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Norderland 02 -2016

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NORDERLAND<br />

Ein Erinnerungsfoto von 1972:<br />

Der von einer Dampflokomotive aus Rheine (012 100-4)<br />

gezogene Eilzug nach Norddeich-Mole<br />

fährt in den Bahnhof Osteel ein.<br />

Ende der 1950er, Anfang der 1960er Jahre entstand diese<br />

Aufnahme, die das damalige Umfeld des Hotels Fährhaus in<br />

Norddeich zeigt. Ein Zug mit einer Dampflokomotive verlässt<br />

gerade die Mole und fährt in den Norddeicher Bahnhof ein.<br />

Wer nun immer noch und zum dritten Mal Abschied nehmen<br />

wollte, begab sich am Sonntag, 1. Juni, wiederum auf die<br />

Emslandstrecke. Am frühen Morgen verließ die Dampflok 012<br />

061 mit einem Gesellschaftszug den Bahnhof Rheine nach<br />

Norddeich-Mole und kehrte am Abend mit den<br />

Wochenendausflüglern wieder nach Rheine zurück.<br />

Im Frühjahr 1975 berichtete der bundesweit vertriebene<br />

„Eisenbahn-Kurier“, dass manche Leute das Ende des<br />

Dampflokzeitalters mit ganz anderen Augen sahen. Zitat:<br />

„Der Abschied von den dampfgeführten Schnell- und Eilzügen<br />

der Emslandstrecke wird den Anrainern des Bahnhofes Rheine,<br />

den Eigentümern der Einfamilienhäuser südlich des Emder<br />

Hauptbahnhofs und der Kurverwaltung in Norddeich weniger<br />

schwerfallen.<br />

Ein Schnellzugheizer aus Rheine, der in einer Norddeicher<br />

Flaschenbierhandlung etwa in Höhe der Lok-Drehscheibe für<br />

sich und seinen Meister zwei Flaschen Bier holen wollte, wurde<br />

vor einiger Zeit von der Dame des Hauses mit einer solchen<br />

Schimpfkanonade bezüglich der umweltverschmutzenden<br />

schwarzen Ungeheuer empfangen, daß er sich wundern<br />

mußte, überhaupt noch bedient zu werden. Was interessierte<br />

es die Dame, daß das Qualmen der ölgefeuerten<br />

Dampflokomotiven meist nur auf Bedienungsfehlern beruhte?<br />

Was interessierte es sie, daß die verhaßten Maschinen<br />

Leistungen erbrachten … Gewiß gab es bedeutendere Einsätze<br />

für die Baureihe 012 als den Einsatz auf der Emslandstrecke.<br />

Aber es war faszinierend genug, beispielsweise mit dem<br />

,bunten Schlafwagenzug’ D 730 von Norddeich nach Rheine zu<br />

fahren, über die Klappbrücke in Emden zu poltern und dann<br />

das plötzliche Anschwellen der Anfahr-Melodie zu vernehmen.<br />

Irgendwo in der endlosen ostfriesischen Landschaft wurden<br />

die ,Rohre geblasen’ und Lokführer und Heizer blickten dem<br />

pechschwarzen ,Atompilz’, den sie da in die Landschaft gesetzt<br />

hatten, fast ein wenig selbstzufrieden nach. Wer könnte solche<br />

Fahrten vergessen?“ Die letztmalig auf der Emslandstrecke<br />

zwischen Rheine und Norddeich eingesetzte und dann aufs<br />

Abstellgleis geführte Dampflok-Baureihe beendete eine Ära,<br />

die in den 1930er-Jahren begonnen hatte. In jener Zeit bemühte<br />

sich die damalige Deutsche Reichsbahn, die Fahrzeiten ihrer<br />

Reisezüge, vor allem die der Fernzüge zu straffen und ein Netz<br />

schnellfahrender Reisezüge einzurichten. So entwarf die Bahn<br />

eine Stromlinien-Schnellzuglok und gab sie bei der Berliner<br />

Maschinenbau AG in Auftrag.<br />

Von der so bezeichneten Baureihe 01.10 (später 012) wurden<br />

in den Jahren 1939/40 insgesamt 55 Loks geliefert. Der inzwischen<br />

begonnene Zweite Weltkrieg zwang die Reichsbahn<br />

jedoch, weitere Bestellungen zu stornieren. Für den<br />

Kriegseinsatz hatten starke Güterzugloks den Vorrang. Gegen<br />

Kriegsende wurden alle im Osten eingesetzten Loks in den<br />

Westen des Reichsgebietes gebracht, um sie dem Zugriff der<br />

sowjetischen Roten Armee zu entziehen. Ab 1945 befanden<br />

sich somit alle 55 „Dampfrösser“ dieser Baureihe in den westlichen<br />

Besatzungszonen, also im Bereich der späteren<br />

Bundesrepublik. Nachdem sie hier in den Bestand der Deutschen<br />

Bundesbahn übernommen worden waren, musste nur eine Lok<br />

ausgemustert werden. Sie war im Krieg durch einen<br />

Bombentreffer zu schwer beschädigt worden. Nach gründlichen<br />

Ausbesserungen sowie äußeren und inneren<br />

Veränderungen konnten die übrigen 54 weiterhin eingesetzt<br />

werden. 34 wurden im Laufe der Zeit von Kohle- auf<br />

Ölhauptfeuerung umgestellt. Die Ölfeuerung brachte eine<br />

höhere Leistungsfähigkeit. Bei den Betriebswerken Bebra und<br />

Osnabrück kam die Baureihe zu Leistungen, die alle früheren<br />

Erwartungen übertrafen. Laufleistungen bis zu 26000 Kilometer<br />

im Monat – wie beispielsweise 1956 – waren keine Seltenheit.<br />

Die beiden Schnellzugdampfloks, die vor 41 Jahren im<br />

Blickpunkt der Abschiedsfahrten standen, existieren heute<br />

noch und befinden sich im Besitz der Ulmer Eisenbahnfreunde.<br />

Die ehrwürdige 012 081-6 stand lange Zeit als Denkmal in Bad<br />

Münster am Stein und ist heute ein Museumsstück im Bahnpark<br />

Augsburg. Die 012 066-7 hingegen ist nach wie vor voll<br />

betriebsfähig und erfreut sich auf Sonderfahrten durch ganz<br />

Deutschland „bester Gesundheit“. Seit dem Jahr 2000 kommt<br />

der „Edelrenner“ auf diese Weise fast regel mäßig auch nach<br />

Norden.<br />

Info: Tag des Eisenbahnfreundes<br />

Am 22. Mai, vor Beginn der Haupt-Fahrsaison, findet im<br />

Bahnbetriebswerk des Vereins „Museumseisenbahn<br />

Küstenbahn Ostfriesland“ (MKO) im und um den denkmalgeschützten<br />

Ringlokschuppen am Bahnhof Norden von 10<br />

bis 17 Uhr wieder der Tag des Eisenbahnfreundes statt.<br />

Besucher können die Fahrzeuge und Einrichtungen der MKO<br />

besichtigen. Aussteller aus dem Modellbahnsektor präsentieren<br />

ihr Hobby, eine Modellbahn- und Modellbaubörse<br />

rundet die Schau ab.<br />

Wer einmal den Blick aus der Perspektive des Lokführers<br />

erleben möchte, kann dies bei einer Mitfahrt auf dem<br />

Führerstand einer der Diesellokomotiven auf den Gleisen des<br />

Betriebswerkes tun. Der Museumszug fährt an diesem Tag<br />

mit kleinem Wagenpark nach dem üblichen Fahrplan auf der<br />

Küstenbahn als Zubringer direkt zum MKO-Betriebsgelände.<br />

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