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Wie steht es um die „Hürden im Alltag“?<br />
Die sog. „Barrierefreiheit“ wirft einige Fragen auf – Vertreter des ÖZIV sind um Antworten bemüht<br />
„Barrierefrei“, also ohne fremde Hilfe zugänglich, ist momentan<br />
das große Thema, da Unternehmen zehn Jahre lang Zeit gehabt<br />
hätten, um ihre Räumlichkeiten zu adaptieren. Hans Krabichler<br />
(ÖZIV Landeck-Imst) bzw. ÖZIV Tirol-GF Mag. Hannes<br />
Lichtner stellten sich jüngst den Fragen der RUNDSCHAU.<br />
Von Thomas Parth<br />
RUNDSCHAU: Wie steht es derzeit<br />
um die Barrierefreiheit in den<br />
beiden Bezirken Landeck und Imst?<br />
ÖZIV Tirol-Geschäftsführer<br />
Mag. Hannes Lichtner: In den<br />
letzten zehn Jahren ist einiges passiert,<br />
aber es gibt auch noch sehr<br />
viel zu tun. Einzelne Gemeinden<br />
und Betriebe haben schon viel Positives<br />
umgesetzt, aber es gibt auch<br />
viele, die das Thema immer noch<br />
ignorieren.<br />
ÖZIV-Bezirksobmann Hans<br />
Krabichler: Selbst in so tourismusstarken<br />
Gebieten wie dem Ötztal<br />
ist es z.B. immer noch schwierig,<br />
barrierefreie Lokalitäten oder Ausflugsziele<br />
für gemeinsame Aktivitäten<br />
unserer Mitglieder zu finden.<br />
RS: Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit<br />
mit Wirtschaft und Behörden<br />
im Bezug auf die Umsetzung des<br />
Behindertengleichstellungsgesetzes?<br />
Lichtner: Obwohl das Behindertengleichstellungsgesetz<br />
bereits vor<br />
zehn Jahren beschlossen wurde,<br />
wächst erst jetzt, nach Auslaufen<br />
der Übergangsfristen, die Bereitschaft,<br />
aktiv zu werden und zusammenzuarbeiten.<br />
Mit der Wirtschaftskammer ist<br />
in letzter Zeit eine engere Kooperation<br />
entstanden, in der Behindertenorganisationen,<br />
wie der ÖZIV<br />
Tirol, auch als Partner wahrgenommen<br />
werden. Und das Land Tirol<br />
stellt Förderungen für Gemeinden<br />
und Tourismusbetriebe bereit, um<br />
die Umsetzung von Barrierefreiheit<br />
voranzutreiben.<br />
ÖZIV-Kontakt:<br />
ÖZIV Bezirksverein Landeck-<br />
Imst, Obmann Hans Krabichler,<br />
Tel. 0650 5591908 oder E-Mail:<br />
hans.krabichler@outlook.com.<br />
Sprechstunden im Widum in<br />
Landeck: Jeden 1. und 3. Freitag<br />
im Monat, von 9 bis 11 Uhr.<br />
ÖZIV „Support“-Beratungsstelle<br />
Imst, Karin Neuschmid,<br />
Tel. 069915660612 oder E-Mail:<br />
karin.neuschmid@oeziv-tirol.at<br />
ÖZIV Tirol-GF Mag. Hannes Lichtner<br />
versucht, die Anliegen der Menschen<br />
mit Behinderungen in den Köpfen und<br />
Herzen der Verantwortlichen zu verankern.<br />
Foto: Privat<br />
Der ÖZIV Tirol selbst nützt wiederum<br />
viele verschiedene Möglichkeiten<br />
– z.B. Vorträge bei Bürgermeisterkonferenzen<br />
– um positiv<br />
zu motivieren, aber auch, um klar<br />
auf die gesetzlichen Verpflichtungen<br />
hinzuweisen.<br />
RS: Werden hier Statistiken geführt,<br />
informiert z.B. die Wirtschaftskammer<br />
ihre Mitglieder bzw. wie wird die<br />
Umsetzung überprüft?<br />
Lichtner: Die Wirtschaftskammer<br />
Tirol informiert in ihren eigenen Medien<br />
und durch Aussendungen über<br />
die Sparten in letzter Zeit verstärkt<br />
zum Thema Barrierefreiheit und bietet<br />
ihren Mitgliedsbetrieben zudem<br />
eine spezielle Beratungsförderung<br />
zur Barrierefreiheit an. Wichtig wäre<br />
aber, dass Betriebe und Gemeinden<br />
ÖZIV-Bezirksobmann Hans Krabichler<br />
(r.) stellte sich den RS-Fragen.<br />
Wie steht es in der Gastronomie, in öffentlichen Gebäuden oder bei öffentlichen<br />
Verkehrsmitteln um die Barrierefreiheit? Worin liegen die Schwierigkeiten versteckt?<br />
Die etwas sperrige Abkürzung „ÖZIV“ steht für die nicht weniger sperrige<br />
Bezeichnung „Österreichweite Zukunftsorientierte Interessen-Vertretung für Menschen<br />
mit Behinderungen“.<br />
Fotos: ÖZIV<br />
die bestehenden Beratungsangebote<br />
auch in Anspruch nehmen. Der<br />
ÖZIV Tirol steht dabei als unabhängige<br />
Beratungseinrichtung für<br />
bauliche und gestalterische Barrierefreiheit<br />
gerne für Informationen<br />
und Auskünfte zur Verfügung. Nach<br />
unserem Kenntnisstand gibt es keine<br />
Statistik, wie viele Tiroler Betriebe<br />
bereits Maßnahmen zur Barrierefreiheit<br />
umgesetzt haben.<br />
RS: Warum werden diversen Hilfestellungen,<br />
wie z.B. „barriere-check.<br />
at“, noch immer zu wenig Beachtung<br />
geschenkt?<br />
Lichtner: „barriere-check.at“ ist<br />
eine vom ÖZIV-Bundesverband<br />
und der Wirtschaftskammer gemeinsam<br />
entwickelte Online-Plattform,<br />
die einen Selbsttest über den Status<br />
der Barrierefreiheit eines Unternehmens<br />
ermöglicht. Genaue Zugriffszahlen<br />
sind uns nicht bekannt.<br />
Als Hintergrund, warum bestehende<br />
Angebote bis dato nicht mehr<br />
in Anspruch genommen werden,<br />
vermuten wir: Fehlende Kenntnis<br />
über die gesetzlichen Verpflichtungen,<br />
Angst vor zu hohen Kosten<br />
(kein Unternehmen wird über seine<br />
finanzielle Leistungsfähigkeit hinaus<br />
zu Maßnahmen verpflichtet) sowie<br />
mangelndes Bewusstsein und Interesse<br />
für das Thema Barrierefreiheit.<br />
Es geht nicht nur um eine möglichst<br />
gleichberechtigte Teilhabe von<br />
Menschen mit Behinderungen am<br />
gesellschaftlichen Leben, von Barrierefreiheit<br />
profitieren z.B. auch<br />
Eltern mit Kinderwagen, ältere Personen,<br />
Menschen mit temporären<br />
Einschränkungen z.B. nach Unfall<br />
oder Krankheit, Lieferanten und<br />
noch viele mehr. Barrierefreiheit fördert<br />
somit die Dienstleistungsqualität<br />
eines Unternehmens und erweitert<br />
den Kundenkreis. Oft kann man<br />
schon mit einfachen Maßnahmen<br />
und ohne großem Investitionsaufwand<br />
spürbare Verbesserungen erreichen.<br />
Erfahrene Experten sind dabei<br />
eine große Hilfestellung.<br />
RS: Wie sehr achten private Häuslbauer<br />
darauf, möglichst vorausschauend<br />
(wir werden alle nicht jünger) barrierefrei<br />
zu bauen?<br />
Lichtner: Genaue Zahlen sind<br />
uns nicht bekannt. Wir registrieren<br />
jedoch, erfreulicherweise auch bei<br />
jungen Menschen, zunehmendes<br />
Interesse, bereits in der Planung auf<br />
Barrierefreiheit zu achten und für<br />
das Alter vorzusorgen<br />
Leider mangelt es Architekten<br />
und Professionisten bis dato vielfach<br />
noch am nötigen Know-how sowie<br />
an der Bereitschaft, von Beginn an<br />
barrierefreie Maßnahmen einzuplanen.<br />
RS: Gibt es hier Möglichkeiten,<br />
z.B. über die Wohnbauförderung,<br />
lenkend und unterstützend Hilfestellungen<br />
zu geben?<br />
Lichtner: Die Tiroler Wohnbauförderung<br />
gewährt Zuschüsse für<br />
behinderten- und seniorengerechte<br />
Bau- und Adaptierungsmaßnahmen.<br />
Zum Beispiel werden bei Neubauten<br />
65% der Mehrkosten für eine barrierefreie<br />
Ausführung übernommen.<br />
RS: Speziell in der Gastronomie<br />
sind barrierefreie WC-Anlagen noch<br />
RUNDSCHAU Seite 34 17./18. Februar 2016