02.11.2016 Aufrufe

Taxi Times Berlin - August 2015

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

SICHERHEIT<br />

SICHERHEIT<br />

Ein <strong>Taxi</strong> als Tatort – solche Fälle können<br />

durch eine Überfallschutz-Kamera deutlich<br />

reduziert werden.<br />

Hayrettin „Simi“ Simsek war tief betroffen, als er das Überfallopfer<br />

Thomas K. gemeinsam mit seinem Verbandskollegen<br />

Ahmad Vahdati im Krankenhaus besuchte. Die noch<br />

frischen Schnittwunden und Narben boten ein erschreckendes<br />

Bild. Simi war sofort klar: So etwas darf nicht wieder passieren.<br />

Also startet er noch am selben Tag eine Unterschriftenaktion. Simi<br />

und alle Kollegen, die seitdem unterschrieben haben, fordern das<br />

Recht, sich vor Überfällen durch den Einsatz einer Videokamera<br />

schützen zu dürfen.<br />

Was eigentlich selbstverständlich sein sollte, ist in Deutschland<br />

verboten. Eine Videoüberwachung in <strong>Taxi</strong>s wird als Eingriff in<br />

VIDEOÜBERWACHUNG IM TAXI<br />

SO FUNKTIONIERT ES IN BREMEN<br />

Seit dem Jahr 2010 ist in allen Fahrzeugen<br />

des <strong>Taxi</strong>-Rufs Bremen eine Kameraüberwachung<br />

in das Vermittlungssystem<br />

integriert. Alle 15 Sekunden wird eine<br />

Standbildaufnahme mit Darstellung<br />

des <strong>Taxi</strong>-Innenraums abgespeichert. Es<br />

werden Standbilder, jedoch kein Film und<br />

auch keine Gespräche aufgezeichnet.<br />

Bei Notrufauslösung durch die Fahrerin<br />

bzw. den Fahrer erfolgt eine Übermittlung<br />

des letzten Standbildes an einen<br />

externen Speicher. Gleichzeitig wird eine<br />

Telefonverbindung mit der Zentrale des<br />

<strong>Taxi</strong>-Rufs Bremen hergestellt, der Standort<br />

des Fahrzeuges wird der Zentrale via<br />

GPRS übermittelt.<br />

Die Löschung der aufgezeichneten<br />

Standbilder erfolgt nach 48 Stunden.<br />

Am 23.11.2010 wurde durch Mitarbeiter<br />

der Landesbeauftragten für Datenschutz<br />

DAS BREMER<br />

VORBILD<br />

<strong>Berlin</strong>s <strong>Taxi</strong>fahrer wollen sich vor<br />

Überfällen schützen. Doch der<br />

Datenschutz bestraft den Einsatz<br />

von Videokameras in <strong>Taxi</strong>s.<br />

Warum eigentlich?<br />

die Privatsphäre interpretiert – sie ist daher unzulässig und darf<br />

vom Datenschutz untersagt bzw. mit einer Strafe bis zu<br />

300 000 Euro geahndet werden.<br />

„Eine anlasslose Videoüberwachung ohne Einflussmöglichkeit<br />

des Fahrers, bei der generell und automatisch sowohl die Fahrgäste<br />

als auch das gesamte Geschehen im Fahrgastbereich aufgezeichnet<br />

wird, ist weder erforderlich noch verhältnismäßig“,<br />

schreibt Dr. Alexander Dix, <strong>Berlin</strong>s Beauftragter für Datenschutz<br />

und Informationsfreiheit in einer Stellungnahme an <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />

<strong>Berlin</strong>. Dix appelliert an das <strong>Taxi</strong>gewerbe, zunächst „alternative<br />

und weniger einschneidende Schutzmaßnahmen wie etwa die<br />

und Informationsfreiheit eine datenschutzrechtliche<br />

Prüfung der in den <strong>Taxi</strong>s<br />

installierten Videoüberwachungsanlagen<br />

durchgeführt.<br />

Der Pilotversuch in Bremen wurde durch<br />

die Berufsgenossenschaft für Verkehr<br />

sowohl technisch als auch finanziell unterstützt.<br />

Wie der <strong>Berlin</strong>er Datenschutzbeauftragte<br />

Dr. Dix gegenüber <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />

bestätigte, würde er eine Bremer Lösung<br />

mit Standbildern für zulässig halten.<br />

FOTO: Fotolia / spuno, Fotolia / marima-design, Montage: Franziska Strauss<br />

FOTO: <strong>Berlin</strong>er Datenschutz<br />

anlassbezogene Auslösung eines „stillen Alarms“ oder eines „GPSgestützten<br />

Notrufsignals“ zu prüfen, bevor eine Videoüberwachung<br />

erwogen wird.<br />

Mit dieser Argumentation zitiert <strong>Berlin</strong>s oberster Datenschützer<br />

aus einem Beschluss seiner Amtskollegen (Düsseldorfer Kreis)<br />

vom Februar 2013, in dem eine Videoüberwachung nur unter<br />

bestimmten Vorgaben erlaubt sein soll. Während des Einstiegs<br />

sollten nur Standbilder aufgenommen werden. Auf der Fahrt kann<br />

„<strong>Taxi</strong>fahrern die Möglichkeit gegeben werden, eine Videoaufzeichnung<br />

(z. B. durch Knopfdruck) zu aktivieren, wenn eine bedrohliche<br />

Situation gegeben ist“ und deshalb ein Anlass für eine<br />

Aufzeichnung besteht.<br />

Dem <strong>Taxi</strong>-Bundesverband BZP geht das nicht weit genug. Er<br />

kämpft seit Jahren windmühlenartig für die Legitimation von<br />

„Überfallschutzkameras“ und setzt allein mit seiner Wortwahl<br />

ein klares Signal: Es geht nicht darum, dass Fahrgäste überwacht<br />

werden. Es zählt der Schutz des <strong>Taxi</strong>fahrers vor Gewalttätern.<br />

„Durchschnittlich wird von jedem zehnten <strong>Taxi</strong> im Jahr ein gewalttätiger<br />

Übergriff gemeldet“, rechnete der BZP schon vor mehr als<br />

zwei Jahren vor. „Daher sind die Bedenken für uns nicht nachvollziehbar“,<br />

sagt Präsident Michael Müller.<br />

Noch dazu, wo man auf ein erfolgreiches Projekt in Bremen<br />

verweisen kann. Dort wurde eine Kamera in das Display des Funkterminals<br />

integriert, die beim Einstieg und während der Beförderung<br />

Standbilder macht. Beim Einsteigen kann der Fahrgast sein<br />

Bild auf dem Monitor erkennen. Damit wird er deutlich auf die<br />

Überwachung aufmerksam gemacht. Das schreckt Täter ab, nicht<br />

aber die ehrlichen Fahrgäste. In einer Befragung der Fahrgäste in<br />

Bremen begrüßten 96 Prozent das System.<br />

Die Zahl der <strong>Taxi</strong>überfälle geht seitdem spürbar zurück. Im<br />

Jahr 2014 wurden nur noch zwei Raubüberfälle verzeichnet. Im<br />

Zeitraum von 2007 bis 2009<br />

waren es zehn bis zwölf pro<br />

»Die<br />

überwachung<br />

hilft uns sehr<br />

oft weiter.«<br />

Polizei <strong>Berlin</strong><br />

Jahr. Dazu wurden bei sieben<br />

weiteren körperlichen Auseinandersetzungen<br />

ebenfalls die<br />

Kamerabilder zur Täterermittlung<br />

herangezogen – in allen<br />

Fällen höchst erfolgreich. Die<br />

Aufklärungsquote lag 2014<br />

bei 100 Prozent. Zum Vergleich:<br />

Von 26 räuberischen<br />

Angriffen auf <strong>Berlin</strong>er <strong>Taxi</strong>fahrer<br />

konnte 2014 nur die Hälfte aufgeklärt werden. Unter diesem<br />

Aspekt würde auch die Polizei gerne auf Videobilder<br />

zurückgreifen. „Die Videoüberwachung bei den <strong>Berlin</strong>er Verkehrsbetrieben<br />

hilft uns sehr oft weiter“, bestätigt eine Polizeisprecherin<br />

auf Nachfrage von <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong> <strong>Berlin</strong>. Ein Blick in den<br />

Polizeireport bestätigt diese These. Vielleicht wären auch die<br />

Messerstecher von Thomas K. heute schon gefasst. Vielleicht wäre<br />

es mit einer deutlich sichtbaren Videokamera gar nicht erst zu<br />

dieser schrecklichen Tat gekommen. Denn noch besser als ein<br />

aufgeklärter Raub ist gar kein Raub.<br />

Präventiv wirkende Überfallschutzkameras könnten dazu<br />

einen nicht unerheblichen Teil beitragen. Deswegen wird Simi<br />

weiterhin viele Unterschriften sammeln und es werden hoffentlich<br />

viele seiner Kollegen mit unterschreiben. <br />

jh<br />

Video -<br />

<strong>Berlin</strong>s Datenschutzbeauftragter ist<br />

Dr. Alexander Dix. Doch wer schützt<br />

die <strong>Berlin</strong>er <strong>Taxi</strong>fahrer?<br />

ÜBERFALLSCHUTZ<br />

AUF FREI WILLIGER<br />

BASIS<br />

Im Juni und Juli häuften sich die <strong>Taxi</strong>überfälle<br />

auf <strong>Berlin</strong>er <strong>Taxi</strong>fahrer. Besonders erschreckend:<br />

In den beiden letzten Fällen waren die Täter<br />

noch im Jugendalter (siehe Überfall-News<br />

auf Seite 9). Ebenso erschreckend: Es wird<br />

nicht mehr nur die Geldbörse geraubt, es wird<br />

mutwillig verletzt. So auch im jüngsten Fall: Am<br />

18. Juli überfielen ein 16- und ein 17-Jähriger in<br />

Neukölln einen Kollegen. Sie bedrohten ihn mit<br />

einem Messer. Dann packten sie ihn und raubten<br />

sein Portemonnaie. Der <strong>Taxi</strong>fahrer wurde<br />

leicht verletzt. Trotzdem rannte der 44-Jährige<br />

den beiden Räubern hinterher. Zwei Polizisten<br />

in Zivil sahen die Szene und nahmen ebenfalls<br />

die Verfolgung auf. Die Jugendlichen konnten<br />

gefasst werden.<br />

BERLINER RUNDE WIRD AKTIV<br />

Die jüngsten Überfälle waren deshalb auch<br />

Thema bei der <strong>Berlin</strong>er Runde, einem regelmäßigen<br />

Treffen der verschiedenen <strong>Berlin</strong>er <strong>Taxi</strong>verbände<br />

bzw. -zentralen. Dabei wurden laut<br />

einer Facebook-Mitteilung von <strong>Taxi</strong> Deutschland<br />

<strong>Berlin</strong> e. V. (TD), von den Verbänden TD, Innung,<br />

BTB und BTV Möglichkeiten zum legalen Einsatz<br />

einer Überfallschutzkamera ausgearbeitet.<br />

Dieser soll auf freiwilliger Basis erfolgen. Wie<br />

beim Bremer Beispiel soll auch die <strong>Berlin</strong>er<br />

Berufsgenossenschaft mit ins Boot geholt werden.<br />

Darüber hinaus wollen die Verbände die<br />

verkehrspolitischen Sprecher der Parteien und<br />

andere Abgeordnete um Unterstützung bitten.<br />

„Es wird eine lange Prozedur werden, aber wir<br />

werden es mit eurer Hilfe leichter erreichen“,<br />

hofft der TD auf Facebook und setzt auf die tatkräftige<br />

Unterstützung durch die <strong>Taxi</strong>betriebe. jh<br />

10 TAXI AUGUST / <strong>2015</strong><br />

11

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!