Wirtschaftskraft-Juni-2016
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WIRTSCHAFTSKRAFT<br />
TRADITIONSREICH<br />
JUNI <strong>2016</strong><br />
13<br />
bereitstellen. Georg II. ordnete die Gründung<br />
an, und der war nicht nur Kurfürst von Hannover,<br />
sondern auch König von England. Also<br />
startete man mit Know-how von der Insel und<br />
kaufte englische Vollblüter, um die schweren<br />
Warmblüter aus der niedersächsischen Landwirtschaft<br />
zu veredeln. Es folgten Jahrhunderte<br />
voller Höhen und Tiefen, aber nie wurde der<br />
Betrieb völlig eingestellt.<br />
Als das Pferd in den Fünfzigerjahren aufhörte,<br />
Arbeitstier zu sein, und das Landgestüt seine<br />
Bestimmung zu verlieren<br />
schien, da wusste man immerhin:<br />
Den Siebenjährigen<br />
Krieg haben wir auch<br />
überstanden. Die anste-<br />
Prächtige Hengste,<br />
funkelnde Geschirre<br />
und historische<br />
Uniformen machen die<br />
Celler Hengstparaden<br />
seit mehr als<br />
100 Jahren zu etwas<br />
Besonderem.<br />
hende Herausforderung<br />
war nicht viel kleiner,<br />
führte aber in ein neues<br />
Zeitalter. Die Zucht wurde<br />
auf Sportpferde umgestellt,<br />
die große Zeit der<br />
Hannoveraner begann.<br />
Die Gemäuer mögen<br />
historisch sein, die Kutschen<br />
in der Stellmacherei<br />
museal wirken, die Pferde<br />
das Landeswappen schmücken – das Gestüt<br />
musste trotzdem immer auch als Wirtschaftsbetrieb<br />
funktionieren. In den besten Zeiten standen<br />
560 Hengste – „Landbeschäler“ genannt –<br />
in Celle und anderen Ställen des Gestüts, die<br />
34 000 Stuten deckten. Heute werden im Gestüt<br />
rund 120 Hengste versorgt. Rund 100 Mitarbeiter<br />
kümmern sich um den wertvollen Tierbestand<br />
und seine Vermarktung.<br />
Wer das Celler Erbgut für den Nachwuchs<br />
seiner Stute sichern will, studiert erst einmal die<br />
Preisliste: Zwischen gut 200 und mehr als 2000<br />
Euro werden für die Dienste der Hengste fällig.<br />
Immerhin gibt es in einigen Fällen die Garantie,<br />
dass der jeweilige Hengst nur eine bestimmte<br />
Zahl von Nachkommen pro Jahr zeugt – limitierte<br />
Auflage sozusagen, gegen Aufpreis. Auf<br />
das Erbgut aus Celle setzen nicht nur Züchter in<br />
ganz Deutschland, sondern auch in den USA<br />
und Russland.<br />
In Niedersachsen ist das Gestüt ohnehin eine<br />
feste Größe, was man auch an der Mitgliederliste<br />
der Gesellschaft der Freunde des Niedersächsischen<br />
Landgestüts ablesen kann. Unter den<br />
Gründungsmitgliedern findet sich Sparkassenpräsident<br />
Thomas Mang genauso wie Stefan<br />
Aust, Ex-„Spiegel“-Chef und Pferdezüchter.<br />
Doch die Zucht allein sichert nicht mehr die<br />
Geschäftsgrundlage des Landgestüts. Hengstparaden<br />
und Gartenfestivals, Weihnachtsmarkt<br />
FOTOS: LANDGESTÜT CELLE<br />
und Handwerkstage locken regelmäßig Tausende<br />
Besucher auf das 20 Hektar große Gelände.<br />
Vor allem bei den Hengstparaden können die<br />
Tiere zeigen, dass es im Gestüt nicht nur um Samenspende<br />
geht. In einem vierstündigen Programm<br />
wird dann Dressur ebenso gezeigt wie<br />
die wilde Fahrt im Römerwagen.<br />
„Wir öffnen uns den Wünschen unseres Publikums“,<br />
sagt Gestütsleiter – oder korrekt: Landstallmeister<br />
– Axel Brockmann. Gerade werden<br />
die Veranstaltungen wieder überarbeitet, vor allem<br />
das Konzept der vor mehr als 100 Jahren ins<br />
Leben gerufenen Hengstparaden wird modernisiert.<br />
Es wird also weiter viel zu sehen geben<br />
von den Hengsten – die nicht mehr Arbeitstier,<br />
aber immer noch Wirtschaftsfaktor sind.<br />
Die Gemäuer sind historisch,<br />
die Kutschen wirken museal –<br />
das Gestüt muss trotzdem als<br />
Wirtschaftsbetrieb funktionieren.