kleinen «Pups» des Kleinen der<br />

ganzen Welt zu zeigen?<br />

Ich wünsche den Eltern Freude an ihrem Kind, Gelassenheit,<br />

Zufriedenheit und eine gehörige Portion Stolz, doch geniessen<br />

und teilen sollen sie es mit ihrer Kernfamilie!<br />

Meiner Meinung nach vermischt Herr Prof. Miller auf sehr<br />

unprofessionelle Weise sein quantitatives wissenschaftliches<br />

Wissen über den Umgang der Kinder und Jugendlichen mit<br />

sozialen Netzwerken mit seinen unreflektierten Aussagen,<br />

Ursachenerklärungen und Empfehlungen über Erziehung,<br />

Pädagogik und Psychologie.<br />

Der Journalistin kann ich hingegen ein Lob entgegenbringen.<br />

Bei der Art und Weise, wie sie die weiterführenden Fragen stellte,<br />

spüre ich eine kritische Haltung.<br />

Ich hoffe, Ihnen hat der Inhalt des Interviews ebenfalls zu denken<br />

gegeben. Ich hoffe, dass ein solch frappant schlechter Inhalt die<br />

Ausnahme bleibt oder nicht gedruckt wird ;)<br />

Freundliche Grüsse<br />

Marion Zeller, Ergotherapeutin in der Pädiatrie (per Mail)<br />

Ich habe Fritz+Fränzi schon länger abonniert und finde die<br />

Zeitschrift eigentlich sehr gut.<br />

Jedoch möchte ich etwas anmerken: Mir fällt immer wieder auf,<br />

dass zu allen möglichen Themen Anregungen, Tipps, Abhilfe usw.<br />

gegeben werden, diese jedoch oft den Partner miteinbeziehen.<br />

Es steht dann zum Beispiel, man solle gemeinsam mit dem<br />

Partner mit dem Kind …<br />

Diese Artikel nützen mir (und sehr vielen anderen Lesern sicher<br />

auch) nicht viel, weil kein Partner da ist, mit dem man irgendetwas<br />

zusammen machen oder besprechen usw. kann.<br />

Ich finde das etwas unsensibel von Ihnen, weil wie gesagt die<br />

Anregung dann nicht weiterverfolgt werden kann. Dazu erinnert<br />

es einen immer daran, dass da ja kein Partner ist.<br />

Ich hoffe, dass Sie das in Zukunft besser auch auf alleinerziehende<br />

Eltern ausgerichtet bringen.<br />

Danke und freundliche Grüsse<br />

Barbara Milne (per Mail)<br />

Ihr macht ein super Heft!<br />

Grüezi<br />

Sehr gerne lese ich immer euer Heft und bin begeistert. Ihr macht<br />

es super!!<br />

Ganz herzlichen Dank, freundliche Grüsse<br />

Andrea Einspieler (per Mail)<br />

Schreiben Sie uns!<br />

Ihre Meinung ist uns wichtig. Sie erreichen uns über:<br />

leserbriefe@fritzundfraenzi.ch oder Redaktion Fritz+Fränzi,<br />

Dufourstrasse 97, 8008 Zürich. Und natürlich auch über Facebook:<br />

www.facebook.com/fritzundfraenzi<br />

und Twitter: @fritzundfraenzi<br />

Die Leserbriefe bilden die Meinung der jeweiligen Autoren ab,<br />

nicht die der Redaktion. Kürzungen behält sich die Redaktion vor.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>659


Kolumne<br />

Morgenstund<br />

ist ungesund<br />

Mikael Krogerus<br />

ist Autor und Journalist.<br />

Der Finne ist Vater einer<br />

Tochter und eines Sohnes, lebt<br />

in Biel und schreibt regelmässig<br />

für das Schweizer ElternMagazin<br />

Fritz+Fränzi und andere<br />

Schweizer Medien.<br />

Von den vielen Dingen, die mich an der Schule stören, ist das<br />

schlimmste, dass sie so früh morgens beginnt. Algebra, Relativpronomen,<br />

Subjonctif <strong>–</strong> das ist alles schwierig, aber mit etwas<br />

Übung kann man es meistern. Frühe Schulzeiten hingegen<br />

sind zermürbender als jeder Stellungskrieg. Man muss ja nicht<br />

mal eigene Schulkinder haben, um das zu verstehen, man muss sich bloss erinnern:<br />

Gab es als Kind oder Jugendlicher etwas Schlimmeres als das Klingeln<br />

des Weckers unter der Woche? Draussen tiefe Dunkelheit, im Herzen und<br />

im Kopfe auch. Bei mir fing die Schule um 7 Uhr 40 an. Das war schon unerbittlich<br />

früh. Die Schule meiner Kinder beginnt um 7 Uhr 25 beziehungsweise<br />

7 Uhr 35. In 30 Jahren hat sich die Schule um rund fünfzehn Minuten zurückentwickelt.<br />

Alles wird benutzerfreundlicher <strong>–</strong> ausser die Schule!<br />

Dabei haben Psychologen, Pädagogen und Politiker jeden Bereich des Schullebens<br />

restrukturiert, reformiert, optimiert in der Hoffnung, das Lernen<br />

stressfreier und sinnvoller zu gestalten. Lehrpläne wurden entrümpelt, Fächer<br />

zusammengelegt oder gleich ganz abgeschafft (hallo, Altgriechisch!). Man hat<br />

über bewegte Schulen, Projektunterricht, ja sogar über Generationen-Klassenzimmer<br />

nachgedacht, aber praktisch nie über einen späteren Unterrichtsbeginn.<br />

Den Schweizer Bildungsdelegationen, die sich im PISA-Rausch finnischen<br />

Unterricht anschauten, ist offensichtlich nicht aufgefallen, dass finnische<br />

Schulen sich vor allem in einem Punkt von schweizerischen unterscheiden: in<br />

der Anfangszeit des Unterrichts. In Finnland geht vor 8 Uhr 30 oder sogar 9 Uhr<br />

fast nichts. Natürlich können die Schüler früher kommen, sie machen dann<br />

Hausaufgaben oder langweilen sich, bis die Schule beginnt.<br />

Interessanterweise gibt es fast niemanden, der in diesem Punkt anderer<br />

Meinung wäre. Kein Kind freut sich, früh in die Schule zu kommen. Kein<br />

Elternteil erlebt eine tiefe Befriedigung, wenn er im Stockdunkeln Kinder aus<br />

dem Bett reisst. Keinen Lehrer motiviert der Anblick gähnender Schüler. Pro<br />

Jahr erscheinen unzählige Studien, die alle ungefähr das beweisen, was die<br />

Erfahrung ohnehin lehrt: Wer länger schläft, ist besser dran. Einige Hirnund<br />

Schlafforscher plädieren sogar dafür, erst um <strong>10</strong> Uhr mit dem Unterricht zu<br />

beginnen. Die Argumente der Gegenseite sind so schwach, dass man sie fast<br />

nicht aufzählen mag: Es war schon immer so. Wer früh anfängt, ist früh fertig.<br />

Morgenstund hat Gold im Mund. Und dann ist da das Nullargument aller<br />

zwinglianischen Kulturkreise: Schule ist Teil der Gesellschaft, deshalb muss sich<br />

der Unterrichtsbeginn der Arbeitszeit der Eltern anpassen. Damit nähern wir<br />

uns dem Kern des Problems: Vielleicht fängt ja nicht nur die Schule, sondern<br />

unser ganzes Leben zu früh an. Mir jedenfalls fällt kein einziger Mensch ein,<br />

dem nicht eine Stunde länger Schlaf unendlich guttun würde.<br />

Illustration: Petra Dufkova/Die Illustratoren<br />

60 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>661


Gesunder Darm <strong>–</strong> gesundes Kind<br />

Wie man seine Verdauung in Schuss hält, und warum das so wichtig ist.<br />

Text: Sandra Matteotti<br />

Illustration: © Jill Enders<br />

62 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Ernährung & Gesundheit<br />

Während beim Kleinkind noch jeder<br />

Pups kommentiert wird, gilt später:<br />

Verdauung hat man, man spricht<br />

nicht drüber. Eigentlich schade,<br />

denn was im Darm passiert, ist<br />

nicht nur spannend, sondern wirkt sich auf unsere<br />

gesamte Gesundheit aus.<br />

Etwa ab dem fünften Lebensjahr ist der Darm vollständig<br />

entwickelt. Dann unterscheiden sich Kinderund<br />

Erwachsenendarm nicht mehr. Trotzdem sind<br />

gerade die Kinderjahre für die Entwicklung einer gesunden<br />

Darmflora sehr wichtig. Denn der Darm vergisst<br />

nicht. Was er mal gelernt hat, das prägt ihn fürs Leben.<br />

Und eine gesunde Darmflora ist eine wichtige Grundlage<br />

für das gesunde Dasein überhaupt. Damit Eltern<br />

wissen, was sie für einen gesunden Darm tun können,<br />

sollten sie wissen, wie die Verdauung funktioniert.<br />

Gut gekaut ist halb verdaut<br />

Reisen wir also mit unserem Essen in die Tiefe. Das<br />

Verdauungssystem erstreckt sich vom Mundraum über<br />

die Speiseröhre durch den Magen zum Darm. Auf der<br />

ganzen Strecke laufen verschiedene Verdauungsprozesse<br />

ab. Schon der Speichel leistet seinen Anteil: Er lässt<br />

das Essen besser durch den Rachen rutschen und killt<br />

erste Bakterien. Und hier kann der Mensch mithelfen:<br />

Wer gut kaut, durchmengt alles mit Speichel und hilft<br />

so, die Verdauung zu unterstützen. In kleinen Stücken<br />

purzelt das Essen in die Speiseröhre und wird dort von<br />

Muskeln weitertransportiert, um schliesslich in den<br />

Magen zu fallen <strong>–</strong> ein Auffangbecken mit einem Volumen<br />

von einem knappen Liter. Hier treffen die zerkauten<br />

Stücke auf die Magensäure. Sie enthält spezifische<br />

Verdauungsenzyme, die das Essen in noch kleinere<br />

Stücke zerteilen. Die Nahrungsstücke prallen von<br />

Magenwand zu Magenwand, bis sie die Grösse eines<br />

Sesamkorns erreicht haben.<br />

Am Ende des Magens sitzt ein Muskel, der Pförtner<br />

genannt wird. Er prüft die Grösse der Stücke, bevor er<br />

sie für die Weiterreise freigibt. Dann gelangt das Essen<br />

endlich in den Darm. Mit 5 Metern Länge und 32 Quadratmetern<br />

Oberfläche ist er das grösste Verdauungsorgan.<br />

In ihm befinden sich die verschiedensten Mikroorganismen.<br />

Ihre Aufgabe ist es, ein stabiles Ökosystem<br />

im Körper aufrechtzuerhalten. Der Darm lernt<br />

dafür, zwischen normalen Einflüssen und Schädlingen<br />

zu unterscheiden, um Letztere zu bekämpfen.<br />

Aber natürlich kann der Darm nur mit Dingen arbeiten,<br />

die er kennt. Viele Asiaten haben zum Beispiel eine<br />

Laktose-Intoleranz, weil sie nicht gewohnt sind, Milch<br />

zu trinken. Ihr Darm bildete darum die für deren Verdauung<br />

nötigen Enzyme nie aus. Die Darmflora eines<br />

Menschen aus dem asiatischen Raum sieht also anders<br />

aus als die eines Menschen aus Europa oder Amerika.<br />

Alles wirkt auf den Darm:<br />

Schmetterlinge im Bauch,<br />

Angst oder Stress.<br />

Genauso unterscheidet sich die Darmflora eines Menschen,<br />

der sich gesund ernährt, von jener eines Menschen,<br />

dessen Hauptnahrungsmittel Süssigkeiten sind.<br />

Der Gesundheits-Alleskönner<br />

Doch auch wenn der Darm ein Gewohnheitstier zu sein<br />

scheint: Durch eine gezielte Ernährungsumstellung können<br />

jederzeit positive Veränderungen erwirkt werden.<br />

Wer sich gesund ernährt, senkt das Risiko für Darmerkrankungen,<br />

Hämorrhoidalleiden, Darm- und eventuell<br />

Magenkrebs. Ausserdem werden Blutdruck und<br />

Cholesterinspiegel verbessert. Der Darm nimmt auch<br />

grossen Einfluss auf das Immunsystem und ist so Ur -<br />

sache für viele Krankheiten, die man nie mit ihm in<br />

Verbindung bringen würde. Zum Beispiel Allergien,<br />

Haut erkrankungen und Unverträglichkeiten. Zudem<br />

hat die Darmflora einen enormen Einfluss auf das Aussehen<br />

sowie das Körpergewicht.<br />

Gefühle sind Darmsache<br />

Das Gehirn ist das Organ mit den meisten Nervenzellen<br />

<strong>–</strong> und gleich danach kommt der Darm mit einer ganzen<br />

Million Nervenzellen. Emotionen beeinflussen die<br />

Darmfunktionen da, wo sie entstehen: im limbischen<br />

System, welches mit dem Darm verbunden ist. Dabei<br />

wirkt alles auf den Darm: Schmetterlinge im Bauch,<br />

Angst, Stress. Wenn Adrenalin ausgeschüttet wird, kann<br />

dies die Darmfunktion stören, Blähungen, Völlegefühl,<br />

Verstopfung sind die Folge. Andere Hormone, zum Beispiel<br />

Angsthormone, haben die gegenteilige Wirkung<br />

und der Darm schaltet auf Durchzug. Die Aussage «vor<br />

etwas Schiss haben» kommt also nicht von ungefähr.<br />

Umgekehrt wirkt der Darm auch auf die Gefühle:<br />

95 Prozent der Glückshormone werden im Darm gebildet.<br />

Wer also glücklich sein will, muss seinen Darm in<br />

Schuss halten. Und andersherum gilt: Der Darm merkt<br />

sich psychische Probleme. Wer also einen gesunden<br />

Darm will, sollte möglichst häufig glücklich sein.<br />

Tabuthema Stuhlgang<br />

Bei all diesen Abhängigkeiten stellt sich natürlich die<br />

Frage: Wann ist der Darm gesund? Ob es dem Darm gut<br />

geht, sieht man gut an der Farbe und Konsistenz des<br />

Stuhlgangs. Wenn dieser aussieht wie eine braune Paste,<br />

ist alles in Ordnung. Bei kleinen dunklen Kügelchen,<br />

die das Gefühl hinterlassen, dass noch mehr gehen >>><br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>663


müsste, fängt der Darm an zu kranken. Wenn es<br />

weniger als dreimal pro Woche zu einer Entleerung<br />

kommt, dabei die Menge gering und der Stuhl hart ist,<br />

spricht man von einer Verstopfung. Hier sollte man aber<br />

nicht gleich zu Medikamenten greifen. Viel Flüssigkeit,<br />

eine ausgewogene Ernährung und viel Bewegung sowie<br />

ausreichend Entspannung sind ein gutes Gegenmittel.<br />

Wenn der Darm damit nicht wieder in Schwung kommt,<br />

sollte der Arzt aufgesucht werden. Wenn der Stuhl zu<br />

flüssig ist und sich kaum halten lässt, spricht man von<br />

Durchfall. Gefährlich dabei ist bei längerer Dauer der<br />

Flüssigkeitsverlust. Nach drei Tagen sollte darum ein<br />

Arzt kontaktiert werden.<br />

Unabhängig von der Konsistenz des Stuhls sitzen die<br />

meisten von uns eigentlich falsch auf dem Klo: Für eine<br />

richtige Haltung sollten die Füsse leicht erhöht werden,<br />

so dass die Knie höher als das Becken sind. So rutscht<br />

der Stuhl besser und man muss ihn nicht mit Druck<br />

pressen. Das schont wiederum die Hämorrhoiden.<br />

20 Mal furzen pro Tag<br />

Die Furzforschung <strong>–</strong> ja, so etwas gibt es tatsächlich <strong>–</strong><br />

untersucht, wieso Flatulenzen so unterschiedlich riechen.<br />

30 Tonnen Lebensmittel wandern im Leben durch<br />

den Darm, einige davon verursachen Blähungen, zum<br />

Beispiel bestimmte Zuckerarten, die in Kohl, Bohnen<br />

und Zwiebeln enthalten sind. Gase, die im Körper sind,<br />

müssen auch wieder heraus, und so furzt jeder Mensch<br />

etwa 20 Mal im Tag. Je länger Nahrung im Körper bleibt,<br />

desto mehr Gase können sich entwickeln. Um die Verdauung<br />

zu beschleunigen und so vielleicht weniger zu<br />

furzen, gilt also: nach dem Essen ruhen! Denn Verdauung<br />

ist für den Körper Höchstleistung. Und: Auch wenn<br />

es als unanständig gilt, zu rülpsen und zu furzen: Die<br />

Gase müssen heraus, sie verdauen sich auf keine andere<br />

Weise. Hält man sie zu lange zurück, kommt es zu<br />

Schmerzen. Wenn sie gar nicht entweichen können, zum<br />

Beispiel bei einem Darmverschluss, besteht die Gefahr,<br />

dass der Darm platzt.<br />

Um zu verstehen, wie ein Furz entsteht, müssen wir<br />

nun noch einmal gedanklich in den Darm reisen.<br />

Zunächst gelangt der Essensbrei in den Dünndarm, wo<br />

er durchgeknetet wird <strong>–</strong> Zotten unterstützen diesen<br />

Vorgang. Über die Blutbahn werden die Nährstoffe<br />

abtransportiert und versorgen den Körper mit den nötigen<br />

Stoffen und Energie. Der Dünndarm schiebt alles<br />

Unverarbeitete als Brei weiter in den Dickdarm. Genau<br />

hier entstehen die Gase: Stickstoff, Wasserstoff, Kohlendioxid<br />

<strong>–</strong> der perfekte Furz. Enthält dieser Schwefelverbindungen<br />

von mindestens einem Prozent, riecht er.<br />

Schwefel findet sich in der Ernährung vor allem in tierischen<br />

Produkten wie Fleisch oder Eiern, aber auch in<br />

pflanzlichen Produkten wie Zwiebeln und Knoblauch.<br />

Die individuelle Darmflora entscheidet nun, was mit<br />

dem Schwefel passiert. Je nach Darmflora stinkt es bei<br />

einem Menschen nach dem Essen, während der andere<br />

geruchsfrei flatuliert. Bei starken Blähungen sollte man<br />

die Bestandteile der häufig verwendeten Nahrungsmittel<br />

prüfen. Vor allem Fertiggerichte oder Fast Food<br />

haben oft Zuckerbestandteile, die Blähungen fördern.<br />

Ernährung von Jugendlichen<br />

Gerade die blähende Fertignahrung ist es aber, die Kindern<br />

so gut schmeckt. Und je grösser sie werden, desto<br />

weniger Einfluss hat man auf ihr Essverhalten. Sie holen<br />

sich schnell mit Kollegen einen Burger beim amerikanischen<br />

Riesen oder verpflegen sich über Mittag in der<br />

Mensa, wo sie selten Salat wählen. Obwohl Jugendliche<br />

heutzutage viel über gesunde Ernährung und die Notwendigkeit<br />

von ausreichend Bewegung wissen, halten<br />

sie sich im Alltag selten daran: Pizza siegt über Gemüse,<br />

die Playstation über den Waldspaziergang. Doch Zwang<br />

und Druck helfen gerade in diesem Alter wenig. Sie<br />

vermiesen das Essen und die Stimmung. Bereits vor der<br />

Pubertät sollte man, dem Darm zuliebe, dem Kind ein<br />

gesundes Essverhalten vorleben und schmackhaft<br />

machen. Da der Mensch ein Gewohnheitstier ist, wird<br />

Lässt sich fertiger Fruchtsalat im<br />

Kühlschrank so einfach nehmen<br />

wie Schoggi, hat er eine Chance.<br />

7 Tipps für einen gesunden Darm<br />

Ausgewogene Ernährung besteht aus vielen Ballaststoffen,<br />

Obst und Gemüse, Fleisch und kleinen Mengen Fett.<br />

Die gesunde Nahrung von Anfang an auf dem<br />

Speiseplan haben und auch Jugendlichen möglichst leicht<br />

zugänglich machen. Wenn sich der fertige Fruchtsalat im<br />

Kühlschrank genauso einfach konsumieren lässt wie die<br />

Tafel Schoggi, hat er eine Chance.<br />

Gut kauen und langsam essen <strong>–</strong> was Sie herunterschlingen,<br />

belastet hinterher den Darm.<br />

Ausreichend Flüssigkeit nicht vergessen: Wasser, Tee,<br />

verdünnte Säfte sind gute Flüssigkeitslieferanten.<br />

Bewegung hält den Menschen und seinen Darm in Schuss <strong>–</strong><br />

lieber die Treppe als den Lift nehmen, auch ein Spaziergang,<br />

eine Radtour oder ein Fitnessabo helfen.<br />

Nach dem Essen besser erst einmal ruhen <strong>–</strong> denn Verdauen<br />

ist für den Körper anstrengend.<br />

Für genug Entspannung und gesunden Schlaf sorgen.<br />

64 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Ernährung & Gesundheit<br />

auch der Jugendliche nicht alles vergessen, auch wenn<br />

er gerne einmal einen Burger mit Freunden verdrückt.<br />

Pflegen Sie regelmässige Mahlzeiten mit der ganzen<br />

Familie, damit der Teenager auch Gesundes zu essen<br />

bekommt. Ideal wären pro Tag 30 Gramm Ballaststoffe,<br />

wenig Fett, viel Wasser und Bewegung.<br />

Das regelmässige Familienessen ist zudem eine gute<br />

Möglichkeit, mit Jugendlichen im Gespräch zu bleiben,<br />

Anliegen loszuwerden und über wichtige Themen zu<br />

reden. Am Familientisch werden Probleme besprochen<br />

und Lösungen gefunden. Das wirkt sich positiv auf die<br />

Atmosphäre, aber auch auf den Darm aus.<br />

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Sandra Matteotti<br />

Dr. phil., ist studierte Germanistin und Philosophin. Sie<br />

forschte zu Themen der Literatur, Ethik und Moral und hat<br />

sich in Weiterbildungen mit dem menschlichen Körper und<br />

mit Ernährung befasst. Sie arbeitet als freie Journalistin<br />

und Künstlerin und ist Mutter eines Teenagers.<br />

Buchtipp<br />

Giulia Enders:<br />

Darm mit Charme<br />

Sehr empfehlenswert,<br />

spritzig geschrieben und<br />

informativ. Ullstein, 2<strong>01</strong>4.<br />

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Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>665<br />

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Ernährung & Gesundheit<br />

Weniger einkaufen heisst weniger wegwerfen<br />

Ist das Jogurt noch geniessbar, obwohl das Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist? Dem Portemonnaie und<br />

der Umwelt zuliebe sollte man zweimal nachdenken, bevor man Lebensmittel entsorgt. Text: Regula Thut Borner<br />

Schweizer Haushalte<br />

werfen pro Jahr knapp<br />

<strong>10</strong>0 Kilogramm Nahrungsmittel<br />

weg. Dabei<br />

wäre mehr als die Hälfte<br />

davon noch einwandfrei. Viele<br />

Konsumentinnen und Konsumenten<br />

sind unsicher, was die angegebenen<br />

Haltbarkeitsdaten auf<br />

Lebensmitteln bedeuten, und<br />

werfen sie sicherheitshalber lieber<br />

weg. Das muss nicht sein.<br />

Planen und aufbewahren<br />

Was man nicht kauft, muss man<br />

auch nicht wegschmeissen. Eine<br />

gute Menüplanung und Einkaufslisten<br />

helfen, dass man nur das<br />

einkauft, was man auch wirklich<br />

braucht. Heute ist der Kühlschrank<br />

einer der wichtigsten<br />

Lagerorte. Seine Temperatur sollte<br />

nicht höher als 6 °C sein. Wichtig<br />

ist, den Überblick zu bewahren<br />

und regelmässig auch die hinterste<br />

Ecke des Kühlschranks nach allenfalls<br />

vergessenen Produkten zu<br />

durchstöbern.<br />

Milch: Riecht sie sauer, sollte<br />

man sie entsorgen.<br />

Jogurt, Quark, Frischkäse,<br />

Rahm: Bei einwandfreier<br />

Verpackung sind ungeöffnete<br />

Becher bis zu zwei Wochen über<br />

das MHD hinaus geniessbar. Bei<br />

Schimmelbildung Produkte<br />

wegwerfen.<br />

Käsereste: Kann man auch tiefgefrieren<br />

und später für Gratins<br />

und Käsekuchen verwenden.<br />

Abgepackter Käse ist etwa zwei<br />

Wochen über das MHD hinaus<br />

geniessbar. Schimmel auf Hartkäse<br />

grosszügig wegschneiden<br />

und den Rest sofort verwerten.<br />

Schimmligen Weichkäse immer<br />

entsorgen.<br />

Butter: Bestens geeignet zum<br />

Tiefkühlen. Solange sie nicht<br />

ranzig riecht, kann man sie über<br />

das MHD hinaus verwenden.<br />

Eier: Im Kühlschrank mit dem<br />

Spitz nach unten lagern. Möglichst<br />

frisch verwenden. In den<br />

ersten 20 Tagen hat das Ei<br />

eigene natürliche Enzyme, die<br />

eine Keimvermehrung verhindern.<br />

Ältere Eier zum Backen<br />

verwenden.<br />

Früchte und Gemüse: Kleine<br />

Druckstellen und schrumpelige<br />

Haut sind gesundheitlich unbedenklich.<br />

Faule und schimmlige<br />

Früchte und Gemüse entsorgen.<br />

Kartoffeln: Dunkel und kühl<br />

aufbewahren. Weisse Triebe<br />

können weggeschnitten werden.<br />

Grünlich gefärbte Kartoffeln<br />

entsorgen.<br />

Brot: Für Brotreste gibt es viele<br />

salzige und süsse Rezeptideen.<br />

Schimmliges Brot wegwerfen.<br />

Konfitüre: Hat es Schimmel,<br />

Konfitüre vernichten: Den<br />

Schimmel oben abnehmen<br />

reicht nicht, da die Fäden bis<br />

weit in die Konfitüre hinein<br />

gelangen können.<br />

Regula<br />

Thut Borner<br />

ist dipl. Ernährungsberaterin<br />

HF und<br />

Projektleiterin<br />

Fachbereich<br />

Ernährung<br />

bei Swissmilk.<br />

ernaehrungsberatung@<br />

swissmilk.ch<br />

www.swissmilk.ch<br />

Essen oder entsorgen?<br />

Bei überschrittenem Mindesthaltbarkeitsdatum<br />

(MHD) ist es bei<br />

den meisten Produkten ratsam,<br />

den gesunden Menschenverstand<br />

walten zu lassen und sich auf seine<br />

Sinne zu verlassen. Hinterlässt das<br />

Le bensmittel von Geruch,<br />

Geschmack, Konsistenz und Farbe<br />

her den gleichen Eindruck wie<br />

nicht abgelaufene Ware, dann<br />

kann es noch konsumiert werden.<br />

Hier einige Orientierungspunkte:<br />

66 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Bonbons<br />

Esellager für Kind mit Begleitperson<br />

Fritz+Fränzi verlost 2 × 1 Teilnahme in einem WWF-Lager im Wert von je Fr. 1180.<strong>–</strong><br />

Fotos: © WWF Schweiz / Ramon Lehmann<br />

Der WWF Schweiz motiviert Kinder und Jugendliche zu einem nachhaltigen Lebensstil <strong>–</strong> zum Beispiel<br />

in unseren beliebten Ferienlagern.<br />

Im Esellager im Tessin unternehmen wir <strong>–</strong> zusammen mit elf Langohren <strong>–</strong> Ausflüge in die Natur. Wir putzen,<br />

füttern, umsorgen die liebenswerten Vierbeiner und machen Reitübungen. Neben dem abwechslungsreichen<br />

Programm bleibt viel Zeit zum Spielen und für den gemeinsamen Austausch. Das Esellager findet<br />

vom 18. 7. bis 23. 7. in Casserio (TI) statt.<br />

Gemeinsam für die Natur: Unterstützen Sie den WWF dabei, die Tier- und Pflanzenwelt zu erhalten,<br />

und lernen Sie viel Spannendes über die Natur: www.wwf.ch/familien<br />

Teilnahmeberechtigt sind alle in der Schweiz wohnhaften Personen ab 18 Jahre. Ausgenommen sind die Mitarbeitenden<br />

des WWF Schweiz. Die Preise werden nicht ausbezahlt. Über den Wettbewerb wird keine Korrespondenz geführt.<br />

Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />

Wettbewerbsteilnahme auf www.fritzundfraenzi.ch/bonbons<br />

Teilnahmeschluss: <strong>10</strong>. Januar 2<strong>01</strong>6<br />

Teilnahme per SMS: Stichwort FF WWF an 959 senden (30 Rp./SMS)<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>667


«Wie die Hungrigen<br />

im Süssigkeitenladen»<br />

Pornografie-Webseiten gehören zu den am häufigsten besuchten Internetseiten weltweit.<br />

Professor Jakob Pastötter über die Macht der Bilder, Eltern, die Taschentücher zählen,<br />

und warum Sex im Netz abstumpft. Interview: Bianca Fritz<br />

trauen gewinnt und ihnen zuhört.<br />

Nur gibt es solche Studien bis heute<br />

nicht.<br />

Trotzdem sehen Sie eine Gefahr darin,<br />

wenn Jugendliche auf Pornoseiten<br />

herumsurfen.<br />

Das liegt an einer einfachen psychologischen<br />

Grundregel: Bilder sind<br />

immer stärker als Worte. Wir können<br />

die Kinder also noch so gut darüber<br />

aufklären, dass Pornos nicht der<br />

Realität entsprechen <strong>–</strong> gegen das, was<br />

sie mit eigenen Augen sehen, kommen<br />

Worte nicht an. Zum Beispiel<br />

wird ja beim Analsex nie gezeigt,<br />

dass er häufig mit Schmerzen verbunden<br />

ist oder dass es lange Spülungen<br />

braucht, damit alles so sauber<br />

zugeht. Jugendliche stehen vor der<br />

extrem schwierigen Aufgabe, Realität,<br />

Fiktion und dann auch noch die<br />

eigenen Wünsche auseinanderzuhalten.<br />

Eigene Erfahrungen könnten<br />

ihnen dabei helfen, aber die haben<br />

sie oft noch nicht gemacht, wenn sie<br />

auf diese Masse an Pornovideos stossen,<br />

die wirklich jede Vorliebe bedienen.<br />

Und das mitten in der hormonellen<br />

Verwirrung der Pubertät. Das<br />

ist ein bisschen so, wie wenn der<br />

Hungrige im Süssigkeitenladen<br />

steht.<br />

Ändert sich das, wenn es zu echten<br />

Erfahrungen kommt? Ist Sex mit<br />

einem Partner nicht befriedigender<br />

als Pornografie?<br />

Das geben alle Befragten an, ja. Das<br />

liegt auch daran, dass all unsere Sinnesorgane<br />

mitbeteiligt sind. Aber<br />

Herr Pastötter, durch das Internet<br />

kommen heute auch Jugendliche ganz<br />

leicht an Pornografie. Welchen Einfluss<br />

hat das auf ihre Sexualität?<br />

Wenn man das so leicht sagen könnte.<br />

Denn die meisten Forschungen<br />

über Sexualität stützen sich auf die<br />

Selbsteinschätzung der Befragten.<br />

Nur: Nicht einmal Er wachsene<br />

schätzen sich immer richtig ein. Wie<br />

wollen es da Jugendliche tun, die ihre<br />

Sexualität doch gerade erst entdecken?<br />

Warum sind Selbstauskünfte in<br />

Sachen Sexualität so schwierig?<br />

Ein einfaches Beispiel: Schon die<br />

Frage, wie häufig man masturbiert,<br />

ist doch enorm schwierig zu beantworten.<br />

Wer führt denn darüber<br />

Buch? Und das kann ja diesen Monat<br />

ganz anders sein als letzten. Dazu<br />

kommen Vorstellungen davon, wie<br />

oft man etwas tun sollte. Und es gibt<br />

sogar Geschlechtsunterschiede:<br />

Wenn wir Männer fragen, wie viele<br />

Sexpartnerinnen sie hatten, neigen<br />

diese dazu, zu schätzen. Frauen hingegen<br />

zählen. So kommen sie zu<br />

unterschiedlichen Ergebnissen. Und<br />

schädliches Verhalten, zum Beispiel<br />

«zu viel Pornos gucken», schreiben<br />

wir sowieso nur den anderen zu.<br />

Fragebögen taugen also Ihrer Meinung<br />

nach nichts. Wie kann man jugendliche<br />

Sexualität anders erforschen?<br />

Zum Beispiel indem man einzelne<br />

Jugendgruppen begleitet <strong>–</strong> an verschiedenen<br />

Orten, in unterschiedlichen<br />

Milieus. Indem man ihr Verwenn<br />

wir mit der Pornografie gelernt<br />

haben, dass hauptsächlich das Sehorgan<br />

stimuliert werden muss, sind<br />

wir beim echten Sex verwirrt oder<br />

gar enttäuscht. Junge Menschen<br />

haben ein Handicap, wenn sie so in<br />

eine Beziehung treten. Deshalb treffen<br />

sie Aussagen wie: «Ich habe das<br />

Gefühl, immer so agieren zu müssen,<br />

als wäre eine Kamera auf mich<br />

gerichtet.» Zudem ist der Orgasmus<br />

meist intensiver, wenn man alleine<br />

und mit Pornografie masturbiert.<br />

Nicht nur weil man hier manuell<br />

feintunen kann, sondern weil die<br />

Reize sehr stark sind. Und weil man<br />

jederzeit weiterklicken kann, wenn<br />

einen etwas nicht oder nicht mehr<br />

erregt.<br />

Besteht dabei auch die Gefahr, gegen<br />

die Reize des Partners abzustumpfen?<br />

Natürlich! Wenn ich gelernt habe,<br />

dass jede nur erdenkliche Art von<br />

Sex mit unterschiedlichen Partnern<br />

jederzeit und ohne Aufwand verfügbar<br />

ist und ich dabei auch noch<br />

einen richtig guten Orgasmus erleben<br />

kann, hat mein Partner ein<br />

Pro blem. Auch hier gibt es keine<br />

verlässlichen Zahlen, aber meine<br />

Kol legen und ich haben schon jetzt<br />

17-, 18-, 19-Jährige in der Beratung,<br />

die mit ihrer Freundin im Bett liegen<br />

und die nichts mehr anmacht.<br />

Die meisten Kinder und Jugendlichen<br />

ekeln sich doch, wenn sie erstmals auf<br />

pornografisches Material stossen ...<br />

Und deshalb verharmlosen auch viele<br />

das Problem. Aber es gibt das Phä­<br />

68 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Digital & Medial<br />

Pornokonsum<br />

schläfert auch<br />

die Lust auf den<br />

Partner ein.<br />

Foto: Gallery Stock<br />

nomen der Angstlust. Dieses kennen<br />

wir von Horrorfilmen. Wir finden<br />

sie schrecklich, lernen aber, dass sie<br />

uns auch Lust bereiten, wenn wir nur<br />

oft genug hinsehen. Dann versprechen<br />

sie sogar einen ganz besonderen<br />

Reiz.<br />

Haben Jugendliche heute früher Sex?<br />

Eher im Gegenteil. Wir lernen, unsere<br />

Bedürfnisse nicht mehr auszuleben,<br />

sondern stattdessen zuzusehen.<br />

Es wird sogar eine Hemmschwelle<br />

aufgebaut durch die Pornografie,<br />

weil die Messlatte so verdammt hoch<br />

liegt. Sexualität wirklich zu leben,<br />

macht ausserdem auch viel mehr<br />

Arbeit.<br />

Was können Eltern gegen die Macht<br />

der Bilder tun? Ihren Kindern romantische<br />

Liebesfilme zeigen?<br />

Das ist wirklich eine schwierige Frage.<br />

Verständnis dafür zeigen, dass<br />

Sexualität überwältigend ist. Und<br />

eine Atmosphäre schaffen, in der<br />

Kinder Fragen stellen können. Auf<br />

die Gefahren der Pornografie hinweisen,<br />

aber bloss nicht die Taschentücher<br />

zählen, welche die Jungs verbrauchen.<br />

Und natürlich: liebevolle<br />

Beziehungen vorleben, damit Kinder<br />

und Jugendliche deren Wert erkennen.<br />

Nicht zu unterschätzen ist auch,<br />

dass Jugendliche ihre Bedürfnisse<br />

kennen sollten. Pornografie hat ja oft<br />

nichts mehr damit zu tun, dass der<br />

Körper nach Befriedigung verlangt<br />

<strong>–</strong> sie funktioniert auch, wenn der<br />

Körper eigentlich schon genug hat.<br />

Es ist reiner Konsum eines Produktes.<br />

Im Kanton Zürich wurde einmal der<br />

Vorschlag diskutiert, Pornografie im<br />

Schulunterricht anzusehen und zu<br />

besprechen ...<br />

Das ist sehr schwierig. Schulklassen<br />

sind Zwangsgemeinschaften. Da<br />

sollte man nichts zeigen, was die<br />

Schamgrenze überschreitet. Das<br />

führt doch nur dazu, dass sich die<br />

Coolen besonders aufspielen und<br />

sich die Ruhigen noch weiter zurückziehen.<br />

Eventuell wäre es in freiwilligen<br />

Gruppen denkbar <strong>–</strong> zum Beispiel<br />

in Form eines Workshops bei<br />

einer Familienberatung. Aber es<br />

bleibt ein rechtliches Problem: Er ­<br />

wachsene dürfen Kindern im Normalfall<br />

keine Pornografie vorführen.<br />

Und auch wenn Jugendliche intellektuell<br />

etwas verstanden haben,<br />

muss das noch lange nicht handlungsleitend<br />

sein.<br />

Jakob Pastötter<br />

Professor, ist Präsident der Deutschen<br />

Gesellschaft für sozialwissenschaftliche<br />

Sexualforschung und bietet Sexualberatung<br />

per Skype an <strong>–</strong> auch für Jugendliche und<br />

deren Eltern. www.sexualitaetleben.de<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>669


Lernen, wann, wo, wie und<br />

mit wem es mir gefällt?<br />

Das Konzept der erweiterten Lernwelten zeigt<br />

Ideen, wie die Schule Schülerinnen und Schüler<br />

auf die digitale Arbeitswelt vorbereiten kann.<br />

Text: Michael In Albon<br />

Das Arbeitsleben hat<br />

sich in den vergangenen<br />

Jahren stark verändert.<br />

Angestellte<br />

haben heute immer<br />

häufiger die Wahl: die Wahl zwischen<br />

Homeoffice oder physischer<br />

Präsenz im Unternehmen, die Wahl<br />

zwischen Grossraumbüro, Einzelbüro<br />

und Rückzugsraum <strong>–</strong> je nach Lust<br />

und Laune. Man könnte von «launebasiertem<br />

Arbeiten» sprechen.<br />

Was bedeutet das nun für die Schule,<br />

die unsere Kinder auf die Arbeitswelt<br />

von morgen vorbereitet? Wie<br />

kann «launebasiertes Lernen» stattfinden?<br />

Bei der Suche einer Antwort traf<br />

ich auf das Konzept der «erweiterten<br />

Lernwelten». Dieses pädagogische<br />

Konzept verknüpft analoges und<br />

virtuelles Lernen. Seine Grundidee<br />

lautet: Lernen mit Unterstützung<br />

des Internets öffnet den klassischen<br />

geschlossenen Lernalltag und weitet<br />

ihn aus <strong>–</strong> inhaltlich, sozial und<br />

räumlich. Ist die Schule der Zukunft<br />

also nur noch ein gelegentlicher<br />

Treffpunkt für Schülerinnen und<br />

Schüler, die an einem bestimmten<br />

Projekt interessiert sind?<br />

Individuelle Lernwege, Lernorte und<br />

Lernzeiten<br />

So könnte Lernen 2025 aussehen: Es<br />

findet in einer Cloud statt, wo die<br />

Daten über die Schülerinnen und<br />

Schüler gespeichert sind <strong>–</strong> Prüfungsergebnisse<br />

etwa und erreichte Kompetenzen.<br />

Wie die Daten in die<br />

Cloud wandern? Einerseits dokumentieren<br />

die Schüler selber ihre<br />

schulische und persönliche Entwicklung,<br />

andererseits arbeiten auch<br />

Lehrpersonen und Eltern in der<br />

Cloud. Der Lehrer erstellt zu einzelnen<br />

Themen Aufgaben und gliedert<br />

sie nach Kompetenzen. Die Schüler<br />

erarbeiten die Aufgaben selbständig,<br />

der Lehrer bewertet diese Inhalte<br />

und weist den Schülern neue individuelle<br />

Aufgaben zu.<br />

Ein typischer Tag könnte so aussehen,<br />

dass der Schüler die Schule<br />

betritt, sich mit der Lehrperson<br />

berät, seinen individuellen Lernweg<br />

für den Tag, die Woche oder den<br />

Monat festlegt und sich «auf seinen<br />

Lernweg» macht. Dieser kann ihn in<br />

Schulungsräumen oder in einem<br />

Café mit anderen Schülerinnen und<br />

Schülern zu einem intensiven Austausch<br />

in der Gruppe zusammenführen,<br />

so dass soziales Lernen weiterhin<br />

ein Bestandteil bleibt.<br />

Sein Weg kann ihn aber auch in<br />

eine Vorlesung, in ein persönliches<br />

Ge spräch, in ein Lernspiel oder digital<br />

zu Video-Tutorials, Skype-Besprechungen<br />

oder Online-Lernspielen<br />

führen. Der Lernweg kann auch<br />

in eine stille Arbeit am eigenen<br />

Arbeitsplatz münden <strong>–</strong> im eigenen<br />

Zimmer zu Hause etwa oder im<br />

Wohnzimmer der Grosseltern.<br />

Unterstützt durch mobile Endgeräte,<br />

die überall Zugang zu Wissen<br />

ermöglichen, werden neue Orte zu<br />

Lernorten. Das Lernen wird durch<br />

das Konzept der erweiterten Lernwelten<br />

zudem weniger zeitgebunden.<br />

Das verlangt von Schulen und<br />

auch Eltern eine grosse Offenheit,<br />

denn Schülerinnen und Schüler<br />

können ihren Unterricht weitgehend<br />

selber organisieren. Sie kommen<br />

und gehen, wann es ihnen<br />

passt. Vielleicht brauchen sie <strong>–</strong> einzeln<br />

oder in Gruppen <strong>–</strong> Unterstützung<br />

und Begleitung. Genau so, wie<br />

es heute in der Arbeitswelt immer<br />

häufiger funktioniert.<br />

Wohin Schulen steuern, wissen<br />

wir nicht. Und der Schulalltag verändert<br />

sich auch nicht über Nacht.<br />

Eines ist aber sicher: Digitale Geräte<br />

haben längst Einzug in den Schulalltag<br />

gehalten. Wie schnell und<br />

stark sie ihn verändern, wird sich<br />

zeigen.<br />

Michael In Albon<br />

ist Jugendmedienschutz-Beauftragter<br />

von Swisscom.<br />

Auf Medienstark finden Sie Tipps und interaktive<br />

Lernmodule für den kompetenten Umgang<br />

mit digitalen Medien im Familienalltag.<br />

swisscom.ch/medienstark<br />

70 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


CHF 9.50<br />

EUR 8.50<br />

Digital & Medial<br />

70 Prozent<br />

der Schweizer Kinder zwischen 6 und 13 Jahren lesen mindestens einmal<br />

pro Woche in der Freizeit in einem Buch.<br />

Das ergab die repräsentative MIKE-Studie der Zürcher Hochschule<br />

für Angewandte Wissenschaften.<br />

Sich mit Flüchtlingen<br />

verständigen<br />

Wie können hiesige Kinder mit den ankommenden<br />

Flüchtlingskindern kommunizieren?<br />

Darüber machen sich Medien<br />

und Verlage Gedanken. Die Sendung mit<br />

der Maus hat <strong>–</strong> auf Wunsch von jungen<br />

Zuschauern <strong>–</strong> einen Teil ihrer Lach- und<br />

Sachgeschichten auf Arabisch, Kurdisch und<br />

Dari übersetzt. Zu finden unter: www.wdrmaus.de/sachgeschichten/maus-international.<br />

Der Verlag Ars-Edition hat ausserdem<br />

ein Willkommens-ABC herausgebracht, das<br />

einfache deutsche Begriffe mit Bildern lehrt.<br />

Dieses gibt es kostenlos als PDF, App oder<br />

als E-Book: www.willkommensabc.de.<br />

Zu viel Facebook<br />

gefährdet Mädchen<br />

Wer mehr als drei Stunden pro Tag auf<br />

sozialen Netzwerken wie Facebook,<br />

Twitter und Instagram verbringt,<br />

gefährdet seine psychische Gesundheit.<br />

Das besagt eine aktuelle Studie<br />

des britischen Office for National<br />

Statistics. Demnach haben Jugendliche<br />

zwischen <strong>10</strong> und 15 Jahren, die<br />

viel Zeit in den Netzwerken verbringen,<br />

ein doppelt so hohes Risiko,<br />

psychische Probleme zu bekommen,<br />

wie Jugendliche, die dieses Angebot<br />

gar nicht nutzen. Mädchen sind<br />

besonders häufig exzessive Nutzer <strong>–</strong><br />

und damit gefährdeter als Jungen.<br />

App-Tipp<br />

Schattenbilder<br />

ar<br />

Fritz+Fränzi-App<br />

downloaden, starten,<br />

Seite scannen und<br />

Szenen aus dem<br />

Shadowmatic-Spiel<br />

sehen.<br />

«Shadowmatic» ist eine spannende und ziemlich knifflige<br />

Denkspiel-App für ältere Kinder und Erwachsene.<br />

In toll gemachtem 3-D-Design brilliert die App mit<br />

Grafik und Sound. Zum Spielprinzip: Ein undefinierbarer,<br />

abstrakter Körper schwebt in der Luft, durch<br />

Wischen auf iPad oder iPhone kann man ihn in alle<br />

Richtungen drehen. Ein Lichtkegel wirft von dem<br />

Gegenstand einen Schatten auf die Wand. Man dreht so<br />

lange am Objekt, bis der Schatten einen klaren Gegenstand<br />

abbildet. Es gibt schwierigere Level, bei denen der<br />

Körper geteilt wurde und die einzelnen Stücke erst richtig<br />

verbunden werden müssen. Sechs leuchtende Punkte<br />

zeigen an, wie nah man der Lösung ist. Die App gibt es<br />

in vielen Sprachen, unter anderem auf Deutsch. Das<br />

Spiel fördert räumliches Sehen und logisches Denken<br />

und macht viel Spass. Da die Lösung schon etwas<br />

schwierig sein kann, empfehlen wir die App ab zehn<br />

Jahren. Und auf jeden Fall auch den Eltern. Insgesamt<br />

gibt es zehn Räume <strong>–</strong> jeder hat eine eigene Sound-Atmosphäre<br />

und entsprechend passende Schattenfiguren.<br />

Fazit: eine sehr hübsch gestaltete und gut gemachte App<br />

für kleine und grosse Rätselfans <strong>–</strong> sehr zu empfehlen!<br />

Erhältlich auf iTunes für drei Franken.<br />

Die App-Kritik wurde mit freundlicher Genehmigung von<br />

ene-mene-mobile.de veröffentlicht <strong>–</strong> der Webseite für Kinder-App-Rezensionen<br />

von zwei jungen Frauen aus Berlin.<br />

Foto: ZVG<br />

Grosseltern MAGAZIN<br />

# <strong>10</strong>/ Oktober <strong>2<strong>01</strong>5</strong><br />

Gross-<br />

eltern<br />

im<br />

Abo<br />

Das erste<br />

MAGAZIN FÜR<br />

GROSSELTERN<br />

in der Schweiz.<br />

Schenken Sie Ihren Eltern<br />

und Schwiegereltern<br />

als Dankeschön ein<br />

Abonnement des neuen<br />

Magazins für Grosseltern.<br />

# <strong>10</strong> // Oktober <strong>2<strong>01</strong>5</strong><br />

Grosseltern<br />

Mein Enkel mit<br />

dem Down-Syndrom<br />

Wie Kyle seine Nonna auf Trab hält (S. 20)<br />

# 11/ Oktober <strong>2<strong>01</strong>5</strong><br />

Grosseltern MAGAZIN<br />

Grosseltern MAGAZIN<br />

Grosseltern MAGAZIN<br />

Grosseltern<br />

www.grosseltern-magazin.ch<br />

Familienrezepte<br />

aus Afghanistan<br />

Wie Flüchtlinge kochen (S. 38)<br />

Das Magazin über das Leben mit Enkelkindern<br />

Schellen-Ursli<br />

Weshalb der Engadiner Bub bis heute<br />

Grosseltern und Enkel begeistert (S. 24)<br />

Grosseltern MAGAZIN<br />

# 11 / November <strong>2<strong>01</strong>5</strong><br />

www.grosseltern-magazin.ch<br />

Das Magazin über das Leben mit Enkelkindern<br />

Inkl. Dossier<br />

DIGITALES<br />

LEBEN<br />

ab Seite 48<br />

Wenn die Kinder<br />

Heimweh haben<br />

Was hilft gegen die Tränen? (S. 30)<br />

GROSSMÜTTER<br />

IM TIERREICH<br />

Bei Elefanten ist die Oma Babysitterin<br />

und Boss <strong>–</strong> wie Claudy in Knies Kinderzoo. (S. 38)<br />

# 09/ September <strong>2<strong>01</strong>5</strong><br />

Diagnose ADHS<br />

Wie Grosseltern einen hyperaktiven Enkel<br />

unterstützen können (S. 26)<br />

Grosseltern<br />

Grosseltern MAGAZIN<br />

Wenn der Hund<br />

die Enkel anknurrt<br />

Tipps einer Tierexpertin (S. 26)<br />

Inkl. Dossier<br />

GROSSELTERN<br />

IN EUROPA<br />

ab Seite 48<br />

Mit den Enkeln<br />

auf die Piste<br />

So gelingen gemeinsame Skiferien (S. 34)<br />

NICHT<br />

VERWANDT UND<br />

DOCH GANZ NAH<br />

Wahl-Opa Fritz betreut regelmässig drei Mädchen<br />

einer befreundeten Familie. (S. 20)<br />

0<strong>01</strong>_GEMag_Titel_1115.indd 1 15.<strong>10</strong>.15 20:56<br />

# 09 / September <strong>2<strong>01</strong>5</strong><br />

www.grosseltern-magazin.ch<br />

Das Magazin über das Leben mit Enkelkindern<br />

0<strong>01</strong>_GEMag_Titel_<strong>10</strong>15.indd 1 <strong>10</strong>.09.15 17:53<br />

Wahlen <strong>2<strong>01</strong>5</strong><br />

Das sagen die Parteichefs über die<br />

Grosseltern-Generation (S. 30)<br />

DIMITRI<br />

UND SAMUEL<br />

Ein Gespräch mit Dimitri und seinem Enkel über<br />

gemeinsame Auftritte, Familie und Poesie. (S. 20)<br />

0<strong>01</strong>_GEMag_Titel_0915.indd 1 13.08.15 17:15<br />

CHF 9.50<br />

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Jetzt bestellen unter<br />

www.grosselternmagazin.ch/abo<br />

oder per<br />

Telefon 031 740 97 53.<br />

CHF 9.50<br />

EUR 8.50<br />

Chöre für Grosseltern<br />

und ihre Enkel<br />

Das neue Projekt von Linard Bardi l (S. 38)<br />

DIE SCHULE VON<br />

A BIS Z<br />

Inkl. Dossier<br />

ab Seite 52<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6<br />

GEMag_FritzFraenzi_43x252_23<strong>10</strong>15.indd 1 23.<strong>10</strong>.15 12:0


Digital & Medial<br />

Ich bitte die Tochter, ihrem Bruder etwas von ihrer Banane abzugeben.<br />

Sie gibt ihm die Schale. So fangen ganz grosse Politikerkarrieren an.<br />

Tweet von @marlenehelene79<br />

Fotos: ZVG<br />

«Jedes Kind wird von<br />

uns angerufen»<br />

Auf zambo.ch unterhalten sich mehrere<br />

Tausend Kinder <strong>–</strong> im geschützten Raum. Die<br />

fleissigsten Schreiber werden oft Zambo-<br />

Reporter oder Akteure für eine Geschichte im<br />

Radio und Fernsehen SRF. Zambo-Redaktionsleiterin<br />

Susanne Eberhart über die Community.<br />

Interview: Bianca Fritz<br />

Frau Eberhart, Medienpädagogen<br />

empfehlen soziale Netzwerke erst ab 12 <strong>–</strong><br />

bei zambo.ch können sich Kinder ab 6<br />

unterhalten. Wie passt das zusammen?<br />

Zunächst einmal: Die meisten unserer<br />

Nutzer sind zwischen 9 und 12 Jahre alt.<br />

Das Chatten und Bloggen macht ja erst<br />

Spass, wenn man schon einigermassen<br />

schnell schreiben kann. Wir haben aus<br />

Sicherheitsgründen sehr hohe Hürden,<br />

um sich in der Community anzumelden.<br />

Zunächst bekommen Eltern und<br />

Kinder jeweils eine Mail und müssen<br />

bestätigen, dass sie mit den Zambo-<br />

Regeln einverstanden sind. Dann wird<br />

jedes Kind von uns angerufen <strong>–</strong> wir<br />

möchten hören, ob sich wirklich ein<br />

Kind meldet.<br />

Wie läuft so ein Telefongespräch ab?<br />

Wir stellen uns vor und erklären dem<br />

Kind ein paar grundlegende Regeln der<br />

Community. Dass man anständig zueinander<br />

sein soll, aber vor allem auch,<br />

dass man nie private Daten wie Telefonnummern<br />

oder Adressen posten darf.<br />

Das wirkt <strong>–</strong> wir müssen ganz selten<br />

jemanden verwarnen, es kam fast noch<br />

nie vor, dass ein Kind in der Community<br />

nicht mehr mitmachen durfte.<br />

Was sind die Themen, die Kinder in der<br />

Community besonders beschäftigen?<br />

Schulnoten, was man in den Ferien<br />

macht, die Show des Turnvereins, ungerechte<br />

Lehrer, ein Kind aus der Klasse,<br />

das gemobbt wird ... Das ist jeden Tag<br />

ein bisschen anders. Wir haben damit<br />

natürlich auch eine Schatzkiste an Themen<br />

und können bei Zambo direkt<br />

über das berichten, was Kinder wirklich<br />

interessiert.<br />

Und mit 15 ist dann einfach so Schluss?<br />

Ja, Kindern, die so lange dabei sind,<br />

fällt der Abschied oft schwer und sie<br />

schreiben noch eine Abschlussnachricht<br />

am Tag vor dem 15. Geburtstag.<br />

www.zambo.ch<br />

ar<br />

Laden<br />

und starten<br />

Sie die Fritz+Fränzi-App,<br />

scannen Sie diese<br />

Seite und sehen Sie<br />

den neuen Film von<br />

Fabian Grolimund.<br />

Grausamer Klassenchat<br />

Bestimmt würden viele Eltern gerne<br />

einmal nachlesen, was die Kinder da in<br />

ihrem Klassenchat so schreiben. Tun es<br />

aber nicht <strong>–</strong> der Privatsphäre zuliebe. Der<br />

ungewöhnliche Roman «Der Chat»,<br />

geschrieben vom Schweizer Vater-und-<br />

Tochter-Paar Mirjam und Gregor Klaus,<br />

kann Abhilfe schaffen, denn er ist ein<br />

einziger Chatverlauf zwischen Jugendlichen<br />

<strong>–</strong> authentisch und nicht nur sprachlich<br />

zuweilen ziemlich grausam. Schon<br />

nach wenigen Seiten ist klar, wer den Ton<br />

angibt in dieser Gruppe, wer es zu Hause<br />

oder in der Schule recht schwer hat und<br />

auch wer von der Gruppe als Opfer<br />

auserkoren wurde. Der Ton spitzt sich zu,<br />

und schnell ist klar <strong>–</strong> das kann nicht gut<br />

ausgehen, weder im Chat noch im Leben<br />

abseits des Smartphonebildschirms.<br />

Klaus/Klaus: Der Chat. Cosmos <strong>2<strong>01</strong>5</strong>,<br />

215 Seiten, 29 Franken<br />

Neuer Biber-Film<br />

Im aktuellen Film der Serie «Was<br />

Kinder stark macht» erfahren Sie,<br />

wie man wertvolle Zeit zu zweit für<br />

Eltern und Kinder auch in stressigen<br />

Zeiten in den Alltag integriert.<br />

72 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Psychiatrie,<br />

Psychotherapie und<br />

Psychosomatik für<br />

Kinder und Jugendliche<br />

Gefunden:<br />

Selbstwertgefühl.<br />

Zuerst war es ein tolles Gefühl, abzunehmen.<br />

Ich dachte, so würde ich perfekt<br />

werden, mehr Anerkennung und Liebe<br />

bekommen. Doch es war nicht so. Also<br />

wollte ich noch dünner werden. Bis ich<br />

zusammenbrach. In der Clienia habe<br />

ich gelernt, wieder gern zu essen, ohne<br />

ständig Kalorien zu zählen, und mich zu<br />

mögen, wie ich bin <strong>–</strong> ein gutes Lebensgefühl<br />

für mich.<br />

Wir übernehmen in der Clienia Privatklinik Littenheid<br />

die stationäre Behandlung von Kindern und<br />

Jugendlichen ab Vorschulalter bis zum Alter von<br />

18 Jahren mit Störungsbildern aus dem gesamten<br />

Spektrum der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Die<br />

psychotherapeutische Behandlung erfolgt durch<br />

verhaltenstherapeutische, systemische und tiefenpsychologische<br />

Verfahren, eingebettet in einem<br />

milieutherapeutischen und sozialpädagogischen<br />

Rahmen. Die Zusammenarbeit mit Eltern, Lehrern,<br />

Therapeuten und Institutionen ist uns ein wichtiges<br />

Anliegen.<br />

Im Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> eröffnen wir unseren Erweiterungsbau<br />

mit 16 zusätzlichen stationären Plätzen<br />

für Kinder und Jugendliche und erhöhen unsere<br />

Kapazität damit auf insgesamt 52 Betten.<br />

Mehr Informationen unter www.clienia.ch.<br />

Führend in Psychiatrie<br />

und Psychotherapie<br />

<strong>01</strong>4-0315<strong>01</strong>_Inserat_Fritz_Fraenzi.indd 1 20.11.15 14:50<br />

Werden Sie Gastfamilie<br />

Wir ermöglichen jährlich über 200 Jugendlichen aus aller Welt einen unvergesslichen<br />

Austausch bei uns in der Schweiz.<br />

Schenken auch Sie solche Momente, öffnen Sie<br />

Ihr Herz und wachsen Sie als Familie an einer<br />

neuen Erfahrung.<br />

Engagieren Sie sich als Gastfamilie bei<br />

AFS Schweiz. Wir betreuen und unterstützen<br />

Sie während diesem<br />

interkulturellen Abenteuer!<br />

info@afs.ch<br />

044 218 19 19<br />

Lassen Sie sich von den Erlebnissen<br />

unserer Gastfamilien<br />

inspirieren: afs.ch/berichte<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>673


Spielwelten zum Anfassen<br />

Ein ausgewachsener, dreidimensionaler Western auf dem Stubentisch, eine Nacht unter Werwölfen,<br />

das Zusammenstellen eines bunten Flickenteppichs: Analoge Spielwelten sind vielfältig wie<br />

das Leben selbst und bringen die ganze Familie zu einem gemeinsamen emotionalen Erlebnis<br />

zusammen. Text: Tom Felber<br />

Fotos: Cathy Yeulet / 123RF, ZVG<br />

Machen Computerspiele den analogen Brettspielen<br />

nicht langsam den Garaus? <strong>–</strong> So lautet eine der meistgestellten<br />

Fragen an Spiele-Journalisten. Nein, überhaupt<br />

nicht! Das Gegenteil ist der Fall: Weil sich die<br />

Digitalisierung in immer weitere Teile des Freizeitund<br />

Alltagslebens frisst, steigt das Bedürfnis nach nicht digitalen,<br />

unmittelbaren, gemeinsamen emotionalen Erlebnissen. Bei analogen<br />

Gesellschaftsspielen sieht man sich in die Augen und bekommt die<br />

Gefühle der Mitspieler ungefiltert mit: Bluffen, verhandeln, jemanden<br />

austricksen, sich ärgern, sich freuen haben eine ganz andere Qualität.<br />

Wir stellen fünf aktuelle Spiele vor, die auch Spielemuffel faszinieren<br />

können und Kinder und Jugendliche an den Spieltisch zurückholen.<br />

Ihr Kind kann<br />

nicht verlieren?<br />

Laden und starten<br />

Sie die Fritz+Fränzi-App,<br />

scannen Sie diese Seite.<br />

Im Video helfen Fabian<br />

Grolimund und der<br />

Biber weiter.<br />

74 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Service<br />

Für Smartphone-Junkies<br />

Werwölfe <strong>–</strong> Vollmondnacht<br />

Hier darf man sogar das Smartphone zum Spiel mitbringen:<br />

Ein Dorf versucht herauszufinden, wer sich<br />

nachts in Werwölfe verwandelt. Das Werwölfe-Grossgruppenspiel<br />

erfreut sich bei Jugendlichen grosser<br />

Beliebtheit und ist aus Ski- und Klassenlagern nicht<br />

wegzudenken. Dank der neuen Ravensburger-Version<br />

und einer App, die gratis aufs Smartphone heruntergeladen<br />

wird, braucht es nun keine Fussballmannschaft<br />

mehr dazu. Das Spiel funktioniert bereits ab drei Mitspielern.<br />

Niemand scheidet vorzeitig aus. Die Moderation<br />

übernimmt die App. Jeder Spieler bekommt eine<br />

Rollenkarte zugelost, drei Rollenkarten sind in der Mitte.<br />

Eine Partie spielt in nur einer Nacht. Alle schliessen<br />

die Augen. Nacheinander werden Charaktere wie die<br />

Seherin oder die Unruhestifterin aufgerufen, die sich<br />

Karten ansehen und/oder vertauschen dürfen. Wer<br />

noch dachte, ein Werwolf zu sein, wird am Morgen<br />

selber überrascht.<br />

«Werwölfe <strong>–</strong> Vollmondnacht» von Ted Alspach<br />

und Akihisa Okui<br />

Kommunikationsspiel für 3 bis <strong>10</strong> Spieler ab 8 Jahren<br />

Spielzeit: etwa <strong>10</strong> Minuten<br />

Preis: Fr. 18.<strong>–</strong><br />

Ravensburger<br />

www.ravensburger.com<br />

Für Comic- und Western-Fans<br />

Colt Express<br />

Die Spielidee zu «Colt Express» kam Spieleautor<br />

Christophe Raimbault bei der Lektüre von Lucky-Luke-<br />

Comics. Nicht nur die Grafik des «Spiels des Jahres<br />

<strong>2<strong>01</strong>5</strong>» ist im typischen französischen Comic-Stil gehalten,<br />

die Spielatmosphäre imitiert tatsächlich den Slapstick<br />

einer Westernparodie. Gespielt wird auf einem<br />

dreidimensionalen Zug, der vor der ersten Partie<br />

zusammengesteckt werden muss. Jeder Spieler<br />

bekommt einen Charakter mit einer Sonderfähigkeit<br />

und versucht, den Zug zu überfallen und dabei am<br />

meisten Beute zu machen. Die Spieler «programmieren»<br />

mit ihren Spielkarten den Ablauf zunächst wie in<br />

einem Drehbuch: Karten, die das Bewegen, Klettern,<br />

Schiessen oder Prügeln erlauben, werden verdeckt oder<br />

offen auf einem Stapel abgelegt. Erst nach einer Runde<br />

wird der Stapel umgedreht und Karte für Karte mit den<br />

Figuren eins zu eins auf dem Zug ausgewertet. Das<br />

sorgt für Chaos und witzige Überraschungen.<br />

«Colt Express» von Christoph Raimbault<br />

Brettspiel für 2 bis 6 Spieler ab <strong>10</strong> Jahren<br />

Spielzeit: etwa 40 Minuten<br />

Preis: Fr. 39.90<br />

Ludonaute<br />

www.asmodee.com<br />

Für Leute, die nicht<br />

verlieren können<br />

The Game<br />

Viele Menschen können nicht damit umgehen, wenn sie<br />

gegen andere verlieren. Bei kooperativen Spielen treten alle<br />

gemeinsam im Team gegen ein Spielsystem an. Ist die<br />

Gruppe dabei nicht so erfolgreich, ist geteiltes Leid halbes<br />

Leid. «The Game» ist ein Kartenspiel mit minimalistischen<br />

Regeln. Theoretisch beschrieben wirkt es nicht besonders<br />

speziell, wer aber selber mitspielt, gerät sofort in eine<br />

ungeheure emotionale Sogwirkung. Es ist eine gruppendynamische<br />

Patience. 98 Karten mit den Zahlenwerten<br />

von 2 bis 99 sollen auf vier Stapel abgelegt werden. Wer an<br />

der Reihe ist, muss mindestens zwei seiner Karten loswerden,<br />

blockiert dadurch aber meistens die Möglichkeiten<br />

der Mitspieler. Es ist verboten, über seine Kartenwerte zu<br />

reden. Trotzdem ist «The Game» ein astreines Kommunikationsspiel<br />

und lebt von dem, was nicht gesagt wird,<br />

und dem Wechselbad der Gefühle, welche die Zwänge<br />

des Spiels auslösen.<br />

«The Game» von Steffen Benndorf<br />

Kartenspiel für 1 bis 5 Spieler ab 8 Jahren<br />

Spielzeit: etwa 20 Minuten<br />

Preis: Fr. 12.50<br />

Game Factory<br />

www.gamefactory-spiele.com<br />

>>><br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>675


Service<br />

Duell für zwei<br />

Patchwork<br />

Für Fans von Computerwelten<br />

Loony Quest<br />

Das haben die Macher von «Loony Quest» bei Computerspielen<br />

abgeguckt: Wie dort, muss man sich durch<br />

die Level von sieben Fantasy-Welten kämpfen, aber<br />

nicht mit Joystick oder Maus, sondern mit durchsichtiger<br />

Folie und Stift. «Loony Quest» ist ein Malspiel, bei<br />

dem man aber gar nicht Malen können muss. Sondern<br />

es geht darum, aus der Ferne die Objekte eines Bildes<br />

nur durch vergleichendes Schauen möglichst genau zu<br />

treffen. Dazu wird ein quadratischer Spielplan mit der<br />

Vorlage eines Dungeons oder einer Landschaft in der<br />

Mitte in die Schachtel gelegt. Jeder Spieler muss daraufhin<br />

an seinem Platz auf einer Folie mit einem Stift<br />

Wege an Hindernissen und feindlichen Kreaturen vorbei<br />

einzeichnen oder Objekte markieren. Danach wird<br />

jede Folie deckungsgleich auf den Spielplan gelegt, verglichen<br />

und es kommt zur Punkteabrechnung.<br />

«Loony Quest» von Laurent Excoffier und David Franck<br />

Malspiel für 2 bis 5 Spieler ab 8 Jahren<br />

Spielzeit: etwa 20 Minuten<br />

Preis: Fr. 33.90<br />

Libellud<br />

www.asmodee.com<br />

Nicht immer hat man viele Mitspieler zur Verfügung,<br />

oft herrscht bloss Zweisamkeit. Dafür gibt es «Patchwork»,<br />

ein reines Zweipersonen-Spiel, bei dem die<br />

beiden Konkurrenten jeder für sich einen möglichst<br />

lückenlosen Flickenteppich legen müssen. Zahlungsmittel<br />

sind sinnigerweise Knöpfe. Die Flicken sind<br />

flache, farbige Kartonplättchen in unterschiedlichen<br />

Grössen und Formen, die zum Teil an «Tetris» erinnern.<br />

Die Spieler sind nicht abwechselnd am Zug, sondern<br />

es spielt immer, wer mit seinem «Zeitstein» gerade<br />

weiter hinten liegt. Deshalb kann ein Spieler mehrfach<br />

hintereinander an die Reihe kommen und das taktisch<br />

nutzen. Wer an der Reihe ist, darf einen von drei<br />

jeweils verfügbaren Flicken kaufen. Jeder Flicken kostet<br />

Knöpfe und «Zeit», um ihn in die eigene Decke einzunähen.<br />

Die Regeln sind einfach, man ist sofort im Spiel<br />

drin, jede Partie ist spannend und dauert höchstens<br />

eine halbe Stunde.<br />

«Patchwork» von Uwe Rosenberg<br />

Legespiel für 2 Spieler ab 8 Jahren<br />

Spielzeit: etwa 30 Minuten<br />

Preis: Fr. 25.90<br />

Lookout Spiele<br />

www.lookout-spiele.de<br />

Tom Felber<br />

ist freier Journalist, Gerichtsreporter und Vorsitzender der<br />

unabhängigen Kritikerjury «Spiel des Jahres». Ihn fasziniert immer<br />

wieder aufs Neue, wie man unterschiedlichste Menschentypen mit<br />

einem simplen Kartenspiel zusammen für Stunden an einen Tisch<br />

fesseln und dabei erst noch ziemlich gut kennenlernen kann.<br />

76 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Service<br />

<strong>10</strong><strong>01</strong> Adressen<br />

Die wichtigsten Institutionen, Stellen und Vereine, die Eltern informieren<br />

und unterstützen <strong>–</strong> von Kinderbetreuung über Rechtshilfe bis Suchtberatung.<br />

Noch mehr<br />

Adressen finden Sie auf<br />

www.fritzundfraenzi.ch<br />

> Netzwerk<br />

> <strong>10</strong><strong>01</strong> Adressen<br />

Telefonnummern<br />

für den Notfall<br />

143<br />

•Die Dargebotene<br />

Hand<br />

agredis.ch <strong>–</strong><br />

gewaltberatung<br />

Unterlachenstrasse 12<br />

6005 Luzern<br />

Tel. 041 362 23 33<br />

Hotline 078 744 88 88<br />

Fax 041 361 20 30<br />

gewaltberatung@agredis.ch<br />

www.agredis.ch<br />

Elternnotruf Aargau<br />

Beratungsstelle bei<br />

Erziehungsfragen,<br />

Überforderung<br />

und Kindsmisshandlung<br />

Tel. 0848 35 45 55<br />

24h@elternnotruf.ch<br />

www.elternnotruf.ch<br />

Elternnotruf<br />

Region Zug<br />

Beratungsstelle bei<br />

Erziehungsfragen,<br />

Überforderung<br />

und Kindsmisshandlung<br />

Tel. 0848 35 45 55<br />

24h@elternnotruf.ch<br />

www.elternnotruf.ch<br />

Elternnotruf +<br />

Beratungsstelle<br />

Region Zürich<br />

Beratungsstelle bei<br />

Erziehungsfragen,<br />

Überforderung<br />

und Kindsmisshandlung<br />

Weinbergstrasse 135<br />

8006 Zürich<br />

Tel. 0848 35 45 55<br />

24h@elternnotruf.ch<br />

www.elternnotruf.ch<br />

Internet- und<br />

SMS-Seelsorge<br />

per SMS an 767<br />

per E-Mail an<br />

seelsorge@seelsorge.net<br />

www.seelsorge.net<br />

Kinder- und Jugendnotruf<br />

St. Gallen<br />

Kinderschutzzentrum<br />

St. Gallen<br />

Tel. 071 243 77 77<br />

www.kjn.ch<br />

Pro Juventute<br />

Beratung<br />

+ Hilfe 147<br />

Telefon, SMS, Chat,<br />

Thurgauerstrasse 39<br />

Postfach, 8050 Zürich<br />

Tel. 147, www.147.ch<br />

Schweizerisches<br />

Toxikologisches<br />

Informationszentrum<br />

Tel. 044 251 51 51<br />

Hotline 145<br />

www.toxi.ch<br />

Sorgentelefon<br />

Tel. 044 261 21 21<br />

Verein<br />

Tele-Hilfe Basel<br />

Bruderholzallee 167<br />

4059 Basel<br />

NOTRUF 143<br />

Tel. 061 367 90 90<br />

Fax 061 367 90 95<br />

basel@143.ch<br />

www.basel.143.ch<br />

Opferhilfestellen<br />

Benefo-Stiftung<br />

•Fachstelle Opferstelle<br />

Thurgau<br />

Zürcherstrasse 149<br />

8500 Frauenfeld<br />

Tel. 052 723 48 26<br />

(Erwachsene)<br />

Tel. 052 723 48 23 (Kinder)<br />

benefo@benefo.ch,<br />

www.benefo.ch<br />

Beratungsstelle<br />

Frauenhaus Region Biel<br />

Für weibliche Opfer von<br />

häuslicher Gewalt<br />

Kontrollstrasse 12<br />

2503 Biel<br />

Tel. 032 322 03 44<br />

info@solfemmes.ch<br />

www.solfemmes.ch<br />

Beratungsstelle<br />

Gewaltbetroffene<br />

Frauen<br />

•Fachstelle der<br />

Stiftung Opferhilfe<br />

SG/AI/AR<br />

Teufenerstrasse 11<br />

90<strong>01</strong> St. Gallen<br />

Tel. 071 227 11 44<br />

beratungsstelle.frauen@<br />

opferhilfe-sg.ch<br />

www.opferhilfe-sg.ch<br />

Beratungsstelle<br />

Nottelefon für<br />

Frauen <strong>–</strong> gegen<br />

sexuelle Gewalt<br />

Postfach, 8026 Zürich<br />

Tel. 044 291 46 46<br />

Fax 044 242 82 14<br />

info@frauenberatung.ch<br />

www.frauenberatung.ch<br />

Beratungsstelle<br />

Opferhilfe<br />

•Fachstelle der<br />

Stiftung Opferhilfe<br />

SG/AI/AR<br />

Teufenerstrasse 11<br />

90<strong>01</strong> St. Gallen<br />

Tel. 071 227 11 00<br />

Fax 071 227 11 09<br />

beratungsstelle.<br />

opferhilfe@opferhilfe-sg.ch<br />

www.opferhilfe-sg.ch<br />

BaselCard.<br />

Mehr Stadt für wenig Geld.<br />

Geniessen Sie Ihren Besuch in Basel mit der ganzen Familie und nutzen Sie die zahlreichen attraktiven Angebote der<br />

BaselCard: Freier Eintritt in den Zoo Basel, kostenlose Stadtführung, gratis City Treasure Hunt Light, eine Überfahrt mit der<br />

Fähre, 50% Ermässigung auf den Eintritt in diverse Basler Museen, 50% Reduktion auf Schifffahrten und vieles mehr. Die<br />

BaselCard ist an den Tourist Informationsstellen von Basel Tourismus sowie online erhältlich:<br />

www.basel.com/baselcard<br />

Basel Tourismus<br />

Tel. +41 (0)61 268 68 68, Fax +41 (0)61 268 68 70<br />

Das info@basel.com, Schweizer ElternMagazin www.basel.com Fritz+Fränzi Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>677


Service<br />

Unser Wochenende …<br />

in Basel<br />

Text: Leo Truniger<br />

Rhein<br />

A3<br />

Weihnachtsmarkt<br />

Tinguely-Brunnen<br />

Theater Basel<br />

Markthalle<br />

Zoo<br />

A2<br />

Tinguely-Museum<br />

St.-Alban-Fähre<br />

A3<br />

Basel Backpack<br />

Breite-Hotel<br />

Papiermühle<br />

Jugendherberge<br />

Frenkendorf <strong>10</strong> km<br />

sind. Begleitet werden Sie auf dem eineinhalbstündigen Par -<br />

cours, der für Familien mit Kindern im Alter von vier bis vier -<br />

zehn Jahren geschaffen wurde, vom Drachen Basil.<br />

Kosten: ein Kind und eine erwachsene Person: 20 Franken, pro<br />

weiteres Kind <strong>10</strong>, pro weitere erwachsene Person 5 Franken.<br />

Täglich begehbar. www.basel.com > Suche: Schatzsuche<br />

… Wenige Gehminuten vom Stadtzentrum entfernt liegt der<br />

Zolli. Er ist nicht nur der älteste Zoo der Schweiz, sondern<br />

beherbergt in seiner eher kleinen, aber feinen Anlage auch am<br />

meisten Tiere: mehr als 7000 aus über 600 Arten. Und er<br />

gehört wegen seiner Zuchterfolge zu den bedeutendsten<br />

europäischen Tiergärten. Zurzeit sind Jungtiere etwa bei den<br />

Löwen, Schneeleoparden, Giraffen, Schimpansen oder ein gut<br />

zwei Jahre altes Nashorn zu beobachten. Ausserdem<br />

spazieren von November bis Februar die Königspinguine um<br />

etwa 11 Uhr im Garten, sofern die Temperatur unter <strong>10</strong> Grad<br />

fällt und es nicht stark regnet.<br />

Zoo, Binningerstrasse 40. Eintritt: Kinder 6 bis 15 Jahre 7,<br />

Jugendliche bis 24 Jahre 12, Erwachsene 18, Familien (Eltern<br />

mit eigenen Kindern unter 20 Jahren) 39 Franken. Offen: 8 bis<br />

17.30 Uhr. www.zoobasel.ch<br />

Gut zu wissen …<br />

… Je nach Bedürfnis und Planung empfiehlt sich die Basel-<br />

Card mit attraktiven Angeboten wie: kostenlose Stadtführung,<br />

freier Eintritt in den Zoo, kostenlose Fährfahrt, 50 Prozent<br />

Reduktion auf den Eintritt in manche Museen oder Ermässigung<br />

in verschiedenen Restaurants.<br />

Kosten für 24 Stunden: Erwachsene 24, Kinder (bis 16 Jahre)<br />

<strong>10</strong> Franken; für 48 Stunden: 27 bzw. 13 Franken 50. Die<br />

BaselCard ist an den Tourist-Informationsstellen von Basel<br />

Tourismus oder online erhältlich. www.basel.com/baselcard<br />

Erleben …<br />

… Eine unterhaltsame Möglichkeit, Eindrücke von der Stadt zu<br />

erhalten, ist die «Schatzsuche mit Basil». Vom Tinguely-<br />

Brunnen mit den verspielten Maschinenskulpturen im<br />

Wasserbecken führt der Streifzug über zehn weitere Stationen,<br />

an denen Aufgaben zu lösen und Antworten zu finden<br />

Geniessen …<br />

… In beste Adventsstimmung versetzt werden Sie und Ihre<br />

Kinder von den lichterüberzogenen Rheinbrücken und in der<br />

geschmückten historischen Altstadt vom Weihnachtsmarkt<br />

auf dem Barfüsserplatz und dem Münsterplatz. Dort bieten<br />

Händler und Kunsthandwerker in kleinen Holz-Chalets ihre<br />

Waren an, und auch für Gaumenfreuden ist gesorgt, sei es mit<br />

Raclette, Grillwürsten, Waffeln oder Basler Läckerli. Wer mehr<br />

über diese Spezialität erfahren möchte, besucht in Frenkendorf<br />

das Läckerli-Huus (www.laeckerli-huus.ch). Auf spezielle<br />

Art abrunden lässt sich der Tag im Foyer des Theaters Basel,<br />

wo täglich um 17 Uhr die Türchen eines besonderen Adventskalenders<br />

geöffnet werden <strong>–</strong> bei einer kleinen literarischen<br />

oder musikalischen Überraschung, von denen manche auch<br />

die Kinder ansprechen.<br />

Weihnachtsmarkt, Barfüsser- und Münsterplatz, bis<br />

23. Dezember, täglich von 11 bis 20.30 Uhr. Theater Basel,<br />

Elisabethenstrasse 16, bis 23. Dezember täglich um 17 Uhr.<br />

Eintritt frei. Tagesinfos: www.theaterbasel.ch<br />

78 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


So kann sich Basel im<br />

Winter präsentieren:<br />

am Weihnachtsmarkt<br />

auf dem Münsterplatz,<br />

mit Pinguinen<br />

unter den Besuchern<br />

im Zolli oder mit<br />

Jean Tinguelys<br />

Fasnachtsbrunnen<br />

aus Eisen und Eis.<br />

Fotos: Basel Tourismus, Jörg Ernst<br />

… In der Markthalle, in Zoo- und Bahnhofnähe, kaufen Sie<br />

ganz nach Ihrem Gusto an den Ständen am Tagesmarkt ein,<br />

wo es viele Sitzmöglichkeiten gibt, um sich vor Ort zu<br />

verpflegen. Haben Sie Lust auf eine traditionelle und<br />

saisongerechte Mahlzeit aus regionalen Produkten? Dann sind<br />

Sie beim Mittagstisch im Restaurant und Café Papiermühle<br />

richtig. Auf der kleinen Karte findet sich was für den kleinen<br />

wie für den grossen Hunger, bis zum hausgemachten Kuchen.<br />

Für geistige Nahrung ist gleich nebenan in der Papiermühle,<br />

dem Museum für Papier, Schrift und Druck, gesorgt, wo<br />

man eigenes Papier schöpfen und bedrucken kann. Oder Sie<br />

nehmen die nahe gelegene St.-Alban-Fähre «Wild Maa» und<br />

spazieren zum Tinguely-Museum.<br />

www.markthalle-basel.ch, Mo<strong>–</strong>Mi bis 19, Do/Fr bis 20, Sa bis<br />

18 Uhr. Papiermühle, Restaurant und Café, Sa geschlossen,<br />

St.-Alban-Tal 35, www.papiermuehle.ch. Museum: St.-Alban-Tal<br />

37, 11 Uhr, Sa 13 bis 17 Uhr, Mo geschlossen, www.papiermuseum.ch.<br />

Basler Fähren: www.faehri.ch. Tinguely-Museum,<br />

Paul-Sacher-Anlage 1, www.tinguely.ch<br />

Schlafen …<br />

… Als günstige familienfreundliche Unterkunft in der Nähe<br />

der Papiermühle empfiehlt sich die Jugendherberge<br />

(4-Bett-Zimmer mit Lavabo: 175 Franken/Nacht). Oder das<br />

Basel Backpack auf dem Gundeldinger Feld (4-Bett-Zimmer<br />

159 Franken/Nacht) mit Möglichkeit, selber zu kochen.<br />

Jugendherberge Basel, St.-Alban-Kirchrain <strong>10</strong>,<br />

Telefon 061 272 05 72, www.youthhostel.ch/basel.<br />

Basel Backpack, Dornacherstras se 192, Telefon 061 333 00 37,<br />

www.baselbackpack.com<br />

… Gastfreundschaft und modernes Design verspricht Ihnen<br />

Das Breite-Hotel in einer grossstädtischen Umgebung mit<br />

Autobahn, Eisenbahn, Hauptstrasse und Tram, das Sie in<br />

wenigen Minuten ins Stadtzentrum bringt.<br />

Das Breite-Hotel, Zürcherstrasse 149, Telefon 061 315 65 65,<br />

Preisbeispiel Familien-Special (mit einem oder zwei Kindern):<br />

247 Franken. www.dasbreitehotel.ch<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>679


Service<br />

an die Partner und Sponsoren<br />

Vielen Dank der Stiftung Elternsein:<br />

Finanzpartner Hauptsponsoren Heftsponsor<br />

Dr. iur. Ellen Ringier<br />

Walter Haefner Stiftung<br />

Rozalia Stiftung<br />

Credit Suisse AG<br />

UBS AG<br />

Aon Risk Solution Schweiz AG<br />

UBS AG<br />

Impressum<br />

Inhaltspartner<br />

Stiftungspartner<br />

15. Jahrgang. Erscheint <strong>10</strong>-mal jährlich<br />

Herausgeber<br />

Stiftung Elternsein,<br />

Seehofstrasse 6, 8008 Zürich<br />

www.elternsein.ch<br />

Institut für Familienforschung und -beratung<br />

der Universität Freiburg, www.unifr.ch/iff<br />

Schweizerische Vereinigung der Elternorganisationen,<br />

www.sveo.ch<br />

Präsidentin des Stiftungsrates:<br />

Dr. Ellen Ringier, ellen@ringier.ch,<br />

Tel. 044 400 33 11<br />

(Stiftung Elternsein)<br />

Geschäftsführer: Thomas Schlickenrieder,<br />

ts@fritzundfraenzi.ch, Tel. 044 261 <strong>01</strong> <strong>01</strong><br />

Verlag<br />

Fritz+Fränzi,<br />

Dufourstrasse 97, 8008 Zürich,<br />

Tel. 044 277 72 62,<br />

info@fritzundfraenzi.ch,<br />

verlag@fritzundfraenzi.ch,<br />

www.fritzundfraenzi.ch<br />

Leiter Business Development & Marketing<br />

(Stv. Verlagsleitung): Tobias Winterberg,<br />

t.winterberg@fritzundfraenzi.ch<br />

Verlagsadministration: Dominique Binder,<br />

d.binder@fritzundfraenzi.ch<br />

Verlagsassistentin: Éva Berger,<br />

e.berger@fritzundfraenzi.ch<br />

Redaktion<br />

redaktion@fritzundfraenzi.ch<br />

Chefredaktor: Nik Niethammer,<br />

n.niethammer@fritzundfraenzi.ch<br />

Evelin Hartmann (Stv. CR),<br />

e.hartmann@fritzundfraenzi.ch<br />

Bianca Fritz,<br />

b.fritz@fritzundfraenzi.ch<br />

Leo Truniger,<br />

l.truniger@fritzundfraenzi.ch<br />

Dr. Eveline von Arx (wissenschaftliche<br />

Beratung), e.vonarx@fritzundfraenzi.ch<br />

Onlineredaktion:<br />

Irena Ristic, i.ristic@fritzundfraenzi.ch<br />

Redaktionelle Mitarbeit<br />

Nicole Althaus, Adam Howell Boyette,<br />

Jörg Brühlmann, Kathrin Buholzer,<br />

Susan Edthofer, Elisabeth Eggenberger,<br />

Tom Felber, Lee Gettler, Fabian Grolimund,<br />

Sandra Hotz, Michael In Albon,<br />

Irina Kammerer, Mikael Krogerus,<br />

Susanne Kurz, Sandra Matteotti,<br />

Peter Schneider, Regula Thut Borner,<br />

Nadine Zimet<br />

Bildredaktion<br />

13 Photo AG, Zürich, www.13photo.ch<br />

Korrektorat<br />

Brunner AG, Kriens, www.bag.ch<br />

Anzeigen<br />

Anzeigenverkauf: Brigitte Killias,<br />

b.killias@fritzundfraenzi.ch,<br />

Tel. 044 277 72 60 (vormittags erreichbar)<br />

Jacqueline Zygmont,<br />

j.zygmont@fritzundfraenzi.ch,<br />

Tel. 044 277 72 65<br />

Bettina Müller,<br />

b.mueller@fritzundfraenzi.ch,<br />

Tel. 044 577 06 88<br />

Anzeigenadministration: Dominique Binder,<br />

d.binder@fritzundfraenzi.ch,<br />

Tel. 044 277 72 62<br />

Druck<br />

Konradin Heckel,<br />

www.konradinheckel.de<br />

Auflage<br />

(WEMF/SW-beglaubigt 2<strong>01</strong>3)<br />

total verbreitet <strong>10</strong>3 381<br />

davon verkauft 17 206<br />

Preis<br />

Jahresabonnement Fr. 62.<strong>–</strong><br />

Einzelausgabe Fr. 7.50<br />

iPad Fr. 3.<strong>–</strong><br />

Abo-Service<br />

Galledia Verlag AG Berneck<br />

Karin Schwarz<br />

Tel. 0800 814 813, Fax 058 344 92 54<br />

abo.fritzundfraenzi@galledia.ch<br />

Für Spenden<br />

Stiftung Elternsein, 8008 Zürich<br />

Postkonto 87-447004-3<br />

IBAN: CH40 0900 0000 8744 7004 3<br />

Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz,<br />

www.lch.ch<br />

Verband Schulleiterinnen und Schulleiter Schweiz,<br />

www.vslch.ch<br />

Jacobs Foundation,<br />

www.jacobsfoundation.org<br />

Forum Bildung, www.forumbildung.ch<br />

Elternnotruf, www.elternnotruf.ch<br />

Pro Juventute, www.projuventute.ch<br />

Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik Zürich,<br />

www.hfh.ch<br />

Marie-Meierhofer-Institut für das Kind,<br />

www.mmizuerich.ch<br />

Schule und Elternhaus Schweiz,<br />

www.schule-elternhaus.ch<br />

Pädagogische Hochschule Zürich, www.phzh.ch<br />

Schweizerischer Verband alleinerziehender Mütter<br />

und Väter SVAMV, www.svamv.ch<br />

Pro Familia Schweiz, www.profamilia.ch<br />

Art Direction/Produktion<br />

Partner & Partner, Winterthur,<br />

www.partner-partner.ch<br />

Schweizerisches Institut für Kinder- und<br />

Jugendmedien, www.sikjm.ch<br />

Kinderlobby Schweiz, www.kinderlobby.ch<br />

80 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Buchtipps<br />

Fotos: Rotraut Susanne Berners Winter-Wimmelbuch © Gerstenberg Verlag, ZVG<br />

Hunderte kleine Szenen in einem Buch, die<br />

es zu entdecken und zu erzählen gilt.<br />

Ganz ohne Worte bieten Wimmelbilderbücher<br />

stundenlang Beschäftigung.<br />

Was für ein Gewimmel!<br />

In Wimmlingen gibt es zu jeder Jahreszeit andere<br />

Geschichten zu entdecken.<br />

In der Stadt ist etwas los: Ein<br />

Christbaumverkäufer überreicht<br />

gerade ein schönes<br />

Exemplar einer Dame, deren<br />

Hund das Bein an einem<br />

Baum hebt. Im Obergeschoss des<br />

«Gasthauses zur Gans» hängt eine<br />

Frau Weihnachtsdekorationen auf,<br />

während im Estrich der Buchhandlung<br />

ein Mann Ski und Schlitten<br />

hervorsucht. Auf der Strasse wirft<br />

eine Frau mit Kopftuch einen Brief<br />

ein, und ein Mädchen, unterwegs<br />

mit Schlittschuhen, gibt einem<br />

Mann im Trainingsanzug den verlorenen<br />

Schlüssel zurück.<br />

Alle diese Szenen und viele weitere<br />

finden sich auf einem einzigen<br />

Bild in Rotraut Susanne Berners<br />

«Winter-Wimmelbuch». Für jede<br />

Jahreszeit hat die deutsche Illustratorin<br />

ein Buch gezeichnet, in der die<br />

immer gleiche Stadt Wimmlingen<br />

dargestellt ist. Manche der Szenen<br />

und Figuren lassen sich quer durch<br />

die Bücher verfolgen. Sie gehören<br />

neben jenen von Ali Mitgutsch und<br />

der Serie «Wo ist Walter?» von Martin<br />

Handford zu den Bestsellern der<br />

Wimmelbilderbücher. In diesen<br />

werden mit wenig oder gar keinem<br />

Text Hunderte von kleinen Geschichten<br />

erzählt, die es erst zu entdecken<br />

gilt.<br />

So eignen sie sich hervorragend<br />

zum gemeinsamen Betrachten,<br />

Suchen, Erzählen und Erzählenlassen<br />

und sind daher auch in der<br />

Sprachförderung beliebt. Ohne pädagogische<br />

Intention machen Wimmelbücher<br />

aber ebenfalls Spass <strong>–</strong><br />

und zwar in jedem Alter.<br />

In Rotraut<br />

Suanne Berners<br />

Buch wimmelt es<br />

von Aktivitäten<br />

am Dorfrand.<br />

Rotraut Susanne<br />

Berner:<br />

Das Winter-<br />

Wimmelbuch.<br />

Gerstenberg,<br />

2005, Fr. 17.90,<br />

ab 2 Jahren<br />

Das Bern-<br />

Wimmelbuch<br />

In einer reduzierten<br />

Grafik und doch<br />

mit hohem Wiedererkennungswert<br />

wimmelt es hier<br />

rund um Marzili, Reitschule und<br />

Bundeshaus. Weitere Schweizer<br />

Städte-Wimmelbücher sind geplant.<br />

Vatter+Vatter, 2<strong>01</strong>3, Fr. 19.90,<br />

ab 6 Jahren<br />

Geburtstag<br />

mit Torte<br />

Der niederländische<br />

Künstler Thé<br />

Thjong-Khing<br />

erzählt auch im dritten seiner<br />

Bücher über die verschwundene<br />

Torte. Eine rasante Geschichte <strong>–</strong><br />

ganz ohne Worte, dafür mit vielen,<br />

vielen Nebenschauplätzen.<br />

Moritz, 2<strong>01</strong>3, Fr. 19.90, ab 4 Jahren<br />

Willkommen bei<br />

den Wolvertons.<br />

Ein fantastisches<br />

Wimmelbuch<br />

In diesem<br />

Wimmelbuch von<br />

Lena Pflüger gilt<br />

es ein ganzes Universum, das von<br />

seltsamen schwarzen Figuren<br />

bevölkert wird, zu entdecken.<br />

Dabei fordern die ungewohnten<br />

Perspektiven auch ältere Betrachter<br />

und Betrachterinnen heraus.<br />

Beltz & Gelberg, 2<strong>01</strong>4, Fr. 17.90,<br />

ab 5 Jahren<br />

Verfasst von Elisabeth Eggenberger,<br />

Mitarbeiterin des Schweizerischen<br />

Instituts für Kinder- und Jugendmedien<br />

SIKJM. Auf www.sikjm.ch<br />

sind weitere Buchempfehlungen zu<br />

finden.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>681


Eine Frage <strong>–</strong> drei Meinungen<br />

Mein Sohn, 9, kommt mit wenig Schlaf aus. Er schleicht bis spätabends<br />

im Haus herum, kommt am Morgen aber nur schwer in die Gänge.<br />

Genau wie meine Tochter, 11; sie ist ein ausgesprochener Morgenmuffel.<br />

Beide sind gute Schläfer und gute Schüler, leiden aber manchmal<br />

an Konzentrationsschwächen. Was kann ich tun, ausser den beiden<br />

morgens Kaffee oder Red Bull zu verabreichen? Sonja, 42, Solothurn<br />

Nicole Althaus:<br />

Im Falle der Tochter gibt es<br />

eine klare Antwort: Pubertät.<br />

Teenager sind Morgenmuffel,<br />

das ist wissenschaftlich<br />

bewiesen, daran sind<br />

die Hormone schuld, und<br />

dagegen können Sie wenig<br />

tun. Der Sohn jedoch gehört<br />

schlicht und einfach früher<br />

ins Bett. Feste Schlafenszeiten verbessern Konzentration<br />

und Schulnoten. Auch das ist wissenschaftlich<br />

erwiesen. Führen Sie abends eine feste Bettzeit ein, für<br />

Sohn und Tochter. Und verhandeln Sie nicht darüber.<br />

Ihre Kinder sind zu jung, um selber zu entscheiden,<br />

wann, wie viel und wo sie schlafen. Und welche Aufputschmittel<br />

sie konsumieren sowieso.<br />

Kathrin Buholzer:<br />

Kinder brauchen Strukturen.<br />

Rituale sind deshalb oft hilfreich<br />

<strong>–</strong> auch beim Schlafengehen<br />

am Abend. Deshalb<br />

empfehle ich Ihnen, den Tag<br />

immer etwa ähnlich ausklingen<br />

zu lassen. Legen Sie<br />

zusammen einen Zeitpunkt<br />

fest, wann die Kinder in ihre<br />

Zimmer gehen, und lassen Sie ihnen noch etwas Zeit<br />

für sich allein. Schauen Sie, dass es einen «richtigen<br />

Schlusspunkt» gibt. Gehen Sie nochmals ins Zimmer,<br />

plaudern Sie kurz mit ihnen und sagen dann «Gute<br />

Nacht» und löschen das Licht.<br />

Fotos: Anne Gabriel-Jürgens / 13 Photo, Lea Meienberg / 13 Photo<br />

Peter Schneider:<br />

Hm … Ein doppelter<br />

Espresso statt schlichter<br />

Kaffee am Morgen? Ich<br />

fürchte, am Schlafrhythmus<br />

kann man<br />

wenig ändern, wenn Sie<br />

Ihren Kindern nicht<br />

abends auch noch ein<br />

Melatonin zum Schlummertrunk<br />

geben wollen. Der frühe Schulanfang ist<br />

für die meisten Kinder ein kompletter Blödsinn.<br />

Aber nichts hält sich bekanntlich so hartnäckig wie<br />

schlechte Gewohnheiten.<br />

Nicole Althaus, 47, ist Kolumnistin, Autorin<br />

und Mitglied der Chefredaktion der NZZ am<br />

Sonntag. Zuvor war sie Chefredaktorin von<br />

«wir eltern» und hat den Mamablog auf<br />

«Tagesanzeiger.ch» initiiert und geleitet.<br />

Nicole Althaus ist Mutter von zwei Kindern,<br />

15 und 11.<br />

Kathrin Buholzer, 42, ist Journalistin,<br />

Elternberaterin, Betreiberin des Elternblogs<br />

«www.elternplanet.ch» und Mutter zweier<br />

Töchter, 13 und 11.<br />

Peter Schneider, 58, ist praktizierender<br />

Psychoanalytiker, Autor und SRF-Satiriker<br />

(«Die andere Presseschau»). Er lehrt als<br />

Privatdozent für klinische Psychologie<br />

an der Uni Zürich und ist Professor für<br />

Entwicklungspsychologie an der Uni<br />

Bremen. Peter Schneider ist Vater eines<br />

erwachsenen Sohnes.<br />

Haben Sie auch eine Frage?<br />

Schreiben Sie eine E-Mail an:<br />

redaktion@fritzundfraenzi.ch<br />

82 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


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31. Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong><br />

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Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>683


Dossier<br />

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Performance<br />

2<strong>01</strong>2<strong>–</strong>15<br />

*Erwirtschaftete Rendite eines der CSA Mixta-BVG-Produkte im Zeitraum vom 28.09.2<strong>01</strong>2 bis<br />

zum 30.09.<strong>2<strong>01</strong>5</strong>. Historische Wertentwicklungen und Finanzmarktszenarien sind kein verlässlicher<br />

Indikator für laufende und zukünftige Ergebnisse.<br />

84 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi

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