04_Wagner_Heime

impfstoff durchführen zu können. Dieser Antrag Prof. Pettes ist,
wie Dr. v. Manger-König ausführte, bisher abschlägig beschieden,
und Dr. Maaßen sagte, dass die Angelegenheit noch nicht entschieden
sei“. 75
Die Sitzung fand im Februar 1958 statt, also bereits zwei Jahre
vor der Impfaktion in Westberlin und drei Jahre vor der Einführung
des Impfstoffes nach Sabin in der BRD. Dr. Ludwig von Manger-König
war von 1950 bis 1955 Referent im hessischen Innenministerium
und von 1955 bis 1964 Abteilungsleiter im Hessischen
Ministerium für Arbeit, Volkswohlfahrt und Gesundheitswesen.
Heinrich Pette, Direktor der Neurologischen Universitätsklinik
und Direktor des Instituts zur Erforschung der spinalen Kinderlähmung,
Hamburg, 76 geboren im Jahr 1887, wurde 1927 Professor
und Oberarzt der Neurologischen Universitätsklinik Hamburg bei
Max Nonne. Nonne hatte sich während der NS-Zeit als Gutachter
für die Euthanasie behinderter Menschen ausgesprochen. 77 Im Mai
1933 trat Pette der NSDAP bei. Er war Mitglied im NS-Ärztebund,
im NS-Dozentenbund und dem NS-Lehrerbund. 1935 erklärte er:
„Zu den vordringlichsten Aufgaben einer neurologischen Klinik
gehört die weitere Ausgestaltung einer auf Auslese gerichteten sozialen
Hygiene“. 78 1953 wurde er Vorsitzender der Gesellschaft
Deutscher Neurologen und Psychiater. 79
Die Dokumente (vor allem die Publikationen) zeigen, dass es
schließlich tatsächlich zu Prüfungen von Impfstoffen der Behringwerke
in Säuglings- und Kinderheimen in den 1950er und 60er Jahren
kam. Die Behringwerke entwickelten unter anderem verschiedene
Kombinationsimpfstoffe mit einer Polio-Komponente, die in
75
BAM 1260: Bericht über die Sitzung des Ausschusses IV der Deutschen Vereinigung
zur Bekämpfung der spinalen Kinderlähmung e. V. am 26. Februar, 1958,
S. 5.
76
BAM 1870: Schreiben vom 26. Juni 1954 von Prof. R. Haas an Ministerialdirigent
Dr. Buurmann.
77
Götz Aly, Die Belasteten, Frankfurt am Main 2013, S. 142.
78
Klee, Personenlexikon (wie Anm. 61), hier S. 457.
79
Ebd.
80