De:Bug 156
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Ein linker Ort,<br />
man wendet sich in<br />
selbstverfassten<br />
Texten oder Zitaten<br />
gegen den Nationalstaat<br />
<strong>De</strong>utschland oder<br />
den Kapitalismus.<br />
After Marx<br />
Das ://about blank gibt es offiziell seit etwa zwei<br />
Jahren. Mittlerweile hat der Club eine loyale<br />
Anhängerschaft. Manche behaupten sogar, dass<br />
man im Blank an guten Abenden besser feiern<br />
kann als im Berghain. Das Blank hat sich von<br />
Anfang an als ein linker Ort verstanden. Auf der<br />
Webseite wendet man sich in selbstverfassten<br />
Texten oder Zitaten gegen den Nationalstaat<br />
<strong>De</strong>utschland oder den Kapitalismus. Aktuell<br />
steht dort ein Zitat von Johannes Agnoli. Die<br />
Überschrift lautet: "Das Ende der grünen Herrschaft"<br />
und handelt von den Grünen und wie sie<br />
nie etwas an den grundlegenden gesellschaftlichen<br />
Strukturen ändern werden, auch wenn sie<br />
an der Regierung sind, denn dann geht es nur<br />
noch um den Erhalt der Macht. Das kann man als<br />
beiläufiges Statement zum Wahlkampf in Berlin<br />
sehen, ohne dabei direkt auf schnöde Realpolitik<br />
Bezug zu nehmen. Wenn man das Zitat etwas<br />
verkürzt interpretieren möchte, dann bedeutet<br />
es: Innerhalb des repräsentativen demokratischen<br />
Systems ändert man nichts, wenn man<br />
mitmacht. Wenn schon, dann Revolution. Auf<br />
jeden Fall steht Agnolis Statement neben Ankündigungen<br />
von Dubstep- und Housepartys, die<br />
meisten sind von Fremdveranstaltern, aber in<br />
enger Abstimmung mit den Betreibern des Clubs,<br />
der als Kollektiv organisiert ist. Man muss mit<br />
dem Laden Geld verdienen, damit er sich trägt,<br />
darüber hinaus ist man unabhängig in seinen<br />
Entscheidungen. Im Zweifelsfall ist die Atmosphäre<br />
und das gute Booking wichtiger als das<br />
Geld, das an der Bar oder der Tür verdient wird.<br />
Die Organisation des Blank läuft über eine Versammlung<br />
wie bei besetzten Häusern oder autonomen<br />
Arbeiter- und Jugendzentren. Mit dem<br />
://about blank ziehen die Strukturen der linken<br />
Selbstverwaltung in die Clubkultur ein. Dabei<br />
wird viel Wert auf ein geschmackvolles Booking<br />
gelegt, es spielen die aktuell hochgehandelten<br />
Namen des Techno-Untergrunds, mittlerweile<br />
aber auch Larry Heard, Marshall Jefferson oder<br />
eben Robert Owens. Würde man dem Blank eine<br />
bestimmte Musik zuordnen, dann wäre es wohl<br />
der House, der am Sonntagnachmittag im Garten<br />
läuft. Entspannt, treibend und gefühlvoll. Musik,<br />
die heute etwas später der Resident Resom spielt,<br />
während das Abendlicht durch die Äste des Baumes<br />
in der Mitte des Gartens fällt und die Party<br />
nach 24 Stunden langsam zu Ende geht.<br />
Germany is Kotzescheiße<br />
Durch die milchigen Fenster der Toiletten fällt<br />
gedämpftes Tageslicht. Als wir wieder nach<br />
draußen treten sagt ein Freund, der seit gestern<br />
Nacht da ist, er habe drinnen eben kurz vergessen,<br />
dass draußen schon wieder Tag ist. Wir laufen<br />
an einer Frau vorbei, die einen Jutebeutel mit<br />
der Aufschrift "Germany is Kotzescheiße" trägt.<br />
Obwohl man einen Abend im Blank verbringen<br />
kann, ohne mitzubekommen, dass man es hier<br />
mit einen Club zu tun hat, der sich als dezidiert<br />
links versteht und als antideutsch im Speziellen,<br />
kommt man nicht daran vorbei, wenn man<br />
genauer hinsieht. Ein Typ an der Kasse trägt ein<br />
T-Shirt mit der Aufschrift Germanophobic,<br />
die Antifa stellt die Türsteher. Was dem Berghain<br />
die Horden von Lederschwulen sind, ist im<br />
://About Blank die linke Haltung. Um ins Berghain<br />
zu gehen, muss man natürlich nicht die<br />
arschfreie Lederhose am durchtrainierten Körper<br />
tragen, genau so wenig wie man <strong>De</strong>utschland<br />
hassen muss, um hier eingelassen zu werden.<br />
Trotzdem ist beides wie eine Art unsichtbarer<br />
Türsteher. Kann man sich mit der Haltung des<br />
Ladens nicht arrangieren, verstößt man gar gegen<br />
einen internen subtilen Kodex, wird man<br />
hier wohl keinen Spaß haben oder im Zweifelsfall<br />
hinausgeworfen. You should leave, if you<br />
can't accept the basics.<br />
Linke Identität<br />
Mit einem Palästinenser-Schal um den Hals gewickelt,<br />
würde man wahrscheinlich auf einigen<br />
Parties Probleme bekommen, denn als antideutscher<br />
Linker ist man dezidiert pro Israel und pro<br />
USA. Das antideutsche Modell ist ein radikaler<br />
Antifaschismus, der versucht, gefährliche antisemitische<br />
Klischees wie zum Beispiel den<br />
geldgierigen Juden zu bekämpfen. <strong>De</strong>r taucht in<br />
abgewandelter Form in den <strong>De</strong>batten nach der<br />
Finanzkrise immer wieder auf, wenn pauschal<br />
über raffgierige Manager geredet wird. Auf jeden<br />
Fall hat sich innerhalb der linken Szene eine<br />
ziemlich komplizierte und kontroverse <strong>De</strong>batte<br />
um die antideutsche Haltung entwickelt, die selber<br />
sehr kompliziert und elitär daherkommt.<br />
Das alles spielt – obwohl es natürlich sehr interessant<br />
ist – nur indirekt eine Rolle, wenn ich<br />
mit einem Bier in der Hand im Garten des Clubs<br />
stehe und zu Efdemin tanze. Aber es verhilft dem<br />
Club zu einer starken Identität. Während andere<br />
Läden für nichts einstehen, außer einem Getränkesponsor<br />
und dem richtigen Namen hinter dem<br />
DJ-Pult, geht es im Blank darum, eine Art Community<br />
zu schaffen. Leute, die ähnlich denken<br />
und ähnlich feiern. Die ein tiefes Misstrauen der<br />
Gesellschaft draußen vor der Tür teilen, ohne<br />
das ständig herausposaunen zu müssen und<br />
ihre Haltung leben und verteidigen wollen. Viele<br />
Jungs tragen Lippenstift oder Glitzerrouge. Ein<br />
gertenschlanker, mindestens zwei Meter großer<br />
Typ in T-Shirt-Kleid und High Heels tanzt<br />
vor dem DJ-Pult. Daneben eine Punkerfrau mit<br />
schwarzgefärbtem Iro und Nietengürtel. Robert<br />
Owens steht am Rande der Tanzfläche und<br />
wippt zu Efdemins DJ-Set. Auch er trägt einen<br />
Nietengürtel und dazu passend eine Jeans, an<br />
deren Seiten ein Nietenstreifen appliziert ist.<br />
Das Calvin-Klein-Logo seiner Unterhose ragt gut<br />
sichtbar aus der Jeans. Er wirkt hier ein bisschen<br />
wie aus der Zeit gefallen. Die Hipster-Hippie-<br />
Mädchen tragen wieder ein paar Bierflaschen an<br />
ihm vorbei zur Bar, um das Pfand zu kassieren.<br />
Ein Freund sagt, er habe seit zwei Tagen nichts<br />
gegessen. Auf dem roten Wohnwagen, der etwas<br />
versteckt im Garten hinter der Bühne steht, ist<br />
"My heart is a hotel" geschrieben. Mir erklärt<br />
jemand wie das mit den Türstehern so läuft. Mit<br />
denen hole man sich den Feind nämlich ins Haus,<br />
deshalb sei es vom Blank ein guter Zug gewesen,<br />
die Antifa stattdessen einzuspannen. Die haben<br />
ihren Job eine zeitlang etwas zu gut gemacht. Als<br />
zum Beispiel Künstler, die spielen sollten, nicht<br />
mehr in den Club kamen, nachdem sie kurz vor<br />
die Tür mussten. Aber die antideutsche Enklave<br />
soll ja gut behütet sein. Das klappt meistens<br />
sehr gut. Das Publikum an diesem Tag ist entspannt<br />
und klug. Es tut ein bisschen weh als ich<br />
am Sonntag um halb zwölf das Blank verlasse<br />
und in die Bahn nach Hause steige. Auf der Brücke,<br />
auf der die Frau am Nachmittag über Hegel<br />
philosophiert hat, höre ich den Song "The Kill"<br />
von Fugazi. "Born into a race and nation accept<br />
family and obligation: I'm not a citizen. I am not a<br />
citizen", singt Fugazi-Bassist Joe Lally. Und weil<br />
ich betrunken bin, singe ich das in der S-Bahn<br />
mit. Leise, nicht gegröhlt, aber so, dass die es hören,<br />
die neben mir sitzen.<br />
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