Glareana_50_2001_#1
Werner Walter Glocken als Musikinstrumente Walter R. Kälin Ansicht einer Verbesserung des Hornes. Von P. Athanasius Tschopp 1827 [Teil 2] Jacques Deferne Un clavecin de Jakob Stirnemann dans la fondation "La Menestrandie" [français/deutsch]
Werner Walter
Glocken als Musikinstrumente
Walter R. Kälin
Ansicht einer Verbesserung des Hornes. Von P. Athanasius Tschopp 1827 [Teil 2]
Jacques Deferne
Un clavecin de Jakob Stirnemann dans la fondation "La Menestrandie" [français/deutsch]
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dem Frans und Pieter Hemony fand er hervorragende Fachleute, welche seine theoretischen<br />
Erkenntnisse zur Perfektionierung des Glockenklangs in die Praxis umsetzten.<br />
Zusammen definierten sie erstmals die genaue Position der Teiltöne in der Glockenwand.<br />
Darauf basierend, entwickelten sie eine Stimm-Methode, bei der auf einer<br />
Karusselldrehbank an entscheidenden Stellen Metall von der inneren Wand abgedreht<br />
wird. Aufgrund des komplexen Klanges ist es nicht möglich,Teiltöne nur nach Gehör<br />
zu korrigieren. Als Referenz verwendeten die Hemonys (lange Zeit vor Chladni!) genau<br />
stimmende Metallstäbe, welche durch Resonanz den Einklang mit dem korrekt<br />
gestimmten Teilton mittels . Tanzen" von daraufgestreutem Sand sichtbar machen.<br />
Über dieses Stimmen besteht eine bis heute andauernde Kontroverse. Romantische<br />
Gemüter wollen uns immer noch weismachen, Meister des Faches wüssten ihre Glocken<br />
allein durch Intuition und Erfahrung, ohne jegliche nachträgliche Korrektur exakt<br />
stimmend zu glessen; Ausdrehen wäre unprofessionell und beeinträchtige zudem<br />
durch die Verletzung der Gusshaut die Klangqualität Nun hat aber auch der beste<br />
Giesser der Welt keinerlei Einfluss auf unvorhergesehene Mass- und Formveränderungen,<br />
z.B. während des Trocknens der Form; ebenso wenig kann er nichtlineares<br />
Schrumpfen der gegossenen Bronze beim Erkalten berechnen! Warum sollte ein<br />
Verzicht auf Korrektur von Auswirkungen solcher unkontrollierbarer Massabweichungen<br />
auf die Klangstruktur die .edleren" Glocken hervorbringen? Und warum werden<br />
Klangreichtum und Schönheit korrigierter (!) Hemony-Giocken aus dem 17. Jhr. immer<br />
noch als vorbildlich gepriesen?- Der Klang unkorrigierter schwingender Läuteglocken<br />
mag, isoliert gehört, als durchaus interessant empfunden werden. Bei mehrstimmigem<br />
Musizieren darauf wird man jedoch immer störende Schwebungen und eine getrübte<br />
Harmonie wahrnehmen!<br />
Die tiefe VVirkung des Glockenklangs auf die menschliche Psyche blieb auch Musikern<br />
nicht verborgen. Autoren wie Sebastian Virdung (Musica gelutscht 1511 ), Martin Agricola<br />
(Musica instrumentalis 1529), Thoinot Arbeau (Orchesographie 1588), Michael<br />
Praetorius (Syntagma musicum II 1619), Marin Mersenne (Harmonie Universelle<br />
1636) beschreiben Glocken als Musikinstrumente ihrer Zeit. Über die Art ihrer Verwendung<br />
ist wenig bekannt, weil Komponisten früher selten genaue Besetzungsangaben<br />
machten. Ein erster gesicherter Hinweis auf obligate Glocken findet sich in der<br />
Kantate BWV 53: . Schlage doch, gewünschte Stunde" 1 . Die beiden als .campanelli"<br />
bezeichneten Glocken .e· und .h" sind in der Partitur als :.: Y ··-=-~:~ (im Bass-<br />
---~-<br />
Schlüssel!) notiert. Es handelt sich hier wohl um eine Verwechslung des Schlüssels;<br />
möglicherweise weist der Bass-Schlüssel auch auf ein durch das Pedal bedientes<br />
1 Autor ist der von J.S. Bach sehr geschätzte G.M. Hoffmann, Organist an der Neuen Kirche in Leipzig.<br />
Bach kopierte die Kantate zum eigenen Gebrauch, wodurch sie in das BWV gelangte.