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Handbuch_Islam

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1. WELTRELIGION ISLAM<br />

1.8. der begriff islamismus<br />

Grundlegend ist bei Salafisten zwar eine klare Einteilung der Welt erkennbar: In<br />

„gut“ und „böse“, „erlaubt“ und „verboten“, „muslimisch“ und „nicht-muslimisch“.<br />

Dennoch sollten Salafisten nicht als einheitlicher Block missverstanden werden.<br />

„Das Ziel, das Leben nach der ursprünglichen Lehre zu gestalten, kann als<br />

der kleinste gemeinsame Nenner des Salafismus betrachtet werden. Darüber<br />

hinaus besteht der Salafismus aus verschiedenen Bewegungen, die sich vor allem<br />

in der Wahl der Mittel unterscheiden, um religiösen Wandel herbeizuführen", 16<br />

erklärt der jordanische Politikwissenschaftler Mohammad Abu Rumman. Einige,<br />

aber längst nicht alle Salafisten erklären andere Muslime zu Ungläubigen, wenn<br />

sie nicht ihre Auffassung vom Islam teilen. Dieses Prinzip des „takfir“ ist besonders<br />

bei dschihadistischen Salafistenströmungen verbreitet. Die Zahl der Salafisten<br />

ist in Deutschland in den vergangenen Jahren gestiegen.<br />

SALAFISTISCHES PERSONENPOTENZIAL IN DEUTSCHLAND<br />

Anhänger in Tausenden<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

3.800<br />

4.500<br />

5.500<br />

7.000<br />

2011 2012 2013 2014 2015<br />

Quelle: Bundesministerium des Innern. Verfassungsschutzbericht 2015, S. 155,<br />

und Verfassungsschutzbericht 2012, S. 233.<br />

Der Anstieg hängt unter anderem mit den erfolgreichen Missionierungsaktivitäten<br />

der Salafisten zusammen: Sie werben im Internet, organisieren Infostände<br />

in Fußgängerzonen und veranstalten Benefizaktionen. Die klaren Regeln und die<br />

markanten Alleinstellungsmerkmale der salafistischen Gruppierungen (wie etwa<br />

16 Rumman, M. A. (2015). Ich bin Salafist: Selbstbild und Identität radikaler Muslime im Nahen Osten.<br />

Bonn: Dietz Verlag, S. 7–8.<br />

8.350<br />

deren Kleidung oder Sprache) wirken anziehend auf sinnsuchende Muslime, aber<br />

auch auf Nichtmuslime.<br />

1.8. DER BEGRIFF ISLAMISMUS<br />

Autorin: Julia Gerlach<br />

Der Begriff „Islamismus“ ersetzte in den 1990er Jahren die Bezeichnungen „islamischer<br />

Fundamentalismus“ und „politischer Islam“. Nichtsdestotrotz werden<br />

sowohl seine Verwendung als auch sein Inhalt diskutiert. Kritik äußern in Deutschland<br />

vor allem Islamgegner, Islamisten und muslimische Verbände. Islamgegner<br />

lehnen den Begriff ab, da sie die Islaminterpretationen von Islamisten, vor<br />

allem die der Dschihadisten, für „den Islam“ und „die Muslime“ verallgemeinern.<br />

Islamisten weisen die Bezeichnung „Islamist“ (arabisch islami im Gegensatz zu<br />

muslim) zurück, weil sie sich als Vertreter des „wahren Islam“ begreifen, für die<br />

nur die eigene Islamauslegung gilt. Einige muslimische Verbände in Deutschland<br />

betrachten den Begriff wiederum als missverständlich und befürchten<br />

dadurch eine zunehmende Diskriminierung von Muslimen. Dem steht entgegen,<br />

dass auch muslimische Länder bewusst die Bezeichnung Islamismus (arabisch<br />

islamawiya) verwenden, um diese politische Strömung vom „Islam“ und den „Muslimen“<br />

abzugrenzen.<br />

In den Debatten um das vielschichtige Verhältnis zwischen Islam, Islamismus und<br />

islamistischem Terrorismus ist ferner umstritten, was unter Islamismus zu verstehen<br />

ist. So sind nur wenige Fachwissenschaftler der Auffassung, dass allein<br />

die Dschihadisten islamistisch orientiert sind. Vielmehr fasst eine Mehrheit unter<br />

Islamismus historisch wie aktuell sowohl ein gewaltorientiertes als auch ein breites<br />

nicht-gewaltorientiertes politisches Spektrum. Die seit einigen Jahren gängige<br />

Verwendung des Begriffes „Salafismus“ anstelle des „Islamismus“ führte dagegen<br />

nicht zu mehr Klarheit, da die Mehrzahl der islamistischen Strömungen und<br />

Gruppen nicht salafistisch orientiert ist.<br />

In der Wissenschaft wird Islamismus als der Versuch politischer Bewegungen<br />

des 20. Jahrhunderts definiert, den Islam zu ideologisieren und entweder die<br />

Gesellschaft zu islamisieren oder eine islamistische Herrschaftsordnung zu<br />

errichten. Islamisten verstehen den Islam insofern nicht allein als eine Religion,<br />

sondern als eine Gesellschaftsordnung oder als ein Herrschaftssystem und<br />

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