OWI12 2016 gesamt_Internet
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Region<br />
Ernährungsindustrie<br />
„Die Landwirtschaft ist zu Veränderungen bereit“<br />
I Oldenburg. Wie kann das Ernährungsgewerbe<br />
Akzeptanz und Vertrauen erarbeiten<br />
und dabei seine Wettbewerbsfähigkeit<br />
sichern? Um diese Kernfrage ging<br />
es beim zweiten Branchendialog Ernährungsindustrie,<br />
zu dem der niedersächsische<br />
Wirtschaftsminister Olaf Lies im<br />
November nach Oldenburg eingeladen<br />
hatte. Rund 100 Vertreter aus Landwirtschaft,<br />
Industrie, Handel und Wissenschaft<br />
kamen in der Alten Fleiwa zusammen.<br />
Lies hatte nicht zufällig nach Oldenburg<br />
eingeladen: „Die Agrar- und Ernährungswirtschaft<br />
ist eine starke Wirtschaftssäule<br />
in Niedersachsen. Sie ist Grundlage<br />
für den Erfolg einer ganzen Region“,<br />
erklärte Lies mit Blick auf das Oldenburger<br />
Land. Wesentliche Erfolgsbasis<br />
seien geschlossene Wertschöpfungsketten.<br />
„Wir können nicht auf einzelne<br />
Teile verzichten, denn dann gefährden<br />
wir die <strong>gesamt</strong>e Kette“, mahnte er. Die<br />
regionale Ernährungswirtschaft produziere<br />
mit höchster Qualität, kämpfe jedoch<br />
mit Imageproblemen. Lies forderte<br />
die Branche zu mehr Transparenz auf.<br />
Dazu gehöre auch ein Bekenntnis zu<br />
industriellen Strukturen: „Industrie ist<br />
kein Unwort, sondern ein positiver Begriff.<br />
Wir brauchen in Deutschland große<br />
Betriebe, um Menge und Qualität in der<br />
Ernährungswirtschaft zu gewährleisten.“<br />
Die gesellschaftliche Akzeptanz für industrielle<br />
Strukturen gehe vor allem in<br />
Veredelungsregionen verloren, sagte Dr.<br />
Ludger Breloh, Bereichsleiter bei der Rewe<br />
Group Köln. Gerade Veredelungsprodukte<br />
seien durch den hohen Anteil von<br />
Eigenmarken für den Handel von großer<br />
Bedeutung. „Der Ernährungssektor muss<br />
sich stärker ausdifferenzieren, um zukunftsfähig<br />
zu bleiben“, forderte Breloh.<br />
Der Wettbewerb verlagere sich zunehmend<br />
auf Prozessqualitäten. Bei der<br />
Landwirtschaft sieht er einen starken<br />
Willen, sich den neuen Herausforderungen<br />
zu stellen. Hier müssten die übrigen<br />
Akteure mitziehen.<br />
Zielkonflikte<br />
„Die Landwirtschaft ist zu Veränderungen<br />
bereit“, betonte Dr. Albert Hortmann-Scholten<br />
von der Landwirtschaftskammer<br />
Niedersachsen. Maßnahmen,<br />
etwa zur Steigerung des Tierwohls,<br />
müssten jedoch praxiserprobt sein und<br />
am Ende auch bezahlt werden. Eine höhere<br />
Prozessqualität führe nicht immer<br />
zu einer objektiv höheren Lebensmittelqualität<br />
oder -sicherheit. Oft gebe es<br />
Zielkonflikte. Der Agrarexperte verdeutlichte<br />
dies am Beispiel der Nutztierhaltung.<br />
Der Zugang der Tiere zu verschiedenen<br />
Klimabereichen etwa erhöhe die<br />
Seuchengefahr. Diese Konflikte müssten<br />
Schritt für Schritt gelöst werden: „Evolution<br />
statt Revolution!“, forderte Hortmann-Scholten.<br />
Nationale Alleingänge<br />
würden die Abwanderung der Agrarund<br />
Ernährungswirtschaft ins Ausland<br />
nur beschleunigen.<br />
Er teile die Sorgen der Landwirtschaft<br />
voll und ganz, erklärte Uwe Bartels, Vorsitzender<br />
des Agrar- und Ernährungsforums<br />
Oldenburger Münsterland. Gesetzliche<br />
Anforderungen, Strukturwandel,<br />
globaler Wettbewerb und Preisschwankungen<br />
machten den landwirtschaftlichen<br />
Betrieben das Leben<br />
schwer. „Den nationalen Alleingang beschreiten<br />
wir bereits, und es gibt kein<br />
Zurück“, stellte Bartels fest. Nun gehe es<br />
darum, wie die Mehrleistungen honoriert<br />
werden können. Bartels schlug eine<br />
Abgabe auf Fleischprodukte analog zur<br />
EEG-Abgabe vor, die auf dem Veranstaltungspodium<br />
kontrovers diskutiert<br />
wurde.<br />
Christian Meyer, Niedersächsischer Minister<br />
für Ernährung, Landwirtschaft und<br />
Verbraucherschutz, sah in Fördergeldern<br />
von Bund und EU eine mögliche Alternative.<br />
„Wir brauchen auch bessere<br />
Schutzmechanismen gegen Billigprodukte<br />
aus dem Ausland“, so Meyer. Die<br />
Lebensmittelpreise müssten steigen, um<br />
mehr Tierwohl und höhere Umweltstandards<br />
finanzieren zu können. (sha) I<br />
Foto: Thiemo Jentsch<br />
Interview<br />
„Die Branche braucht ein<br />
verbindliches Leitbild“<br />
I Niedersachsens Wirtschaftsminister<br />
Olaf Lies (Bild) hat den Branchendialog<br />
Ernährungsindustrie ins Leben gerufen.<br />
Im Interview erklärt er Hintergründe<br />
und Herausforderungen.<br />
Herr Minister Lies, was ist das Ziel des<br />
Branchendialogs?<br />
Im sogenannten Agribusiness-Bereich<br />
arbeiten mehr als 390.000 Beschäftigte.<br />
Damit ist die Ernährungsindustrie die<br />
zweitgrößte Branche in Niedersachsen<br />
und deutschlandweit führend in der<br />
Produktion hochwertiger Lebensmittel.<br />
Ihr Erfolg beruht ganz wesentlich<br />
auf der leistungsfähigen Landwirtschaft<br />
und den geschlossenen Wertschöpfungsketten<br />
mit einer breit aufgestellten<br />
Nahrungsmittelproduktion.<br />
Die Bedeutung dieser Branche ist also<br />
für Niedersachsen immens. Deshalb ist<br />
18 Oldenburgische Wirtschaft Dezember <strong>2016</strong>