Dezember 2009 Nr. 7 - Fischotter
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«Multifunktionalität<br />
hat mich immer fasziniert»<br />
Zu Besuch bei René Ribi<br />
René Ribi lebt gern in Männedorf, Sesshaftigkeit<br />
ist für ihn und seine Gattin<br />
freilich auch in den Rentnerjahren eine<br />
relative Grösse. Im Paris der Vorkriegsund<br />
Kriegsjahre aufgewachsen, wurde<br />
der Mathematiker und Bauingenieur für<br />
Schweizer Konzerne und für die Weltbank<br />
universell tätig. Der berufliche<br />
Werdegang umschreibt nur unzureichend<br />
die vielen Interessen dieses<br />
«Weltenbummlers», mit dem sich René<br />
Bondt für den «<strong>Fischotter</strong>» kurz vor<br />
dem nächsten Trip der Ribis nach Namibia<br />
unterhalten hat.<br />
<strong>Fischotter</strong>: Herr Ribi, Sie wurden 1928<br />
in Brüssel geboren, wo Ihr Vater als<br />
ETH-Ingenieur Arbeit gefunden hatte.<br />
Im Folgejahr zog die junge Familie in die<br />
südliche Pariser Bannmeile weiter. Wie<br />
erlebten Sie die Primarschul- und Gymnasialjahre<br />
im Vorkriegsfrankreich?<br />
Das französische Schulsystem war stark<br />
intellektualisiert und räumte dem Gemüthaften<br />
keinen Platz ein. Weil ich sehr<br />
gut auswendig lernen konnte, kam mir<br />
dieses System entgegen – so sehr, dass<br />
ich eine Primarklasse überspringen<br />
konnte.<br />
Nahm der Schüler Ribi das Paris der<br />
dreissiger Jahre gesellschaftlich irgendwie<br />
wahr?<br />
Nur in den praktischen Auswirkungen.<br />
Zur Zeit der Volksfrontregierung war Paris<br />
ein Schauplatz grosser gewerkschaftlicher<br />
Streikaktionen. Tiefgreifend war<br />
für unsere Familie dann der Beginn des<br />
Zweiten Weltkriegs mit der Kapitulation<br />
der französischen Armee vor der anstürmenden<br />
Wehrmacht Hitlers im Frühling<br />
1940. Die deutsche Besatzung<br />
nahm ich – um ein Beispiel zu nennen –<br />
einmal ausgesprochen konfrontativ<br />
wahr: Auf dem Schulweg ins Lycée fuhr<br />
ich mit dem Velo einen deutschen Motorradfahrer<br />
an, worauf einige Aufregung<br />
über die Beilegung des Zwischenfalls<br />
entstand. Ich tat so, als ob ich die<br />
Deutschen nicht verstehen würde, und<br />
war ausgesprochen froh, dass man die<br />
Bagatelle auf sich beruhen und mich laufen<br />
liess. Traumatischer als diese Episode<br />
wirkten andere Erlebnisse – etwa die Tatsache,<br />
dass die deutschen Besatzer einen<br />
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