Facetten Mai 2012
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Viel diskutiert: Inklusion<br />
... und die Kasseler Werkstatt<br />
Die Frage für uns und für die fast 50 Jahre<br />
alte Kasseler Werkstatt lautet: Wie und<br />
in welcher Form werden unsere Dienste<br />
und Einrichtungen weiter bestehen? Mit<br />
welcher Zielsetzung werden wir arbeiten?<br />
Dass Veränderungen anstehen, ist unstrittig.<br />
Eine kritische Betrachtung unserer<br />
täglichen Arbeit ermöglicht, neue Wege<br />
u. a. in Richtung Inklusion zu finden.<br />
Inklusion<br />
Im Zusammenhang mit der UN-Konvention<br />
zur Inklusion (s. Kasten Seite 19)<br />
ist beim Thema Werkstätten eine Schieflage<br />
in der Diskussion entstanden. Es<br />
wurden bereits Stimmen laut, die die<br />
Abschaffung aller Sondereinrichtungen<br />
forderten. Die Konvention drückt sich an<br />
dieser Stelle differenzierter aus: Grundsätzlich<br />
ist das Ziel ein inklusives System.<br />
Allerdings erwächst dem Staat auch die<br />
Aufgabe, jeweils ein Umfeld zu schaffen,<br />
in dem die besonderen Bedürfnisse von<br />
Menschen mit Behinderungen Berücksichtigung<br />
finden. Dies schließt Sondereinrichtungen<br />
nicht prinzipiell aus. Es<br />
gilt vor allem, dem Wahlrecht des Individuums<br />
Geltung zu verschaffen.<br />
Was bedeutet nun Inklusion genau?<br />
Zur Einstimmung ein Märchen der Brüder<br />
Grimm, die Geschichte vom alten<br />
Großvater und seinem Enkel:<br />
Es war einmal ein steinalter Mann, dem<br />
waren die Augen trüb geworden, die Ohren<br />
taub, und die Knie zitterten ihm. Wenn er nun<br />
bei Tische saß und den Löffel kaum halten<br />
konnte, schüttete er Suppe auf das Tischtuch,<br />
und es floss ihm auch etwas wieder aus dem<br />
Mund. Sein Sohn und dessen Frau ekelten<br />
sich davor, und deswegen musste sich der alte<br />
Großvater endlich hinter den Ofen in die Ecke<br />
setzen, und sie gaben ihm sein Essen in ein<br />
irdenes Schüsselchen und noch dazu wurde<br />
er nicht einmal satt; da sah er betrübt nach<br />
dem Tisch, und die Augen wurden ihm nass.<br />
Einmal auch konnten seine zitterigen Hände<br />
das Schüsselchen nicht fest halten, es fiel zur<br />
Erde und zerbrach. Die junge Frau schalt, er<br />
sagte aber nichts und seufzte nur. Da kauften<br />
sie ihm ein hölzernes Schüsselchen für<br />
ein paar Heller, daraus musste er nun essen.<br />
Wie sie da so saßen, so trug der kleine Enkel<br />
von vier Jahren auf der Erde kleine Brettlein<br />
Extinktion Keinerlei Rechte für bestimmte Personen<br />
Exklusion Ausschluss von Personen<br />
Separation Trennung/Aussonderung von Individuen<br />
bzw. Gruppen<br />
Integration Einbezug von spezifisch definierten<br />
Menschen<br />
Inklusion Volle Akzeptanz und Teilhabe<br />
in der Gesellschaft für alle<br />
Kasseler Werkstatt FACETTEN 17