Wochenblick Ausgabe 08/2016
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Wels wird sehr oft unter Wert gehandelt<br />
eckung des Forums<br />
kultur mit einer Ausstattung<br />
und einer Organisation wie<br />
es sie im Mittelalter nicht<br />
gegeben hat…<br />
…und eine Großstadt mit<br />
durchschnittlich 5.000<br />
bis 7.000 Einwohnern.<br />
In seiner Blütezeit hatte<br />
das römische Wels sogar<br />
10.000 Einwohner.<br />
Damit war es sechsmal<br />
so groß wie das mittelalterliche<br />
Wels…<br />
…und auch in etwa<br />
so groß wie Paris<br />
(Lutetia) zur Römerzeit?<br />
Richtig: Nur Trier war<br />
damals noch größer,<br />
auch Köln und Carnuntum,<br />
das damals<br />
Stadt<br />
und Militärlager war. Wels<br />
war nur eine Zivilstadt.<br />
Die alte römische Einwohnerzahl<br />
hat Wels erst wieder<br />
im endenden 18. und<br />
beginnenden 19. Jahrhundert<br />
erreicht. Jetzt haben<br />
wir 65.000 Einwohner und<br />
sind noch immer keine<br />
Großstadt…<br />
…aber eine mittlere Stadt.<br />
Finden Sie nicht auch,<br />
dass Wels, was seine<br />
römische Zeit betrifft,<br />
manchmal unter seinem<br />
Wert gehandelt wird? In<br />
Carnuntum hat man erst<br />
kürzlich eine Gladiatorenschule<br />
entdeckt, was<br />
Wels vermutlich<br />
nicht besaß,<br />
aber<br />
gewiss<br />
hatte<br />
es<br />
ein Amphie-Theater,<br />
oder?<br />
Das wäre nicht ausgeschlossen,<br />
weil Wels von<br />
der Bedeutung her mit der<br />
Zivilstadt Carnuntum durchaus<br />
vergleichbar ist. Denn<br />
Wels hatte etwa die gleiche<br />
Qualität des Wohnens und<br />
des Wohlstands wie dies<br />
in der mittleren Kaiserzeit<br />
(Trajan bis Diokletian) für<br />
diese Städte üblich war.<br />
Auf welche Entdeckungen<br />
darf man in Wels noch<br />
hoffen?<br />
Ich warte immer noch auf<br />
die Entdeckung des Fo-<br />
rums und ich warte<br />
immer noch auf das<br />
Auffinden eines Kultbaus,<br />
eines Tempels<br />
zum Beispiel, in dem<br />
man Merkur verehr-<br />
te. Das alles sollte<br />
im Bereich des Kai-<br />
ser-Josef-Platzes zu<br />
fi nden sein, aber da<br />
in Wels alles überbaut<br />
ist, sind römi-<br />
sche Anlagen hier<br />
schwieriger zu orten<br />
als in Carnuntum.<br />
Fotos: <strong>Wochenblick</strong>, Römer: Fotolia (julien tromeur)<br />
AUS DER HEIMAT<br />
Baby-Alarm: Da<br />
schaut er aber,<br />
der kleine Affe!<br />
Der Frühling ist bei zahlreichen<br />
Tierarten traditionell<br />
die Zeit, in der der<br />
Nachwuchs das Licht<br />
der Welt erblickt. Im renovierten<br />
Welser Tiergarten<br />
(Stadtpark 1) ist<br />
das nicht anders: Bei<br />
den Bartaffen, den Kattas,<br />
den Weißstörchen,<br />
den Trauerschwänen und<br />
den Ziegen herrscht zur<br />
Zeit „Baby-Alarm“. „Ein<br />
Grund mehr für einen<br />
Besuch im ganzjährig<br />
kostenlos und barrierefrei<br />
zugänglichen Welser<br />
Tiergarten“ betont die zuständige<br />
Vizebürgermeisterin<br />
Silvia Huber, als sie<br />
sich unlängst zum Streicheln<br />
des Nachwuchses<br />
bei den Bartaffen eingestellt<br />
hatte.<br />
5<br />
Foto: Stadt Wels<br />
Der Welser Stadtbezirk war einmal fast so groß wie das heutige Oberösterreich<br />
Das Interesse an Geschichte steigt<br />
Der römische Stadtbezirk von<br />
Wels war fast so groß wie das<br />
heutige Oberösterreich. Die<br />
Grenzen waren in etwa Donau,<br />
Enns und der Phyrnpass. Im<br />
Westen endete der Bezirk am<br />
Beginn des heutigen Attergaus.<br />
Von daher müsste Wels eigentlich<br />
Landeshaupstadt sein<br />
und nicht Linz (Lentia) meint<br />
auch die Welser Stadtarchäologin<br />
Renate Miglbauer. Denn<br />
als Wels schon eine Metropole<br />
und die Hauptstadt von Ufernoricum<br />
war, war Linz noch<br />
ein schlichtes Militärkastell<br />
an der Reichsgrenze. Das wissen<br />
heute viele Welser kaum<br />
noch, weil durch die Verminderung<br />
des Geschichts- und<br />
Lateinunterrichts auch römische<br />
Geschichte nicht mehr so<br />
ausführlich wie früher gelehrt<br />
wird, glaubt Miglbauer.<br />
Auf Grund der stärkeren Zuwendung<br />
zu naturwissenschaftlichen<br />
Fächern sei die<br />
humanistische Ausbildung in<br />
den letzten Jahrzehnten ein<br />
wenig ins Hintertreffen geraten.<br />
Doch nach Miglbauers<br />
Auffassung ist die Talsole erreicht<br />
und es geht schon wieder<br />
ein wenig aufwärts.<br />
Vor allem archäologische Grabungen<br />
und Funde würden<br />
das Inter esse über römische<br />
Geschichte in Wels jedesmal<br />
neu entfachen. Gemessen an<br />
den vielen Fernsehsendungen<br />
über Archäologie und Geschichte<br />
scheint das Interesse<br />
daran generell zu wachsen.<br />
In den letzten 30 Jahren hat<br />
sich auf diesem Gebiet auch in<br />
Wels viel getan. Daher müsste<br />
das vom Geschichtsforscher<br />
Kurt Holter verfasste Standardwerk<br />
über die römische<br />
Geschichte in Wels wieder<br />
einmal fortgeschrieben werden.