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De:Bug 156

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Mode<br />

und<br />

Politik<br />

posen,<br />

plündern,<br />

plakate<br />

Text Timo Feldhaus<br />

Wie sieht der denn aus? Diese Frage spielt<br />

in der großen Politik wie auf der kleinen<br />

Straße schon immer eine Rolle. Wenn<br />

Ästhetik und Macht clashen, spielt das<br />

modische Zeichensystem verrückt<br />

und weiße Krägen werden mit bösen<br />

Trainingshosen kombiniert. Über den Stil<br />

von Klaus Wowereit und der englischen<br />

Unterschichtsplünderer.<br />

Leichte Beute<br />

So wie auf diesem körnigen Bild wünscht sich<br />

der Medienunternehmer und Stilgott Tyler Brûlé<br />

wohl den jugendlichen Revolutionär. <strong>De</strong>nn mit<br />

Steinen schmeißen, dass ist ja das eine, aber dies<br />

nicht im Tweedjacket zu tun, dafür gibt es für<br />

Brûlé keine Entschuldigung. "Verstörend" wirke<br />

das einheitliche Outfit, auf das sich die Entrechteten<br />

und Kriminellen an allen Ecken und Enden<br />

Englands geeinigt hatten. "Das Kleidungsstück<br />

der Stunde ist ein Paar ausgeleierter Trainingshosen,<br />

tief auf der Hüfte getragen", beklagt Brûlé<br />

sich über den Unstil der englischen Unterschichtplünderer<br />

in seiner Merian-Kolumne "Fast Lane".<br />

Gerade diese Hosen seien "in erster Linie billig,<br />

pflegeleicht und praktisch: Man kann mit ihnen<br />

vom Bett auf die Straße und wieder zurück ins Bett<br />

gehen - in einer ewigen, zielgerichtet nach unten<br />

führenden Spirale. Kurz: Trainingshosen stehen<br />

für Resignation, Kapitulation, Hoffnungslosigkeit<br />

- ein Markenzeichen für alle, die nicht mal mehr<br />

bereit sind, sich für die Öffentlichkeit wenigstens<br />

optisch ein bisschen herzurichten."<br />

Turnschuhmodell "Riot"<br />

Aber nicht nur was sie tragen, auch was sie stehlen,<br />

sei total daneben. Das protestierende Lumpenproletariat<br />

lese nicht, wurde vielerorts mit<br />

Bedauern festgestellt. Statt Büchern klauten<br />

sie neben Smartphones und Flachbildschirmen<br />

vor allem das Anti-Durchfallmittel "Imodium"<br />

um damit Drogen herzustellen. Besonders gerne<br />

plünderten die aufgebrachten Jugendlichen<br />

Sportswear-Fachgeschäfte wie Footlocker und<br />

JD Sports. "Die Marken, die bei uns besonders<br />

begehrt waren, sind Diesel, Carhartt und Fred<br />

Perry", erklärte ein Ladenmanager im Londoner<br />

Stadtteil Camden. Damit haben die Modefirmen<br />

genau das bekommen, was sie in ihrer Werbung<br />

so oft in Bildform vor sich hertragen: Gangsta.<br />

<strong>De</strong>r Tagesspiegel verwies auf die Turnschuhserie<br />

"Riot" von Adidas. Das Modell "Supernova<br />

Riot 3", erhältlich in zwei Ausführungen für<br />

männliche und weibliche Revoluzzer, schmiege<br />

sich laut Produktbeschreibung "dem Boden an,<br />

um einen maximal geschmeidigen Lauf zu ermöglichen".<br />

Aber wird hier wirklich per Werbebotschaft<br />

zur Plünderung der eigenen Produkte<br />

52 –<strong>156</strong><br />

Bei diesem Bild handelt es sich um einen Filmstill aus dem Video<br />

"Please" der Künstlerin Hanna Schwarz. Es ziert außerdem das<br />

Cover der neuen gleichnamigen Efdemin-EP auf Curle Recordings.<br />

In ihrem Video setzt sich Schwarz auf ausgeklügelte Weise mit<br />

verschiedenen Formen des Protestes auseinander. Es bezeichnet,<br />

obschon sehr stilsicher, das andere Ende zu der Welt Tyler Brûlés.<br />

Filmstill aus "Please", 16mm auf DV, 4 min, 2009<br />

© Hanna Schwarz und Galerie Christian Nagel.

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