Wochenblick Ausgabe 08/2016
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20 LEBENSSTIL<br />
Was die Frau von heute so alles muss…<br />
Die Frau von heute im Zwiespalt zwischen Wünschen,<br />
Erwartungen und Selbstfindung. Ein Kommentar von<br />
„<strong>Wochenblick</strong>“-Redakteurin Nicole Di Bernardo.<br />
„Sie muss topmodel-magerschlank<br />
sein, aber sie muss<br />
auch Kinder wollen. Diese<br />
muss sie aber im richtigen<br />
Moment wollen – nicht mit<br />
zwanzig, aber auch nicht mit<br />
vierzig. Zwanzig ist zu früh,<br />
vierzig zu spät. Sie muss<br />
die richtige Zahl der richtigen<br />
Kinder mit dem perfekten<br />
Mann zum richtigen<br />
Zeitpunkt kriegen. Die richtige<br />
Zahl ist nicht eins, aber<br />
auch nicht fünf. Die muss irgendwo<br />
dazwischen liegen.<br />
Dann muss sie arbeiten.<br />
Sie muss Karriere machen<br />
und zwar selbstbewusst,<br />
aber nicht als Emanze. Aber<br />
emanzipiert muss sie sein.<br />
Selbstbewusst, emanzipiert,<br />
feministisch, organisiert und<br />
überhaupt gut drauf. Und<br />
während sie Karriere macht,<br />
muss sie gleichzeitig zuhause<br />
bleiben, denn sie darf<br />
Zuviele Erwartungen<br />
keine Rabenmutter sein.<br />
Sie muss topmodel-schlank<br />
sein, man darf ihr die Kinder,<br />
die sie gekriegt hat,<br />
nicht ansehen! Zuhause<br />
muss sie außerdem Liebhaberin,<br />
beste Freundin, Mutter,<br />
alles auf einmal sein.<br />
Und den Stress, den sie<br />
hat, darf man niemals spüren!“<br />
– so humorvoll und<br />
doch treffend, erklärte Florian<br />
Schröder in einer Show<br />
auf NDR das heute weitverbreitete<br />
Frauenbild. Und so<br />
manche Frau wird mit einem<br />
Schmunzeln – oder vielleicht<br />
doch eher mit leicht<br />
sorgenvoller Miene zustimmen.<br />
Eine jede von uns<br />
kennt die Art von „Anforderungen“,<br />
die unsere Zeit an<br />
das weibliche Geschlecht<br />
stellt… Das mag nicht immer<br />
bewusst geschehen<br />
und dennoch schleppen wir<br />
Frauen einen Rucksack voller<br />
Erwartungen, der auf unseren<br />
Schultern lastet.<br />
Junge Mädchen mit zwölf<br />
Jahren stellen sich heute<br />
am Schulhof bereits besorgt<br />
die Frage ,,Bin ich zu dick?“<br />
und verlieren sich zuhause<br />
bei der Internetsuche nach<br />
neuen Diätformen, anstatt<br />
ein gesundes Körperbewusstsein<br />
zu entwickeln.<br />
Kaum, dass man die Volljährigkeit<br />
erreicht hat, wird man<br />
schief angeschaut wenn<br />
man auf die Frage: „Und wie<br />
sehen deine Zukunftspläne<br />
aus?“ keine Antwort hat. Die<br />
guten Ratschläge der Verwandten,<br />
dass man doch<br />
wissen müsse, was man<br />
mit seinem Leben anfangen<br />
möchte und wohin sowohl<br />
berufl ich, als auch familiär<br />
die Reise gehen soll, besorgen<br />
einem mehr Kummer,<br />
als sie Ansporn sind.<br />
Natürlich gibt es daneben<br />
jene, die einem ins Ohr<br />
fl üstern, sein Leben in jungen<br />
Jahren ja zu genießen<br />
und sich nicht zu früh Verantwortung<br />
aufzuhalsen.<br />
Seltsamerweise sind es zugleich<br />
auch diejenigen, die<br />
mit erhobenen Zeigerfi nger<br />
lauern, um einen zu tadeln,<br />
wenn man dann doch zu<br />
lange so sorgenfrei lebt.<br />
Mit Mitte zwanzig kommen<br />
dann die besorgten Blicke<br />
der Eltern, wenn man zum<br />
wiederholten Male eine Beziehung<br />
in den Sand gesetzt<br />
hat. „In deinem Alter<br />
war ich damals schon verheiratet!“<br />
– der Satz, der wider<br />
jeder Vernunft, in einem<br />
leichte Panikreaktionen aufkommen<br />
lässt. Aber neben<br />
Die Uhr tickt...<br />
aller, mehr oder weniger desaströsen<br />
Versuche, den geeigneten<br />
Partner endlich an<br />
sich zu binden, gilt es natürlich<br />
weiterhin nebenbei an<br />
der Karriere zu feilen. Und<br />
bloß nicht vergessen: Sport<br />
und gesunde Ernährung in<br />
den bereits gefüllten Terminkalender<br />
zu integrieren,<br />
denn was einem die Medien<br />
am idealen Körperbild vorleben,<br />
muss ja wohl machbar<br />
sein. Die Topmodels in den<br />
Magazinen schaffen es ja<br />
schließlich auch.<br />
Mit Anfang dreißig dann wird<br />
es aber endgültig Zeit für<br />
die Familienplanung. Wenn<br />
nicht jetzt, wann dann? Aber<br />
bloß nicht vergessen, dass<br />
auch die Karriere daneben<br />
noch immer laufen muss!<br />
Und Sport und Ernährung –<br />
wer sich jetzt nicht körperlich<br />
jung hält, hat verloren.<br />
Mit guten fünfunddreißig<br />
Jahren sollte man dann<br />
nach Möglichkeit mit Mann,<br />
Haus und zwei bis vier Kinder<br />
im Schlepptau schon<br />
wieder voll im Berufsleben<br />
stehen. Natürlich noch<br />
körperlich auf dem besten<br />
Stand – gertenschlank<br />
und trainiert. Vier Stunden<br />
Sport die Woche müssen<br />
sich neben Beruf, Haushalt<br />
und Kinderbetreuung doch<br />
locker ausgehen. Und daneben<br />
den lieben Gatten<br />
natürlich nicht vergessen<br />
– auch die Flammen der<br />
Liebe müssen am Lodern<br />
gehalten werden; und so<br />
weiter und so fort…<br />
Sind wir glücklich?<br />
Ich frage mich, wie die Frauen<br />
das früher alles geschafft<br />
haben? Früher, in den dunklen<br />
Zeiten vor der Emanzipation…<br />
Es drängt sich mir<br />
die ketzerische Frage auf,<br />
ob die Frauen mit ihrem damaligen<br />
Leben „zufrieden“<br />
oder gar „glücklich“ waren.<br />
Glaubt man den heutigen<br />
Betrachtungen, wurden die<br />
Frauen früher unterdrückt<br />
und eingeschränkt, wohingegen<br />
die Frauen frei sind<br />
und tun und lassen können,<br />
was sie wollen. Dennoch:<br />
Sind wir heute glücklicher?<br />
Ist die kinderlose Karrieren-Quotenfrau<br />
am Ende<br />
ihres Lebens wirklich zufriedener<br />
als eine Mutter<br />
von vier Kindern, die sich<br />
den Großteil ihres Lebens<br />
um die Familie gekümmert<br />
hat? Was bleibt von der<br />
Karrierefrau – und was<br />
von der Mutter? Eben!<br />
Vielleicht war damals<br />
doch nicht alles so falsch<br />
und vielleicht sind traditionelle<br />
Wertvorstellungen<br />
doch nicht so überholt,<br />
wie uns das die Frauenrechtlerinnen<br />
weismachen<br />
wollen? In jedem<br />
Fall werden<br />
wir Frauen in<br />
unserer Zeit<br />
auch unseren<br />
Weg<br />
finden<br />
müssen.