Dezember 2009 Nr. 7 - Fischotter
Dezember 2009 Nr. 7 - Fischotter
Dezember 2009 Nr. 7 - Fischotter
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Mann erschossen, der im gleichen Haus<br />
wohnte wie wir.<br />
Mitten im Krieg heimwärts<br />
Weil Ihr Vater im Kraftwerkbau beschäftigt<br />
war, konnten er und die Familie<br />
zeitweilig in die südfranzösische Pyrenäenregion<br />
ausweichen. Dann gings zunächst<br />
ins besetzte Paris zurück. Weil<br />
Ihre Mutter erkrankte, konnten Sie mit<br />
ihr bald in die Schweiz wechseln, während<br />
Ihr Vater erst ein halbes Jahr später<br />
in die Heimat nachzog …<br />
Die heimatliche Schweiz begrüsste uns<br />
damals mit einer unangenehmen Leibesvisitation,<br />
über die wir uns mit einem<br />
währschaften Schweizer Morgenessen<br />
hinwegtrösteten. Als der Vater<br />
später zu uns stiess und Arbeit in der<br />
Schweiz suchen musste, begann für die<br />
Familie eine kleine Tour de Suisse. Erste<br />
Beschäftigung fand Vater bei einem<br />
Lausanner Ingenieurbüro, später arbeitete<br />
er in einem Ingenieurbüro, das<br />
vornehmlich für die Zuckerfabrik im<br />
bernischen Aarberg tätig war.<br />
Wie ging der junge René Ribi mit dem<br />
von äusseren Zwängen diktierten Vagabundieren<br />
um?<br />
Die Tatsache, dass ich in meinem späteren<br />
Leben kaum Sitzleder hatte, beruht<br />
möglicherweise auf frühen Erfahrungen.<br />
Der damalige Wechsel in die<br />
Schweiz bedeutete übrigens, dass wir<br />
materiell und gesellschaftlich deutlich zurückstecken<br />
mussten. Wir hatten alles<br />
verloren, mussten uns neu einleben. Ich<br />
besuchte zwischen 1942 und 1946 ein<br />
Jahr lang die Sekundarschule in Romanshorn,<br />
ein weiteres Jahr lang die Oberre-<br />
alschule in Zürich und danach während<br />
gut dreier Jahre das Gymnasium in Biel.<br />
Konstanter gings weiter: Sie absolvierten<br />
zwischen 1946 und 1950 ein Mathematikstudium<br />
an der ETH in Zürich.<br />
Ein Wunschstudium?<br />
Dieses Studium entsprach meinen Interessen.<br />
Mathematik hat eine grosse ästhetische<br />
Qualität. Eine bedeutende<br />
Rolle spielte Professor Heinz Hopf, der<br />
uns die Subtilitäten der mathematischen<br />
Welt, den Scharfsinn des logischen<br />
Denkens, die Schönheit einer Gedankenfolge<br />
auf grossartige Weise näher<br />
zu bringen wusste. Die Mathematik<br />
war für mich eine Denklehrwerkstätte.<br />
Ich begann nach meinem Studium auch<br />
Mathematik zu unterrichten – zuerst<br />
kurze Zeit am Technikum in Burgdorf,<br />
dann am Berner Humboldtianum. Ich<br />
bezeichnete mich zwar als geborenen<br />
Schulmeister, entschloss mich aber<br />
gleichwohl zwischen 1954 und 1956 zu<br />
einem Zweitstudium als Bauingenieur an<br />
der ETH. In jener Phase war meine Frau<br />
Daisy, die an der ETH als Sekretärin arbeitete,<br />
die Haupternährerin im jungen<br />
Familienstand. Sie war und ist die Partnerin,<br />
die mich seit 1952 auf all meinen<br />
Abenteuern begleitet.<br />
Reizte Sie nach der Ästhetik der Mathematik<br />
das Bodenständige des Ingenieurwesens?<br />
Es wuchs da eine plötzliche Erkenntnis<br />
des jungen Mathematiklehrers vor dem<br />
Abgrund der ewigen Schulstoffwiederholung<br />
bis zur Pensionierung. Auch gewann<br />
ich die Einsicht, mit der Mathematik<br />
nicht aus dem Vollen schöpfen zu<br />
können, da immer nur ein relativ kleiner<br />
43