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Handbuch_Islam
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1. WELTRELIGION ISLAM<br />
1.6. moderne strömungen im islam<br />
KLASSISCHER ISLAMISMUS<br />
DER WAHHABISMUS<br />
Beim klassischen Islamismus sind zwei Formen zu unterscheiden: Die erste (und<br />
ältere) Form ist der Wahhabismus, die zweite ist die Muslimbruderschaft. Erstere<br />
gründete der im saudischen Najd geborene Gelehrte Mohammed Ibn Abd<br />
al-Wahhab (1703 – 1792). Er hatte festgestellt, dass die arabischen Nomadenstämme<br />
seiner Heimat trotz der Nähe zu den heiligen Stätten des Islams immer<br />
noch heidnische Praktiken pflegten. Diese betrachtete er als unislamisch, genau<br />
wie die religiösen Vorstellungen und Rituale der Schiiten.<br />
↘ WAHHABISMUS<br />
Um den Volksislam und die Schia zu bekämpfen<br />
Der Wahhabismus vertritt einen und seine Vorstellungen vom „wahren Islam“ durchzusetzen,<br />
suchte al-Wahhab auf der Arabischen<br />
strikten Monotheismus, dessen<br />
Lehren sich ausschließlich auf Halbinsel politische und militärische Verbündete.<br />
den Koran und die Sunna,<br />
Diese fand er bei den Führern des Stammes der<br />
also die überlieferten Lebensmaximen<br />
und –praktiken des<br />
Banu Saud. Der Stamm befand sich in ständigen<br />
Auseinandersetzungen mit den durch das Osmanische<br />
Reich gestützten Haschimiten, die Mekka und<br />
Propheten Mohammed gründen.<br />
Daher lehnt der Wahhabismus<br />
die schiitische Verehrung der Medina kontrollierten. Die Kooperation zwischen<br />
Angehörigen der Familie des den Banu Saud und Ibn Abd al-Wahhab war erfolgreich.<br />
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gelang es<br />
Propheten genauso ab wie<br />
deren Trauerrituale und Grabmoscheen.<br />
Ebenso wendet er<br />
seinen Anhängern, den sogenannten Wahhabiten,<br />
die heiligen Städte des Islams, Mekka und Medina,<br />
sich gegen die islamische Mystik,<br />
das Sufitum, mit ihren komplexen unter ihre Kontrolle zu bringen. Damit waren die<br />
Lehren und Gottesdiensten. Wahhabiten in der Lage, ihre religiösen Ansichten<br />
bei Pilgern aus den verschiedensten Teilen der<br />
islamischen Welt zu verbreiten. So gewann der Wahhabismus in weit entfernten<br />
muslimischen Regionen an Einfluss, während er in der arabischen und der turksprachigen<br />
Welt sowie im Iran wenig Verbreitung fand.<br />
Mit dem Wahhabismus war eine religiös-politische Macht entstanden, die nicht<br />
nur für die Schiiten eine Gefahr darstellte, sondern auch für das Osmanische<br />
Reich. Denn das verstand sich als Schutzmacht aller Sunniten und nahm die<br />
Wahhabiten als Konkurrenz wahr. Im Auftrag des osmanischen Sultans kam es<br />
zu militärischen Auseinandersetzungen mit ägyptischen Truppen, durch die die<br />
Wahhabiten 1813 aus Mekka und Medina vertrieben, jedoch nicht gänzlich vernichtet<br />
werden konnten. Nach dem Ende des 1. Weltkriegs gelang es ihnen dann,<br />
die alte Vormachtstellung auf der arabischen Halbinsel wiederzuerlangen und im<br />
1925 gegründeten Königreich Saudi-Arabien den Wahhabismus als Staatsreligion<br />
zu verankern. Über die strenge Befolgung der islamischen Glaubenspflichten<br />
wachen religiöse Gelehrte und die Religionspolizei.<br />
Durch den großen Reichtum an Erdöl und Erdgas ist Saudi-Arabien, die Heimat<br />
des Wahhabismus, zu einem der mächtigsten und einflussreichsten islamischen<br />
Staaten in der Weltwirtschaft geworden. Durch die „Islamische Weltliga“ – in der<br />
Länder wie Saudi-Arabien, Pakistan oder Indonesien vertreten sind – sowie deren<br />
Unterabteilungen verbreitet der Wahhabismus seine Ideologie über Entwicklungshilfeprojekte,<br />
zum Beispiel in West-Afrika, Südost- und Zentralasien. Saudi-Arabien<br />
unterstützt den Bau von Moscheen und islamischen Zentren überall<br />
auf der Welt – auch in Europa.<br />
DIE MUSLIMBRUDERSCHAFT<br />
Die zweite klassische Form des Islamismus ist die der Muslimbruderschaft.<br />
Gegründet hat sie in den 1920er Jahren der ägyptische Lehrer Hasan al-Banna<br />
(1906 – 1949), um sich ideologisch gegen die damaligen britischen Besatzer zu<br />
richten. Zunächst war das Hauptziel der Bruderschaft, Wissen und Bildung unter<br />
ägyptischen Muslimen zu fördern: Dazu brauchte es – nach Überzeugung der<br />
Muslimbrüder – den Bezug auf islamische Tradition und gleichzeitig die Aufnahme<br />
moderner politischer Konzepte, wie zum Beispiel des wirtschaftlichen Liberalismus,<br />
aber auch einer organisierten Sozialpolitik. Wichtig blieb aber vor allem<br />
eine Ablehnung westlicher Ideologien.<br />
In einem längeren Prozess entwickelten die Muslimbrüder die Idee einer „islamischen<br />
Ordnung“, die in fünf Punkten zusammengefasst werden kann:<br />
• Das islamische Glaubensbekenntnis: Es ist die Grundlage der „Islamischen<br />
Ordnung“. Zu ihm gehört die Überzeugung von der Existenz<br />
Gottes als des Schöpfers der Welt und der Bindung zwischen Gott und<br />
Mensch.<br />
• Rituelle Pflichten: Sie können alle als praktische soziale Erziehung verstanden<br />
werden. Durch das Glaubensbekenntnis schließt der Muslim<br />
sich einer großen Gemeinschaft an. Seine Zugehörigkeit zur Gemeinschaft<br />
zeigt sich im Gebet (vor allem im Freitagsgebet), der Pflicht des<br />
Almosens und beim Fasten im Monat Ramadan.<br />
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