Zürich-West: Das neue Immobilien-Eldorado ... - Mieterverband
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6<br />
ZürIch-WEst<br />
Der grosse goldrausch in Zür<br />
Im Boomgebiet <strong>Zürich</strong>-<strong>West</strong><br />
mutiert das ehemalige<br />
Industriequartier zum<br />
<strong>neue</strong>n Zentrum der Finanzindustrie.<br />
Es regiert das<br />
grosse Geld. M&W war mit<br />
Jacqueline Badran und Ueli<br />
Keller auf Tour im heissesten<br />
Hotspot der Schweiz.<br />
a werden Millionen an Pla-<br />
«Dnungsgewinnen eingestrichen,<br />
und die Stadt hat nichts davon»,<br />
empört sich Jaqueline Badran.<br />
Beim Thema <strong>Zürich</strong>-<strong>West</strong> kommt die<br />
Nationalrätin in Fahrt. Sie ärgert<br />
sich darüber, dass börsenkotierte<br />
Baukonzerne den Mehrwert abschöpfen,<br />
den ihnen die Stadt mit<br />
der Planung in <strong>Zürich</strong>-<strong>West</strong> verschafft<br />
hat. «Und wir Steuerzahler<br />
können die Infrastruktur berappen.»<br />
In <strong>Zürich</strong>-<strong>West</strong> zwischen Escher-<br />
Wyss-Platz und Hardturm hat sich<br />
für die <strong>Immobilien</strong>branche ein <strong>Eldorado</strong><br />
aufgetan.<br />
türme wachsen<br />
In diesem Gebiet geht im Moment<br />
die Post ab. Es wird planiert und betoniert.<br />
Geschosse um Geschosse<br />
werden hochgezogen. <strong>Zürich</strong>s höchste<br />
Türme ragen in den Himmel. Sie<br />
heissen Prime Tower und Mobimo<br />
Tower. Und sie beherbergen Banken,<br />
Wirtschaftskanzleien, Vermögensverwalter,<br />
Hotels und Luxusappartements<br />
für eine globale Elite. «Vergesst<br />
den Paradeplatz. Hier entsteht<br />
<strong>Zürich</strong>s <strong>neue</strong>r Finanzbezirk, und<br />
keiner hat’s gemerkt!» Jacqueline Badran<br />
will es an Ort und Stelle zeigen.<br />
Mit auf die Tour kommt Ueli Keller,<br />
Architekt, ex-Kantonsrat und ein Kritiker<br />
dieser Art Stadtentwicklung. Er<br />
kommt mit dem Velo.<br />
Die Führung beginnt eine Tramhaltestelle<br />
nach dem Escher-Wyss-<br />
Platz. Vorbei geht’s am Komplex<br />
«Puls 5» und am Schiffbau, früher<br />
Montagehalle und heute Spielstätte<br />
für zeitgenössisches Theater. Ein<br />
paar Schritte weiter ist das Gebiet<br />
noch voll im Umbruch. Kranen drehen,<br />
Baustelle reiht sich an Baustelle,<br />
zwischendurch rauscht der Verkehr<br />
mehrspurig auf der Pfingstweid-<br />
strasse. Ist das noch Schweiz?, fragt<br />
man sich. <strong>Das</strong> Tempo der Entwicklung<br />
und die Wucht der Veränderung<br />
gemahnt eher an die wuchernden<br />
Boomstädte in Südchina.<br />
Bilder m&w<br />
In <strong>Zürich</strong>-<strong>West</strong> wird grossflächig gebaut, Baukonzerne verdienen sich zur Zeit eine goldene Nase.<br />
Boulevard ohne Flaneure<br />
«<strong>Zürich</strong> <strong>West</strong>: Mehr Zukunft pro<br />
Quadratmeter»: Solche Slogans auf<br />
Bautafeln sollen künftige Geschäftsmieter<br />
anlocken. Die Pfingstweidstrasse<br />
wurde vorsorglich zu einem<br />
Boulevard ausgebaut. Cobra-Trams<br />
der Linie 4 nach Altstetten sorgen<br />
für eine Top-Erschliessung. Doch<br />
zum Flanieren lädt dieser Boulevard<br />
kaum ein. Er wirkt eher wie eine gut<br />
geölte Verkehrsschneise. Die Menschen<br />
verlieren sich. Plötzlich<br />
taucht ein krasser Gegensatz auf:<br />
Hier der Mobimo-Tower mit dem Luxushotel<br />
Renaissance, gleich daneben<br />
an der Turbinenstrasse 12/14 eine<br />
Altliegenschaft. Wie kann das<br />
sein? «<strong>Das</strong> ist unser ‹Nagelhaus›»,<br />
sagt Ueli Keller trocken.<br />
Die Hausbesitzer weigern sich,<br />
ihre Liegenschaft zu verkaufen, um<br />
den gewünschten Neubauten Platz<br />
zu machen. Die Bezeichnung «Nagelhaus»<br />
kommt aus China und trifft<br />
die Sache genau. <strong>Das</strong> über hundertjährige<br />
Wohnhaus wird von Altein-<br />
gesessenen und Jungalternativen bewohnt.<br />
Es gibt viel Grün vor der<br />
Haustür, Velos stehen herum. Eigentümer<br />
und Bewohnerinnen und Bewohner,<br />
obwohl längst umzingelt,<br />
bilden eine Oase des Widerstands.<br />
Ein Gallierdorf im Kreis 5. Die Stadt<br />
hat den Teil des Gebäudes, der ihr gehörte,<br />
schon abgerissen. Nun sieht<br />
der Kanton die Enteignung vor. <strong>Das</strong><br />
«Nagelhaus» steht Grossprojekten<br />
im Weg: Coop, Swiss Prime Site und<br />
Welti Furrer wollen bauen, die Turbinenstrasse<br />
muss verlegt werden.<br />
Der Rechtsstreit tobt. Der Ausgang<br />
des Streits zugunsten der kapitalstarken<br />
Baulobby dürfte wohl nur<br />
noch eine Frage der Zeit sein.<br />
übernachten für 435 Franken<br />
Wie ein Sinnbild für <strong>Zürich</strong>s Mutation<br />
zur Global City wirkt der Mobimo<br />
Tower. Es ist das kleinere der beiden<br />
Hochhäuser. Der Turm beher-<br />
bergt in den ersten fünfzehn Geschossen<br />
das Hotel Renaissance. Keine<br />
Herberge für Normaltouristen:<br />
<strong>Das</strong> günstigste Zimmer kostet 435<br />
Franken, die «Presidential Suite» ist<br />
für 2850 Franken zu haben – pro<br />
Nacht, versteht sich. In den neun<br />
Bentley und Luxusappartements<br />
gehen Hand in Hand.<br />
Mieten & Wohnen 5 | 2012