07.06.2016 Aufrufe

De:Bug 156

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

digitale literatur und<br />

andere missverständnisse<br />

Die Digitalisierung mischt mit gehöriger<br />

Verspätung das Buch auf. Dabei geht es<br />

um weit mehr als den Formatwechsel vom<br />

Papier zum E-Book-Reader. Die Verhältnisse<br />

rund um das Buch verändern sich.<br />

Eine Neuerung ist dabei die Emanzipation des<br />

Autors vom etablierten System aus Verlagen,<br />

Feuilletonklüngel und Buchhandelsmechanismen<br />

durch die Möglichkeiten des E-Publishings:<br />

Hier feiern Autoren mit kleinen, schmutzig<br />

und schnell geschriebenen Geschichten Erfolge,<br />

aber auch Stephen King hat bereits auf die<br />

Entwicklung reagiert und ein E-Book mit dem<br />

vielsagenden Titel "UR" veröffentlicht, auf dessen<br />

Cover die beiden Buchstaben im vertrauten<br />

Underground-Resistance-Layout prangen<br />

(Seite 12). Eine weitere Facette der fortgesetzten<br />

Bibliothek zeigt sich im Gespräch mit<br />

dem Architekten Friedrich von Borries, dessen<br />

Mission es ist, Unterhaltung und fruchtbare<br />

Irritation zu verbreiten. In seinem Buch "1WTC"<br />

mixt er Action und Sex zu einer Groschenromanhandlung<br />

mit Glossar-Partikeln über<br />

digitale Kultur, Überwachung und Architektur<br />

im Wikipedia-Stil. Womit sich sein Machwerk<br />

in eine neue Berliner Erzählschule einreiht, die<br />

bewusst zwischen Sachbuch und Fiktion pendelt<br />

und dabei munter Widersprüche erzeugt (Seite<br />

16). Anlässlich seines Buch-und-CD-Projekts<br />

"Lookalikes" geht Thomas Meinecke unterdessen<br />

im Gespräch mit dem Klangforscher<br />

Holger Schulze auf Seite 20 der Frage nach, wie<br />

eine Literatur aussähe, die sich vom Pathos der<br />

Buchpublikation endlich verabschieden würde<br />

und popgemäß dandyistisch ganz in der Studioproduktion<br />

von Oberflächen aufginge. Dass der<br />

Einbruch des Digitalen in die Buchwelt keine<br />

Einbahnstraße ist, sondern eine wechselseitige<br />

Angelegenheit, zeigen unterdessen die unseligen<br />

"Nymwars", bei denen auf Google+ und Co. um die<br />

Verwendung von Klarnamen im Netz gestritten<br />

wird - dabei erübrigt diese sich nach einem Blick<br />

in die Pseudonymgeschichte von Buchautoren,<br />

die sich aber auch darüber hinaus als fruchtbar<br />

und lehrreich erweist (Seite 19). Dazu widmen<br />

sich die Fotocoallagen des Künstlers Martion<br />

Mlecko auf dieser und Seite 14/15 einem eindeutigen<br />

Verlierer der Buchdigitalisierung, dem<br />

Bücherregal. <strong>De</strong>nn E-Books und E-Book-Reader<br />

stellen die Tradition des privaten Bücherregals<br />

als Schaufenster und Archiv der Persönlichkeit<br />

natürlich akut in Frage: Bücher, die man als Dateien<br />

herunterlädt, kann man schließlich nach<br />

der Lektüre nicht ins Regal und damit in Bezug<br />

zu seinen Vorgängern stellen.<br />

<strong>156</strong>–11

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!