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Handbuch_Islam
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5. MUSLIME UND GESELLSCHAFT<br />
5.11. muslime und antisemitismus<br />
2001 – beides rückte den Nahen Osten stärker in das europäische Bewusstsein.<br />
Gleichzeitig kam es zu einem Anstieg antijüdischer beziehungsweise antisemitischer<br />
Vorfälle und Übergriffe in Europa und Deutschland, bei denen auch Täter<br />
mit „muslimischem Hintergrund“ in Erscheinung traten. 51<br />
Dieselben Effekte wiederholten sich infolge des Gaza-Konflikts von 2014: Auf<br />
anti-israelischen und pro-palästinensischen Demonstrationen kam es zu harschen<br />
judenfeindlichen Äußerungen. Wieder entbrannte eine Debatte darüber,<br />
ob es einen „neuen“ und vor allem spezifisch „muslimischen Antisemitismus“<br />
gäbe, der durch „Migranten“ quasi nach Deutschland importiert worden sei. 52<br />
In der Wissenschaft herrscht weitestgehende Einigkeit darüber, dass beides nicht<br />
zutrifft: Der Antisemitismus passe sich zwar immer wieder neuen gesellschaftlichen<br />
Zusammenhängen und Diskursen an. Die Stereotype, die dabei bedient<br />
werden, blieben jedoch zum Großteil unverändert, wie etwa das Bild von der<br />
„jüdischen Weltverschwörung“, von „Juden als Zersetzern“ oder „Kindermördern“.<br />
Dies gelte auch für den Antisemitismus unter Muslimen. So wird etwa die Reformierung<br />
des Islams dahingehend gedeutet, dass „die Juden“ hinter den Reformdiskussionen<br />
stecken würden, um Muslime zu beherrschen und „den Islam“<br />
von seinem wahren Charakter zu entfernen; die „Ritualmordlegende“ taucht im<br />
Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt wieder auf, wenn auf pro-palästinensischen<br />
Demonstrationen vom „Kindermörder Israel“ die Rede ist. 53<br />
Ausland begründete Ideologie zugrunde liegt“, so das Bundesinnenministerium<br />
(BMI) auf Nachfrage. Hierzu würde etwa der Bereich des islamistisch begründeten<br />
Terrorismus zählen.<br />
Zwar sind die Zahlen kaum aussagekräftig, was antisemitische Straftaten angeht,<br />
die von „Muslimen“, „Migranten“ oder Tätern mit „Migrationshintergrund“ verübt<br />
werden. Straftaten können sowohl Sachbeschädigungen von Friedhöfen oder<br />
Gedenkstätten und Beleidigungen gegen Juden sein als auch Gewalttaten wie<br />
Körperverletzung, Brandanschläge und Tötungsdelikte. Allerdings lässt sich festhalten,<br />
dass die überwiegende Mehrheit nach wie vor vom rechten Spektrum<br />
ausgeht:<br />
Von den 1.366 antisemitischen Straftaten, die 2015 registriert wurden, entfielen<br />
91 Prozent (1.246 Straftaten) auf das rechte Spektrum und nur knapp sechs Prozent<br />
(78 Straftaten) auf die Kategorie „Ausländer“. 54<br />
Autor: Mediendienst Integration<br />
WIE VIELE STRAFTATEN WERDEN VON<br />
„MIGRATIONSHINTERGRÜNDLERN“ VERÜBT?<br />
Wie häufig antisemitische Straftaten von Muslimen oder „Tätern mit Migrationshintergrund“<br />
verübt werden, ist unbekannt, denn statistisch wird das nicht erfasst.<br />
Zwar werden antisemitische Straftaten in den Daten zur Politisch motivierten Kriminalität<br />
(PMK) neben dem rechten und dem linken Milieu auch der Kategorie<br />
„Ausländer“ zugeordnet. Gemeint ist damit aber nicht etwa die Staatsangehörigkeit<br />
der Täter. Auch deutsche Staatsangehörige können unter die PMK-“Ausländer“<br />
fallen. Vielmehr geht es um Straftaten, bei denen „der Tatbegehung eine im<br />
51 Goldbogen, A. (2013). Zwischen Diversität und Stigmatisierung – Antisemitismus und Bildungsarbeit in der<br />
Migrationsgesellschaft. In Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (Hrsg.), Widerspruchstoleranz. Ein Theorie-Praxis-Handbuch<br />
zu Antisemitismuskritik und Bildungsarbeit, (S. 19–22). Berlin: KIgA. Verfügbar unter http://bit.ly/1oytEwe<br />
52 Spiegel Online (23.07.2014). Gauck zu judenfeindlichen Demos „Wir wollen Antisemitismus nicht hinnehmen“.<br />
Verfügbar unter http://bit.ly/2du6oMR<br />
53 Siehe hierzu Zick, A. (05.08.2014) oder Dörfler, S. (31.07.2014). „Ventil der Gefühle“ Interview mit Antisemitismusforscher<br />
Detlev Claussen. Der Freitag. Verfügbar unter http://bit.ly/1rV7tjR<br />
54 Bundesministerium des Innern. (23.05.2016). PMK-Straftaten im Bereich Hasskriminalität 2014 und 2015. Pressemitteilung.<br />
Verfügbar unter http://bit.ly/2950Lql<br />
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