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Gonzaléz-Enríquez/Aguilar/Barahona de Brito 2002) durch politische Akteure erweitert, während<br />
die Öffentlichkeit in den Hintergrund gerückt wird. Grund dafür ist zum einen, dass Wahrheitskommissionen<br />
häufig aus ausgehandelten Transitionen zwischen Opposition und altem<br />
Regime entstehen (Chapman/Ball 2001: 12), und zum anderen erfolgt die Untersuchung der<br />
Machtverhältnisse auf nationaler Ebene in Form der politischen Stellung und des Einflusses auf<br />
die Politik. Da ausgehend von diesem akteurszentrierten Ansatz, die Interessen im Bereich der<br />
Aufarbeitung vergangener Menschenrechtsverbrechen mit der Entscheidung für eine Wahrheitskommission<br />
nicht enden und aufgrund der Machtbalance Kompromisse notwendig werden,<br />
können diese Interessen auch auf die Ausgestaltung der Wahrheitskommission, die sich in<br />
deren Mandat manifestiert, und letztendlich auf deren Arbeit Einfluss nehmen. Im Folgenden<br />
gilt es deshalb, das Mandat näher zu betrachten und Kriterien zu entwickeln, anhand deren die<br />
Einflüsse untersucht werden sollen.<br />
Wie und welche Verbrechen letztendlich untersucht werden, wird im Mandat der Wahrheitskommission<br />
festgelegt, das gleichzeitig auch ihre Gründungsakte darstellt. Es ist somit eng<br />
mit der Errichtung bzw. Entstehung einer Wahrheitskommission verknüpft. Ihm kommt dabei<br />
eine entscheidende Rolle für die spätere Arbeit zu: „[It] can define a commission's power, limit<br />
or strengthen its investigative reach, and set the timelines, subject matter, and geographic scope<br />
of a commission's investigation, and thus define the truth that will be documented.“ (Hayner<br />
2011: 75) Es liefert somit die Grundlage bzw. den Rahmen, auf dem die zukünftige Arbeit der<br />
betreffenden Wahrheitskommission basiert, indem es diese nicht nur ermöglicht, sondern<br />
gleichzeitig auch beschränkt. Insbesondere Einschränkungen könnten den politischen Kompromiss<br />
widerspiegeln, der zur Entstehung dieser Wahrheitskommission geführt hat (Chapman/Ball<br />
2001: 12). Ausgehend von der oben beschriebenen Argumentation werden die jeweiligen<br />
Interessensgruppen versuchen, die Wahrheitskommission nach ihren Vorstellungen zu<br />
gestalten. Während also die alten Machthaber bestrebt sein dürften, die Macht und Transparenz<br />
der Institution möglichst einzuschränken, ist es plausibel, dass die oppositionellen Kräfte die<br />
gegenteiligen Zielbestimmungen verfolgen.<br />
Für diese Untersuchung, die anstrebt, das Mandat einer genaueren Untersuchung dieser<br />
Intressensbestrebungen zu unterziehen, sollen folgende Kriterien genauer betrachtet werden:<br />
1) Art der Menschenrechtsverletzungen, 2) Zeitspanne, 3) Urheber bzw. Verdächtige der Verbrechen,<br />
4) Kommissionsmitglieder, 5) Macht/Autorität der Wahrheitskommission, 6) Transparenz.<br />
Die Auswahl der Kriterien erfolgte auf Grundlage der Literatur und der Untersuchungen<br />
zu Wahrheitskommissionen (siehe insbesondere Freudenreich/Ranft 2008; Brahm 2005; Bacher<br />
2004), wobei letztendlich die eindeutigsten Punkte der Einflussnahme als auch die für den<br />
Verlauf der Arbeit der Wahrheitskommission wichtigsten Punkte herangezogen wurden. Das<br />
erste Kriterium beinhaltet die Verbrechen, die in das Mandat zur Untersuchung aufgenommen<br />
wurden. Hier geht es darum, ob bestimmte Formen, die mit dem vorherigen Regime oder den<br />
oppositionellen Kräften verbunden waren, außer Acht gelassen wurden. Die Zeitspanne (2) umfasst<br />
den Zeitraum der Verbrechen, die in die Untersuchung aufgenommen werden sollen. Auch<br />
hier liegt das Augenmerk darauf, ob z.B. bestimmte Zeitfenster, die in den Zeitraum des Konfliktes<br />
oder der Herrschaft des alten Regimes fallen, außen vor gelassen wurden. Mit den Urhebern<br />
bzw. Verdächtigen der Verbrechen (3) soll untersucht werden, ob bestimmte Gruppen<br />
nicht in die Untersuchung mit einbezogen wurden oder ob eine allumfassende Untersuchung<br />
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