04_Wagner_Heime

Pyrithioxin wurde auch in der jugendpsychiatrischen Abteilung
des Landeskrankenhauses Schleswig 162 und den Bodelschwinghschen
Anstalten Bethel an Kindern geprüft. Laut einem internen
Bericht der Firma Merck vom Januar 1961 sei die Prüfung bei Dr.
Flotho in Bethel im Februar 1960 durch einen Besuch bei ihm initiiert
worden. Insgesamt habe er 17.000 Dragees erhalten. 163
7. Die Libido hemmende Arzneistoffe
7.1 Einführung
Das Thema der Sexualität in Erziehungseinrichtungen der 1950er
und 60er Jahre hat viele Facetten. Die sexuelle Gewalt in den Heimen
ist in den letzten Jahren in das öffentliche Bewusstsein gerückt. Bei
Mädchen konnte eine sexuelle „Verwahrlosung“ beziehungsweise
„drohende Verwahrlosung“ ein Grund für die Einweisung in ein
Heim darstellen. Bei Jungen fürchtete man in den Heimen neben
der Gefahr heterosexueller Kontakte auch homoerotische sowie homosexuelle
„Verfehlungen“. Solche Verfehlungen versuchte man präventiv
zu verhindern, sie wurden verurteilt und bestraft. 164 Auch der
Selbstbefriedigung begegnete man in diesem Sinne. Der Autor einer
Studie aus der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie der
Universität Göttingen stellte 1971 fest, dass das Bedürfnis nach einer
wirksamen und möglichst unschädlichen pharmakologischen
Therapiemöglichkeit des aus krankhaften Gründen mangelhaft kon-
162
R. Jacobs, Zur Psychopharmakotherapie bei sogenannten geistig behinderten
Kindern unter besonderer Berücksichtigung der Encephabol-Medikation, Kinderärztliche
Praxis, 37 (1969), 3, S. 111–115.
163
MA L10/80b; internes Schreiben; Betr.: Klinische Prüfung von B6 II, vom
5. Januar 1961.
164
Thomas Swiderek, Freizeitgestaltung, Freundschaften und der Umgang mit
Sexualität in der Heimerziehung, in: LVR (Hg.), Verspätete Modernisierung; Öffentliche
Erziehung im Rheinland – Geschichte der Heimerziehung in Verantwortung
des Landesjugendamtes (1945–1972), Essen 2011, S. 381–406, hier S. 398 f.
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