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TEXT: MARIA KRÖLL<br />
FOTO: GMEDIA<br />
SCHULE SCHAFFT<br />
MÖGLICHKEITEN<br />
LERNEN IST WIE RUDERN GEGEN DEN STROM. HÖRT MAN DAMIT AUF, TREIBT MAN ZURÜCK.<br />
Gleich in mehrerlei Hinsicht treffen die Worte des chinesischen Philosophen Laozi auf Andreas Wurzrainer<br />
zu. Denn seit der 39-jährige Direktor der Volksschule Itter ist, hat er dort für ganz schön frischen<br />
Wind gesorgt und ein neues Unterrichtskonzept eingeführt - die Potenzialfokussierte Pädagogik.<br />
„Potenzialfokussierte Pädagogik - was ist<br />
das?“ werden sich nun viele denken. Es ist<br />
natürlich schwer, ein komplexes Konzept<br />
in wenige Worte zu fassen, ein Versuch sei<br />
trotzdem gewagt: Es wird dabei versucht,<br />
die Schülerinnen und Schüler durch individuelle<br />
Förderung und intensives Miteinbeziehen<br />
in die Unterrichtsgestaltung zu<br />
eigenverantwortlichem Lernen und selbstständigem<br />
Denken anzuhalten. Die Kinder<br />
sollen sehen, dass das, was sie tun, sinnvoll<br />
und wichtig ist, betont der Schulleiter:<br />
„Schule muss Sinn machen, sonst braucht<br />
man nicht hinzugehen.“<br />
WENDEPUNKT<br />
Sein Interesse an neuen Wegen im Unterricht<br />
erwachte relativ spät. Erst 2006,<br />
nachdem er bereits fünf Jahre als Lehrer<br />
arbeitete, begann Andreas, sich damit auseinanderzusetzen.<br />
Doch gerade das gibt Laozi Recht - ausgelernt<br />
hat man eben nie. Und wie vielseitig<br />
die Wege sind, auf denen Lernen und Bildung<br />
vonstatten gehen können, weiß Andreas<br />
Wurzrainer aus erster Hand. Sein<br />
Interesse komme nämlich nicht von ungefähr,<br />
erklärt er. Nicht etwa durch abstrakte<br />
Theorien und komplizierte Fachaufsätze<br />
sei es geweckt worden, sondern ganz<br />
praxis-, ja lebensnah. Dazu gebracht hat<br />
ihn die Zusammenarbeit mit Schülern<br />
und Schülerinnen einer Sonderschule,<br />
wo er ein Jahr lang Informatik unterrichtete.<br />
„Ganz zu Beginn haben die Kinder<br />
gesagt ‚Wir sind die, von denen du nichts<br />
zu erwarten brauchst‘. Worauf ich meinte,<br />
dass wir dann ja nichts zu verlieren hätten.<br />
Und es hat geklappt“, erzählt der junge<br />
Lehrer von diesem Wendepunkt in seiner<br />
Karriere.<br />
IN ALLEN LEBENSBEREICHEN<br />
So kam es, dass sich der junge Lehrer immer<br />
intensiver mit der Thematik beschäftigte.<br />
Dies hat nicht nur die Art und Weise, wie<br />
er seinen Unterricht gestaltet und seiner<br />
Rolle als Volksschuldirektor nachkommt,<br />
verändert, sondern ihn auch privat beeinflusst.<br />
„Früher habe ich gedacht, das Leben<br />
ist manchmal einfach so oder so und dass<br />
es Dinge gibt, die man einfach hinnehmen<br />
muss. Doch durch den Potenzialfokussierten<br />
Ansatz habe ich gemerkt, dass, wenn<br />
man sich selber verändert, man auch die<br />
Anzahl seiner Möglichkeiten verändert.“<br />
Eben dies besagt ja auch der ethische Imperativ<br />
Heinz von Försters, der ein Vorbild<br />
für Andreas ist. Diese Handlungsmaxime<br />
formulierte der österreichische Physiker in<br />
Anlehnung an Kants kategorischen Imperativ<br />
- „Handle stets so, dass die Anzahl der<br />
Wahlmöglichkeiten größer wird.“<br />
PHILOSOPHIE IM KLASSENZIMMER<br />
Wie lassen sich aber nun solch teils sehr<br />
philosophische Gedanken in den Schulalltag<br />
integrieren? Begriffe wie Potenzialfokussierte<br />
Pädagogik und ethischer Imperativ<br />
scheinen auf den ersten Blick so<br />
gar nichts mit Klassenzimmern voller quirliger<br />
6- bis 10-Jähriger zu tun zu haben.<br />
<strong>Wilde</strong> <strong>Kaiserin</strong><br />
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