oneX magazin 05.2016
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AUSGABE 5 MAI 2016<br />
Neuer<br />
Anlauf<br />
Lukas Zürcher<br />
Er leitet heute Campus<br />
Perspektiven – das<br />
ehemalige nationale<br />
Sportzentrum in Huttwil<br />
MAMMUT-PARK<br />
Die Urzeit-Tiere<br />
kurbeln den<br />
Tourismus an<br />
GARTENOPER<br />
Ein kulturelles<br />
Ereignis erster<br />
Güte in Langenthal<br />
NOAH SCHNEEBERGER<br />
Der Langenthaler war<br />
eine Mannschaftsstütze<br />
an der Hockey-WM
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EDITORIAL / INHALT<br />
Liebe Leserin,<br />
lieber Leser<br />
4<br />
Was wäre, wenn das Mammut überlebt<br />
hätte, und heute nur im Oberaargau, Emmental<br />
und im Luzerner Hinterland leben<br />
würde? In Freiheit wären die gewaltigen<br />
Pflanzenfresser ein grosses Problem für Bevölkerung<br />
und Landwirtschaft, und wohl<br />
regelmässig Traktandum auf der politischen<br />
Agenda. Deshalb würden Mammuts<br />
auf sogenannten Mammut-Höfen gehalten.<br />
Bis vor etwa fünfzig Jahren wären diese<br />
kräftigen Woll-Elefanten als landwirtschaftliche<br />
Zug- und Arbeitstiere eingesetzt<br />
worden, hätten zudem Fleisch und<br />
andere Rohstoffe (Wolle, Haare, Elfenbein<br />
etc.) geliefert. Ob es sich heute lohnen<br />
würde, Mammuts zu halten, ist indes fraglich.<br />
Denn sie waren ohne Zweifel auch<br />
sehr gefrässig, und wären auch nicht so<br />
problemlos zu hegen und pflegen wie beispielsweise<br />
Kühe und Pferde. Ihre Kraft<br />
hätten wir längst durch Maschinen ersetzt,<br />
und so rentieren sie möglicherweise als<br />
längst ausgestorbene Tourismusattraktion<br />
weitaus besser, als wenn sie noch leben<br />
würden. Doch der Gedanke, wie es wäre,<br />
wenn Mammuts auch in unserer Zeit und<br />
in unserer Gegend leben würden, hat eine<br />
durchaus romantische Komponente. Darüber,<br />
wie wir damit umgehen würden, können<br />
wir nur spekulieren.<br />
Ebenfalls eine sehr romantische Komponente<br />
hat «Martha». Die Oper wird im<br />
kommenden Sommer im Garten der Alten<br />
Mühle in Langenthal aufgeführt. Welcher<br />
Mammutaufwand nötig ist, um eine solche<br />
Veranstaltung auf die Beine zu stellen, erfahren<br />
Sie in dieser Ausgabe.<br />
Viel Spass beim Lesen<br />
Euer Bruno Wüthrich<br />
14<br />
4 JUNGE FLÜCHTLINGE<br />
Das ehemalige Sportzentrum<br />
in Huttwil heisst jetzt<br />
Campus Perspektiven.<br />
Hier werden auch minderjährige<br />
Flüchtlinge betreut.<br />
Geschäftsführer Lukas<br />
Zürcher gibt Auskunft.<br />
14 GARTENOPER<br />
In Langenthalt haben<br />
Opernaufführungen in<br />
der Alten Mühle bereits<br />
Tradition.<br />
22 GESCHICHTE<br />
Warum die Mammuts ausstarben,<br />
weiss man nicht.<br />
Der Verdacht liegt jedoch<br />
nah, dass auch die Huttwiler<br />
daran schuld waren.<br />
28 NOAH SCHNEEBERGER<br />
Vom schwierigen Querschläger<br />
zur Stütze der<br />
Mannschaft: Eishockey-Star<br />
Noah Schneeberger aus<br />
Langenthal verblüffte an<br />
der WM die Experten.<br />
20<br />
IMPRESSUM<br />
Herausgeber: one X Services<br />
Redaktion: Bruno Wüthrich,<br />
Klaus Zaugg<br />
Layout: tnt-graphics AG,<br />
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Auflage: 69 000 Exemplare<br />
Druck: NZZ Print, www.nzzprint.ch<br />
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Inserate-Annahme und Redaktion:<br />
redaktion@onex<strong>magazin</strong>.ch<br />
20 WUSSTEN SIE SCHON<br />
Warum Mathematik keinen<br />
Nobelpreis verdient, von<br />
einsamen Ameisen und den<br />
lang verkannten Qualitäten<br />
von Radieschen.<br />
34 DIE SEITE DER LESER<br />
Leserbriefe und<br />
Veran staltungskalender.<br />
28<br />
22<br />
one X 5 / 2016 3
INTERVIEW<br />
Das «Nationale Sportzentrum Huttwil» ist Geschichte. Im neuen<br />
«Campus Perspektiven» sind Sport, Bildung und Kultur die neuen<br />
Standbeine. Flüchtlinge spielen dabei eine zentrale Rolle. Campus-<br />
Geschäftsführer Lukas Zürcher erzählt uns, wie das gehen soll.<br />
TEXT: KLAUS ZAUGG UND BRUNO WÜTHRICH<br />
3<br />
AUF DREI<br />
STANDBEINEN<br />
in die Glückseligkeit<br />
Die ersten Flüchtlinge sind längst<br />
eingezogen. Seit dem 1. Januar<br />
dieses Jahres betreibt die Falcun<br />
GmbH die Anlagen des ehemaligen<br />
Nationalen Sportzentrums<br />
in Huttwil unter dem neuen Namen<br />
Campus Perspektiven. Sämtliche bestehenden<br />
Mietverträge wurden übernommen.<br />
Doch wie soll es tatsächlich weiter gehen?<br />
Was planen die neuen Betreiber, welche die<br />
gesamte Anlage langfristig gemietet haben?<br />
Welche Rolle spielen die Flüchtlinge im Gesamtkonzept?<br />
Und gibt es in Huttwil sogar<br />
wieder Eis? Auf den folgenden Seiten erfahren<br />
Sie mehr.<br />
one X Magazin: Ist die Bezeichnung Sportzentrum,<br />
wie sie im Volk geläufig ist, immer<br />
noch passend?<br />
Lukas Zürcher: Nein. Das ehemalige Nationale<br />
Sportzentrum wurde Anfang 2016 als<br />
Campus Perspektiven neu eröffnet. Wir wollen<br />
mehr sein als ein Sportzentrum und sind<br />
das ja bereits, indem wir eine Nutzerin auf<br />
dem Platz haben, die sich um die Unterbringung<br />
und Betreuung von Kindern und Ju-<br />
gendlichen kümmert, die in der Schweiz um<br />
Asyl nachgesucht haben.<br />
Aber Sport findet schon noch statt?<br />
Wir haben drei Standbeine: Bildung, Sport<br />
und Kultur. Der Sport soll also komplementär<br />
sein zu Bildung und Kultur. Derzeit wird<br />
die Anlage noch überwiegend von Sportorganisationen<br />
und -vereinen genutzt.<br />
Immer noch?<br />
Das ehemalige Nationale<br />
Sportzentrum heisst heute<br />
Campus Perspektiven<br />
Ja, aber es sind mehr und mehr Veranstaltungen<br />
im Bereich Kultur und Bildung geplant,<br />
weshalb diese beiden Bereiche kontinuierlich<br />
aufholen. Derzeit liegt jedoch<br />
die Hauptauslastung immer noch im Bereich<br />
Sport.<br />
Können Sie näher erläutern, was die Nutzung<br />
im Bereich Kultur und Bildung betrifft?<br />
Fotos: ZVG; Marcel Bieri<br />
4 one X 5 / 2016
Lukas Zürcher,<br />
Geschäftsführer von<br />
Campus Perspektiven<br />
steht Red und<br />
Antwort<br />
one X 5 / 2016 5
INTERVIEW<br />
Schon in den<br />
vergangenen Jahren<br />
wurde das Sportzentrum<br />
vielseitig<br />
genutzt: Für Sport, aber<br />
auch zum Jassen mit<br />
Bundesrat Samuel<br />
Schmid<br />
Wir haben beispielsweise eine lose Folge von<br />
Workshops lanciert, die im April mit Workshops<br />
zu Beatbox und Breakdance begonnen<br />
hat. In Planung ist ausserdem eine Kurzfilmnacht<br />
und im September findet die Theateraufführung<br />
«Benefiz – Jeder rettet einen<br />
Afrikaner» statt. Es geht bei dieser erfolgreichen<br />
Komödie aus Deutschland um eine<br />
kritische und humorvolle Auseinandersetzung<br />
mit der Hilfs- und Wohltätigkeitsindustrie.<br />
Es darf dabei gelacht werden. Aber das<br />
Lachen kann einem auch im Hals stecken<br />
bleiben.<br />
Sie sind auch ein Teil dieser Industrie und<br />
werden in diesem Theater auf die Schippe<br />
genommen?<br />
Der Campus Perspektiven versteht sich nicht<br />
als Wohltätigkeitsorganisation. Gleichwohl<br />
ist Wohltätigkeit auch für uns ein Thema –<br />
und zwar eines, das immer wieder nach<br />
einer kritischen Auseinandersetzung verlangt.<br />
Welche Visionen haben Sie im Sport?<br />
Wir sehen uns vorwiegend im Breitensport.<br />
Doch wir sind offen für alles: Es können auch<br />
Veranstaltungen im Spitzensport oder im<br />
Behindertensport stattfinden...<br />
…wo Sie als Organisator auftreten, oder<br />
einfach nur die der Vermieter der Anlage<br />
sind?<br />
Derzeit vorwiegend als Vermieter. Wir sind<br />
noch nicht ganz so weit, solche Veranstaltungen<br />
selbst zu organisieren.<br />
«Sport ist Teil der Tagesstruktur<br />
für die asylsuchenden Kinder und<br />
Jugendlichen. Über den Sport<br />
wird in diesem Fall auch Kultur und<br />
Bildung vermittelt»<br />
Aber es ist angedacht?<br />
Ja, aber derzeit priorisieren wir Veranstaltungen<br />
in den Bereichen Bildung und Kultur<br />
sowie Angebote, durch die Sport, Bildung<br />
und Kultur miteinander verknüpft werden.<br />
Gibt es konkrete Beispiele für diese Verknüpfungen?<br />
Ein gutes Beispiel hierfür ist die Arbeit der<br />
Zentrum Bäregg GmbH, die sich um die jungen<br />
Asylsuchenden auf dem<br />
Campus Per spektiven kümmert.<br />
Sport ist Teil der Tagesstruktur<br />
für diese Kinder und Jugendlichen.<br />
Über den Sport wird in diesem Fall auch<br />
Kultur und Bildung vermittelt.<br />
Die vorhandene Infrastruktur<br />
erlaubt auch<br />
Sport auf dem Eis?<br />
Das stimmt. Wir sind in<br />
Kontakt mit verschiedenen<br />
Vereinen und Sportorganisationen,<br />
verschiedene<br />
Lager sind in<br />
Planung.<br />
Wir fragen etwas konkreter:<br />
Gibt es wieder<br />
Eis?<br />
Wir haben diese Wünsche gehört und sind<br />
intensiv und ernsthaft am Abklären, ob es<br />
wieder Eis gibt. Wir sind mit diversen Akteuren<br />
und mit den Behörden in Kontakt, die<br />
Verhandlungen laufen auf verschiedenen<br />
Ebenen.<br />
Auch mit Heinz Krähenbühl?<br />
Auch er gehört zu unseren Gesprächspartnern.<br />
Aber wir sind auch in Kontakt mit an-<br />
6 one X 5 / 2016
deren Klubs im Eishockey- und Kunsteislaufbereich.<br />
Entscheide fallen in den nächsten<br />
Wochen.<br />
Wann könnte es Eis geben?<br />
Frühestens im Herbst.<br />
Sie meinen im Herbst 2016?<br />
Ja. Nach dem Grundsatz: now or never! Will<br />
heissen: Die Möglichkeit, dass es erst im<br />
Herbst 2017 Eis gibt, ist deutlich geringer.<br />
Ihre Vorgänger konnten das Eis nicht kostendeckend<br />
herrichten.<br />
Wir kennen die Kosten und das betriebswirtschaftliche<br />
Risiko. Was uns von unseren Vorgängern<br />
unterscheidet: Wir haben eine Nutzerin<br />
auf dem Campus Perspektiven, die<br />
eine Grundauslastung sicherstellt, die es<br />
vorher so nicht gegeben hat.<br />
Sie könnten alleine von diesem Mieter<br />
leben?<br />
Nein, wir brauchen eine viel höhere und<br />
breitere Auslastung.<br />
Was wäre, wenn keine Flüchtlinge mehr<br />
kämen?<br />
Davon ist nicht auszugehen.<br />
Gouverner c’est prevoir: Wäre der Campus<br />
Perspektiven ohne Flüchtlinge gefährdet?<br />
Die Nutzerin betreibt auf dem Campus Perspektiven<br />
das erste Ankunftszentrum dieser<br />
Art in der Schweiz. Das Ankunftszentrum hat<br />
sich dank der vorhandenen Infrastruktur<br />
bereits in dieser kurzen Zeit so bewährt, dass<br />
hier wohl keine Abstriche gemacht würden,<br />
wenn weniger Flüchtlinge kämen.<br />
Wenn wir Sie richtig verstehen, macht es<br />
keinen Sinn, das Sportzentrum zusammen<br />
mit ein bisschen Kultur zu betreiben<br />
ohne die gesamte Philosophie, die dazu<br />
gehört.<br />
Das ist richtig. Uns interessiert nicht in erster<br />
Linie der Betrieb eines Sportzentrums. Viel<br />
mehr interessiert uns, wie man unterschiedliche<br />
Nutzerinnen und Nutzer so zusammenbringen<br />
kann, dass Neues, Spannendes und<br />
gesellschaftlich Vielversprechendes entstehen<br />
kann.<br />
Wie lange bleiben die Jugendlichen der<br />
Zentrum Bäregg GmbH auf dem Campus<br />
Perspektiven?<br />
Die Zentrum Bäregg GmbH handelt sehr bedarfsorientiert.<br />
Im Schnitt bleiben die Jugendlichen<br />
sechs bis 10 Wochen.<br />
ZUR PERSON<br />
Lukas Zürcher<br />
Lukas Zürcher ist Mitglied der Geschäftsleitung<br />
des Campus Perspektiven.<br />
Er studierte an der Philosophischen<br />
Fakultät der Universität Zürich<br />
und schloss sein Studium mit einer<br />
Dissertation über schweizerische Missions-<br />
und Entwicklungsbemühungen<br />
in Ruanda ab.<br />
Beruflich war der Historiker neben seiner<br />
Lehrtätigkeit an der Universität<br />
Zürich auch als Berater und Kommunikationsfachmann<br />
für verschiedene<br />
Nichtregierungsorganisationen und<br />
Privatunternehmen tätig. Er beschäftigte<br />
sich dabei intensiv mit dem Thema<br />
Sport und Entwicklung.<br />
Seit 2014 arbeitet er in verschiedenen<br />
Funktionen für ZIHLER social development.<br />
Die Zentrum Bäregg GmbH unterstützte<br />
er in der Vergangenheit in<br />
den Bereichen Kommunikation und<br />
Konzeptentwicklung.<br />
Lukas Zürcher ist verheiratet und hat<br />
zwei Kinder. Er lebt in Zürich und pendelt<br />
mehrmals pro Woche mit dem Zug<br />
zwischen Zürich und Huttwil.<br />
one X 5 / 2016 7
INTERVIEW<br />
Wie sind Sie überhaupt auf den Standort<br />
Huttwil gekommen?<br />
Im Rahmen einer Besichtigung des Geländes<br />
haben wir das Potential des Ganzen erkannt.<br />
Danach haben wir Gespräche mit dem Besitzer<br />
geführt und konnten ihn von unserem<br />
gesamtheitlichen Nutzungskonzept (was<br />
auch die Betreuung von unbegleiteten minderjährigen<br />
Asylsuchenden beinhaltet) überzeugen.<br />
Hier können vor Ort Ideen entwickelt<br />
und gleich umgesetzt werden. Wir<br />
haben hier viele Optionen, viel Potential und<br />
viele Möglichkeiten.<br />
Was passiert konkret mit den Jugendlichen,<br />
die bei Ihnen im Ankunftszentrum<br />
wohnen?<br />
Nach der Ankunft gibt es eine medizinische<br />
und psychologische Erstversorgung sowie<br />
eine umfassende Bedarfsabklärung. Zudem<br />
erhalten die Kinder und Jugendlichen eine<br />
entwicklungsfördernde Tagesstruktur. An<br />
fünf Tagen pro Woche werden alle in<br />
Deutsch, Mathematik und in lebensdienlichen<br />
Kompetenzen geschult. Nur der Mittwochnachmittag<br />
ist frei. Etwa die Hälfte der<br />
Schulung ist sportpädagogisch.<br />
Lebensdienliche Kompetenzen: Was ist<br />
damit gemeint?<br />
Es geht um ganz grundsätzliche Dinge. Warum<br />
ist es im Bus ruhig? Warum und wie wird<br />
gegrüsst? Wie bewege und verhalte ich mich<br />
in der Schweiz? Beim Sport lernen die Jugendlichen<br />
Regeln, Haltungen, Fairness,<br />
Kultur wird gross geschrieben: Schon früher trat Bligg im Sportzentrum auf<br />
Teamgeist und Respekt gegenüber den anderen,<br />
aber auch, wie sie sich durchsetzen<br />
und ein Selbstwertgefühl entwickeln können.<br />
In diesem Zusammenhang entwickelte<br />
Zihler social development das sportpädagogische<br />
Kraft-Modell zur Förderung einer<br />
gesunden Entwicklung, das international<br />
bereits auf breite Anerkennung stiess.<br />
Dann ist ungefähr die Hälfte Schule und<br />
die Hälfte Sport.<br />
Richtig.<br />
Wie alt sind die Jugendlichen, die bei uns<br />
Asyl suchen?<br />
Die exakte Bezeichnung lautet: unbegleitete<br />
minderjährige Asylsuchende. Minderjährig<br />
sind die Jugendlichen bis zu ihrem 18. Lebensjahr.<br />
Die jüngsten, die zu uns kommen,<br />
sind sechs bis sieben Jahre alt. Der grösste<br />
Anteil der Kinder und Jugendlichen ist zwischen<br />
14 und 18 Jahre alt.<br />
ZUSATZINFOS<br />
Campus Perspektiven statt nationales Sportzentrum Huttwil<br />
In Huttwil ist ein neues Zeitalter<br />
angebrochen. Seit Beginn<br />
dieses Jahres betreibt die Falcun<br />
GmbH unter dem Namen<br />
«Campus Perspektiven» die<br />
Anlagen des ehemaligen Nationalen<br />
Sportzentrums Huttwil.<br />
Wir bringen Licht in die Begriffe<br />
rund um den Campus.<br />
Campus Perspektiven<br />
«Der Campus dient der Entwicklung<br />
und Verwirklichung<br />
individueller und gesamtgesellschaftlicher<br />
Perspektiven.<br />
Er bietet einen Rahmen, in<br />
dem unterschiedliche Menschen<br />
ihren Aktivitäten in den<br />
Bereichen Sport, Bildung und<br />
Kultur nachgehen können», ist<br />
der Homepage von Campus<br />
Perspektiven (www.campusperspektiven.ch)<br />
zu entnehmen.<br />
Campus Perspektiven ist<br />
ein Projekt von ZIHLER social<br />
development und wird von der<br />
Falcun GmbH betrieben.<br />
Falcun GmbH<br />
Nach dem Ende der Huttwil<br />
Falcons im Frühjahr 2011 sind<br />
wieder Falken in die Örtlichkeiten<br />
eingezogen. Denn Falcun ist<br />
rätoromanisch und heisst auf<br />
Deutsch Falken. Die Gesellschaft<br />
ist gemeinwohl orientiert<br />
und organisiert für Kinder,<br />
Jugendliche und Erwachsene<br />
Angebote in den Bereichen Betreuung,<br />
Begleitung, Bildung<br />
Heute nur noch<br />
Geschichte, dafür<br />
aber ein Platz für<br />
minderjährige<br />
Flüchtlinge<br />
und Freizeit. Sie wurde von<br />
ZIHLER social development als<br />
Betreiberorganisation des Campus<br />
Perspektiven aufgebaut.<br />
Zentrum Bäregg GmbH<br />
Die Zentrum Bäregg GmbH<br />
(ZB) ist für die Gewährung der<br />
Asylsozialhilfe sowie die Unterbringung<br />
und Betreuung der<br />
dem Kanton Bern zugewiesenen<br />
unbegleiteten Minderjährigen<br />
zuständig, die in der<br />
Schweiz Asyl beantragt haben,<br />
basierend auf einem Leistungsvertrag<br />
mit dem Migrationsdienst<br />
des Kantons Bern.<br />
ZIHLER social development<br />
Das soziale Dienstleistungsunternehmen<br />
ZIHLER social development<br />
hat seinen Sitz in<br />
Bern. Es bietet Kindern, Jugendlichen<br />
und Familien in<br />
schwierigen Lebenssituationen<br />
massgeschneiderte Interventionen<br />
und individuelle Unterstützungsmassnahmen.<br />
Die<br />
Firma ist auf Sachverhalte spezialisiert,<br />
die nach kreativen,<br />
flexiblen und bedarfsgerecht<br />
kombinierten Lösungen verlangen.<br />
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Organisation des Campus<br />
Perspektiven bringt das Unternehmen<br />
viel Wissen und Erfahrung<br />
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Unternehmertum und<br />
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INTERVIEW<br />
Von wo kommen diese Jugendlichen?<br />
Die meisten kommen aus Afghanistan und<br />
Eritrea. Viele stammen auch aus Syrien, Somalia<br />
oder Guinea. Insgesamt werden Kinder<br />
und Jugendliche aus rund zwanzig Ländern<br />
von der Zentrum Bäregg GmbH betreut. Ein<br />
Afghane hat mit einem Eritreer kaum mehr<br />
gemeinsam als mit einem Schweizer. Will<br />
heissen, hier treffen die unterschiedlichsten<br />
Kulturen und die unterschiedlichsten Glaubensrichtungen,<br />
diese erst noch in völlig<br />
unterschiedlicher Ausprägung, aufeinander.<br />
Wie schwierig ist deshalb der gemeinsame<br />
Alltag?<br />
Hier geht es um Integration in der Gruppe.<br />
Immerhin verbringen Leute aus Westafrika,<br />
dem nahen Osten und aus Afghanistan mehrere<br />
Stunden täglich gemeinsam in den gleichen<br />
Strukturen. Sport hat eine enorme Integrationskraft.<br />
Kommen sich Sportler und diese Jugendlichen<br />
auf der Anlage nicht in die Quere?<br />
Nein, überhaupt nicht. Die Sportler, die hier<br />
unsere Anlage nutzen, bleiben ungestört. Es<br />
gibt aber gute Begegnungen. Eine Klasse der<br />
Kantonsschule Baden hat hier eine Schulsportwoche<br />
durchgeführt. Im Laufe der Woche<br />
haben die Jugendlichen spontan Kontakte<br />
untereinander geknüpft, sie haben<br />
dann gemeinsam ein Champions-League-<br />
Spiel geschaut und am Schluss-Freitag gemeinsam<br />
ein polysportives Sportturnier<br />
durchgeführt. Ich glaube, alle haben dabei<br />
sehr viel mehr gelernt und erfahren als erwartet.<br />
«Im Campus Perspektiven treffen die unterschiedlichsten<br />
Kulturen und die unterschiedlichsten<br />
Glaubensrichtungen, diese erst noch in völlig<br />
unterschiedlicher Ausprägung, aufeinander»<br />
Platz für grosse<br />
Versammlungen<br />
Sind die Jugendlichen immer unter Aufsicht?<br />
Es gibt eine Betreuung rund um die Uhr. Das<br />
bedeutet nicht, dass die Jugendlichen rund<br />
um die Uhr bewacht werden, sondern dass<br />
die Betreuungspersonen immer wissen, wo<br />
sie sich aufhalten. Umgekehrt wissen die<br />
Jugendlichen immer, wo die Betreuungspersonen<br />
zu finden sind.<br />
Was machen die Jugendlichen Samstag<br />
und Sonntag?<br />
Der Alltag unter der Woche ist anstrengend,<br />
sie ruhen sich aus. Sie können aber auch ins<br />
Städtchen oder zu Freunden oder Verwandten<br />
gehen. Sie müssen vorher angeben, wohin<br />
sie gehen und was sie machen.<br />
Eine Beizentour?<br />
Bekanntermassen gehört das Ausprobieren<br />
von Grenzen zu diesem Alter dazu. Ent-<br />
Auch in Zukunft<br />
sollen Vereine das<br />
Zentrum problemlos<br />
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INTERVIEW<br />
Eishockey spielte<br />
eine wichtige Rolle<br />
im Sportzentrum –<br />
neben vielen<br />
anderen Aktivitäten<br />
sprechend muss der Umgang mit Themen<br />
wie Alkohol eingeübt werden. Auf dem Areal<br />
des Ankunftszentrums gilt für sie aber ein<br />
striktes Alkohol- und Drogenverbot.<br />
Lernen die Jugendlichen auch den Umgang<br />
mit Frauen?<br />
Respekt gegenüber Mitmenschen ist ein zentrales<br />
Thema.<br />
Und wie steht es mit der Ausübung der<br />
Religion?<br />
Die Zentrum Bäregg GmbH ist politisch neutral<br />
und konfessionslos. Der Wunsch nach<br />
Ausübung religiöser Praktiken ist unterschiedlich<br />
stark ausgeprägt. Gibt es ein individuelles<br />
Bedürfnis danach, dann geht die<br />
Betreuung darauf ein.<br />
Wissen diese Jugendlichen, wo ihre Eltern<br />
sind, und haben sie Kontakt zu ihnen?<br />
Unbegleitet heisst, dass sie ohne Eltern, oder<br />
genauer gesagt, ohne erziehungsberechtigte<br />
Personen, reisen. Das heisst jedoch nicht,<br />
dass ihre Eltern nicht mehr leben. Oft bestehen<br />
auch Kontakte zwischen den Jugendlichen<br />
und ihren Eltern, die häufig stabilisierend,<br />
aber in einzelnen Fällen auch destabilisierend<br />
wirken können.<br />
Bekommen alle ein Smartphone?<br />
Das Smartphone ist für die soziale Integration<br />
und für den Kontakt zu Angehörigen<br />
von eminenter Wichtigkeit. Viele haben bereits<br />
ein Telefon und wenn sie keines haben,<br />
so wird nach Möglichkeiten einer Anschaffung<br />
gesucht. Die Anschaffung und die Handykosten<br />
müssen die Jugendlichen selber<br />
mit dem Taschengeld bezahlen.<br />
Alle Ihre Vorgänger sind an den Finanzen<br />
gescheitert. Streben Sie eine schwarze<br />
Null an?<br />
Ja, das ist mein Auftrag.<br />
Schaffen Sie es im ersten Jahr?<br />
Ja, ich gehe davon aus. Wir sind auf Kurs.<br />
Haben Sie eine Vision für die Zukunft?<br />
Wir wollen ein lebendiger Treffpunkt sein<br />
für verschiedene Akteure aus verschiedenen<br />
Himmelsrichtungen, die sich hier ungezwungen<br />
begegnen. Wir wollen ein Ort der Ideen<br />
sein, wo ein hohes kreatives und innovatives<br />
«Unbegleitet heisst, dass sie ohne Eltern reisen.<br />
Das heisst jedoch nicht, dass ihre Eltern nicht<br />
mehr leben. Oft bestehen auch noch Kontakte<br />
zwischen den Jugendlichen und ihren Eltern»<br />
Potenzial entwickelt wird, ein Ort, der eine<br />
grosse Anziehungskraft entwickelt. Ein Ort<br />
auch, wo sich Sportlerinnen und Sportler<br />
wohl fühlen und Leistungssport betreiben<br />
können.<br />
Wohnen Sie nach wie vor in Zürich?<br />
Ja, meine Frau arbeitet in Basel, ich in Huttwil<br />
und von Zürich aus haben wir gute Zugverbindungen.<br />
Sie kommen jeden Tag mit dem öffentlichen<br />
Verkehrsmittel nach Huttwil?<br />
Ja, mit der Bahn.<br />
Wollen Sie nicht in unsere schöne Gegend<br />
ziehen?<br />
Nein, das planen wir vorerst nicht. Aber wer<br />
weiss, wenn meine Kinder davon hören, dass<br />
es hier Mammuts gegeben hat, möchten sie<br />
vielleicht nach Huttwil zügeln…<br />
Wie beschreiben Sie als «Zürcher» Ihren<br />
Bekannten Ihren neuen Arbeitsort?<br />
Als schmuckes Städtchen beim Emmental.<br />
Im Oberaargau.<br />
Richtig, im Zentrum der Schweiz. In 45 Minuten<br />
erreichen Sie von Huttwil aus 2,2 Millionen<br />
Menschen. Ich bin erstaunt, dass ich<br />
immer wieder aus meinem Bekanntenkreis<br />
auf Huttwil angesprochen werde, kürzlich<br />
sogar von zwei Portugiesen. Viele haben<br />
ganz offensichtlich einen Bezug zu Huttwil.<br />
Reden Sie in Zürich so, dass alle den<br />
Wunsch haben, hierherzukommen?<br />
Möchten Sie das wirklich?<br />
12 one X 5 / 2016
Die «Landbeiz» mit Charme und regionalem Charakter<br />
Ein Besuch lohnt sich ...<br />
• Saisonal wechselnde Speisekarte<br />
mit vielen regionalen Produkten – feine<br />
Mittagsmenüs<br />
• Gemütliche Gaststube, 2 Säali für<br />
kleine Bankette<br />
• Faires Preis/Leistungsverhältnis<br />
• Wunderschöner Garten mit Blick<br />
auf den Jura<br />
• Grosser Parkplatz<br />
• Monatlicher Wettbewerb mit tollen<br />
Preisen<br />
Jedermann/frau ist bei uns herzlich Willkommen – wir werden alles daran setzten,<br />
dass Sie sich bei uns wohlfühlen und freuen uns schon jetzt auf Ihren Besuch!<br />
Susanne und Roland Moeri und Team<br />
Restaurant Kreuz – Melchnaustrasse 21<br />
4924 Obersteckholz – 062 915 68 26<br />
info@kreuz-steckholz.ch / www.kreuz-steckholz.ch<br />
Sonntag ab 17.00 Uhr, Montag und Dienstag geschlossen
14 one X 5 / 2016<br />
Die «Gartenoper<br />
Langenthal» ist ein<br />
kulturelles Erlebnis<br />
erster Güte. Bild<br />
aus der Vorstellung<br />
von 2014.
GARTENOPER LANGENTHAL<br />
Volksnahe<br />
OPER<br />
Lange Zeit galt Langenthal als Schweizer Durchschnittsstadt.<br />
Ob zurecht oder nicht, werden wir nie erfahren. Ganz sicher nicht<br />
zum Durchschnitt gehört die Gartenoper Langenthal. Ende Juni<br />
und Anfang Juli dieses Jahres wird an zehn Spielabenden die Oper<br />
«Martha oder der Markt zu Richmont» aufgeführt.<br />
TEXT: BRUNO WÜTHRICH<br />
Fotos: Roland Kämpfer<br />
Lady Harriet Durham und Nancy<br />
sind vom Hofleben gelangweilt.<br />
Auch die zärtliche Werbung von<br />
Lord Tristan vermag daran nichts<br />
zu ändern. Da ertönt in der Ferne<br />
das frohe Lied der Mägde, die zum Markt<br />
nach Richmond ziehen, um sich für ein Jahr<br />
zu verdingen. Lady Harriet und Nancy<br />
schliessen sich verkleidet an und werden<br />
schliesslich vom Gutsbesitzer Plumkett und<br />
seinem Pflegebruder Lionel als Mägde verpflichtet.<br />
«Martha» (alias Lady Harriet) und «Julia»<br />
(alias Nancy) lehnen jegliche Arbeit ab. Auch<br />
das Spinnen wollen sie nicht lernen. Trotzdem<br />
erwerben sie das Wohlwollen ihrer<br />
Dienstherren. Lyonel verliebt sich sogar in<br />
seine «Martha». Aber Lady Harriet weist ihn<br />
mit ironischer Schärfe zurück. Um Mitternacht<br />
erscheint Lord Tristan, um sie zu retten.<br />
«Martha oder der Markt zu Richmont»<br />
heisst die bereits dritte Oper, die im Garten<br />
der Alten Mühle zu Langenthal aufgeführt<br />
wird. Veranstalter ist der Verein Gartenoper<br />
«Hätte ich schon am<br />
Anfang gewusst, welche<br />
Kosten und Arbeit auf<br />
mich zukommen, hätte<br />
ich vielleicht die Finger<br />
davon gelassen»<br />
Langenthal unter Präsident Beat Wälchli. Er<br />
erzählt uns im Interview, wie es zu diesem<br />
Projekt gekommen ist, und wie viel es<br />
braucht, um ein solches Werk aufzuführen.<br />
one X Magazin: Sie sind der Gründer und<br />
der Präsident des Vereins Gartenoper Langenthal.<br />
Wie kam es dazu?<br />
Beat Wälchli: Ich bin Opernliebhaber und<br />
war seinerzeit während acht Jahren der Betreiber<br />
der «Alten Mühle» hier in Langenthal.<br />
Zu dieser Zeit kam mir der Gedanke, in deren<br />
grossem Garten eine Open Air Oper stattfinden<br />
zu lassen. 2011 kam es zu ersten Gesprächen<br />
mit Rainer Walker von der Musikschule<br />
und mit Reto Lang, Leiter des Stadttheaters<br />
Langenthal, die dann mit mir zusammen<br />
den Verein gründeten. Und bereits 2012<br />
spielten wir die erste Oper.<br />
Und dann nahm alles seinen Lauf...<br />
Ich stieg zum Glück sehr naiv in dieses Projekt<br />
ein. Wenn ich von Beginn an gewusst<br />
hätte, wie viel Arbeit und Kosten ein derartiges<br />
Projekt verursacht, hätte ich möglicherweise<br />
die Finger davon gelassen.<br />
Dann wäre Langenthal um ein Kulturprojekt<br />
ärmer...<br />
Um so etwas auf die Beine zu stellen, braucht<br />
es die pure Leidenschaft zu dieser Musik.<br />
Oper ist kein Volkstheater, mit dem man die<br />
Massen anzieht. Dieses Publikum muss man<br />
sich erarbeiten.<br />
Betrachtet man die sehr respektable Mitgliederliste<br />
Ihres Vereins, fällt auf, dass<br />
sich sehr viel mehr Frauen als Einzel-<br />
one X 5/ 2016 15
GARTENOPER LANGENTHAL<br />
Kostüme, professionelle<br />
Sänger<br />
und ebensolches<br />
Orchester: Die Kosten<br />
für eine Oper sind<br />
immens.<br />
ZUSATZINFOS<br />
Fakten zu Martha<br />
Hier erfahren Sie alles, was Sie für den<br />
Besuch von «Martha» wissen müssen.<br />
Veranstalter:<br />
Verein Gartenoper Langenthal<br />
c/o Beat Wälchli, Hofstrasse 25,<br />
4912 Aarwangen, bfw@bluewin.ch<br />
Vorstellungen:<br />
22./24./25./27./29. Juni 2016<br />
1./2./6./8./9. Juli 2016<br />
Spielbeginn:<br />
20.15 Uhr<br />
Eine Einführung in die Oper findet<br />
jeweils um 19.30 durch Thomas<br />
Multerer am jeweiligen Spielort statt.<br />
Spieldauer:<br />
ca. 120 Min., 30 Minuten Pause<br />
Spielort bei schönem Wetter:<br />
Rosengarten, Alte Mühle Langenthal<br />
Mühleweg, 4900 Langenthal.<br />
Spielort bei schlechtem Wetter:<br />
Stall Badgut, St. Urbanstrasse 94,<br />
Langenthal<br />
Wetterinfo:<br />
Tel. 1600, ab 17.00 Uhr unter<br />
«öffentlche Anlässe» oder<br />
www.gartenoper-langenthal.ch<br />
«Es sind eher die Frauen,<br />
die ihre Männer in die<br />
Oper mitnehmen. Zu den<br />
Männern sage ich: Versucht<br />
es doch einfach<br />
mal zwei, drei Stunden»<br />
mitglieder eingeschrieben haben als Männer.<br />
Davon leite ich ab, dass auch bei den<br />
Ehepaaren vor allem die Frauen die treibende<br />
Kraft hinter den Mitgliedschaften<br />
sind. Spricht die Oper ein eher weibliches<br />
Publikum an?<br />
Es sind tatsächlich eher die Frauen, die ihre<br />
Männer in die Oper ziehen als umgekehrt. Oft<br />
sagen Frauen, sie würden ja gerne, aber er<br />
wolle sie nicht begleiten. Zu diesen Männern<br />
sage ich jeweils, dass sie doch ruhig mal zwei,<br />
drei Stunden in in einer besonderen Atmosphäre<br />
mit ihrer Frau verbringen könnten.<br />
Wenn es ihnen dann nicht gefällt, können sie<br />
immer noch sagen, das wars jetzt für mich.<br />
Wie reagieren die Männer nach ihrem ersten<br />
Besuch an der Oper?<br />
Es gibt unterschiedliche Opern. Wir spielen<br />
hier nicht die schweren Stücke. Unsere<br />
Opern sind witzig, mit guter und temperamentvoller<br />
Musik. Es sind ja nicht nur die<br />
Ehemänner, die bei uns zum ersten Mal eine<br />
Oper besuchen. Auch Sponsoren laden oft<br />
Kunden ein, die zuvor noch nie eine Oper<br />
live miterlebt haben. Die Aufführung, die<br />
tolle Musik, aber vor allem die Atmosphäre<br />
hier im Garten begeistert viele Neulinge derart,<br />
dass sie wiederkommen.<br />
Sie tönten den riesigen Aufwand an, den<br />
so ein Opernerlebnis mit sich bringt. Können<br />
sie dazu etwas mehr sagen?<br />
Dass unsere Solisten alle Profis sind, ist klar<br />
und dürfte bekannt sein. Etwas weniger bekannt<br />
ist, dass auch das 42-köpfige Orchester<br />
aus Profis besteht. Wir haben zudem einen<br />
eigenen Chor mit 40 Laiensängerinnen<br />
und -sängern, auf den wir sehr stolz sind.<br />
Hinzu kommen Schüler zwischen sechs und<br />
zwölf Jahren, die als Statisten mitwirken.<br />
Insgesamt sind es etwa 110 Leute, die an<br />
einer Aufführung auf der Bühne mitwirken.<br />
Und hinter den Kulissen noch 70 freiwillige<br />
Helfer.<br />
Das muss ja alles jemand koordinieren.<br />
Schier undenkbar, dass dies eine einzelne<br />
Person schafft.<br />
Da haben Sie recht. Das würde ich nicht alleine<br />
schaffen. Aber der Vorstand unseres Vereins<br />
und das OK leisten hervorragende Arbeit.<br />
Ich kann meinen Kollegen in diesen beiden<br />
Gremien gar nicht genügend danken.<br />
Viele Vereine jammern, dass heute niemand<br />
mehr für eine ehrenamtliche Mitarbeit<br />
zu begeistern sei. Wie schaffen Sie es,<br />
16 one X 5 / 2016
so viele Leute für Ihre Aufführungen zu<br />
gewinnen?<br />
Wir sind sehr volksnah aufgestellt und bei<br />
uns wirken viele Leute aus Langenthal und<br />
Umgebung mit. Alle sind voll motiviert bei<br />
der Sache. Die Stimmung unter den Mitwirkenden<br />
ist phänomenal. Wir sind wie eine<br />
Familie zusammen gewachsen.<br />
Sie sind seit einem Jahr pensioniert und<br />
gehören somit zu der viel gerühmten und<br />
viel gescholtenen 68er-Generation. Waren<br />
Sie eigentlich damals bereits Opern-Fan,<br />
oder spielten andere Musikrichtungen<br />
eine grössere Rolle?<br />
Ich war damals in der Musik der Beatles, der<br />
Rolling Stones, Who etc. bestens versiert.<br />
Mit fünfzehneinhalb Jahren begann ich mit<br />
der Lehre in Basel, ging dort im Atlantis ein<br />
und aus. Zur Oper kam ich erst etwa mit 35<br />
Jahren.<br />
Welches war Ihre erste Oper?<br />
Das war die Zauberflöte von Wolfgang<br />
Amadäus Mozart; übrigens eine ideale Oper<br />
für Einsteiger.<br />
ZUR PERSON<br />
Beat Wälchli<br />
1950 geboren, in Aarwangen<br />
aufgewachsen, ist der Koch,<br />
Maler, Fotograf, Unternehmer,<br />
Kulturförderer und<br />
Opernliebhaber Beat Wälchli<br />
seit einem Jahr offiziell pensioniert.<br />
Er lebt immer noch<br />
in Aarwangen. Von hier aus<br />
organisiert er mit seinem<br />
Team die Gartenoper, die<br />
alle zwei Jahre im Garten der<br />
Alten Mühle zu Langenthal<br />
stattfindet (siehe Interview).<br />
Die Alte Mühle betrieb er von<br />
2004 bis 2012 übrigens<br />
gleich selbst. Und dies<br />
äusserst erfolgreich. Der begnadete<br />
Gastronom führte<br />
hier Kultur und Gastronomie<br />
zusammen. Legendär war<br />
beispielsweise die «Uftischete».<br />
Jeden Freitag wurden erlesene<br />
Speisen und Livemusik<br />
«aufgetischt».<br />
Erfolgreich war der gelernte<br />
Koch vor allem auch mit seiner<br />
Firma Beat Wälchli Festunternehmungen<br />
(heute<br />
Wälchli Feste), die er 1980<br />
von seinem Vater übernahm<br />
und 2006 dem Kursaal Bern<br />
verkaufte.<br />
Ebenfalls während 26 Jahren<br />
– von 1989 bis 2015 – führte<br />
der passionierte Kunstsammler<br />
zusammen mit seiner Frau<br />
Ursina die Galerie 89 in Aarwangen,<br />
in der zahlreiche<br />
Kunstausstellungen stattfanden.<br />
Wälchli malt und fotografiert<br />
jedoch auch selbst.<br />
Aktuell stellt er seine Werke<br />
im Leuenbrüggli in Langenthal<br />
aus.<br />
Beat Wälchli ist seit 1975 mit<br />
Ursina verheiratet. Mit ihr hat<br />
er zwei erwachsene Kinder<br />
und vier Enkel.<br />
Die wichtigsten Eckdaten<br />
Beat Wälchli Festunternehmungen<br />
1980–2006<br />
Verheiratet seit 1975,<br />
2 erwachsene Kinder,<br />
4 Enkel<br />
Gartenoper seit 2012<br />
Galerie 89 während<br />
26 Jahren<br />
Malerei und Fotographie<br />
Ausstellung Leuenbrüggli<br />
Langenthal<br />
Andere Aktivitäten<br />
Kultur im Zelt Hirsernbad<br />
Beat Wälchli<br />
one X 5/ 2016 17
Gerade der Chor<br />
bringt eine herausragende<br />
Leistung in<br />
der Oper, in Langenthal<br />
sind das ausschliesslich<br />
Laien.<br />
ZUSATZINFOS<br />
Mitwirkende an der aktuellen Oper<br />
Musikalische Leitung: Bruno Leuschner<br />
Regie: Thomas Dietrich<br />
Kostüme: Brigitte Wolf<br />
Bühnenbild: Cornelia Kuonen (Konzeption),<br />
Ursina Wälchli<br />
Maske: Monika Malagoli<br />
Orchester: Orchester der Gartenoper<br />
Chor: Chor der Gartenoper<br />
Alte Mühle Langenthal<br />
Chorleitung: Ewald Lucas<br />
Solisten:<br />
Rebekka Maeder (Lady Harriet/Martha)<br />
Nadia Catania (Nancy / Julia)<br />
Ulrich S. Eggimann (Lord Tristan)<br />
Michael Nowak (Lyonel)<br />
Wolf H. Latzel (Plumkett)<br />
Andy Weber (Richter)<br />
Die Mühle Langenthal ist<br />
zweifellos weitaus der<br />
grösste und am reichsten<br />
ausgestattete Mühleneubau<br />
des 18. Jahrhunderts<br />
im Kanton Bern und wohl<br />
weit darüber hinaus. Es<br />
ist ein ausdrucksstarker,<br />
schwungvoller Spätbarockbau<br />
von ausgezeichneter<br />
Qualität.<br />
Als eine der frühesten<br />
Mühlen im Kanton taucht<br />
die Langenthaler Mühle<br />
1224 aus dem Dunkel der<br />
Geschichte auf, als Freiherr<br />
Eberhard von Grünenberg<br />
seinen Langenthaler<br />
Besitz dem Kloster<br />
St. Urban schenkte. Das<br />
Kloster gab die Mühle<br />
später als Erblehen den<br />
Müllerfamilien ab. 1754-<br />
1759 erneuerte der damalige<br />
Müller, Friedrich<br />
Marti, den Betrieb von<br />
Grund auf neu und erbaute<br />
das heutige Hauptgebäude.<br />
Unter Samuel Geiser<br />
ist Mitte des 19. Jahrhunderts<br />
der heutige<br />
Mühlehof entstanden.<br />
1933 folgte der Neubau<br />
des Mühlesilos. Es war eine<br />
ausserordentliche Tat<br />
der Bevölkerung und der<br />
Behörden von Langenthal,<br />
dass 1981 die Rettung<br />
und der Kauf der Mühle<br />
gelang. Die notwendigen<br />
Kredite (7 Millionen) wurden<br />
1992 durch die<br />
Stimmbürger gutgeheissen.<br />
Heute gehört das<br />
Hauptgebäude der Alten<br />
Mühle der Stiftung Mühle<br />
Langenthal (die Stadt Langenthal<br />
ist die grösste<br />
Stifterin).<br />
Das prächtige Gebäude<br />
der Mühle Langenthal<br />
Und da hat es Ihnen gleich den Ärmel reingezogen?<br />
Bei mir ist Musik eine emotionale Angelegenheit.<br />
Sie muss mich einfach packen. Diese<br />
Emotionalität fühle ich bei keiner andern<br />
Musik so wie bei der Oper.<br />
Wie erklären Sie einem Laien den Mythos<br />
Oper?<br />
In der Oper gibt es keine Mikrophone und<br />
kein Playback wie in anderen Stilrichtungen.<br />
Die Akteure müssen singen können, und dies<br />
auswendig. Dies gilt übrigens auch für den<br />
Chor, der ohne Noten singt, und dazu noch<br />
mitspielen muss. Dies ist eine besondere Herausforderung.<br />
Wer sich dessen bewusst ist,<br />
wer weiss, was alles dahinter steckt, der wird<br />
allein schon deswegen begeistert sein. Hinzu<br />
kommt, dass auch einem Liebhaber der<br />
Rockmusik nicht jedes Stück dieser Musikrichtung<br />
gefällt. Es gibt Interpreten und<br />
Stücke, die gefallen, andere fallen in der<br />
eigenen Wahrnehmung durch. Es ist eben<br />
nicht allein vom Genre abhängig. Wer eine<br />
Arie hört, die ihm nicht gefällt, sollte deshalb<br />
nicht auf die Oper insgesamt schliessen,<br />
denn er tut dies bei Rock, Jazz oder Volksmusik<br />
auch nicht.<br />
Könnte es eine Rolle spielen, welche Art<br />
Oper sich ein Neuling reinzieht?<br />
Ja. Er sollte vielleicht nicht gleich mit Wagner<br />
beginnen. Diese Opern sind für Neulinge<br />
oft zu schwer und zu lang. Mozart, Donizetti<br />
oder Bellini erachte ich als idealen Einstieg<br />
in die Oper.<br />
Und Martha?<br />
Das könnte ich mir gut vorstellen. In Martha<br />
sind viele Stücke enthalten, bei denen man<br />
mindestens die Melodie kennt. «Die letzte<br />
Rose» oder «Martha Martha» oder das «Porterlied»<br />
(abgeleitet vom Porterbier aus England)<br />
dürften vielen von irgendwoher bekannt<br />
sein. Bei andern Opern könnte es sein,<br />
dass ein Besucher hinterher nicht mehr<br />
weiss, was er jetzt gehört hat. Aber aus Martha<br />
nimmt man Melodien mit. Sie laufen<br />
einem nach.<br />
Die Oper hat aber auch den Ruf, elitär zu<br />
sein.<br />
18 one X 5 / 2016
GARTENOPER LANGENTHAL<br />
Beliebt bei den<br />
Frauen: Die Gartenoper<br />
Langenthal hat<br />
mehr weibliche<br />
als männliche<br />
Mit glieder.<br />
Dies hängt vorwiegend mit den Preisen zusammen,<br />
die in den grossen Städten für eine<br />
Aufführung verlangt wird. 200 bis 300 Franken<br />
sind da keine Seltenheit, und dies kann<br />
sich nun wirklich nicht jeder leisten. Doch<br />
wir in Langenthal, aber auch andere Kleinstädte<br />
in der Schweiz, wie etwa Biel und<br />
Solothurn, bieten wunderbare Opernaufführungen<br />
zu erschwinglichen Preisen an.<br />
«Mit dem aktuellen<br />
Eintrittspreis von 78<br />
Franken decken wir<br />
gerade mal die Hälfte<br />
der Ausgaben, den Rest<br />
steuern grosszügige<br />
Sponsoren bei»<br />
Verglichen mit den 300 Franken andernorts<br />
oder Ticketpreisen von weit über 150<br />
Franken für Rockkonzerte hören sich die<br />
von Ihnen verlangten 78 Franken geradezu<br />
bescheiden an.<br />
Dieser Preis, oder die 130 Franken für diejenigen,<br />
die das Vergnügen für Ohren und<br />
Augen gleich noch mit einem kulinarischen<br />
Vergnügen kombinieren wollen, ist tatsächlich<br />
nur dank vieler grosszügiger Sponsoren<br />
möglich. Denn mit den Eintrittspreisen decken<br />
wir gerade mal etwa die Hälfte unserer<br />
Kosten. Wir haben ja auch nur 360 Plätze<br />
zur Verfügung pro Aufführung.<br />
Dies ist tatsächlich erstaunlich. Wer ein<br />
grosses Rockkonzert besucht, steht für<br />
doppelt so viel Geld irgendwo zwischen<br />
zehntausenden von Menschen und sieht<br />
die Stars eventuell nur über Grossbildschirme.<br />
Bei Ihnen ist der Zuschauer für<br />
halb so viel Geld quasi mittendrin.<br />
Das stimmt. Trotzdem gibt es Leute, die finden,<br />
wir hätten stolze Preise. Doch deswegen<br />
muss man halt erklären, was alles dahinter<br />
steckt, und was da tatsächlich geboten wird.<br />
Ohne Sponsoren und ohne all die freiwilligen<br />
Helfer könnten wir solche Anlässe nie<br />
und nimmer durchführen. Um ohne Sponsoren<br />
kostendeckend zu sein, müssten wir<br />
bei ständig ausverkaufter Tribüne pro Ticket<br />
250 Franken verlangen.<br />
Weshalb sind denn die Kosten so hoch?<br />
Die Solisten, das Orchester, der Regisseur<br />
und der Dirigent sind unsere Hauptposten.<br />
Sie sind ja nicht nur während der zehn Aufführungen<br />
vor Ort, sondern gestalten, proben.<br />
Hinzu die Bühnen, je zwei hier im Garten<br />
und in der Reithalle, denn wir verschieben<br />
ja unsere Aufführungen bei schlechtem<br />
Wetter nicht, sondern halten sie eben indoor<br />
ab. Nicht zu vergessen sind die Kostüme, die<br />
Masken und vieles mehr.<br />
Martha spielt, wenn das Wetter mitspielt,<br />
im Garten. Weshalb ist dieses Freiluft-<br />
Erlebnis so speziell?<br />
Findet eine Oper indoor statt, herrscht während<br />
der Aufführung Ruhe. In unserem Garten,<br />
mitten in der Stadt Langenthal sind wir<br />
natürlich auch Emissionen ausgesetzt. Es<br />
zwitschern und flattern Vögel. Es war auch<br />
schon so, dass von aussen jemand ein Lied<br />
mitgesungen hat. Wir mussten auch schon<br />
draussen um etwas Ruhe bitten. Aber insgesamt<br />
ist eine Aufführung unter freiem Himmel<br />
halt schon ein ganz besonderes Erlebnis.<br />
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für die Derniere der Gartenoper<br />
Langenthal, die am Samstag, 9. Juli<br />
2016 stattfindet.<br />
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EIFERSUCHT ODER ABNEIGUNG?<br />
Ist die Mathematik des Nobelpreises<br />
nicht würdig?<br />
1<br />
Chemiker war er. Das Dynamit erfand er.<br />
Und dazu noch 354 andere Erfindungen, die<br />
er zum Patent anmeldete. Die Rede ist von<br />
Alfred Nobel, der es mit seinen Erfindungen<br />
zu einem beträchtlichen Vermögen und zu<br />
Berühmtheit brachte. Weil er unverheiratet<br />
und kinderlos blieb, verfügte er, dass sein<br />
Vermögen nach seinem Ableben in eine Stiftung<br />
überführt wird. Die anfallenden Zinsen<br />
sollten als Preisgeld dazu genutzt werden,<br />
alljährlich Menschen auszuzeichnen, deren<br />
Erfindungen und Entdeckungen den Menschen<br />
grossen Nutzen brachten. Er bestimmte<br />
Preise für Physik, Chemie, Literatur, Medizin<br />
oder Physiologie sowie Verdienste um<br />
den Frieden. Andere Wissenschaften liess er<br />
leer ausgehen, ohne dafür je eine Erklärung<br />
zu liefern. Dabei stiess vor allem auf Unverständnis,<br />
dass in seiner Aufzählung die Mathematik<br />
fehlt. Hartnäckig hält sich das Gerücht,<br />
der Grund dafür könnte ein persönlicher<br />
Groll gegen eine von ihm umworbene<br />
Dame gewesen sein, die sich statt für ihn für<br />
einen Mathematiker entschieden habe. Doch<br />
einerseits existieren für dieses Gerücht keinerlei<br />
Belege und andererseits gibt es noch<br />
eine andere, näher liegende These: Nobels<br />
Auswahl ist von seinen Vorlieben geprägt.<br />
Die Chemie war in seiner Auswahl naheliegend,<br />
denn er war ja selbst Chemiker. Physik<br />
hatte er ebenfalls studiert. Zudem liebte er<br />
die Literatur und war auch sehr interessiert<br />
am medizinischen Fortschritt. Doch die Mathematik<br />
sah er immer als Hilfswissenschaft<br />
an. Für ihn nicht gut genug, die Verdienste<br />
darum mit Preisen auszuzeichnen.<br />
20 one X 5 / 2016
VERHALTENSFORSCHUNG<br />
Weshalb führt das Alleinsein<br />
bei Ameisen zum Tod?<br />
2<br />
Wie alt Ameisen werden können, hängt<br />
unter anderem auch von ihrer Art<br />
ab. Weltweit sind heute etwa<br />
13 000 Arten bekannt, 200 davon<br />
in Europa. Je nach Art<br />
schwankt die Lebenserwartung<br />
zwischen einigen Wochen<br />
und mehreren Jahren. Den aktuellen<br />
Altersrekord hält eine Königin<br />
der Schwarzen Wegameise, die fast 29 Jahre<br />
gehalten wurde.<br />
Es gibt keine einzige solitär lebende Ameisenart.<br />
Doch was passiert, wenn man eine<br />
Ameise zum Alleinsein zwingt? Eine Gruppe<br />
von Forschern der Universität Lausanne um<br />
Laurent Keller trennte Ameisen von ihrem<br />
Staat, um zu untersuchen, wie sie sich allein<br />
oder in kleinen Gruppen verhalten.<br />
Bereits nach kurzer Zeit begannen die<br />
Tiere, hektisch herumzulaufen, offenbar<br />
auf der Suche nach Gemeinschaft.<br />
Dabei füllten sie ihren Kropf zwar<br />
mit Nahrung, wie sie dies beim Sammeln<br />
ausserhalb des Ameisenbaus ebenfalls tun.<br />
Doch sie konnten diese nicht «herunterbringen»<br />
und verdauen. Die Forscher vermuten,<br />
dass der normale Ernährungsvorgang gestört<br />
war. Üblicherweise transportieren<br />
Ameisen ihr Essen<br />
im Kropf in die<br />
Nahrungsspeicher<br />
und bedienen<br />
sich erst dann.<br />
Nach spätestens<br />
sechs Tagen starben<br />
sämtliche Single-Ameisen<br />
an Entkräftung. Die<br />
Ameisen, die in kleinen Gruppen<br />
gehalten wurden, überlebten immerhin<br />
bis zu 66 Tagen getrennt von ihrem Staat.<br />
Das Alleinsein verkürzt<br />
also die Lebenserwartung<br />
der Ameisen drastisch.<br />
GESUNDER SCHLANKMACHER<br />
Was ist besonders an den Radieschen?<br />
Fotos: Shutterstock.com/Kisialiou Yury/Chik_77/phloen<br />
Die kleine, scharfe Knolle führt in der Landwirtschaft<br />
und auch auf dem Speisezettel<br />
eher ein Nischendasein. Im 16. Jahrhundert<br />
als interessanter Exot aus China eingeführt,<br />
hat es das Radieschen nicht über eine zuweilen<br />
gern gesehene Zutat im Salat hinausgebracht.<br />
Zunächst wurde das das Gewächs gar<br />
nicht als Gemüsepflanze wahrgenommen.<br />
Das frische Grün und die sichtbare rote Knolle<br />
machten es zur Zierpflanze. Erst nach<br />
geraumer Zeit entdeckte die Feinschmeckernation<br />
Frankreich, dass das kleine Gemüse<br />
auch essbar ist, und zwar sowohl die Knollen<br />
als auch die frischen Blätter.<br />
Die Analyse der Inhaltsstoffe zeigt, dass<br />
es gute Gründe gibt, deutlich mehr Radieschen<br />
zu essen. 100 Gramm beinhalten gerade<br />
mal 14 Kalorien. Das Senföl, das auch den<br />
Geschmack prägt, wirkt gegen Bakterien und<br />
Pilze im Darm. Es bindet zudem Fette, die<br />
dann unverwertet wieder ausgeschieden<br />
werden. Das Radieschen wirkt also als<br />
Schlankmacher. Zudem liefert es viel Vitamin<br />
B und C, Eisen, Phosphor und Selen.<br />
3<br />
one X 5 / 2016 21
GESCHICHTE<br />
Das Mammut bei<br />
Huttwil: Ausgestorben<br />
aus mysteriösen<br />
Gründen<br />
Haben Huttwiler<br />
DAS MAMMUT<br />
AUSGEROTTET?<br />
22 one X 5 / 2016
Kohleabbau<br />
Engelprächtigen<br />
West, im Hintergrund<br />
die Haltestelle<br />
Gondiswil<br />
Ist es das schlechte Gewissen,<br />
das hinter der Idee steht, im<br />
oberen Tal der Langeten einen<br />
Mammut-Park zu errichten?<br />
Es gibt beunruhigende Indizien,<br />
dass die Ur-Huttwiler das<br />
Mammut ausgerottet haben.<br />
TEXT: KLAUS ZAUGG<br />
Fotos: istockphoto/Aunt_Spray/Marcel Bieri<br />
Das Mammut ist zwar vor<br />
langer, langer Zeit, wahrscheinlich<br />
vor etwa 11 000<br />
Jahren aus unserer Gegend,<br />
aus dem Oberaargau<br />
verschwunden. Aber<br />
es ist uns trotzdem wohlbekannt.<br />
Es gehört zu den am besten erforschten<br />
ausgestorbenen Tieren. Es lebte in<br />
der letzten Eiszeit in Asien, in Europa (und<br />
im Oberaargau) und in Nordamerika. Ursprünglich<br />
stammt es wahrscheinlich aus<br />
Afrika und ist nichts anderes als ein der Kälte<br />
angepasster und deshalb behaarter Elefant.<br />
Sozusagen ein Wollelefant. Es muss ein<br />
mächtiges Tier gewesen sein. Etwas kleiner<br />
als die afrikanischen Elefanten. Aber die Bullen<br />
waren gut drei Meter gross, wogen rund<br />
sechs Tonnen und trugen bis zu 50 Kilo<br />
schwere Stosszähne. Erst gegen Ende der<br />
letzten Eiszeit sind sie dann offenbar nicht<br />
mehr so gross geworden. Das Haarkleid mit<br />
einer mehrere Finger dicken Unterwolle und<br />
einem dichten, langen Deckhaar war vermutlich<br />
schwärzlich, dunkelbraun und<br />
manchmal rot. Ein Fell, das sicherlich wärmer<br />
war als heute die besten Jacken von<br />
Helly Hansen. Aber das war ja auch nötig.<br />
Denn es waren kalte Zeiten.<br />
MAMMUT IN HUTTWIL<br />
Wir wissen heute viel über diese erstaunlichen<br />
Tiere, weil in Sibirien gut erhaltene,<br />
sozusagen tiefgekühlte Exemplare gefunden<br />
worden sind. Aber auch in unserer Gegend<br />
gibt es erstaunlich viele Funde von Mammut-<br />
Knochen. Sie sind in vielen Publikationen<br />
registriert und in Fachbüchern ausgiebig<br />
beschrieben worden.<br />
Die Existenz des Mammuts ist in der Gegend<br />
von Huttwil – wo ja auch der Mammutpark<br />
entstehen soll – vor ziemlich genau<br />
one X 5 2016 23
GESCHICHTE<br />
hundert Jahren zweifelsfrei nachgewiesen<br />
worden. In der Zeit von 1917 bis 1920 wurde<br />
wegen der kriegsbedingten Verknappung der<br />
Brennstoffe – wegen Kohlenmangel musste<br />
der Eisenbahnverkehr fast ganz eingestellt<br />
werden – auch in der weiteren Umgebung der<br />
Haltestellte Gondiswil nach Schieferkohlen<br />
gegraben. Im Verlaufe der Schürfungen kamen<br />
zahlreiche fossile Tierreste in etwa drei<br />
Metern Tiefe zum Vorschein. Das umfangreiche<br />
Fundmaterial aus diesem Grenzgebiet der<br />
Kantone Bern und Luzern gelangte teils ins<br />
Natur historische Museum in Bern, teils ins<br />
Naturhistorische Museum von Luzern.<br />
WARUM AUSGERECHNET HIER?<br />
Grosses Aufsehen erregte die Entdeckung<br />
von Stoss- und Backenzähnen des Mammuts<br />
an mehreren Stellen. Warum eigentlich gerade<br />
hier? Nun, das nördliche Napfbergland<br />
und der südliche Oberaargau waren in den<br />
eisigen Zeiten der Vergletscherung fast ein<br />
Paradies. Ein kaltes Paradies zwar, mit 12<br />
bis 16 Grad tieferen Durchschnittstemperaturen<br />
als heute. Aber wenigstens blieb unsere<br />
Gegend eisfrei. Die zwei gewaltigen Eisströme<br />
des Aare/Reussgletschers und des<br />
Rhonegletschers reichten, wie Forscher berichten,<br />
wahrscheinlich nur knapp über Sursee,<br />
Wohlhusen und Langenthal hinaus.<br />
Huttwil muss also zwischen gewaltigen Eismassen<br />
im Zentrum eines eisfreien Gebietes<br />
mit einer waldfreien Tundravegetation gelegen<br />
haben, die in etwa jener Landschaft entspricht,<br />
die wir in Norden von Skandinavien<br />
finden. Mit gehaltvollen Gräsern (ähnlich<br />
wie Alpenwiesen). Sicherlich wäre das in der<br />
heutigen Zeit ein touristisch überaus attraktiver<br />
Ort.<br />
Nicht nur die Knochen von gleich drei<br />
Mammuts sind rund um die Haltestelle Gondiswil<br />
gefunden worden. Es kamen auch<br />
Knochen vom Rentier, Riesenhirsch, Bison<br />
und Nashorn zum Vorschein. Die Frage ist<br />
natürlich: warum gleich drei Mammuts? Wie<br />
sind die zu Tode gekommen? Diese Frage ist<br />
überaus interessant. Denn wir wissen bis<br />
heute nicht mit Sicherheit, warum die Mammuts<br />
ausgestorben sind und nur noch als<br />
Freizeitbekleidungsmarke überlebt haben.<br />
Im Verlaufe<br />
des Schieferkohleabbaus<br />
fand man<br />
Fossilien<br />
Die klimatischen Bedingungen<br />
rund um Gondiswil<br />
begünstigten das<br />
urzeitliche Leben<br />
Der Fund von<br />
Mammutstosszähnen<br />
war damals<br />
eine Sensation<br />
IN DEN SUMPF GETRIEBEN?<br />
Bei den Tieren, die bei der Gondiswil-Haltestelle<br />
gefunden worden sind (eine Haltestelle<br />
übrigens, bei der die Eisenbahn heute nicht<br />
mehr anhält) geht man davon aus, dass sie<br />
dort im weichen, sumpfähnlichen Boden eingesunken<br />
und umgekommen sind. In diesem<br />
Zusammenhang stellt sich die Frage: Sind sie<br />
womöglich von den Ur-Huttwilern und -Gondiswilern<br />
dorthin getrieben worden?<br />
Der Amerikaner Peter D. Ward, Professor<br />
für Zoologie und Geologie in Washington<br />
und Seattle, hat in seinem Buch «Ausgerottet<br />
oder ausgestorben? Warum die Mammuts<br />
die Eiszeit nicht überleben konnten» die Theorie<br />
entworfen, dass der Mensch beim Aussterben<br />
der Mammuts eine zentrale Rolle<br />
gespielt hat. Vor rund 11 000 Jahren sind<br />
viele Grosstiere einer Katastrophe zum Opfer<br />
gefallen. Gemäss Professor Ward war diese<br />
Katastrophe weder ein Vulkanausbruch noch<br />
ein Meteoriteneinschlag. Die Mammuts seien<br />
auch nicht einem Klimawechsel und einer<br />
damit einhergehenden Faunaveränderung<br />
oder einfach einem «natürlichen» Artensterben<br />
zum Opfer gefallen. Vielmehr habe der<br />
Mensch (also in unserem Zusammenhang<br />
der Ur-Huttwiler) eine verhängnisvolle Rolle<br />
gespielt und wahrscheinlich ein ziemlich<br />
rasches und grausames Aussterben her-<br />
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GESCHICHTE<br />
beigeführt. Zwar kann davon ausgegangen<br />
werden, dass klimatische Veränderungen<br />
den Mammutbestand schon geschwächt und<br />
wohl auch dezimiert hatten. Aber nicht so,<br />
dass es zum Aussterben gekommen wäre.<br />
Wir wissen natürlich nicht, wie die Gegend<br />
rund um die Haltestelle Gondiswil am<br />
Ende der letzten Eiszeit ausgesehen hat.<br />
Aber es ist nicht auszuschliessen, dass es<br />
«Um ein Mammut tödlich zu<br />
verwunden, musste ein Wurfgeschoss,<br />
dickes Haar, dichtes<br />
Fell, Unterwolle, und schliesslich<br />
das massige Fettgewebe<br />
durchschlagen»<br />
schon damals so war wie heute: Ein schönes,<br />
breites Tal mit einem sumpfigen Boden.<br />
Die Eiszeitmenschen waren nicht dazu in<br />
der Lage, einfach so ein Mammut zu erlegen.<br />
Als Waffe hatten sie mehr oder weniger bloss<br />
Holzspeere. Man stelle sich vor, man müsste<br />
einen rasend geworden ausgewachsenen,<br />
aus dem Schlachthof entwichenen Stier mit<br />
einem Holzspeer zur Strecke bringen – und<br />
die Mammuts waren mehr als doppelt so<br />
schwer und, wenn gereizt, wohl noch zorniger.<br />
Die Eiszeitriesen zu erlegen, war alles<br />
andere als ungefährlich. Ein ausgewachsener<br />
Bulle konnte einen Angreifer mit seinem<br />
einzigen Schlag seiner Stosszähne zerschmettern.<br />
Zudem lebten die Mammuts in<br />
Herden und Gruppen und in der damaligen<br />
Grassteppe gab es für die Jäger wenig Deckung,<br />
das Restaurant zur Haltestelle stand<br />
ja noch nicht.<br />
Um einen der mächtigen Dickhäuter tödlich<br />
zu verwunden, musste ein<br />
Wurfgeschoss das dichte Fell, die<br />
mehrere Zentimeter tiefe Unterwolle,<br />
das etwa zwei Zentimeter<br />
starke Haar und schliesslich das<br />
massige Fettgewebe durchschlagen.<br />
Erst dann konnte es lebenswichtige<br />
Organe wie Lunge und<br />
Herz verletzten.<br />
Aber die Urmenschen waren<br />
klug, es waren schon nicht mehr<br />
Neandertaler, sondern bereits<br />
der heutige Menschentyp. Sie konnten bei<br />
der Jagd zusammenarbeiten. Warum also<br />
nicht die Mammuts in den Sumpf rund um<br />
die Haltestelle Gondiswil treiben und dort<br />
zur Strecke bringen? Ja, vielleicht war die<br />
Mammutjagd gar ein Teil einer richtigen<br />
Mammutindustrie im oberen Tal der Langeten.<br />
Von den rund zwei Tonnen Fleisch eines<br />
ausgewachsenen Mammuts konnte eine Sippe<br />
mehrere Wochen lang zehren. Aus den<br />
bis zu einem Meter langen Haaren flochten<br />
die Frauen vermutlich Bänder. Die derbe<br />
In solchen Kohleabbau-<br />
Löchern fanden sich die<br />
Mammutstosszähne<br />
Heute sind die ehemaligen<br />
Kohleabbaulöcher<br />
idyllische<br />
Weiher<br />
Haut mögen sie zu schicken Handtaschen<br />
(Marke: «Mammu-Gucci») verarbeitet haben,<br />
und die mit Fetten durchsetzten Knochen<br />
gaben ein hervorragendes Brennmaterial<br />
ab – in der baumarmen Mammutsteppe<br />
ein Ersatz für Feuerholz. Die klobigen Fussknochen<br />
der Dickhäuter wurden wohl als<br />
Ambosse benutzt, die grossen flachen Schulterblätter<br />
als Arbeitsunterlagen auf denen<br />
sich Waffen und Werkzeuge herstellen liessen.<br />
Und das Elfenbein der bis zu vier Meter<br />
langen Stosszähne lieferte einen begehrten<br />
Rohstoff für die Künstler unter den damaligen<br />
Menschen.<br />
Wenn es gelang, eine Herde zusammenzutreiben<br />
und in die Falle zu scheuchen – dann<br />
hatten die Urmenschen erst einmal für einige<br />
Zeit ausgesorgt und ihrer Mammut-Industrie<br />
für einige Wochen Rohstoffe geliefert.<br />
Es ist also ziemlich wahrscheinlich, dass der<br />
Mensch, der Ur-Huttwiler, den durch klimatische<br />
Veränderungen schon etwas geschwächten<br />
Mammuts letztlich den Garaus<br />
gemacht hat. Aber es spielte sicherlich auch<br />
eine Rolle, dass es vor rund 11 000 Jahren,<br />
als die Eiszeit endete, allmählich wärmer<br />
und feuchter wurde. Zunehmende Niederschlagsmengen<br />
– im Sommer als Regen, im<br />
Winter als Schnee – liessen ausgedehnte<br />
Waldlandschaften entstehen, wie wir sie<br />
heute im Napfbergland kennen, und die gehaltvollen<br />
Gräser der Mammutsteppe wurden<br />
nun in der kalten Jahreszeit unter einer<br />
mächtigen Schneedecke begraben. Die<br />
Mammuts hatten nicht mehr genug Futter.<br />
Und so litten sie womöglich an Nahrungsmangel<br />
und wurden ein leichteres Opfer<br />
ihrer Jäger.<br />
Aber die Wissenschaft ist natürlich nicht<br />
unfehlbar. Vor gut 400 Jahren war man näm-<br />
26 one X 5 / 2016
Das Mammut war für die Urmenschen<br />
eine gefährliche Beute<br />
Fotos: istockphoto/Elenarts<br />
lich sicher, dass es in unserer Gegend Riesen<br />
gegeben hat. Im April 1577 wurden in der<br />
Nähe von Reiden zahlreiche Knochen gefunden,<br />
die ob ihrer Grösse allgemeines Aufsehen<br />
erregte. Damals war man mit Theorien<br />
noch etwas zurückhaltend, wer einfach irgendetwas<br />
daherfabulierte, der konnte auf<br />
dem Scheiterhaufen enden. Vermutlich gab<br />
es deshalb zu dieser Zeit noch nicht einen so<br />
polemischen Journalismus wie heute. Item,<br />
Felix Platter (1534 bis 1614) der bekannte,<br />
hochangesehene Anatom, Stadt- und Spitalarzt<br />
in Basel, befasste sich mit diesen Knochen<br />
und kam zum Schluss, es handle sich<br />
um die Knochen eines Menschen von «18<br />
werckschuh» (etwa 5,60 m) Grösse.<br />
DIE RIESEN VON REIDEN<br />
Also doch! Es gab Riesen! Die vielen Sagen<br />
und der Goliath aus der Bibel, den der David<br />
mit der Steinschleuder zur Strecke gebracht<br />
hatte, gab es doch. Diese Vorstellung über<br />
den «Riesen von Reiden», die durchaus im<br />
Einklang mit der Kirche stand, hielt sich<br />
mehr als 200 Jahre lang. Erst zu Beginn des<br />
19. Jahrhunderts wurde der Irrtum berichtigt:<br />
Bei den Knochen handelte es sich zweifelsfrei<br />
um Mammutknochen und der «Riese<br />
von Reiden» mutierte zum Mammut. Seither<br />
hat die Wissenschaft beträchtliche Fortschritte<br />
gemacht und wir können davon ausgehen,<br />
dass die Mammutknochen tatsächlich<br />
Mammutknochen sind.<br />
Und nach allem, was wir wissen, bleibt<br />
der Verdacht bestehen, dass die Ur-Huttwiler<br />
am Aussterben des Mammut mitschuldig sind<br />
– und deshalb, ohne es zu ahnen, nun mit<br />
der Idee eines Mammutparks bloss eine<br />
Schuld abtragen, die sie seit mehr als tausend<br />
Generationen mit sich herumtragen.<br />
ZUSATZINFOS<br />
Touristenattraktion Mammut<br />
Auferstehung in Huttwil.<br />
Nicht nur das Sportzentrum<br />
(Campus Perspektiven)<br />
erwacht zu neuem<br />
Leben sondern auch das<br />
Mammut. Das mächtige,<br />
behaarte Rüsseltier mit<br />
den furchteinflössenden<br />
Stosszähnen lebte bis vor<br />
11 000 Jahren in der Gegend.<br />
Nun soll es die Region,<br />
in der es einst lebte,<br />
besser vermarkten helfen.<br />
Attraktive Tiere<br />
Die «Ice Age»-Filme beweisen<br />
es: Mammuts sind<br />
attraktive Tiere, die sich,<br />
obwohl längst ausgestorben,<br />
bei Erwachsenen und<br />
Kindern gleichermassen<br />
grosser Beliebtheit erfreuen.<br />
Was liegt da näher, als<br />
die urzeitlichen Riesen im<br />
Oberaargau, dem Emmental<br />
und im angrenzenden<br />
Luzerner Hinterland wieder<br />
aufleben zu lassen?<br />
Die Idee ist wahrlich vielversprechend.<br />
Es gehört zum ABC des<br />
Tourismusmarketings: Will<br />
sich eine Region profilieren,<br />
braucht sie etwas, das<br />
nur sie hat. Dass das Mammut<br />
einst in der Region<br />
lebte, beweisen Ausgrabungen<br />
zweifelsfrei. Da ist<br />
es also, das dringend benötigte<br />
Alleinstellungsmerkmal.<br />
In Huttwil hat<br />
man dies erkannt und<br />
schmiedet grosse Pläne.<br />
Mammut-Themenpark<br />
So soll – als Herzstück des<br />
Mammutlands – ein Themenpark<br />
zu Mammut und<br />
Eiszeit in erster Linie Familien<br />
mit Kindern diese<br />
längst vergangene Epoche<br />
näherbringen. Ein Outdoor-Abenteuerbereich,<br />
eine vom Gletscher geformte<br />
Wasserlandschaft<br />
sowie Restaurants und<br />
Shops sollen die regionale<br />
Wertschöpfung ankurbeln.<br />
Ein weiteres Grossprojekt<br />
ist ein Wald, in dem Flora<br />
und Fauna der Eiszeit von<br />
der Wurzel bis zur Krone<br />
erkundet werden können.<br />
Höhepunkt dieser Attraktion<br />
soll ein 300 bis 400<br />
Meter langer Weg bis zu<br />
zwölf Meter über dem Boden<br />
werden. Es wäre der<br />
erste Baumkronenweg der<br />
Schweiz. In Deutschland<br />
und Österreich erfreuen<br />
sich derartige Konstruktionen<br />
grosser Beliebtheit.<br />
Aufgrund von Erfahrungen<br />
mit ähnlichen Parks<br />
rechnen die Planer mit bis<br />
zu 120 000 Besuchern<br />
jährlich.<br />
Weiter soll eine Mammut-<br />
Grube entstehen, wo die<br />
Gäste an einem Originalfundort<br />
neu vergrabene<br />
«Fundstücke» wie Stosszähne,<br />
Backenzähne oder<br />
Knochen von Mammuts<br />
spielerisch ausgraben können.<br />
Mögliche Standorte<br />
sind das bernische Gondiswil<br />
oder das luzernische<br />
Ufhusen, wo beim<br />
Kohleabbau im 20. Jahrhundert<br />
Überreste dieser<br />
Eiszeitriesen gefunden<br />
wurden.<br />
Geld von Bund und<br />
Kantonen<br />
Noch sind die Pläne in<br />
einem frühen Stadium. Im<br />
besten Fall kann der Mammutpark<br />
als erstes Modul<br />
des Erlebnisparks im Jahr<br />
2021 eröffnet werden. Bis<br />
dann gilt es, einige Hindernisse<br />
zu überwinden.<br />
Die Kosten werden auf<br />
rund 21 Millionen Franken<br />
geschätzt. Davon sollen<br />
der Bund sowie die Kantone<br />
Bern und Luzern im<br />
Rahmen der Neuen Regionalpolitik<br />
(NRP) einen Teil<br />
übernehmen. Doch es gilt<br />
auch, eine breite Trägerschaft<br />
für das – im wahrsten<br />
Sinn des Wortes –<br />
Mammutprojekt zu finden.<br />
Bern Tourismus und Luzern<br />
Tourismus haben ihr<br />
Interesse angemeldet.<br />
one X 5 2016 27
NOAH SCHNEEBERGER<br />
Volle Konzentration:<br />
Noah Schneeberger<br />
auf der Bank<br />
ZUM<br />
NATIONAL-<br />
SPIELER<br />
GEREIFT<br />
Noah Schneeberger – ein Langenthaler<br />
erobert die Liga und nun<br />
auch die grosse Hockey-Welt. An<br />
der Eishockey-WM in Moskau<br />
entwickelte er sich zur Teamstütze<br />
und zum Stammverteidiger.<br />
TEXT: KLAUS ZAUGG, FOTOS: PIUS KOLLER<br />
Wir wissen, dass es Langenthals<br />
Sven Bärtschi bis in<br />
die NHL geschafft hat. Aber<br />
dabei geht fast vergessen,<br />
dass sich mit Noah Schneeberger<br />
(28) soeben erneut ein Langenthaler<br />
auf Weltniveau durchgesetzt hat.<br />
Noah Schneeberger hat in Davos eine erstaunliche<br />
Wandlung hinter sich. Erst vom<br />
taktischen Rebellen zum verlässlichen Abwehrspieler<br />
und nun gar zur Stütze unserer<br />
Nationalmannschaft bei der WM in Moskau.<br />
Nur wenige Spieler haben sich stetig so weiterentwickelt.<br />
Der Noah Schneeberger, der<br />
2012 von Genf nach Davos wechselte, hat<br />
nicht mehr viel gemein mit dem Noah<br />
Schneeberger, der soeben 2016 in Moskau<br />
für die Schweiz verteidigt hat.<br />
Er war vor vier Jahren ein weiteres «Experiment»<br />
Arno Del Curtos. Der Davoser<br />
Trainer sucht und findet immer wieder talentierte<br />
Spieler, eigenwillige, die an einem<br />
anderen Ort aus den unterschiedlichsten<br />
Gründen nicht ihr bestes Hockey spielen.<br />
Nicht immer gelingt es ihm, diese «Sorgenkinder»<br />
zu grossen Spielern zu formen.<br />
Als Noah Schneeberger im Sommer 2012<br />
nach Davos kommt, hat er sein schlimmstes<br />
Jahr als Profisportler hinter sich. Bei Ser vette<br />
ist alles schiefgegangen: Verletzungen, wenige<br />
Einsätze, Sturz in die Playouts. «Und<br />
ich habe unter dem mentalen Druck gelitten»,<br />
erinnert er sich.<br />
Ohne Selbstvertrauen kommt der Langenthaler<br />
zu Arno Del Curto nach Davos. Es<br />
funktioniert nicht gleich auf Anhieb. Beide<br />
seien halt keine «08/15-Typen», sagte Noah<br />
Schneeberger damals. «Da prallten zwei unterschiedliche<br />
Charakterköpfe aufeinander».<br />
Und es war auch ein Konflikt der Hockey-<br />
Philosophien. Noah Schneebergers Offensivvorstösse<br />
waren für den Betrachter spektakulär,<br />
bescherten ihm (und der Mannschaft)<br />
aber oft unlösbare defensive Situationen. Für<br />
Arno Del Curto ein unhaltbarer Zustand.<br />
28 one X 5 / 2016
ZUR PERSON<br />
Noah<br />
Schneeberger<br />
• Geburtsdatum: 23. Mai 1988<br />
• Grösse/Gewicht: 187 cm/85 kg.<br />
• Stationen:<br />
• bis 2004: SC Langenthal Junioren<br />
• 2004 bis 2008: Langnau Junioren<br />
(inkl. 5 NLA-Einsätze für Langnau<br />
plus 43 NLB-Spiele für Langenthal)<br />
• 2008 bis 2011: Biel<br />
• 2011/12: Servette<br />
• seit 2012: HC Davos<br />
• NLB Qualifikation: 49 Spiele/<br />
5 Tore/20 Assists<br />
• NLB Playoffs: 4 Spiele/1 Assist<br />
• NLA-Qualifikation: 297 Spiele/<br />
11 Tore/72 Assists.<br />
• NLA-Playoffs/Playouts:<br />
66 Spiele/2 Tore/15 Assists<br />
• 24 Länderspiele (2 Tore, 3 Assists)<br />
• Wichtigste Erfolge: Meister mit<br />
Davos (2015)<br />
• WM-Teilnahme 2016 in Moskau<br />
(7 Spiele, 1 Tor, 1 Assist).<br />
«Noah Schneeberger ist ein selbstsicherer, aber<br />
auch freundlicher junger Mann. Seine Bescheidenheit<br />
und sein Anstand sind in der Welt des Profisportes<br />
keineswegs selbstverständlich.»<br />
Heute spielt Noah Schneeberger so, wie es<br />
der Trainer wünscht – sei es nun Arno Del<br />
Curto oder Nationaltrainer Patrick Fischer.<br />
Er ist zu einem der vier wichtigsten Davoser<br />
Abwehrspieler gereift und sein Vertrag bis<br />
2018 verlängert worden. Auch beim Verhan-<br />
deln geht Noah Schneeberger seinen eigenen<br />
Weg. Er arbeitet als einer der wenigen<br />
NLA-Spieler ohne Agenten. «Und für mich<br />
ist es immer klar, mit dem alten Klub zuerst<br />
zu reden und reinen Tisch zu machen. Erst<br />
dann prüfe ich überhaupt Alternativen.»<br />
Dass er seine Verträge selber aushandelt,<br />
glaubt man ihm gerne. Noah Schneeberger<br />
ist ein selbstsicherer, aber auch freundlicher<br />
junger Mann. Oder noch einfacher: Seine<br />
Bescheidenheit und sein Anstand sind in der<br />
Welt des Profisportes keineswegs selbstverständlich.<br />
Nun war Noah Schneeberger zum ersten<br />
Mal auch auf höchstem Niveau, bei der WM,<br />
einer der wichtigsten Verteidiger. Er hat die<br />
WM in Moskau als 7. Verteidiger (also als<br />
Lückenbüsser) begonnen und als Stammspieler<br />
beendet. Im letzten WM-Spiel gegen<br />
Tschechien (4:5) erzielt er sein erstes WM-<br />
Tor (zum 3:5). Er hat sich ins WM-Team<br />
one X 5 / 2016 29
NOAH SCHNEEBERGER<br />
gespielt und wenn er sein Leistungsniveau<br />
halten kann, ist er in den nächsten vier bis<br />
sechs Jahren WM-Kandidat – mit 28 ist er ja<br />
im besten Eishockeyalter.<br />
Auch neben dem Eis übernimmt Noah<br />
Schneeberger Verantwortung. Er geniesst in<br />
Davos längst den Ruf des «Mister Fitness»<br />
und leitet jeweils das Aufwärmen vor den<br />
Trainings und Spielen. «Er ist da unser Vorbild»,<br />
sagt Trainer Del Curto. Auch wenn er<br />
in Langenthal neben der Eishalle Schoren<br />
aufwuchs – seine drei Brüder und die<br />
Schwester entschieden sich allesamt fürs<br />
Unihockey. Zwei Brüder schafften es in die<br />
«Die Freude, die ich<br />
meinen Mannschaftskollegen<br />
mit meinen<br />
selbst gebackenen<br />
Kuchen machen kann,<br />
spornt mich an»<br />
NLA, Jonas Schneeberger<br />
gar in die Nationalmannschaft<br />
– wie jetzt Noah im<br />
Eis hockey.<br />
Der Sport hat in der<br />
Familie Schneeberger<br />
schon immer eine wichtige<br />
Rolle gespielt. Die Mutter<br />
war Leichtathletin,<br />
Vater Jürg feierte Erfolge<br />
im Eishockey: «Er war<br />
Schweizer Meister mit<br />
dem SC Bern und zwei Mal Vizemeister mit<br />
Langnau», erzählt Noah Schneeberger stolz.<br />
«Ich sah ihn zwar leider nie spielen, doch es<br />
heisst, er sei gut gewesen …». Mit der Gesundheit<br />
des Körpers habe er sich immer<br />
beschäftigt. Als bei ihm vor acht Jahren<br />
beidseitig Hüftkorrekturen vorgenommen<br />
wurden, ergänzte er sein persönliches Training<br />
mit den entsprechenden Übungen. Und<br />
diese gehören beim Aufwärmen mit dem<br />
Team auch heute noch zum Programm.<br />
Und dann wäre da noch die «süsse Seite»<br />
Noah Schneebergers. Die Mitspieler in Davos<br />
schwärmen vom «Confiseur» und dem<br />
Im letzten WM-<br />
Spiel erzielte<br />
Schnee berger<br />
auch ein Tor<br />
besten Kuchenbäcker im Team. Er selbst isst<br />
indes keinen Krümel seiner backkulinarischen<br />
Meisterwerke. «Damit kann ich meine<br />
Freundin nerven», erzählt er lachend.<br />
«Obwohl ich nie probiere, gelingen die Kuchen<br />
immer». Mit dieser Leidenschaft begann<br />
er in Genf, als die Teamkollegen Roland<br />
Gerber und Samuel Friedli gute Abnehmer<br />
seiner Süssigkeiten waren. In Davos<br />
sei es mittlerweile die ganze Mannschaft.<br />
Der Grund für seine Nebenkarriere als Bäcker<br />
sei einfach: «Die Kreativität und die<br />
Freude, die ich den anderen machen kann,<br />
spornen mich an».<br />
Bei Davos entwickelte<br />
sich Schneeberger<br />
unter Trainer Del<br />
Curto zu einem<br />
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dass wir älter werden,<br />
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GELEBTE GESCHICHTE<br />
Moskau 1986 – 2007 – 2016<br />
Bei kaum einem anderen Ereignis<br />
lässt sich Geschichte so erleben<br />
wie an einer Eishockey-<br />
WM in der Hauptstadt Russlands.<br />
Faszination Moskau. Zum ersten<br />
Mal kam ich 1986 nach Moskau.<br />
Zur Hockey-WM. Es ist eine<br />
Reise ins Herz der Finsternis.<br />
US-Präsident Ronald Reagan<br />
hat den Begriff «Das Reich des<br />
Bösen» geprägt. Die UdSSR ist<br />
eine Weltmacht. Ihr Untergang<br />
und das Ende des Kommunismus<br />
sind unvorstellbar.<br />
Moskau ist 1986 eine beinahe<br />
gespenstisch verkehrsarme<br />
Grossstadt. Fast zwei Stunden<br />
dauern die Formalitäten am<br />
Zoll. Ein dienstbeflissener Beamter<br />
öffnet den Koffer. Kontrolliert<br />
jedes Kleidungsstück.<br />
Öffnet die Toilettentasche.<br />
Schraubt den Deckel der Zahnpastatube<br />
ab und stochert mit<br />
einem Draht hinein. Die Taxifahrer<br />
liefern sich auf dem Weg<br />
vom Flughafen ins Zentrum auf<br />
den leeren Strassen halsbrecherische<br />
Rennen. Es gilt, die magische<br />
Zeit von einer halben<br />
Stunde zu unterbieten.<br />
Romantische Schäbigkeit<br />
Das Hotel «Kosmos» hat die romantische<br />
Schäbigkeit des Sozialismus.<br />
Den seltsamen Geruch<br />
von Desinfektionsmittel. Auf jeder<br />
Etage eine mürrische Aufpasserin<br />
(damit keiner mit weiblicher<br />
Begleitung ins Zimmer<br />
schleicht). Draussen vor dem<br />
Hotel warten schöne Studentinnen,<br />
die von einem jungen Mann<br />
aus dem Westen gerne etwas<br />
über die Kultur des Westens erfahren<br />
möchten. Sie bieten als<br />
Gegenleistung Einblicke in die<br />
Erotik des Kommunismus.<br />
1986 dominieren die Sowjets<br />
unter Kulttrainer Wiktor Tichonow<br />
die WM auf begeisternde<br />
Art und Weise. Niemand ahnt,<br />
dass es das letzte Mal ist, dass<br />
die Sowjets vor eigenem Publikum<br />
einen WM-Titel gewinnen.<br />
Und niemand kann sich vorstellen,<br />
dass die Stars (wie Fetisow,<br />
Larionow, Makarow, Kasatanow,<br />
Bykow, Chomutow) je im Westen<br />
spielen könnten. Vier Jahre<br />
später tanzen Chomutow und<br />
Bykow für Gottéron und Titanen<br />
wie Fetisow werden den Stanley<br />
Cup gewinnen.<br />
Unheimliches Schweigen<br />
Während der WM brennt der<br />
Atomreaktor in Tschernobyl<br />
durch. Wir erfahren in Moskau<br />
nichts. Die finnischen Kollegen<br />
bekommen aus der Heimat Anfragen:<br />
Es müsse in Russland<br />
ein Atomunglück gegeben haben.<br />
Es ist ein unheimliches<br />
Schweigen vor Ort. Die Berichte<br />
hacke ich in eine Schreibmaschine,<br />
gebe das Manuskript im<br />
Medienzentrum ab, dort wird es<br />
per Telex in die Schweiz übermittelt.<br />
Telefonverbindungen<br />
gibt es nur nach Voranmeldung.<br />
Im Ice Palace von Moskau fanden im Mai<br />
dieses Jahres die Eishockey-Weltmeisterschaften statt<br />
Kapitalismus pur<br />
Gut 20 Jahre später zieht der<br />
WM-Zirkus 2007 wieder nach<br />
Moskau. In eine andere Welt.<br />
Die Stadt vibrierin einem hitzigen<br />
Kapitalismus. Nun dauern<br />
die Zollformalitäten noch eine<br />
Viertelstunde. Dafür die Fahrt<br />
vom Flughafen ins Zentrum auf<br />
verstopften Strassen fast drei<br />
Stunden. Moskau ist eine kalte,<br />
unfreundliche Stadt geworden.<br />
Für Ideologie interessiert sich<br />
niemand mehr. Die schönen Studentinnen<br />
flanieren durch die<br />
Lobby und für Einblicke in die<br />
Erotik des neuen russischen Kapitalismus<br />
möchten sie Dollars<br />
haben. Die Russen beenden die<br />
WM 2007 auf dem dritten Platz.<br />
Eine sportliche Morgenröte unter<br />
dem neuen Nationaltrainer<br />
Slawa Bykow. 2008 werden die<br />
Russen erstmals seit 1993 wieder<br />
Weltmeister. Den Titel verteidigen<br />
sie 2009 in der<br />
Schweiz.<br />
Neuer Patriotismus<br />
Und nun also 2016. Moskau hat<br />
sich erneut verändert. Die Zollformalitäten<br />
dauern nur noch<br />
fünf Minuten, niemand interessiert<br />
sich für den Inhalt meines<br />
Koffers. Der Verkehr staut sich<br />
noch immer wie 2007. Aber<br />
Moskau ist jetzt die Hauptstadt<br />
eines Landes, das sich nach den<br />
Erschütterungen der letzten 30<br />
Jahre wieder als Weltmacht<br />
versteht und von einem neuen<br />
Patriotismus beseelt ist.<br />
Die Feierlichkeiten zum Gedenken<br />
an den Sieg über Nazideutschland<br />
sind noch prächtiger,<br />
lärmiger als 1986. Der hitzige<br />
Kapitalismus von 2007 ist<br />
2016 pragmatischer geworden.<br />
Die Menschen haben sich an<br />
den Kaptialismus, an die neuen<br />
sozialen Unterschiede (oder<br />
besser: schreienden Ungerechtigkeiten)<br />
gewöhnt. Moskau ist<br />
beinahe eine normale Grossstadt<br />
geworden. Die schönen<br />
angeblichen Studentinnen sind<br />
jetzt überall in der Stadt anzutreffen.<br />
Moskau ist 2016 das<br />
Wirtschaftszentrum eines riesigen<br />
Landes. Mit Hochhäusern,<br />
Luxus hotels und einem Lebenstempo<br />
wie in einer westlichen<br />
Metropole, das Leben ist<br />
nicht teurer als in Zürich. Moskau<br />
könnte jetzt auch eine Stadt<br />
in den USA sein – einfach eine<br />
mit etwas weniger gut ausgebauten<br />
Autobahnen, dafür aber<br />
einer prächtigen U-Bahn.<br />
Zeugen längst<br />
vergangener<br />
Pracht: die Moskauer<br />
U-Bahn<br />
Die Seele Russlands bleibt<br />
Nur eines ist noch genauso wie<br />
1986. Moskau ist nicht Russland.<br />
Moskau hat mit dem restlichen<br />
Russland so wenig zu tun wie<br />
die Zürcher Bahnhof strasse mit<br />
Langenthal. Russland, das unendliche<br />
Russland hinter dem<br />
Ural, wo der Himmel die einzige<br />
Limite ist, verändert sich nicht.<br />
Ob Kommunismus oder Kapitalismus,<br />
die Seele Russlands<br />
bleibt gleich, die Zeit steht still.<br />
Aber das habe ich nicht in Moskau<br />
gespürt und gelernt. Sondern<br />
auf den Reisen mit der<br />
Transsibirischen Eisenbahn von<br />
Moskau nach Peking in den alten<br />
Zeiten und von Peking nach<br />
Moskau in den neuen Zeiten im<br />
besten Wortsinne erfahren.<br />
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32 one X 5 / 2016
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one X 5 / 2016 33
OBERAARGAU<br />
nicht aber Wein und Bier. Oder volkstümlich<br />
gesagt: Schnaps bre nen braucht heute eine<br />
Bewi ligung, schwarz Bre nen wird bestraft.<br />
Durch die Gesetzgebung ist lange Zeit auch<br />
die Anzahl der Wirtshäuser durch die sogena<br />
nte «Bedürfnisklausel» eingeschränkt<br />
worden: Auf eine bestimmte Anzahl Einwohner<br />
durft es nur eine bestimmte Anzahl<br />
Wirtshäuser geben. Erst in den 1980er Jahren<br />
ist diese Einschränkung verschwunden und<br />
die Gastronomie nach mehr als hundert Jahren<br />
wieder der freien Marktwirtschaft überla<br />
sen worden. Skandinavische Länder (etwa<br />
Schweden und Fi nland) ke nen eine noch<br />
viel strengere Alkoholgesetzgebung.<br />
GEWALTIGER BEIZENZUWACHS<br />
Jeremias Go thelf hat das Wirtshaus gar als<br />
«Anker der Welt» bezeichnet und die Kirche<br />
als Gegenpol, als «Wegweiser aus der Welt»,<br />
– also aus der Sünde – gegenübergeste lt. Er<br />
a testierte dem Wirtshaus immerhin eine<br />
gro se sozialpsychologische Bedeutung «für<br />
die Hofbauern und die Dorfgemeinschaft».<br />
De n das Wirtshaus war ein wichtiger Ort,<br />
wo sich die Mä ner au serhalb ihrer Familien<br />
trafen. In den Gaststuben und an den<br />
runden Tischen wurde Politik gemacht.<br />
Die Garantie der Gewerbefreiheit durch<br />
die neue bernische St atsverfa sung von<br />
1831 und dem neuen Wirtshausgesetz von<br />
1836 schuf aber nachgerade eine besorgnise<br />
regende Situation. Zu Begi n der 1830er<br />
Jahre stieg die Anzahl Wirtshäuser im Kanton<br />
Bern in der Zeitspa ne von zwei Jahren<br />
von 425 auf 1375! Kein Wunder, führte der<br />
Dichterfürst eine leidenschaftliche Abrechnung<br />
mit der neuen Zeit. Der wertkonservative<br />
Pfarrer bekämpfte nach der Gründung<br />
der modernen Schweiz (1848) die Wirtshäuser<br />
auch noch als «Missionshäuser des Radikalismus».<br />
Weil in den Gaststuben nicht nur<br />
viel zu viel geso fen, sondern auch noch<br />
heftig politisiert wurde – und zwar vornehmlich<br />
in die verderbliche Richtung eines go t<br />
losen Liberalismus und Kapitalismus. In<br />
seinem sozialkritischen Roman «Der Geldstag»<br />
steht das Wirtshaus zur «Gnepfi» als<br />
Si nbild eines beunruhigenden politischen<br />
und sozialen Zustandes. Go thel fasst die<br />
Funktion dieser «politischen Kloaken» zusammen:<br />
«In solchen Nestern wird die Auf<br />
2 one X 1 / 2015<br />
regung in unserem Vaterlande erzeugt und<br />
aufrechterhalten. Hier entstehen die schädlichen<br />
politischen Richtungen und Ansichten,<br />
und zwar durch brotlose Agenten und<br />
verhudelte Krämer»<br />
In seiner Erzählung «Dursli der Branntweinsäufer»<br />
wir die Bra ntweinpest als<br />
Problematik der ärmeren Schichten bezeichnet,<br />
die durch die berauschende Wirkung des<br />
Alkohols Ho fnung auf materie l be sere<br />
Zeiten schürt. Aber der Alkohol führt zum<br />
sozialen und finanzie len Untergang, macht<br />
aus manchem braven Hausvater einen Vagabunden,<br />
Verschwender, Wirtshaushöckler<br />
und Trunkenbold. Gotthelf macht den radikalen<br />
Liberalismus für die Bra ntweinpest<br />
verantwortlich und stellt die Verantwortlichen<br />
dieser seiner Ansicht nach verderblichen<br />
politischen Richtung in seinen Erzählungen,<br />
Predigten und politischen Schriften<br />
als regelmä sige Wirtshausgänger dar.<br />
Im Bauernspiegel, seinem ersten gro sen<br />
Roman von 1837, la sen sich zwei Befürworter<br />
der neuen Ordnung aus der Stadt in einem<br />
ländlichen Gasthof im Ober argau bewirten<br />
und versuchen, die ortsansä sigen Bauern<br />
von ihren freiheitlichen, aufrührerischen Ansichten<br />
zu überzeugen. Währen der eine<br />
sich auch noch ungeniert am Wein der Bauern<br />
bedient, versucht der andere gar Unziemliches<br />
mit den schönen Töchtern des Wirts.<br />
Reger Alkoholkonsum wird von Go thelf als<br />
polemisches Mi tel eingesetzt, um seine politischen<br />
Feinde als notorische Alkoholiker<br />
und Wirtshauhöckler zu diskreditieren.<br />
GEBLIEBEN SIND ERINNERUNGEN<br />
Er verstarb 1854 und so lte mit seinen Prophezeiungen<br />
über Liberalisierung und Alkoholschwemme<br />
Recht behalten: Die «Bra ntweinpest»<br />
e reichte um 1 80 ihrem absoluten<br />
Höhepunkt. Seither nimmt der Alkoholkonsum<br />
stetig ab und hat heute den tiefsten Stand<br />
der Geschichte e reicht. Die heutige Zeit und<br />
das Saufen vertragen sich<br />
nicht. Die moderne Welt verlangt<br />
eine viel präzisere und<br />
konzentriertere Arbeitsleistung,<br />
das Autofahren erfordert<br />
Nüchternheit. Früher<br />
fanden die Pferde mit dem<br />
Fuhrwerk den Heimweg auch<br />
da n, we n der Meister betrunken<br />
im Wägeli schlief.<br />
Und schlie slich steht dem<br />
modernen Menschen manch anderes Mi tel<br />
zur Ablenkung der Si ne zur Verfügung. Dazu<br />
kommt ein höherer Bildung stand und ein<br />
grö seres Gesundheitsbewu stsein. Womit<br />
ich nicht etwa behaupte, der Ober argau werde<br />
nur noch von Abstinenzlern bevölkert, die<br />
das Wirtshaus meiden wie der Teufel das geweihte<br />
Wa ser.<br />
BÄREN LOTZWIL<br />
LÖWEN RÜTSCHELEN<br />
STERNEN KLEINDIETWIL<br />
OBERAARGAU<br />
STERNEN MADISWIL<br />
LÖWEN LOTZWIL<br />
TEXT UND BILDER: KLAUS ZAUGG<br />
RÖ SLI RÜTSCHENEN<br />
Fahrt durch sein geliebtes<br />
20 one X 1 / 2015<br />
angere Ort u mir hei ke Ru senatur…»<br />
BAHNHOF DÜRRENROTH<br />
PÖSTLI ROHRBACH<br />
LINDE LEIMISWIL<br />
HÄBERENBAD HUTTWIL<br />
OBERAARGAU<br />
Nach diesem historischen Exkurs mag der Zu Gotthelfs Zeiten waren alle Wirte auch<br />
Leser verstehen, warum Jeremias Gotthelf so noch ein wenig Bauern. Heute ist es beinahe<br />
viel Freude an unserer Reise gehabt hätte. Ich so, dass alle Bauern auch noch ein wenig<br />
machte mich auf, nur im Tal der Langeten, wirten. Aber lassen wir das. Es geht mir nicht<br />
also von Langenthal an aufwärts bis nach um eine streng wissenschaftliche Abhandlung.<br />
Erst das sinnliche Erlebnis einer Reise<br />
Huttwil den Wirtshäusern nachzureisen, die<br />
ich einst in meiner Jugendzeit gekannt habe durch das Tal der Langeten zeigt uns nämlich<br />
und die in mir nostalgische Erinnerungen den Wandel. Viel besser als jede Statistik.<br />
wecken. Wie es im Volkslied so schön heisst: Ach, so berühmte Wirtshausfassaden, an die<br />
ich erst als Schnuderbub und später als<br />
Nach der Heimat kam ich wieder, «MöchteGernRock’n’Roller» noch ehrfürchtig<br />
emporgeblickt habe, sind nicht mehr.<br />
A les hab ich mir besehn,<br />
Als ein Fremder auf und nieder Wenn ich mal in den «Araber» essen ging,<br />
Mu st ich in den Stra sen gehn. zog ich extra noch ein sauberes Hemmli an,<br />
Die alten Stra sen noch,<br />
so sehr beeindruckte mich diese Nobelbeiz.<br />
Die alten Häuser noch,<br />
Und wie wurde die Küche im «Bahnhof» zu<br />
Die alten Freunde<br />
Madiswil gerühmt!<br />
Aber sind nicht mehr.<br />
Ach, gar oft haben wir im Sternen zu<br />
Huttwil polemisiert, sind im «Landhof» zu<br />
Aber so ist es nicht. Es sind viele der alten Schweinbrunnen eingekehrt oder nach einem<br />
Hockeymatch im «Bahnhof» zu Dürren<br />
Freunde noch. Aber zu viele der alten Wirtshäuser<br />
sind nicht mehr. Erst mit dieser Reise roth. Als ich noch ein Lehrbub bei der Bank<br />
wird mir bewusst, wie sehr sich die Zeiten in Huttwil war (die es jetzt noch gibt, aber<br />
geändert haben. Wir können uns zwar Statistiken<br />
beschaffen, die uns sagen, wie viele tag oft im Restaurant «Brücke» oder im<br />
unter anderem Namen) speiste ich über Mit<br />
Wirtshäuser nicht mehr existieren, wie sich «Schultheissenbad». Der «Mühleweg» war<br />
die Umsatzzahlen seit der «belle Epoque» der uns ein Begriff, die «Grottenbar» in Rütschelen<br />
cool und trendig, im wunderschönen<br />
Gastronomie in der zweiten Hälfte des letzten<br />
Jahrhunderts verändert haben, als es genügte,<br />
einfach am Vormittag die Türe zur Gast<br />
und der MäritTanz im Häberenbad war weit<br />
Saal in der «Krone» zu Rohrbach tanzten wir<br />
stube aufzumachen und bei Feierabend die herum im Bernerland berühmt.<br />
Gäste wieder hinauszuwerfen. Wir können<br />
auch über die Liberalisierung schimpfen, die FACEBOOK STATT STAMMTISCH<br />
den Umsatz von den Wirtshäusern weg in die All diese Wirtshäuser und noch viele andere<br />
Hornusser und FussballplatzBeizen und zu gibt es nicht mehr. Viele sind zu Wohnhäusern<br />
umgebaut worden, einige stehen leer<br />
den Bauern verlagert hat.<br />
wie verlassene Liebhaber im Regenwetter,<br />
eines beherbergt eine Brockenstube, eines ist<br />
bis auf die Grundmauern abgebrannt, in<br />
Langenthal<br />
Legende Legende<br />
inem anderen habe ich Büros entdeckt. Wir<br />
Legende 2<br />
sehen daran einen unumkehrbaren gesellschaftlichen<br />
Wandel.<br />
Lotzwil<br />
Das Wirtshaus hat im 21. Jahrhundert die<br />
2<br />
von Jeremias Gotthelf erkannte sozialpsychologische<br />
Bedeutung eingebüsst. Politische<br />
2<br />
Rütschelen<br />
Aufruhr wird nicht mehr durch aufmüpfiges<br />
Reden am Stammtisch ausgelöst – sondern<br />
Madiswil<br />
durch die sozialen Medien. Das Neuste, wer<br />
2<br />
mit wem und wer mit wem nicht mehr, vernimmt<br />
man nicht mehr im Wirtshaus, son<br />
1 Leimiswil<br />
Kleindietwil 1<br />
2 2<br />
dern über Facebook und die OnlineMedien.<br />
Das Wirtshaus hat seine zentrale Bedeutung<br />
Ursenbach<br />
Rohrbach Auswil<br />
als «Anker der Welt», als Versammlungsort<br />
des Jungvolkes längst eingebüsst. Die neue<br />
Generation trifft sich in Klubs in der Stadt<br />
1 Oeschenbach<br />
8 oder feiert Partys zu Hause. Die Hornusser<br />
feiern ihre Siege in ihrem Hornusserhüttli<br />
1<br />
Huttwil und nicht mehr im Wirtshaus und der Umsatz<br />
1<br />
der vielen «Besenbeizen» geht auf Kosten der<br />
Schmidigen-<br />
traditionellen Gastwirtschaften.<br />
1<br />
Mühleweg<br />
Schwarzenbach<br />
Wie sich die Welt gewandelt hat, wird mir<br />
b. Huttwil<br />
schliesslich bewusst, als ich am Schluss meiner<br />
Reise nach Rütschelen komme. Vor<br />
Dürrenroth<br />
24 one X 1 / 2015<br />
KREUZ AUSWIL<br />
RÄNDLI HUTTWIL<br />
EINTRACHT HUTTWIL<br />
STÄRNE HUTTWIL<br />
HIRSCHEN HUTTWIL<br />
SONNE HUTTWIL<br />
SCHULTHEISSENBAD HUTTWIL<br />
PINTLI HOFEN<br />
BRÜCKE HUTTWIL<br />
DIE SEITE DER LESER<br />
Leserbriefe<br />
Veranstaltungen<br />
In den Beizen wurde nicht nur<br />
viel zu viel geso fen, sondern<br />
auch politisiert - vor a lem der<br />
von Jeremias Go thelf missbi ligte<br />
«go tlose Liberalismus».<br />
GESCHLOSSEN<br />
BAHNHOF MADISWIL BÄREN KLEINDIETWIL<br />
A<br />
BEIZEN-<br />
STERBEN<br />
In den Wirtshäusern ortete Jeremias Gotthelf<br />
die Wurzel allen Übels, Ihn würde es wohl<br />
freuen, dass im Oberaargau in den letzten<br />
Jahrenein eigentliches Beizensterben grassiert.<br />
Eine Spurensuche.<br />
ch, wäre es doch Jeremias Gotthelf<br />
vergönnt gewesen, diese<br />
Oberaargau mit uns zu machen.<br />
Der wortgewaltige Dichterfürst<br />
wirkte ja einst als Pfa rhelfer in Herzogenbuchsee.<br />
Er wetterte von der Kanzel und<br />
polemisierte in Eingaben an die Obrigkeit<br />
und in Schriften und Büchern gegen die<br />
Wirtshäuser. Im Alkohol, auch ausgeschenkt<br />
in den Beizen, erkannt er die Wurzel fast<br />
allen Übels. Legendär ist eine Rede au seiner<br />
Zeit gegen das «nütnutzige Brannteweytreihe<br />
oder Brönzsuu fe». Hier ein paar<br />
Auszüge. «Losit Manne! I ha scho mängisch<br />
däicht, das Brönzsuu fe sö t vo der Regierig<br />
als e verderbligi Sach ganz verbo te wärde.<br />
Mi ghört doch jetzt vo de Chinese brichte.<br />
D’Chinese si Heide u doch het dert Regierig<br />
nid we le, da s ds Volch mit dem Opium a<br />
Lib und Seel verderbt wird u het das Opiumrouke<br />
verbote. U üsi christligi Regierig luegt<br />
zue u seit nüd derwider, da s üses Volch im<br />
Branntwy ersuuft un a Lib u Seel z’Grund<br />
geit. Me verbietet doch Gift z’mache, u nid<br />
e jedere darf se tigs fabriziere u verchoufe.<br />
Aber ist der Branntewy nid on es gfärligs<br />
Gift? Warum cha me nit o verbiete, Branntewy<br />
z’brönne u z’verchoufe? .i weiss nadisch<br />
wohl, da s Mänge das nid glubt u seit,<br />
d’Ru se suufe viu Branntewy u sige no ti<br />
gsung u starch, sie heige dr Napoleon bodiget<br />
u äs gäb vil alt Lüt z’Ru sland. Mira sig’s<br />
eso! Aber d’Ru se si Russe, sie läbe am en<br />
Die Wirtshäuser waren für Go thelf die<br />
Kathedralen des Saufens und tatsächlich war<br />
im 19. Jahrhundert der Alkohol auch in unserer<br />
Gegend zum gro sen Problem geworden.<br />
1839 sprach der Staatsvewaltungsbericht<br />
des Kantons Bern des Kartofelbrennens<br />
wegen erstmals o fizie l von einer<br />
«Branntweinpest» im Bernbiet. Erst das Alkoholgesetz<br />
von 1887 schränkte die Freiheit der<br />
Karto felbrennerei ein, seit 1933 erfa st das<br />
Gesetz auch Obst und B erenbranntwein,<br />
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Beizensterben im Oberaargau,<br />
Ausgabe 4, April 2016<br />
Ob sich Jeremias Gotthelf freuen würde<br />
über den Rückgang von Gastwirtschaften,<br />
ist schwierig zu beurteilen, denn er<br />
sähe auch die heutige Situation. Die Zeiten<br />
haben sich glücklicherweise geändert.<br />
Heute wird in Gasthäusern nicht<br />
nur Alkohol ausgeschenkt, sondern auch<br />
allerlei alkoholfreie Getränke. Weiter<br />
werden Essen serviert. Darum ist es umso<br />
trauriger, wenn in einem Dorf der<br />
Gasthof geschlossen wird und nachher<br />
kein Treffpunkt mehr da ist. Auch im Internetzeitalter<br />
ist menschliche Begegnung<br />
an einem Treffpunkt notwendig.<br />
Die damalige Branntweinplage war eine<br />
Folge der schlechten Lebensbedingungen,<br />
wie ungeheizte Wohnräume. Wandernde<br />
Handwerkern mussten ihre Arbeiten<br />
in kalten Schuppen verrichten.<br />
Man glaubte, mit Branntwein könne man<br />
sich wärmen, was aber ein Irrtum ist,<br />
denn man fror, aber merkte es weniger.<br />
Mittel gegen den Alkoholismus sind bis<br />
heute der Sport und kulturelle Betätigungen<br />
(Gesang, Musik), sowie Treffpunkte<br />
ohne Alkoholzwang. Dies alles erlaubt<br />
manchem Mitbürger eine sinnvolle Freizeitgestaltung.<br />
Hans Rudolf Hirschi, Wynigen<br />
Tuningtreffen im Nationalen<br />
Sportzentrum Huttwil<br />
28. und 29. Mai 2016<br />
Ihre Meinung<br />
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interessieren könnten? Oder haben Sie eine<br />
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Oder möchten Sie über ein Thema, das wir<br />
noch nicht gebracht haben, mehr erfahren?<br />
Wir können Ihnen zwar keinen Artikel darüber<br />
garantieren. Aber prüfen werden wir<br />
Ihren Vorschlag ganz bestimmt.<br />
Wir wissen noch nicht, was auf uns zukommt,<br />
wenn wir die Möglichkeit zu Leserreaktionen<br />
bieten. Möglich, dass keine einzige<br />
kommt. Ebenfalls möglich, dass wir<br />
nicht alle Ihre E-Mails und Briefe publizieren<br />
können, und deshalb eine Auswahl treffen<br />
müssen. Werden Sie bitte nicht zu lang.<br />
Sonst müssten wir Ihren Beitrag eventuell<br />
kürzen.<br />
Beiträge mit beleidigenden, diffamierenden,<br />
rassistischen und sexistischen Inhalt werden<br />
nicht veröffentlicht.<br />
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redaktion@onex<strong>magazin</strong>.ch<br />
Postadresse:<br />
Redaktion one X Magazin<br />
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Lotzwilstrasse 67<br />
4900 Langenthal<br />
Foto: ZVG<br />
34 one X 5 / 2016
ZU VERMIETEN<br />
Bannwil, Neufeldweg 2 – Lager-,<br />
Produktions- und Büroräume<br />
Rund 848 m 2 Lager- und Produktionsräume<br />
im 1. OG sowie 282 m 2 Büroräume mit vielseitigen<br />
Nutzungsmöglichkeiten (Atelier, Büro,<br />
Ausstellung etc.) im 2. OG an sehr guter Lage.<br />
Grosser Warenlift und Anpassrampe vorhanden.<br />
Der Autobahnanschluss Niederbipp ist<br />
nur 3 km entfernt.<br />
Infos und Besichtigung: 079 431 56 42<br />
Langenthal, Brunnhofstrasse 13,<br />
Gewerberäume und 2 Attika wohnungen<br />
Dieses Objekt liegt an zentraler Lage (Lotzwilstrasse,<br />
an der Stadtausfahrt Langenthal Richtung<br />
Lotzwil). In naher Umgebung befinden<br />
sich Restaurant, Bowlingcenter, Fitnesscenter<br />
sowie ein Schwimmbad. Mit dem Bus ist der<br />
Bahnhof Langenthal innert wenigen Minuten<br />
erreichbar.<br />
Im EG und 1. OG Büro- oder Praxisräume ab<br />
220 m 2 . Dachgeschoss 2 topmoderne Attikawohnungen.<br />
Innen- und Aussenparkplätze<br />
können dazu gemietet werden.<br />
Infos und Besichtigung:<br />
MB Immobilien AG, Langenthal<br />
Telefon 062 919 01 08<br />
Wynau,<br />
Weiherweg 6,<br />
Dach-Maisonette-Wohnung<br />
• Wohnung mit<br />
Südbalkon<br />
• grosses<br />
Wohnzimmer<br />
• Galerie<br />
• Schwedenofen<br />
• Bad/WC<br />
• Bad/Dusche/WC<br />
• Dusche/WC mit Waschmaschine + Tumbler<br />
• komplett neu gestrichen und neuer<br />
Laminatboden<br />
• geschlossener Kellerraum mit Lavabo<br />
plus 1 zusätzliches Kellerabteil<br />
• Einstellhallenplätze können à CHF 120.00<br />
dazu gemietet werden<br />
Mietzins: CHF 1900.00 plus Akonto 250.00<br />
Infos und Besichtigung:<br />
MB Immobilien AG, Langenthal<br />
Telefon 062 919 01 08<br />
Rohrbach, Werkstatt<br />
Rund 250 m 2 Werkstattfläche mit grosser<br />
Raumhöhe.<br />
Infos und Besichtigung: 079 431 56 42<br />
Lotzwil, Unterdorfstrasse 16,<br />
5,5-Zimmerwohnung im Dachgeschoss<br />
• alle Schlafzimmer mit Marmoleumboden<br />
• Küche, Badezimmer und Wohnzimmer mit<br />
Plattenboden<br />
• Badezimmer mit Badewanne + sep. WC mit<br />
Dusche<br />
• eigene Waschmaschine + Tumbler<br />
• 2 Balkone<br />
• grosser Estrich<br />
• Kellerabteil<br />
• Eigentumsstandard<br />
• Einstellhallenplatz à CHF 120.00/mt<br />
Mietzins: CHF 1900.00 plus Akonto 250.00<br />
Infos und Besichtigung:<br />
MB Immobilien AG, Langenthal<br />
Telefon 062 919 01 08<br />
Rohrbach, offene Lagerhalle<br />
Ab 500 m 2 offene, überdachte Lagerhalle.<br />
Infos und Besichtigung: 079 431 56 42<br />
Thörigen, Längacherstrasse 10,<br />
4,5-Zimmerwohnung im Parterre<br />
• alle Schlafzimmer mit Parkett<br />
• Küche, Badezimmer und Wohnzimmer<br />
mit Plattenboden<br />
• Badezimmer mit Badewanne + sep. WC<br />
mit Dusche<br />
• eigener Waschturm<br />
• zusätzliches Kellerabteil<br />
• Eigentumsstandard<br />
• Einstellhallenplatz à CHF 120.00/mt<br />
Mietzins: CHF 2100.00 plus Akonto 190.00<br />
Infos und Besichtigung:<br />
MB Immobilien AG, Langenthal<br />
Telefon 062 919 01 08<br />
Madiswil, Hobby- und Mehrzweckboxen<br />
Werkhalle mit 12 Einzelboxen (Länge 8,5<br />
– Breite 6,0 m)<br />
Verfügbare Mietflächen zwischen 50m 2 und<br />
200m 2 . Die Boxen können vom Kleinhandwerker,<br />
als Hobby- oder Mehrzweckbox,<br />
Garage, Stellplatz oder Ähnlichem genutzt<br />
werden. Der Mietpreis pro Monat/Box beträgt<br />
CHF 750.00.<br />
Infos und Besichtigung:<br />
MB Immobilien AG, Langenthal<br />
Telefon 062 919 01 08<br />
Langenthal, Bleienbachstrasse 19a,<br />
2,5-Zimmerwohnung im 1. OG<br />
• alle Zimmer mit Parkettboden<br />
• offene Küche mit GK und Geschirrspüler<br />
• modernes WC mit Dusche und Einbaumöbel<br />
• Entreé mit Garderobe<br />
• Einbauschränke im Schlafzimmer<br />
• Einbaumöbel im Wohnzimmer<br />
• kein Balkon<br />
• Aussenparkplätze à CHF 40.00/mt<br />
Mietzins: CHF 1300.00 plus Akonto 110.00<br />
Infos und Besichtigung:<br />
MB Immobilien AG, Langenthal<br />
Telefon 062 919 01 08<br />
MB Immobilien AG<br />
Bahnhofstrasse 1 I 4914 Roggwil<br />
www.mb-immo.ch<br />
Tel. 062 919 01 08 I Fax 062 919 01 09
«Ässe, Trinke u Spass ha»<br />
Alles unter einem Dach!<br />
«Ässe, Trinke u Spass ha»<br />
Bowlingcenter Langenthal AG<br />
Lotzwilstrasse 66<br />
4900 Langenthal<br />
062 919 01 16<br />
events@gastro-elemaent.ch<br />
let‘s meet ...<br />
THE MEAT<br />
PREMIUM BEEFHOUSE<br />
1<br />
⁄1 Inserat randabfallend<br />
Das erste Beefhouse in Langenthal mit einem 800 Grad Montague Steakhouse Grill<br />
(210 × 297 mm)<br />
Geniessen Sie die vielleicht besten Steaks in der Region aus einem Grillofen, den wir direkt aus Kalifornien importiert<br />
haben. Der Grill erzeugt innerhalb kürzester Zeit eine Hitze von über 800 Grad. Qualitativ bestes Rindfleisch von ausgesuchten<br />
Produzenten erhält durch die enorme Hitze eine sehr schmackhafte, krosse und fast karamellisierte dunkle<br />
Kruste. Dabei bleibt das Fleisch im Kern sehr saftig.<br />
Das Erlebnis für jeden Fleischliebhaber<br />
Reservationen nehmen wir gerne unter 062 919 01 16 oder unter events@gastro-elemaent.ch an<br />
Öffnungszeiten THE MEAT Dienstag bis Samstag 11:30 bis 14:00 Uhr und 18:00 bis 23:00 Uhr<br />
Sonntag und Montag geschlossen<br />
HOLE 19<br />
INDOOR GOLF<br />
Tagesmenüs ab CHF Fr. 14.50<br />
Kreative Küche speditiv serviert<br />
Abendkarte<br />
Kleine, aber feine Speiseauswahl<br />
mit Pfiffff<br />
Seminare und Bankette<br />
Immer wieder gerne – wir beraten<br />
Sie kompetent und voller Elan<br />
Öffnungszeiten<br />
Mo-Fr 08:00-14:00 / 17:00-23:00<br />
Sa 09:00-23:00<br />
So 09:00-21:30 09:00-17:00<br />
www.elemaent.ch<br />
Schieben Sie eine ruhige Kugel...<br />
...auf einer topmodernen Anlage mit<br />
12 Bahnen<br />
...bei Ihrem Bowlingspass und verbinden<br />
Sie diesen mit einem Apéro<br />
an unserer Apérobar oder einem<br />
Essen im Meat oder Elemänt<br />
...an unseren vier Billardtischen,<br />
zwei „Töggelichäschten“ und zwei<br />
Dartautomaten<br />
Ein Besuch lohnt sich –<br />
Reservation von Vorteil.<br />
Öffnungszeiten<br />
Mo-Di geschlossen<br />
Mi-Do 14:00-23:00<br />
Fr-Sa 14:00-00:00<br />
So 12:00-22:00<br />
Bei uns stehen Sie nie im Regen!<br />
3 professionelle Full-Swing<br />
Golfsimultaoren<br />
Golfsimulatoren<br />
8-ung: Nur für Profis s oder solche, die<br />
es werden wollen. Für Einsteiger, die<br />
das Golf spielen erlernen möchten,<br />
bieten wir Ihnen ein Golfpackage mit<br />
einem Golflehrer an.<br />
Öffnungszeiten<br />
Mo-So 09:00-22:00<br />
www.hole19.ch<br />
Sei es eine Zigarre oder Zigarette,<br />
Whisky oder ein Glas Rotwein -<br />
kosten Sie in einem Ledersessel<br />
alles was ihr Herz begehrt. In einem<br />
klassischen und eleganten Fumoir,<br />
geprägt von einer warmen Atmosphäre,<br />
lässt sich eine Zigarre in<br />
vollen Zügen geniessen. In unserem<br />
Fumoir können Sie persönlich Ihre<br />
Wahl treffen und geniessen...<br />
Öffnungszeiten<br />
Mo-Fr 08:00-14:00 / 17:00-23:00<br />
Sa 09:00-23:00<br />
So 09:00-21:30 09:00-17:00<br />
www.elemaent.ch<br />
www.bowling-langenthal.ch