12/2016 - 01/2017
Fritz + Fränzi
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Erziehung & Schule<br />
Ein Plädoyer<br />
für die Pädagogik<br />
Der Erziehung liegen Phänomene zugrunde, die es zu erkennen, zu verstehen und<br />
zu erklären gilt. Nur mit diesem Wissen können wir weiter über die pädagogischen<br />
Probleme nachdenken. Text: Christine Staehelin<br />
«Erziehen ist eine<br />
Herausforderung und<br />
eine wunderschöne<br />
Aufgabe.»<br />
Christine Staehelin, M.A., ist<br />
wissenschaftliche Mitarbeiterin der<br />
Pädagogischen Arbeitsstelle LCH,<br />
Primarlehrerin und Mutter zweier Söhne.<br />
Bestimmt kennen Sie als<br />
Eltern diese Situationen:<br />
Seit einer Viertelstunde<br />
rufen Sie dem elfjährigen<br />
Sohn ins Kinderzimmer,<br />
er solle jetzt endlich ins<br />
Bett gehen, Sie würden dann kommen<br />
und ihm eine gute Nacht wünschen.<br />
Ihre vierjährige Tochter stochert<br />
im Mittagessen herum und<br />
will gar nichts von dem, was Sie<br />
gekocht haben, essen, während Ihre<br />
zehnjährige Tochter schon wieder<br />
mit einer zwanzigminütigen Verspätung<br />
zum Essen erschienen ist. Was<br />
tun? Ja, was tun?<br />
Nicht, dass Lehrerinnen und Lehrer<br />
nicht auch solche Situationen kennen<br />
würden: Alissa kommt zum<br />
dritten Mal in der gleichen Woche<br />
zu spät, Max legt wieder seinen<br />
Zahnarzttermin in die Mathematiklektion,<br />
während Marco seit einer<br />
Woche überhaupt keine Schulsachen<br />
mehr dabei hat und auch im Unterricht<br />
nur unmotiviert herumsitzt.<br />
Was tun? Ja, was tun?<br />
Ein Strauss von Fragen<br />
Natürlich haben Sie als Eltern wie<br />
auch wir als Lehrpersonen dann<br />
unzählige spontane Ideen, von<br />
denen wir oft alle gleich wieder verwerfen,<br />
weil die ersten Reaktionsimpulse<br />
meistens nicht sehr freundlich<br />
aussehen.<br />
Also ein wenig nachdenken, aber<br />
allzu lange hat auch keinen Sinn,<br />
weil die unerwünschte Situation<br />
dann noch länger andauert. Und<br />
worüber genau nachdenken? Das<br />
macht es dann schon schwieri ger:<br />
Über die Berechtigung dessen, was<br />
man selber gern er reichen möchte?<br />
Da sind Sie sich als Eltern und auch<br />
wir uns als Lehrpersonen manchmal<br />
nicht einmal mit uns selbst einig.<br />
Und dann: Sofort re agieren? Abwarten<br />
und auf drei zählen? Oder gar<br />
nicht reagieren, ist ja alles nicht so<br />
schlimm? Vor warnen? Ermahnen?<br />
Sich durchsetzen oder das Verhalten<br />
durchgehen lassen?<br />
Je länger man darüber nachdenkt,<br />
was man nun am besten tun sollte,<br />
desto weiter werden die Gedankenkreise:<br />
Habe ich nicht schon hundertmal<br />
gesagt, dass das nicht geht?<br />
Was ist auch mit meinem Kind, meiner<br />
Schülerin, meinem Schüler los?<br />
Liegen da vielleicht tiefer gehende<br />
Probleme vor? Oder geht es da einfach<br />
um Widerstand? Geht es darum,<br />
mich wütend zu machen? Werde<br />
ich als Vater oder als Mutter, als<br />
Lehrer oder als Lehrerin überhaupt<br />
noch ernst genommen? Geht’s also<br />
um mich? Oder geht’s um überhaupt<br />
nichts von dem, worüber ich gerade<br />
nachgedacht habe?<br />
«Ob wir Einsicht<br />
oder Widerstand<br />
bewirken, wissen<br />
wir nicht.»<br />
Und wenn ich auf meinem Standpunkt<br />
beharre: Tut das Kind dann,<br />
was ich will? Oder löse ich damit<br />
genau das Gegenteil von dem aus,<br />
was ich eigentlich will? Die vierjährige<br />
Tochter dreht erbost ihren Teller<br />
mit dem Essen einfach um; der Elfjährige<br />
erklärt nochmals eine Viertelstunde<br />
lang, was er vor dem<br />
Zu-Bett-Gehen noch unbedingt alles<br />
erledigen müsse, während die Zehn-<br />
56 Dezember <strong>2<strong>01</strong>6</strong> / Januar 2<strong>01</strong>7 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi