De:Bug 156
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stellen. Und es dürfte kein Zufall sein, dass das<br />
eigene, über Jahre gewachsene Bücherregal erst<br />
angesichts seiner Bedrohung durch das Säurebad<br />
der Digitalisierung als Kulturgut wahr- und<br />
vielleicht sogar ernstgenommen wird. <strong>De</strong>nn<br />
der Verlust des Bücherregals als individueller<br />
Kulturort entbehrt jeder offensichtlichen Dramatik,<br />
zudem absehbar ist, dass sein Verschwinden<br />
schleichend vonstatten gehen wird.<br />
Einer der, indirekt durch seine Büchersammlung,<br />
von Mlecko Portraitierten ist bereits auf<br />
die Idee verfallen, sein Regal durch die Collage<br />
zu ersetzen, um zukünftig hemmungslos dem Digitalen<br />
zu frönen. Und auch wenn er dieses Vorhaben<br />
noch nicht umgesetzt hat, zeigt es den Zug<br />
ins Museale, den das Sujet langsam aber sicher<br />
erhält. Was aber natürlich auch bedeutet, dass<br />
es leblose Geschichte wird, die in nicht allzu ferner<br />
Zukunft nicht mehr fortzuschreiben ist. Und<br />
erst dann werden wir realisieren, was wir mit<br />
dem scheinbar banalen Möbel des Bücherregals<br />
verloren haben.<br />
Die Darstellung persönlicher Bibliotheken<br />
ist ein typisches Motiv Mleckos, der sich mit<br />
Installationen und Videos, aber vor allem mit<br />
Fotografien menschlichen Nuancen widmet,<br />
den kleinen Gesten und damit auch dem Marginalen.<br />
Wenn in der Videoarbeit "Fetish I" ein<br />
Mann vor dem Bankautomaten auf seinen Kontoauszug<br />
onaniert, ist dies für Mleckos Arbeiten<br />
bereits eine sensationelle, große und eindeutige<br />
Geste. Typisch sind vielmehr unaufgeregte<br />
Beobachtungen wie die des "endlosen Wartens<br />
auf dem Alexanderplatz" im Video "Waiting"<br />
oder die Stillleben von Alltagsdingen in der<br />
Fotoserie "Die Dinge des Lebens".<br />
Auf dieser Seite: Bibliothek II, auf Seite 12/13: Bibliothek III,<br />
beide aus Martin Mleckos Serie Evidenz, 1996 bis 2011.<br />
www.mlecko.de <strong>156</strong>–15