Taxi Times Berlin - August 2015
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SICHERHEIT<br />
SICHERHEIT<br />
Ein <strong>Taxi</strong> als Tatort – solche Fälle können<br />
durch eine Überfallschutz-Kamera deutlich<br />
reduziert werden.<br />
Hayrettin „Simi“ Simsek war tief betroffen, als er das Überfallopfer<br />
Thomas K. gemeinsam mit seinem Verbandskollegen<br />
Ahmad Vahdati im Krankenhaus besuchte. Die noch<br />
frischen Schnittwunden und Narben boten ein erschreckendes<br />
Bild. Simi war sofort klar: So etwas darf nicht wieder passieren.<br />
Also startet er noch am selben Tag eine Unterschriftenaktion. Simi<br />
und alle Kollegen, die seitdem unterschrieben haben, fordern das<br />
Recht, sich vor Überfällen durch den Einsatz einer Videokamera<br />
schützen zu dürfen.<br />
Was eigentlich selbstverständlich sein sollte, ist in Deutschland<br />
verboten. Eine Videoüberwachung in <strong>Taxi</strong>s wird als Eingriff in<br />
VIDEOÜBERWACHUNG IM TAXI<br />
SO FUNKTIONIERT ES IN BREMEN<br />
Seit dem Jahr 2010 ist in allen Fahrzeugen<br />
des <strong>Taxi</strong>-Rufs Bremen eine Kameraüberwachung<br />
in das Vermittlungssystem<br />
integriert. Alle 15 Sekunden wird eine<br />
Standbildaufnahme mit Darstellung<br />
des <strong>Taxi</strong>-Innenraums abgespeichert. Es<br />
werden Standbilder, jedoch kein Film und<br />
auch keine Gespräche aufgezeichnet.<br />
Bei Notrufauslösung durch die Fahrerin<br />
bzw. den Fahrer erfolgt eine Übermittlung<br />
des letzten Standbildes an einen<br />
externen Speicher. Gleichzeitig wird eine<br />
Telefonverbindung mit der Zentrale des<br />
<strong>Taxi</strong>-Rufs Bremen hergestellt, der Standort<br />
des Fahrzeuges wird der Zentrale via<br />
GPRS übermittelt.<br />
Die Löschung der aufgezeichneten<br />
Standbilder erfolgt nach 48 Stunden.<br />
Am 23.11.2010 wurde durch Mitarbeiter<br />
der Landesbeauftragten für Datenschutz<br />
DAS BREMER<br />
VORBILD<br />
<strong>Berlin</strong>s <strong>Taxi</strong>fahrer wollen sich vor<br />
Überfällen schützen. Doch der<br />
Datenschutz bestraft den Einsatz<br />
von Videokameras in <strong>Taxi</strong>s.<br />
Warum eigentlich?<br />
die Privatsphäre interpretiert – sie ist daher unzulässig und darf<br />
vom Datenschutz untersagt bzw. mit einer Strafe bis zu<br />
300 000 Euro geahndet werden.<br />
„Eine anlasslose Videoüberwachung ohne Einflussmöglichkeit<br />
des Fahrers, bei der generell und automatisch sowohl die Fahrgäste<br />
als auch das gesamte Geschehen im Fahrgastbereich aufgezeichnet<br />
wird, ist weder erforderlich noch verhältnismäßig“,<br />
schreibt Dr. Alexander Dix, <strong>Berlin</strong>s Beauftragter für Datenschutz<br />
und Informationsfreiheit in einer Stellungnahme an <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />
<strong>Berlin</strong>. Dix appelliert an das <strong>Taxi</strong>gewerbe, zunächst „alternative<br />
und weniger einschneidende Schutzmaßnahmen wie etwa die<br />
und Informationsfreiheit eine datenschutzrechtliche<br />
Prüfung der in den <strong>Taxi</strong>s<br />
installierten Videoüberwachungsanlagen<br />
durchgeführt.<br />
Der Pilotversuch in Bremen wurde durch<br />
die Berufsgenossenschaft für Verkehr<br />
sowohl technisch als auch finanziell unterstützt.<br />
Wie der <strong>Berlin</strong>er Datenschutzbeauftragte<br />
Dr. Dix gegenüber <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />
bestätigte, würde er eine Bremer Lösung<br />
mit Standbildern für zulässig halten.<br />
FOTO: Fotolia / spuno, Fotolia / marima-design, Montage: Franziska Strauss<br />
FOTO: <strong>Berlin</strong>er Datenschutz<br />
anlassbezogene Auslösung eines „stillen Alarms“ oder eines „GPSgestützten<br />
Notrufsignals“ zu prüfen, bevor eine Videoüberwachung<br />
erwogen wird.<br />
Mit dieser Argumentation zitiert <strong>Berlin</strong>s oberster Datenschützer<br />
aus einem Beschluss seiner Amtskollegen (Düsseldorfer Kreis)<br />
vom Februar 2013, in dem eine Videoüberwachung nur unter<br />
bestimmten Vorgaben erlaubt sein soll. Während des Einstiegs<br />
sollten nur Standbilder aufgenommen werden. Auf der Fahrt kann<br />
„<strong>Taxi</strong>fahrern die Möglichkeit gegeben werden, eine Videoaufzeichnung<br />
(z. B. durch Knopfdruck) zu aktivieren, wenn eine bedrohliche<br />
Situation gegeben ist“ und deshalb ein Anlass für eine<br />
Aufzeichnung besteht.<br />
Dem <strong>Taxi</strong>-Bundesverband BZP geht das nicht weit genug. Er<br />
kämpft seit Jahren windmühlenartig für die Legitimation von<br />
„Überfallschutzkameras“ und setzt allein mit seiner Wortwahl<br />
ein klares Signal: Es geht nicht darum, dass Fahrgäste überwacht<br />
werden. Es zählt der Schutz des <strong>Taxi</strong>fahrers vor Gewalttätern.<br />
„Durchschnittlich wird von jedem zehnten <strong>Taxi</strong> im Jahr ein gewalttätiger<br />
Übergriff gemeldet“, rechnete der BZP schon vor mehr als<br />
zwei Jahren vor. „Daher sind die Bedenken für uns nicht nachvollziehbar“,<br />
sagt Präsident Michael Müller.<br />
Noch dazu, wo man auf ein erfolgreiches Projekt in Bremen<br />
verweisen kann. Dort wurde eine Kamera in das Display des Funkterminals<br />
integriert, die beim Einstieg und während der Beförderung<br />
Standbilder macht. Beim Einsteigen kann der Fahrgast sein<br />
Bild auf dem Monitor erkennen. Damit wird er deutlich auf die<br />
Überwachung aufmerksam gemacht. Das schreckt Täter ab, nicht<br />
aber die ehrlichen Fahrgäste. In einer Befragung der Fahrgäste in<br />
Bremen begrüßten 96 Prozent das System.<br />
Die Zahl der <strong>Taxi</strong>überfälle geht seitdem spürbar zurück. Im<br />
Jahr 2014 wurden nur noch zwei Raubüberfälle verzeichnet. Im<br />
Zeitraum von 2007 bis 2009<br />
waren es zehn bis zwölf pro<br />
»Die<br />
überwachung<br />
hilft uns sehr<br />
oft weiter.«<br />
Polizei <strong>Berlin</strong><br />
Jahr. Dazu wurden bei sieben<br />
weiteren körperlichen Auseinandersetzungen<br />
ebenfalls die<br />
Kamerabilder zur Täterermittlung<br />
herangezogen – in allen<br />
Fällen höchst erfolgreich. Die<br />
Aufklärungsquote lag 2014<br />
bei 100 Prozent. Zum Vergleich:<br />
Von 26 räuberischen<br />
Angriffen auf <strong>Berlin</strong>er <strong>Taxi</strong>fahrer<br />
konnte 2014 nur die Hälfte aufgeklärt werden. Unter diesem<br />
Aspekt würde auch die Polizei gerne auf Videobilder<br />
zurückgreifen. „Die Videoüberwachung bei den <strong>Berlin</strong>er Verkehrsbetrieben<br />
hilft uns sehr oft weiter“, bestätigt eine Polizeisprecherin<br />
auf Nachfrage von <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong> <strong>Berlin</strong>. Ein Blick in den<br />
Polizeireport bestätigt diese These. Vielleicht wären auch die<br />
Messerstecher von Thomas K. heute schon gefasst. Vielleicht wäre<br />
es mit einer deutlich sichtbaren Videokamera gar nicht erst zu<br />
dieser schrecklichen Tat gekommen. Denn noch besser als ein<br />
aufgeklärter Raub ist gar kein Raub.<br />
Präventiv wirkende Überfallschutzkameras könnten dazu<br />
einen nicht unerheblichen Teil beitragen. Deswegen wird Simi<br />
weiterhin viele Unterschriften sammeln und es werden hoffentlich<br />
viele seiner Kollegen mit unterschreiben. <br />
jh<br />
Video -<br />
<strong>Berlin</strong>s Datenschutzbeauftragter ist<br />
Dr. Alexander Dix. Doch wer schützt<br />
die <strong>Berlin</strong>er <strong>Taxi</strong>fahrer?<br />
ÜBERFALLSCHUTZ<br />
AUF FREI WILLIGER<br />
BASIS<br />
Im Juni und Juli häuften sich die <strong>Taxi</strong>überfälle<br />
auf <strong>Berlin</strong>er <strong>Taxi</strong>fahrer. Besonders erschreckend:<br />
In den beiden letzten Fällen waren die Täter<br />
noch im Jugendalter (siehe Überfall-News<br />
auf Seite 9). Ebenso erschreckend: Es wird<br />
nicht mehr nur die Geldbörse geraubt, es wird<br />
mutwillig verletzt. So auch im jüngsten Fall: Am<br />
18. Juli überfielen ein 16- und ein 17-Jähriger in<br />
Neukölln einen Kollegen. Sie bedrohten ihn mit<br />
einem Messer. Dann packten sie ihn und raubten<br />
sein Portemonnaie. Der <strong>Taxi</strong>fahrer wurde<br />
leicht verletzt. Trotzdem rannte der 44-Jährige<br />
den beiden Räubern hinterher. Zwei Polizisten<br />
in Zivil sahen die Szene und nahmen ebenfalls<br />
die Verfolgung auf. Die Jugendlichen konnten<br />
gefasst werden.<br />
BERLINER RUNDE WIRD AKTIV<br />
Die jüngsten Überfälle waren deshalb auch<br />
Thema bei der <strong>Berlin</strong>er Runde, einem regelmäßigen<br />
Treffen der verschiedenen <strong>Berlin</strong>er <strong>Taxi</strong>verbände<br />
bzw. -zentralen. Dabei wurden laut<br />
einer Facebook-Mitteilung von <strong>Taxi</strong> Deutschland<br />
<strong>Berlin</strong> e. V. (TD), von den Verbänden TD, Innung,<br />
BTB und BTV Möglichkeiten zum legalen Einsatz<br />
einer Überfallschutzkamera ausgearbeitet.<br />
Dieser soll auf freiwilliger Basis erfolgen. Wie<br />
beim Bremer Beispiel soll auch die <strong>Berlin</strong>er<br />
Berufsgenossenschaft mit ins Boot geholt werden.<br />
Darüber hinaus wollen die Verbände die<br />
verkehrspolitischen Sprecher der Parteien und<br />
andere Abgeordnete um Unterstützung bitten.<br />
„Es wird eine lange Prozedur werden, aber wir<br />
werden es mit eurer Hilfe leichter erreichen“,<br />
hofft der TD auf Facebook und setzt auf die tatkräftige<br />
Unterstützung durch die <strong>Taxi</strong>betriebe. jh<br />
10 TAXI AUGUST / <strong>2015</strong><br />
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