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FINE Das Weinmagazin 01/2016 - Friedrich Groebe

Die wunderbare Weinwelt des Friedrich Groebe Unbeirrt von den Moden der deutschen Weinszene erzeugt Friedrich Groebe in Westhofen seit Jahrzehnten einige der besten und langlebigsten trocknen Rieslinge Deutschlands

Die wunderbare Weinwelt des Friedrich Groebe
Unbeirrt von den Moden der deutschen Weinszene erzeugt Friedrich Groebe in Westhofen seit Jahrzehnten einige der besten und langlebigsten trocknen Rieslinge Deutschlands

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DAS WEINMAGAZIN<br />

Jürgen Dollase bei Jörg Sackmann<br />

Stuart Pigott: Ontario ist cool<br />

Frauen im Wein: Eva Raps<br />

Piemont: Cantina Le Pianelle<br />

Neuseeland: Sir George Fistonich<br />

Bourgogne: Etienne Sauzet<br />

Champagne: Die besten Rosés<br />

Riesling von <strong>Friedrich</strong> <strong>Groebe</strong><br />

Weinland Slowenien<br />

L Y N C H - B A G E S


Die wunderbare<br />

Weinwelt<br />

des <strong>Friedrich</strong> <strong>Groebe</strong><br />

Unbeirrt von den Moden der deutschen Weinszene erzeugt<br />

<strong>Friedrich</strong> <strong>Groebe</strong> in Westhofen seit Jahrzehnten einige der<br />

besten und langlebigsten trocknen Rieslinge Deutschlands<br />

Von Till Ehrlich<br />

Fotos Christof Herdt<br />

140 141<br />

<strong>FINE</strong> 1 | 2<strong>01</strong>6 <strong>FINE</strong> Rheinhessen


stehen seine lebendigen Weine denen der jüngeren Winzer in<br />

nichts nach und entfalten sich über die Jahre oft sogar noch stabiler<br />

und raffinierter. Dies zeigen seine hochkarätigen Gewächse<br />

aus den Lagen Aulerde und Kirchspiel – etwa in Jahrgängen wie<br />

2002 oder 2007, die immer noch taufrisch sind, in ihrer Intensität<br />

und geschmacklichen Spannung nicht nachgelassen haben<br />

und im Lauf der Jahre sogar noch schöner und eleganter geworden<br />

sind. Doch die meisten Multiplikatoren der deutschen<br />

Weinszene haben sie dann längst nicht mehr auf dem Schirm.<br />

Der traditionelle Holzfassausbau begründet die weinstilistische<br />

Ausnahmestellung des Weinguts <strong>Groebe</strong>.<br />

Die sich draus ergebende Langlebigkeit ist der eigentliche<br />

Kern der handwerklichen Weinbaukunst, denn wenn ein<br />

Wein nach zehn, fünfzehn Jahren noch lebendig schmeckt und<br />

Jahr um Jahr in der Flasche feiner wird, zeigt er seine Klasse und<br />

seinen Wert. In der schnelllebigen, marktgeprägten Gegenwart<br />

ist dies aber auch ein Nachteil, da sich fassgereifter Riesling in<br />

der Jugend nicht so elegant und schmeichelnd präsentiert. Er<br />

braucht einfach Zeit. Doch viele Konsumenten und Ver markter<br />

wollen nicht mehr warten, geschweige denn lagern. Nichts ist so<br />

sexy wie der neueste Jahrgang. Viele Winzer haben sich darauf<br />

eingestellt und bauen ihre Weine schneller aus; sie werden dabei<br />

so getrimmt, dass sie sich oft schon wenige Wochen nach der<br />

Ernte so fruchtig frisch präsentieren, dass sie sich sofort verkaufen<br />

lassen. Nach ein paar Jahren aber er müden sie, schmecken<br />

alt und fad. <strong>Friedrich</strong> <strong>Groebe</strong> macht das nicht mit, weshalb seine<br />

jugendlich verschlossenen Weine oft im Schatten der schnellen<br />

Blender stehen. Hinzu kommt, dass auch in Rhein hessen<br />

viele Winzer alle drei bis vier Jahre ihren Weinstil ändern und<br />

an den schnelllebigen Markt anpassen. So wurden noch vor drei<br />

Jahren die meisten rheinhessischen Gutsweine frucht strotzend<br />

und körperreich ausgebaut, inzwischen sind sie schlanker und<br />

In Jahrtausenden hat sich der<br />

harte Kalkfels zu Erde gewandelt.<br />

Der schwere Kalksteinboden<br />

verleiht dem Großen<br />

Gewächs aus dem Westhofener<br />

Kirchspiel, in dem <strong>Friedrich</strong><br />

<strong>Groebe</strong>s Vater vor einem<br />

halben Jahr hundert die besten<br />

Parzellen erworben hat, seine<br />

mineralreiche Festigkeit.<br />

Im Weinberg geht <strong>Friedrich</strong> <strong>Groebe</strong> auf die Knie. Mit der Fingerspitze berührt er<br />

die Erde in seiner Lage Kirchspiel in Westhofen. »Im Boden ist Kalkfels, der in<br />

der Tiefe zum Weichen schmilzt«, sagt er, »das harte Gestein wird dabei zu Erde.<br />

<strong>Das</strong> dauert Jahrtausende.« Man kann diese Verwandlung auch im Wein spüren,<br />

der auf diesem schweren Kalksteinboden wächst. Am deutlichsten tritt sie in<br />

<strong>Groebe</strong>s Riesling aus dem Kirchspiel zu Tage: Er hat diese mineralreiche Festigkeit<br />

und ungezähmte Kraft, die sich auf der Zunge in Harmonie und freundlichen<br />

Geschmack verwandelt, in kühlen Saft und warme Fülle. Zum Weichen hin, ohne<br />

Spannkraft zu verlieren. Für die Metamorphose zum Sublimen brauchen Wein und<br />

Boden viel Zeit. <strong>Das</strong> weiß der Winzer.<br />

<strong>Friedrich</strong> <strong>Groebe</strong>, Jahrgang 1962, ist weder Selbstdarsteller<br />

noch Freund großer Worte, er lobt sich nicht selbst, redet die<br />

Weine anderer nicht klein. Wenn er über seine Arbeit spricht,<br />

gelingen ihm manchmal Sätze, die fast poetisch klingen. Vielleicht<br />

hat das damit zu tun, dass er ein musischer Mensch ist,<br />

der eine intensive Beziehung zur Musik pflegt, seit der Kindheit<br />

Klavier spielt und hier sein Gespür für die feinen Unterschiede<br />

geschult hat. Seine Weine reifen nicht in blitzenden, sensorengesteuerten<br />

Stahltanks, französischen Barriques oder modischen<br />

Amphoren, sondern in Eichenfässern, die die Zeit geschwärzt<br />

hat, die zum Teil noch von seinem Vater nach dem Krieg angeschafft<br />

wurden. Selbst als fast alle umliegenden Winzer ihre<br />

Holzfässer aus rangiert hatten und Stahl, Beton und Plastik in<br />

die Keller Einzug hielten, blieb <strong>Friedrich</strong> <strong>Groebe</strong> dabei. Obwohl<br />

er jung war, galt er als altmodisch, eigenbrötlerisch. Seine Weine<br />

wurden oft unterschätzt und auch von der deutschen Weinkritik<br />

meist nicht verstanden und nicht objektiv bewertet.<br />

Kunst der Holzfassreifung<br />

Inzwischen gibt es ein Revival. Plötzlich wird auch in<br />

Rheinhessen viel über traditionelle Holzfassreifung geredet,<br />

werden Weine wieder in Stückfässern ausgebaut. Doch<br />

viele Winzer wissen nicht mehr so richtig, wie das geht, müssen<br />

den klassischen Fassausbau erst wieder lernen. <strong>Friedrich</strong> <strong>Groebe</strong><br />

hat damit nie aufgehört und darin Meisterschaft erlangt. Dabei<br />

geht es im Wesentlichen darum, den Wein im Fass sehr lange<br />

Sur Lie, auf seiner natürlichen Gärungshefe, zu lassen. <strong>Das</strong><br />

erfordert Sauberkeit im Keller und vom Winzer viel Geduld,<br />

Fingerspitzen gefühl und Aufmerksamkeit. Er muss den Wein<br />

einerseits in Ruhe reifen lassen, andererseits ihn ständig kontrollieren<br />

und bei Bedarf schnell reagieren können. Hefe ist<br />

etwas höchst Lebendiges, und ein langes Hefelager bedeutet<br />

eben auch, dass unerwartete biochemische Prozesse den Wein<br />

verändern und verderben können. Doch erst durch die lange<br />

Reifung mit der Hefe im Fass kann ein Wein jene Stabilität und<br />

Struktur erlangen, die ihm das Fundament für die Komplexität<br />

und Haltbarkeit eines großen Weins gibt.<br />

Kurz, es geht darum, dem Wein Zeit zu geben und ihn auf<br />

weitgehend natürliche Weise zu stabilisieren – ohne starke Eingriffe<br />

und High-Tech. Jeden Herbst zur Weinernte kommen<br />

Önologen und Weinbegeisterte aus aller Welt – aus dem Napa<br />

Valley, aus Australien oder Neuseeland –, um diese rar gewordene<br />

Handwerkskunst bei <strong>Friedrich</strong> <strong>Groebe</strong> zu erlernen.<br />

Als nach der Jahrtausendwende im südlichen Rhein hessen<br />

eine junge Winzergeneration mit Protagonisten wie Klaus Peter<br />

Keller und Philipp Wittmann medial Furore machte, stand der<br />

ältere <strong>Friedrich</strong> <strong>Groebe</strong> etwas im Abseits, obwohl er die selben<br />

Westhofener Top-Lagen bewirtschaftet, seine Wein stilistik<br />

immer weiter entwickelt und mit seinen Inter pretationen die<br />

deutsche Rieslingtradition gründlich entstaubt hat. Dabei<br />

142 143<br />

<strong>FINE</strong> 1 | 2<strong>01</strong>6 <strong>FINE</strong> Rheinhessen


Fünfhundert Jahre ist der Keller alt,<br />

der in fünf Metern Tiefe unter dem<br />

Marktplatz von Westhofen liegt. Der<br />

traditionelle Holzfassausbau begründet<br />

die weinstilistische Ausnahmestellung<br />

des Weinguts <strong>Groebe</strong>.<br />

leichter geworden – weil der Markt es so will. <strong>Friedrich</strong> <strong>Groebe</strong><br />

aber folgt seinen eigenen Überzeugungen. Für ihn gibt es klare<br />

Grenzen, die er nicht überschreiten will und kann. Dadurch hat<br />

er es dann manchmal wohl auch etwas schwerer.<br />

<strong>Groebe</strong>s Marathonweine versteht man vielleicht besser,<br />

wenn man sie nicht mit anderen rheinhessischen oder<br />

deutschen Spitzenweinen vergleicht. Hilfreicher ist ein<br />

Blick nach Frankreich, auf kleine familiengeführte Domänen<br />

wie Gros, Tollot-Beaut und Ramonet in Burgund oder Macle,<br />

Labet und Overnoy im Jura. Sie arbeiten seit Genera tionen<br />

unaufgeregt und handwerklich, sind ganz auf die Erzeugung<br />

feinster langlebiger Weine fokussiert, ohne nebenher noch<br />

Landwirtschaft oder eine Ferienpension zu betreiben. Oft gibt<br />

es noch nicht mal eine Homepage, von Marketing und Weinmoden<br />

hält man meist nicht allzu viel. Es sind Familien, die<br />

sich ungestört auf den Weinbau konzentrieren und in denen<br />

es nicht nur so etwas wie generationenübergreifende Erfahrungen<br />

gibt, sondern auch verbindliche Werte – wie Moral und<br />

Strenge. Wenn nämlich schon dem Urgroßvater ohne Technik<br />

große Weine gelungen sind, tritt das eigene Ego etwas zurück,<br />

wird die Arbeit vielleicht nüchterner, objektiver eingeschätzt.<br />

Und das ist dann auch gut für den Wein, der mit stoischer<br />

Konti nuität behutsam entwickelt wird, Jahr um Jahr. Selbst die<br />

schwierigen Jahrgänge, die zu kalten, zu heißen oder zu nassen,<br />

werden ernst genommen. Auch in ihnen bleibt der Wein von<br />

modischen, technologischen und biochemischen Eingriffen<br />

und Zusätzen verschont. Man hat in der Familie genug eigene<br />

Erfahrung und Geduld, weiß, wie man mit der Unberechenbarkeit<br />

des Wetters umgeht. Im Keller muss man den Wein nicht<br />

durch eine High-Tech-Maschine jagen, ihn weder säuern noch<br />

entsäuern, ihn auch nicht mit Enzymen oder Reinzuchthefen<br />

impfen oder aggressiv filtern, und man muss auch nicht in die<br />

Tannin-Tüte greifen. <strong>Das</strong> ist gut für den Wein, den echten, der<br />

nicht von Technik und Chemie, Winzer-Ego und Marketing<br />

entstellt wird. Deshalb schätzen Menschen, die sich von Wein<br />

berühren lassen wollen, diese Gewächse. Sie sind bereit, dafür<br />

Zeit, Geduld und Geld aufzubringen.<br />

In diesem Geist wird seit rund zweihundertfünfzig Jahren im<br />

Haus <strong>Groebe</strong> Wein aus Westhofener Toplagen wie Morstein<br />

und Aulerde erzeugt – vor einem halben Jahrhundert kamen<br />

noch wertvolle Parzellen im Kirchspiel hinzu. <strong>Das</strong> Gut unterscheidet<br />

sich von den meisten rheinhessischen Weingütern<br />

auch darin, dass es nicht aus einer gemischten Landwirtschaft<br />

mit Viehhaltung und Ackerbau hervorgegangen ist. Als Johann<br />

Michael <strong>Groebe</strong> im Jahr 1763 das Weingut in Westhofen gründete,<br />

gehörte lange Zeit eine renommierte Kunstschmiede dazu.<br />

Dieses zweite Standbein sicherte der Familie eine gewisse wirtschaftliche<br />

Unabhängigkeit, durch die sie ohne ökonomischen<br />

Druck ihrer Leidenschaft für edle Weine nachgehen konnte.<br />

Auch das bürgerliche Bildungsethos der Familie ermöglichte<br />

einen anderen Blick auf den Wein. Schon <strong>Friedrich</strong> <strong>Groebe</strong>s<br />

Urgroßonkel betrieb in Darmstadt, der damaligen Residenzstadt<br />

des Großherzogtums Hessen, einen florierenden Handel<br />

mit Delikatessen und feinen Weinen aus Bordeaux und Burgund.<br />

Diese Weine waren der Familie bekannt und erweiterten<br />

ihren Horizont.<br />

Der Urgroßonkel war nicht nur Hoflieferant des Großherzogs,<br />

er hatte auch Kontakt zu der Welt des Theaters<br />

und der Künste – Darmstadt war zur Zeit des Jugendstils<br />

ein europäisches Zentrum der Moderne, das die besten<br />

Künstler Europas anzog. Hier begründet sich auch die den<br />

Musen zugewandte Seite der Familie. Zugleich wurde immer<br />

auch in Westhofen mit Akribie und protestantischem Fleiß<br />

Wein erzeugt. Als <strong>Friedrich</strong> <strong>Groebe</strong>s Großvater, der Neffe<br />

des Großonkels, in Biebes heim im hessischen Südried in eine<br />

Winzer familie einheiratete, hatte die Familie zwei Zentren –<br />

Westhofen und Biebes heim. Erst <strong>Friedrich</strong> <strong>Groebe</strong> hat unlängst<br />

den Biebes heimer Standort aufgelöst und das Weingut in Westhofen<br />

an einem Ort zusammengeführt.<br />

Den Traditionsbruch, den der deutsche Weinbau in der<br />

zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts erlebte, gab es in der<br />

Familie <strong>Groebe</strong> nicht. Sie hat auch in Zeiten, als guter Wein in<br />

Deutschland schwer zu verkaufen war, nicht auf Viehhaltung,<br />

Ackerbau, Ferienzimmer oder Gutsausschank gesetzt. Auch<br />

144 145<br />

<strong>FINE</strong> 1 | 2<strong>01</strong>6 <strong>FINE</strong> Rheinhessen


An den Flügel im neuen Verkostungsraum,<br />

in dem auch Lesungen und<br />

kleine Konzerte stattfinden, zieht sich<br />

<strong>Friedrich</strong> <strong>Groebe</strong> gern zurück. In der<br />

Schatzkammer des zweihundertfünfzig<br />

Jahre alten Weinguts lagern die<br />

Flaschen großer Jahrgänge bis 1911.<br />

Auf dieses vinophile Gedächtnis greift<br />

der Winzer immer wieder zurück.<br />

im Weinberg hat man sich vielen Sünden verweigert, hat nie<br />

Herbi zide versprüht, weshalb die Lagen heute über ein gesundes<br />

Ökosystem verfügen. <strong>Das</strong> trifft auch auf die Weinstilistik<br />

zu: Die <strong>Groebe</strong>s haben nie mit der Tradition großer trockner<br />

Lagenweine gebrochen. So war das Gut zwischen den 1970er<br />

und 1990er Jahren der einzige Betrieb, der trockne Rieslinge<br />

aus dem Kirchspiel erzeugte. 1988 hat <strong>Friedrich</strong> <strong>Groebe</strong> seinen<br />

ersten Jahrgang in alleiniger Verantwortung produziert und<br />

sich dann in Rheinhessen erfolgreich für die Entwicklung der<br />

Großen Gewächse engagiert, was schließlich in die Lagenklassifikation<br />

des VDP mündete. 1998 konnte er sein erstes<br />

Großes Gewächs vom Kirchspiel herausbringen. Er hat für die<br />

Reputation der Lage Kirchspiel, in der sein Vater die besten Parzellen<br />

erworben hatte, immens viel getan. Heute bewirtschaftet<br />

das kleine Gut insgesamt rund<br />

neun Hektar Reben.<br />

Der Keller<br />

Ein uralter Weinkeller<br />

wird bis zum heutigen<br />

Tag für fast die gesamte<br />

Weinproduktion genutzt. Er<br />

liegt in fünf Metern Tiefe<br />

direkt unter dem historischen<br />

Marktplatz von Westhofen.<br />

Der Eingang befindet<br />

sich in der Kellergasse, die entlang<br />

der südlichen Stützmauer<br />

des Marktplatzes verläuft. Wer<br />

diesen fünfh undert Jahre alten<br />

Keller betritt, gelangt in einer<br />

Art Zeitmaschine in eine entrückte<br />

Welt, die allein dem<br />

Wein zu gehören scheint.<br />

Hier stehen zweiundvierzig<br />

alte Holzfässer – das älteste<br />

ist von 1890, das jüngste von<br />

1967 –, in denen <strong>Friedrich</strong><br />

<strong>Groebe</strong>, wie schon seine Vorfahren,<br />

die gesamte Ernte ausbaut.<br />

In diesem Gewölbe ist<br />

die wunderbare Weinwelt des<br />

<strong>Friedrich</strong> <strong>Groebe</strong> zu greifen. Der Keller ist nicht nur Teil seiner<br />

Familiengeschichte, er zwingt den Winzer auch zu einem technischen<br />

Minimalismus, zur handwerklichen Perfektionierung<br />

des Holzfassausbaus. <strong>Das</strong> hat natürlich Folgen für die Stilistik<br />

seiner Weine, begründet ihre fragile Schönheit, die erst mit den<br />

Jahren langsam erblüht. Und vielleicht auch die stilistische Einsamkeit<br />

eines Winzers, der diesen Ort gegen nichts eintauschen<br />

könnte, ohne seine Wurzeln zu verraten.<br />

In diesem Keller befindet sich auch die Schatzkammer des<br />

Weinguts, ein Archiv der Weine bis zu den großen Jahrgängen<br />

1911, 1920 und 1921. Dieses vinophile Gedächtnis wurde<br />

immer wieder wichtig, wenn es darum ging, den eigenen Weinstil<br />

zu hinterfragen oder weiterzuentwickeln. So hat <strong>Friedrich</strong><br />

<strong>Groebe</strong> im Jahr 2004 gemeinsam mit seinem Vater eine Flasche<br />

1924er Westhofener Berg Riesling Spätlese getrunken.<br />

Westhofener Berg war die damalige Bezeichnung des Westhofener<br />

Morsteins. Der achtzig Jahre alte trockne Riesling war<br />

noch derart frisch und gut verfasst, dass er <strong>Friedrich</strong> <strong>Groebe</strong><br />

zu einer Reinter pretation dieses alten Stils inspirierte. Seitdem<br />

erzeugt der Winzer in ganz großen Jahrgängen des Kirchspiels<br />

unter dem Arbeitstitel »Reserve« eine hochmineralische Riesling<br />

Spätlese, die trocken schmeckt, aber einen Hauch Restsüße<br />

besitzt, sodass sie genug Substanz und Potential für eine<br />

jahrzehntelange Lagerung hat. <strong>Das</strong> geschah bislang erst zweimal:<br />

2007 und 2<strong>01</strong>2. Der Wein wird erst nach zehn Jahren freigegeben<br />

– 2<strong>01</strong>7 wird die 2007er Reserve ihre Premiere haben.<br />

<strong>Das</strong> Refugium<br />

Mit seinem neuen Probierzimmer hat sich <strong>Friedrich</strong><br />

<strong>Groebe</strong> auch ein persönliches Refugium geschaffen.<br />

Neben den üblichen Verkostungstischen gibt es<br />

einen wunderschönen schwarzen Schimmel-Flügel. Der Raum<br />

wurde so gebaut, dass sich der warme Klang des Instru ments<br />

gut entfalten kann. Hier finden nicht nur Lesungen und kleine<br />

Konzerte statt: Der Winzer zieht sich gern hierhin zurück, um<br />

Musik zu hören oder am Flügel zu improvisieren. Er tut dies<br />

mit einer ähnlichen Strenge, Leidenschaft und Sensibilität<br />

wie bei der Weinherstellung. Nicht um das Experi mentieren<br />

geht es ihm, sondern um das sorgfältige Ausloten von Zeitverhältnissen,<br />

das Mitgehen mit dem Fluss der Musik und das<br />

Finden des Stimmigen, das in ihm nachhallt und ein Gefühl<br />

von Dauer schafft. •<br />

<strong>FINE</strong> TASTING<br />

Till Ehrlich verkostet vierzehn Riesling-Gewächse vom Weingut<br />

K. F. <strong>Groebe</strong> in Westhofen aus den Jahrgängen 1988 bis 2<strong>01</strong>4<br />

2<strong>01</strong>4 Riesling »1763« 91 P<br />

Trauben in Kabinett-Qualität aus der Spitzenlage Aulerde wurden mit ihren<br />

natürlichen Hefen spontan vergoren, der Wein in Stückfässern gereift.<br />

Ein hellgelber vitaler Wein mit Mirabellenduft und reintöniger, mineralischer<br />

Art. Trockner Geschmack mit feinnerviger Fruchtfrische, spielerischer Finesse<br />

und einem delikaten Hauch Fruchtsüße. Sehr fein balanciert.<br />

2<strong>01</strong>4 Westhofener Riesling trocken 90 P<br />

Erzeugt aus Trauben, die in den Spitzenlagen Aulerde und Kirchspiel in Westhofen<br />

gewachsen sind.<br />

Topasgelber Riesling mit reintönigem Bukett, intensiver Kräuterfrische, Apfelund<br />

Mirabellennoten. Verbindet am Gaumen stilvolle Saftigkeit und Säurefrische<br />

mit harmonischer, geschmeidiger Finesse. Dabei feinnerviger, charaktervoller<br />

Geschmack mit guter Länge.<br />

Vertikale Riesling Aulerde<br />

2<strong>01</strong>4 Aulerde Riesling Grosses Gewächs trocken<br />

<br />

92 P<br />

Lebendiger Wein mit mittelgelber Farbe und konzentriertem, feinem Duft<br />

wie weißer Pfirsich und reife Weinbeeren. Intensiver Geschmack mit schönem<br />

Trinkfluss, fein abgestimmter Opulenz und beeindruckender Mineralität. Saftig,<br />

komplett, lang.<br />

2<strong>01</strong>2 Aulerde Riesling Grosses Gewächs trocken<br />

<br />

93 P<br />

Topasgelber Riesling mit beginnender Trinkreife, die am opulenten Duft erkennbar<br />

ist: warme und kühle Aromen wie gelber Apfel, Minze, Biskuit und steinige<br />

Art. Kühler, geschliffener Geschmack mit köstlichem Trinkfluss, animierender<br />

Saftigkeit und reintöniger Mineralität. Sehr fein balanciert. Lang.<br />

2006 Aulerde Riesling Grosses Gewächs trocken<br />

<br />

90 P<br />

Goldene Farbe und würziger Duft, der eine deutliche Reife zeigt mit einem<br />

Hauch Rosine und Minze. Am Gaumen überraschend trocken, dabei geschmeidig<br />

und cremig. Im Finale frischer, kräuterwürziger Geschmack mit warmem<br />

Ausdruck.<br />

2003 Aulerde Riesling Grosses Gewächs trocken<br />

92P<br />

Hellgoldener Riesling mit würzigem Duft wie getrocknete Alpenkräuter, wilder<br />

Thymian und hochreife Mirabelle. Wuchtiger Geschmack mit süß bittren<br />

Nuancen und purer Fruchtigkeit, die an süße Äpfel und gelbe Pflaumen erinnert.<br />

Im Finale konzentriert, druckvoll, lang.<br />

Vertikale Riesling Kirchspiel Grosses Gewächs<br />

2<strong>01</strong>4 Kirchspiel Riesling<br />

Grosses Gewächs trocken<br />

92 P<br />

Hellgelbe Farbe und feinnerviger Duft mit kühler Mineralität, etwas Pomelo<br />

und gelber Rose. Am Gaumen erfrischend, kühl und lebendig mit filigranem<br />

Spiel. Im Finale sublim und delikat. Lang.<br />

2<strong>01</strong>2 Kirchspiel Riesling<br />

Grosses Gewächs trocken<br />

93 P<br />

Topasgelber Riesling mit kühlem Duft wie Alpenkräuter, Eukalyptus und<br />

Feuer stein. Im Geschmack noch etwas verschlossen, dabei raffiniert balanciert.<br />

Geschmeidige, delikate Frucht, die sich im Finale zu höchster Finesse steigert.<br />

Reintönig, tief und lang.<br />

2007 Kirchspiel Riesling<br />

Grosses Gewächs trocken<br />

95 P<br />

Hellgoldener Riesling mit weißem Blütenduft, wildem Thymian und inten siver<br />

Frische. Am Gaumen Zitronengelee, frischer Thymian und steinige Mineralität.<br />

Im Finale feinnervig, saftig und kühlaromatisch. Ausdrucksstarker Wein<br />

mit Länge und Schliff. Großes Reifepotential.<br />

2002 Kirchspiel Riesling<br />

Grosses Gewächs trocken<br />

97 P<br />

Hellgoldener Riesling mit feiner Feuersteinaromatik, reifem Herbstapfel und<br />

duftenden Alpenkräutern. Am Gaumen Delikatesse pur mit ausladender Intensität<br />

und kühlem Saft. Im Finale jugendliche Spannung, knackige Grapefruit, tiefgründiges<br />

mineralisches Spiel. Dabei feinnervig, elegant, erhaben. Trotz Opulenz<br />

sehr fein proportioniert. Ein großer trockner Wein mit Länge und Potential,<br />

der nach fast fünfzehn Jahren immer noch taufrisch und aufregend schmeckt.<br />

Vertikale Kirchspiel Riesling Spätlese<br />

2002 Kirchspiel Riesling Spätlese 94 P<br />

Hellgoldener Riesling mit einem Hauch reifer Früchte wie Limone, Kumquat<br />

und etwas Biskuit. Am Gaumen betörende Saftigkeit mit sublimem Spiel von<br />

zitroniger Säurefrische und köstlicher Fruchtigkeit – delikat, nie vorder gründig.<br />

Lang und anhaltend.<br />

1990 Kirchspiel Riesling Spätlese 94 P<br />

Goldfarbener Riesling mit feinwürzigem Reifeduft, jugendlicher Frische,<br />

getrockneten Alpenkräutern und einem verführerischen Hauch süßer Nuancen<br />

wie Biskuit und Bratapfel. Im Mund reiche, mundfüllende Art mit Delikatesse<br />

und zitroniger Säurefrische. Schmeckt geschmeidig und jugendlich. Potential<br />

für weitere zehn Jahre Flaschenlagerung.<br />

Vertikale Kirchspiel Riesling Trockenbeerenauslese (tba)<br />

2<strong>01</strong>1 Kirchspiel Riesling TBA 93 P<br />

Bernsteinfarbener Riesling mit betörendem Bukett wie gedörrte Mango, Marille<br />

und Pfirsich pur. Im Hintergrund Noten von Rosine, Minze und Feuerstein.<br />

Auch im Geschmack schon weit entwickelt. Kompletter Wein mit mundfüllender<br />

Intensität – sublim und druckvoll zugleich. Lang.<br />

1988 Kirchspiel Riesling TBA 95 P<br />

Mahagonifarbener Riesling mit rötlichen Reflexen. Reicher, vollentwickelter<br />

Duft mit balsamischen Akzenten sowie mineralischen und kräutrigen Nuancen.<br />

Am Gaumen Marille pur mit getrockneten Alpenkräutern. Dabei geschmeidig,<br />

opulent und viskos, aber auch leichtfüßig und frisch. Viel Frische und lebhaftes<br />

Fruchtspiel im ewig langen Abgang. •<br />

146 147<br />

<strong>FINE</strong> 1 | 2<strong>01</strong>6 <strong>FINE</strong> Rheinhessen

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