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MEDIAkompakt 21: Schicksal vs. Zufall

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DIE ZEITUNG DES STUDIENGANGS MEDIAPUBLISHING<br />

DER HOCHSCHULE DER MEDIEN STUTTGART AUSGABE 01/2017 26.01.2017<br />

media<br />

kompakt<br />

FREMD IM<br />

EIGENEN KÖRPER<br />

SEITE 4 / 5<br />

MEIN ZUFALLSTAG –<br />

EIN SELBSTVERSUCH<br />

SEITE 10<br />

BRETTSPIEL: ORAKEL<br />

DIR DEIN SEMESTER<br />

SEITE 16 /17<br />

SCHICKSAL VS. ZUFALL


2<br />

EDITORIAL<br />

mediakompakt<br />

Liebe Leserinnen,<br />

liebe Leser,<br />

3 <strong>Zufall</strong> oder <strong>Schicksal</strong>?<br />

Eine Einführung<br />

4 Fremd im eigenen Körper<br />

Wie aus Carolin Marlon wurde<br />

„<strong>Schicksal</strong> <strong>vs</strong>. <strong>Zufall</strong>“, so lautet der Titel der aktuellen <strong>MEDIAkompakt</strong>-Ausgabe, die von den<br />

Studierenden des Studiengangs MEDIApublishing an der Hochschule der Medien konzipiert,<br />

geschrieben, gestaltet und produziert wurde.<br />

<strong>Schicksal</strong> und <strong>Zufall</strong> kann uns in vielfältiger Form begegnen, dabei ist es völlig offen, ob es unser<br />

Leben in positiver oder negativer Weise beeinflusst. <strong>Schicksal</strong>sschläge, wie beispielsweise die Diagnose<br />

einer Krankheit kann eine neue Perspektive auf die irdische Existenz liefern. Nicht immer ist etwas,<br />

was wir vermeindlich nicht steuern können, aber zu unserem Nachteil. Was passiert eigentlich, wenn<br />

man einen Tag seines Lebens dem <strong>Zufall</strong> überlässt und über zunächst banale Entscheidungen am<br />

Ende ganz zufällig Menschen trifft und Dinge tut, die man sich zwar schon lange vorgenommen hat,<br />

aber zu denen man sich nie aufraffen konnte?<br />

Ist am Ende gar alles nur ein einfaches kausales Prinzip nachdem auf jede Aktion eine Reaktion<br />

erfolgt?<br />

Auch in dieser Ausgabe gibt es wieder zahlreiche lesenswerte Artikel mit interessanten Einsichten und<br />

Standpunkten. Selbst für Unterhaltung in Form eines Spieles wurde dieses Mal gesorgt und ganz<br />

Mutige können sich sogar am Backen von Glückskeksen ausprobieren.<br />

Wir danken an dieser Stelle unseren Anzeigenpartnern, die uns mit der Schaltung die notwendige<br />

finanzielle Basis für dieses Projektes bereitstellen.<br />

6 Danke, dass ich leben darf<br />

Hilfsorganisationen für den Notfall<br />

8 Multiple Sklerose – <strong>Schicksal</strong>sjahre einer Krankheit<br />

Das Leben mit der Krankheit<br />

9 Über das <strong>Schicksal</strong> gestolpert<br />

Vaihingens Stolperstein-Initiative<br />

10 Mein <strong>Zufall</strong>stag – ein Selbstversuch<br />

Laura lässt sich vom <strong>Zufall</strong> leiten<br />

12 Der <strong>Zufall</strong> in der Kunst<br />

Die Ausstellung „[un]erwartet“ in Stuttgart<br />

13 Und dann stürzt alles in sich zusammen<br />

Bestimmen Aktion und Reaktion das Leben?<br />

14 Die Sache mit den Glückskeksen<br />

Der Versuch eines Back-Tutorials<br />

16 Orakel dir dein Semester<br />

Ein Spiel<br />

18 Glück: Do‘s und Don‘ts:<br />

Symbolische Ratschläge für den Alltag<br />

20 <strong>Schicksal</strong> braucht Zufälle<br />

Eine Kurzgeschichte über die Liebe<br />

Prof. Christof Seeger<br />

Herausgeber<br />

22 Work. Eat. Sleep. Repeat<br />

Das Leben einer Flugbegleiterin<br />

24 Die geheimnisvolle Sehergabe –<br />

oder wann kommt endlich der Weltuntergang?<br />

Von Nostradamus und anderen<br />

26 Die Sucht nach Glück<br />

Die Faszination Glücksspiele<br />

28 Die Entscheidung über ein fremdes <strong>Schicksal</strong><br />

Interview mit einer BAMF-Mitarbeiterin<br />

IMPRESSUM<br />

mediakompakt<br />

Zeitung aus dem Studiengang Mediapublishing<br />

Hochschule der Medien Stuttgart<br />

HERAUSGEBER<br />

Prof. Christof Seeger<br />

Studiengang Mediapublishing<br />

Postanschrift: Nobelstraße 10<br />

70569 Stuttgart<br />

REDAKTION<br />

Prof. Christof Seeger (V.I.S.d.P.)<br />

E-Mail: seeger@hdm-stuttgart.de<br />

PROJEKTLEITUNG<br />

Susan Störkle, Nina Henning<br />

ANZEIGENVERKAUF<br />

Julia Kondraeva, Anne Kreuter, Celina Müller, Sina Sikler,<br />

Regina Spangler, Peter Stuhr<br />

PRODUKTION<br />

Andrea Hehn, Lucie Mödl, Diana Riegger<br />

BILDREDAKTION<br />

Felix Möller<br />

GRAFIK TITELSEITE<br />

Unsplash<br />

MEDIANIGHT-TEAM<br />

Kilian Baier, Alina Breunig, Laura Kibele, Miriam<br />

Rentschler, Christina von Roth<br />

DRUCK<br />

Z-Druck Zentrale Zeitungsgesellschaft GmbH & Co. KG<br />

Böblinger Straße 70<br />

71065 Sindelfingen<br />

ERSCHEINUNGSWEISE<br />

Einmal im Semester zur Medianight<br />

30 Das <strong>Schicksal</strong> der Flüchtlinge –<br />

auch unser eigenes?<br />

Ein Kommentar zum Thema


1/2017 THEMA<br />

3<br />

<strong>Zufall</strong> oder<br />

<strong>Schicksal</strong>?<br />

<strong>Schicksal</strong> – ein Ereignis<br />

oder Erlebnis, das von<br />

höheren Mächten gesteuert<br />

sein soll. <strong>Zufall</strong> – ein<br />

Ereignis oder Erlebnis,<br />

welches keinen kausalen<br />

Zusammenhang hat.<br />

VON CHRISTINA VON ROTH<br />

Bild: pixabay.de<br />

Dies sind die trockenen Erklärungen,<br />

die uns von Wikipedia gegeben<br />

werden. Hängen diese beiden nun<br />

zusammen? Gibt es das eine und ist<br />

das andere nur Aberglaube? Oder sind<br />

sie gar ein und dasselbe?<br />

Seit Menschengedenken versuchen Gelehrte<br />

diese Fragen zu ergründen. Auch in unserer Zeit<br />

werden Philosophen dieses Themas nicht müde.<br />

Wir wünschen uns bei tiefgreifenden Mo -<br />

menten unseres Lebens, dass es <strong>Schicksal</strong> ist, dass<br />

eine höhere Macht entschieden hat, dass man<br />

genau an einem bestimmten Abend genau diesen<br />

Bus nimmt und dann die Liebe seines Lebens<br />

trifft. Es klingt romantisch und gibt dem Ganzen<br />

etwas Magisches.<br />

Aber ist es nicht einfach nur <strong>Zufall</strong>, wenn<br />

man entscheidet, diesen einen Bus zu nehmen?<br />

Was, wenn einem auf dem Weg zur Haltestelle<br />

einfällt, dass man zuhause das Licht angelassen<br />

hat und man wieder zurückgehen muss? Ist man<br />

dann dazu verdammt, diesen einen Menschen<br />

niemals zu treffen?<br />

Die viel wichtigere Frage in dieser Ergründung<br />

ist jedoch: Ist alles vorbestimmt oder steuern wir<br />

unser Leben selbst? Können wir uns zurück -<br />

lehnen und warten bis etwas kommt oder sollen<br />

wir das <strong>Schicksal</strong> selbst in die Hand nehmen?<br />

Der Autor, Philosoph und Physiker Dr. Stefan<br />

Klein ist genau diesem Thema auf den Grund<br />

gegangen und hat durch aktuelle Forschungs -<br />

ergebnisse den <strong>Zufall</strong> ergründet.<br />

Laut seiner Theorie ist unser Gehirn darauf<br />

vorprogrammiert, in allem was uns geschieht<br />

einen Sinn zu suchen. Man lernt durch das<br />

Erkennen von Mustern und so suchen wir, in<br />

allem was wir erleben, nach Mustern. Wenn wir<br />

als Säugling kein Muster in den Unterhaltungen<br />

unserer Eltern erkannt hätten, hätten wir niemals<br />

Sprechen gelernt, so Klein.<br />

So erklärt er auch den „durch Gedanken<br />

ausgelösten Anruf der besten Freundin“, an die<br />

man gerade noch gedacht hat – man nimmt<br />

selektiv war. Man denke häufig an diese eine<br />

Person, jedoch klingele nicht gleich jedes Mal das<br />

Telefon – wenn es dann einmal passiert, ziehen<br />

wir gleich den Schluss, dass wir die Freundin dazu<br />

bewegt haben, uns anzurufen.<br />

Damit hätten wir eine sehr logische – wenn<br />

auch etwas zynische – Erklärung für den <strong>Zufall</strong><br />

und gegen die Existenz des <strong>Schicksal</strong>s.<br />

Doch was bewegt ganze Glaubensgemein -<br />

schaften seit Jahrhunderten dazu, an göttliche<br />

Vorhersehung oder gar den Einfluss der Gestirne<br />

auf unser Leben zu glauben? Der Glaube an Gott<br />

gibt Menschen eine gewisse Sicherheit und einen<br />

gewissen Halt und bewegt Gläubige folglich<br />

dazu, zu glauben, Gott hätte einen unmittel -<br />

baren Einfluss auf ihr Leben.<br />

Schon in der Mythologie gab es die perso -<br />

nifizierte Macht, sogenannte <strong>Schicksal</strong>sgott -<br />

heiten, wie z. B. Fortuna (lat. für Glück, Schick -<br />

sal). Diese Gottheiten sollen den Lauf der Welt<br />

beherrscht und jedem Menschen sein <strong>Schicksal</strong><br />

gesendet haben.<br />

Das Karma aus dem Hinduismus, Buddhis -<br />

mus oder Jainismus bezeichnet grundsätzlich<br />

nichts anderes als ein spirituelles Konzept, nach<br />

dem jede Handlung eine Folge hat.<br />

Eine andere Art des <strong>Schicksal</strong>s wird durch das<br />

Lesen der Gestirne beschrieben. Hier können<br />

Astrologen anhand der Gestirnskonstellation am<br />

Tag der Geburt eines Menschen dessen Charakter<br />

zeichnen. Handlungen und Entscheidungen<br />

seien durch die Sterne vorgesehen und nicht<br />

beeinflussbar. Natürlich kann man das Leben<br />

dadurch nicht genau voraussagen, aber es<br />

werden einem Möglichkeiten aufgezeigt, die<br />

man nützen könnte. Dies, beschreibt Stefan<br />

Klein in seinem Buch „Alles <strong>Zufall</strong>“, könne man<br />

mit dem <strong>Zufall</strong> auch. Denn durch Zufälle werden<br />

einem immer wieder neue Chancen und<br />

Möglichkeiten geboten, man müsse nur lernen<br />

auf sie zu achten und sie auch zu nutzen.<br />

Wie sieht nun das Meinungsbild im Land<br />

aus? In einer aktuellen Umfrage von Shell, in der<br />

rund 2.500 Personen zwischen 12 und 25 Jahren<br />

befragt wurden, beantworteten 52,6% die Frage<br />

„Glauben Sie, dass <strong>Schicksal</strong> und Vorbestim -<br />

mung Einfluss auf Ihr Leben haben?“ mit „Nein“.<br />

Somit haben aber auch 45,8% mit Ja geant -<br />

wortet.<br />

Die Einstellung, dass irgendetwas unser<br />

Leben in irgendeiner Form beeinflusst, ist also<br />

sehr weit verbreitet. So hat man eine angenehme<br />

Ausrede und kann sein Unglück auf höhere<br />

Mächte schieben.<br />

In einer weiteren Umfrage von Shell ist etwas<br />

mehr ins Detail gegangen worden, um genau<br />

herauszufinden, an welche Art von höheren<br />

Mächten nun geglaubt wird.<br />

„Welche Dinge, glauben Sie, haben Einfluss<br />

auf Ihr Leben?“ – 46% setzten ihr Kreuzchen bei<br />

<strong>Schicksal</strong> und Vorbestimmung, 23,8% bei Engel<br />

und gute Geister, 22,3% bei Sterne und<br />

Konstellationen und 15,6% bei unerklärliche<br />

Phänomene. Dies sind alles noch erwartbare<br />

Antworten. Jedoch kreuzten ganze 8,8% Satan<br />

und böse Geister und 7% Ufos oder Außer -<br />

irdische an.<br />

Dieser Artikel hat versucht, einen allge -<br />

meinen Überblick zu geben, jedoch konnte man<br />

nicht auf alle zu Beginn gestellte Fragen<br />

Antworten bieten. Es ist, wie vieles im Leben,<br />

eine Glaubensfrage. Die Wissenschaftler pochen<br />

auf ihre Forschungsergebnisse, Astrologen ste -<br />

hen fest hinter ihrer Deutung der Gestirne und<br />

Christen, Hindus, Buddhisten oder Ufo-Gläubige<br />

halten fest an ihrer höheren Macht.<br />

Was sie jedoch alle gemein haben ist, dass wir<br />

Menschen in allem, was wir erleben, einen<br />

höheren Sinn suchen. Wie Stefan Klein sagt,<br />

„sind wir dazu programmiert, ein Muster in<br />

allem zu erkennen.“ Aus diesem Muster schließt<br />

jeder Mensch für sich allein ob es <strong>Schicksal</strong> oder<br />

<strong>Zufall</strong> ist.


Bild: pixabay.de


1/2017 AUS DEM LEBEN<br />

5<br />

Fremd im<br />

eigenen Körper<br />

Marlon* ist 25 – Groß, muskulös, mit Dreitagebart. Er ist so<br />

glücklich und zufrieden wie noch nie zuvor. Doch das war nicht<br />

immer so, denn Marlon wurde als Mädchen geboren. Sein<br />

junges Leben ist gezeichnet von Verwirrung, Verzweiflung und<br />

Ausgrenzung. Erst ein Selbstmordversuch bringt ihn an den<br />

Wendepunkt seines Lebens. Er entscheidet sich zu einer<br />

Geschlechtsumwandlung.<br />

VON MIRIAM RENTSCHLER<br />

Marlon blickt in die Ferne. Er schätzt<br />

sein Motiv ab, geht in die Hocke<br />

und legt die Spiegelreflexkamera<br />

an. Ein Auge ist zugekniffen, das<br />

andere blickt konzentriert durch<br />

den Sucher. Mit gekonnten Handbewegungen<br />

fokussiert er sein Motiv – er drückt ab.<br />

Fotografieren ist Marlons große Leidenschaft.<br />

„Die Welt steht in Bildern still. Eine Aufnahme<br />

nur für diesen einen Moment“, erklärt Marlon. Er<br />

wirkt selbstbewusst. Sneakers, hochgekrempelte<br />

Jeans, Kapuzenpullover und Basecap. Ein ganz<br />

normaler junger Mann eben. Bis auf die Tatsache,<br />

dass Marlon noch vor zwei Jahren Carolin hieß.<br />

„Im Kopf bin ich ein Junge, aber stecke im Körper eines<br />

Mädchens.“<br />

Heute steht Marlon in seinem Personal -<br />

ausweis. Geschlecht: männlich. Doch die Än -<br />

derung seines Vornamens war nur eine von vielen<br />

Etappen die er, auf seinem Weg ein Mann zu<br />

werden, gehen musste. Schon als Kind fühlte sich<br />

Marlon nie als Mädchen. Zusammen mit seinen<br />

Eltern und seinem großen Bruder wuchs er in<br />

behüteten Verhältnissen auf. Die Spielsachen<br />

seines Bruders waren immer viel interessanter als<br />

die typischen Mädchen-Geschenke die er<br />

bekommen hat. Anstatt geflochtenen Zöpfen,<br />

lieber eine Kurzhaarfrisur. Anstatt Kleider, lieber<br />

eine zerrissene Jeans. „Meine Eltern dachten, dass<br />

ich nur eine Phase durchmache und meinem<br />

großen Bruder hinterhereifere. Doch ich wusste<br />

genau: Im Kopf bin ich ein Junge, aber stecke im<br />

Körper eines Mädchens“, erinnert sich Marlon.<br />

„In der Grundschule hatte ich viele Freunde,<br />

hauptsächlich Jungs. Sobald ich aber auf die<br />

weiterführende Schule ging und die Pubertät<br />

einsetzte, ging es nur noch bergab.“<br />

Mit der Pubertät veränderte sich Marlons<br />

Körper in den einer Frau und er konnte nur hilflos<br />

dabei zusehen. Er ekelte sich vor sich selbst. Band<br />

sich seine Brüste mit Mullbinden ab, trug stets<br />

lockere Kleidung und verschloss sich in seiner<br />

eigenen Welt. Das Mobbing machte es nicht<br />

besser, „Scheiß Lesbe“ oder „Zwitter“ waren noch<br />

die freundlichsten Beleidigungen, die er über sich<br />

ergehen lassen musste.<br />

„Ich wünschte mir einfach nur zu sterben, um als Junge<br />

wiedergeboren zu werden.“<br />

Doch Marlon ist bei weitem kein Einzelfall. In<br />

Deutschland leben rund 17.000 transsexuelle<br />

Menschen mit diesem <strong>Schicksal</strong>. Ein <strong>Schicksal</strong> das<br />

ihnen nicht im Laufe ihres Lebens widerfährt; ein<br />

<strong>Schicksal</strong> mit welchem sie geboren werden. Viele<br />

schämen sich dafür, kennen ihre Rolle in der<br />

Gesellschaft nicht und haben Angst deswegen<br />

verstoßen zu werden. So auch Marlon. Mit 20 will<br />

er sich das Leben nehmen und verletzt sich selbst<br />

schwer an seinen Pulsadern. Doch er überlebt.<br />

„Ich kann und möchte darüber nicht sprechen, zu<br />

diesem Zeitpunkt war ich am Tiefpunkt meines<br />

Lebens. Ich wünschte mir einfach nur zu sterben<br />

um als Junge wiedergeboren zu werden“, erzählt<br />

Marlon traurig. Doch genau dieser Tag wurde zum<br />

Wendepunkt in seinem Leben. Mit dem Selbstmordversuch<br />

wird Marlon in eine psychiatrische<br />

Klinik eingewiesen und vertraut sich Psychologen<br />

und Ärzten an. Erst jetzt wird er ernst genommen<br />

und fühlt sich verstanden. „Für meine Eltern war<br />

es schwer. Mein Vater wollte seine Tochter nicht<br />

verlieren. Ich musste ihm erklären, dass er nie eine<br />

Tochter hatte.“ Doch sie stehen hinter Marlon,<br />

geben ihm den Beistand und die Unterstützung<br />

die ihm immer gefehlt hat.<br />

Die erste Testosteronspritze war der Start in ein neues<br />

Leben<br />

Zwei Jahre verbringt Marlon in der psychiatrischen<br />

Einrichtung, wird psychologisch betreut<br />

und beginnt mit der Hormontherapie in Form<br />

von Testosteronspritzen. „Ich kann mich noch gut<br />

an die erste Injektion erinnern, das war der Start in<br />

mein neues Leben. Einem Leben als Mann.“ In<br />

den darauffolgenden Monaten verändert sich<br />

sein Körper stetig. Nicht nur die zunehmende<br />

Muskulatur freut Marlon, vor allem die ersten<br />

Bartstoppeln am Kinn waren ein besonderes Highlight<br />

für ihn. An seine tiefe Stimme musste er sich<br />

selbst erst einmal gewöhnen. „Mit <strong>21</strong> in die Pubertät<br />

zu kommen hat doch auch was. Und dieses<br />

mal in die richtige Pubertät“, sagt Marlon grinsend<br />

und fährt sich stolz durch seinen Bart. Erst<br />

vor einem halben Jahr hat er sich in einer Operation<br />

die Brüste entfernen lassen. Allein für diesen<br />

Eingriff sind vier psychologische Gutachten notwendig.<br />

Die Tage im Krankenhaus beschreibt er<br />

als einen weiteren Meilenstein auf seinem Weg<br />

zum Mann. Er sei überglücklich gewesen als er aus<br />

der Narkose aufgewacht ist, die Schmerzen habe er<br />

ohne Murren hingenommen.<br />

Marlons Familie und die Menschen in seiner<br />

Umgebung haben seine äußerliche Veränderung<br />

mit Toleranz und Respekt aufgenommen, sie<br />

sehen in ihm einen ganz anderen Menschen,<br />

obwohl er ein und dieselbe Person ist. Aber nicht<br />

nur die äußerliche Veränderung, auch die seelische<br />

Veränderung macht aus Marlon eine neue<br />

Persönlichkeit. Er beschreibt sich heute als selbstbewusst,<br />

lebensfroh und spontan. Er macht eine<br />

Ausbildung zum Fotografen, er ist sportlich und<br />

trainiert im Fitnessstudio, er trifft sich mit Freunden<br />

und geht auf Partys. „Carolin wird natürlich<br />

immer Teil meines Lebens sein und auch bleiben.<br />

Aber ich blicke jetzt nach vorne, denn ich habe<br />

meinen Lebenswillen zurück.“<br />

Für die geschlechtsangleichende Operation<br />

möchte sich Marlon jedoch noch etwas Zeit nehmen,<br />

denn er hat großen Respekt vor diesem Eingriff.<br />

„Der Tag wird kommen, auf jeden Fall“,<br />

grinst er verlegen. „Aber für den Moment bin<br />

einfach nur stolz, dass ich es bis hierhin geschafft<br />

habe. Jetzt bin ich glücklich!“<br />

* Name durch Redaktion geändert


6 AUS DEM LEBEN<br />

mediakompakt<br />

Bild: flickr.com<br />

Danke, dass ich leben darf<br />

Krebs zählt zu den häufigsten Erkrankungen in Deutschland – jeden Zweiten trifft es einmal im<br />

Laufe des Lebens. Nach Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems ist Krebs die zweithäufigste<br />

Todesursache. Wie es sich anfühlt Betroffener zu sein ist nur schwer vorstellbar. Doch wie<br />

reagiert man tatsächlich wenn, man von dem Arzt die Diagnose Krebs gestellt bekommt?<br />

VON ALINA BREUNIG<br />

Zahl der Krebs-Neuerkrankungen in Deutschland<br />

gestiegen<br />

Wie aus dem „Bericht zum Krebsgeschehen in<br />

Deutschland“ vom Robert-Koch-Institut hervorgeht,<br />

hat sich die Zahl der Krebs-Neuerkrankungen<br />

in Deutschland seit 1970 fast verdoppelt.<br />

So erkrankten im Jahr 2013 in etwa 482.500 Menschen<br />

an bösartigen Tumoren, im selben Jahr<br />

starben ca. 223.000 Menschen an den Folgen von<br />

Krebs. Nach der Bilanz des Bundesgesundheitsministers<br />

Hermann Gröhe leben Betroffene nach<br />

der Diagnose aber deutlich länger als noch vor<br />

zehn Jahren: „Die Überlebensraten in Deutschland<br />

gehören zu den höchsten in Europa.“ Die Zunahme<br />

der Erkrankungen wird begründet durch die<br />

immer älter werdende Gesellschaft, denn bei<br />

vielen Krebsarten steigt das Erkrankungsrisiko mit<br />

dem Alter.<br />

Der Sturz aus der Wirklichkeit<br />

Die Diagnose Krebs ist ein Schock. Der<br />

darauffolgende Kampf gegen die Krankheit ist oft<br />

nicht nur eine körperliche, sondern vor allem<br />

auch eine psychische Belastung. Sehr häufig<br />

zeigen sich die Betroffenen geschockt, sind<br />

fassungslos und ungläubig. In der Psychoonkologie<br />

spricht man von dem „Sturz aus der Wirklichkeit“.<br />

Noch während des Gesprächs mit dem<br />

Arzt schalten viele Patienten deshalb einfach ab<br />

und bekommen die weiteren Therapiemöglichkeiten<br />

und Untersuchungen gar nicht mehr mit.<br />

Nach dem ersten traumatischen Entsetzen funktionieren<br />

die meisten Betroffenen erst einmal: Sie<br />

nehmen regelmäßig ihre Arzttermine wahr, lassen<br />

sich operieren, unterziehen sich der Chemotherapie.<br />

Es läuft eine Art Notfallprogramm ab,<br />

das auf das Überleben ausgerichtet ist. Die Seele<br />

versteckt sich im Grunde erst einmal. Dann ist es<br />

aber wichtig, wieder auf die Beine zu kommen. Es<br />

geht darum, auf andere Gedanken zu kommen,<br />

sich abzulenken, Ängste einzugrenzen. Denn eine<br />

positive Einstellung begünstigt, gerade wenn Betroffene<br />

sehr krank sind, immer die Lebenskraft.<br />

Auch wenn die innere Einstellung eine Krebserkrankung<br />

leider nicht heilen kann. Wer es schafft,<br />

trotz des <strong>Schicksal</strong>sschlags auf die eigenen Kräfte<br />

und Erfahrungen zu vertrauen, hat schon viel für<br />

sich erreicht. Es ist deshalb wichtig sich nicht zurückzuziehen,<br />

sondern den Kontakt zu Bekannten<br />

und Freunden aufrechtzuerhalten; aktiv auf die<br />

Ärzte zuzugehen um offene Fragen zu klären; nicht<br />

nachzulassen und seine Hoffnung nie aufzugeben;<br />

durch die Erkrankung nicht den Lebenswillen zu<br />

verlieren, sondern sein <strong>Schicksal</strong> selbst in die<br />

Hand nehmen.<br />

Ich bin krank und brauche deine Hilfe<br />

„Krebs ist ein Arschloch. Und dieses Arschloch<br />

hat heute bei mir angeklopft. Und weil Arschlöcher<br />

meistens nicht alleine kommen, brauche<br />

ich deine Hilfe.“ Mit diesen Worten beginnt<br />

Claudius Holler sein YouTube Video, das er am<br />

Tag nach seiner Krebs-Diagnose online stellte.<br />

Durch diesen öffentlichen Hilferuf versucht der<br />

38-jährige wieder auf die Beine zu kommen und<br />

sich nicht vom <strong>Schicksal</strong> fremdbestimmen zu<br />

lassen. Das Video verbreitete sich schnell über<br />

die verschiedenen sozialen Netzwerke. Zahlreiche<br />

User solidarisieren sich unter dem Hashtag


1/2017 AUS DEM LEBEN<br />

7<br />

#hollerkaputt mit ihm, schickten ihm Wünsche<br />

zur Genesung und unterstützen ihn in Form von<br />

Spenden. Mit so viel Anteilnahme hat selbst<br />

Holler nicht gerechnet und zeigt sich auf Twitter<br />

sehr berührt von der Hilfsbereitschaft der Menschen.<br />

Claudius Holler ist kein Einzelfall. Immer<br />

häufiger werden die Betroffenen und deren<br />

Angehörige selbst aktiv und rufen in den sozialen<br />

Netzwerken dazu auf, sie im Kampf gegen den<br />

Krebs zu unterstützen. Crowdfunding bietet ihnen<br />

eine gute Möglichkeit, die hohen Arzt- und Behandlungskosten<br />

zu bezahlen – Crowdfunding für<br />

Kranke sozusagen. Bisher wurden vor allem Filmprojekte,<br />

Alben oder Theaterstücke so finanziert.<br />

Jetzt bitten die Patienten selbst um Hilfe für Operationen,<br />

Medikamente, Therapien oder suchen<br />

nach passenden Spendern. Dadurch wird das Spenden<br />

persönlich. Denn über die vielen Möglichkeiten<br />

die das Internet bietet, können Kranke,<br />

deren Familien, Freunde oder Bekannte die ganze<br />

Welt erreichen. Nicht selten zeigen sich Personen<br />

des öffentlichen Lebens, wie zum Beispiel<br />

YouTuber, von den <strong>Schicksal</strong>sschlägen ergriffen<br />

und nutzen ihre Reichweite, um Geld für die<br />

Betroffenen zu sammeln oder potenzielle Spender<br />

zu erreichen. Die Resonanz ist erstaunlich: Fremde<br />

Menschen sind berührt von den <strong>Schicksal</strong>en der<br />

Patienten und unterstützen diese und ihre<br />

Familien. So können ganze Therapien finanziert,<br />

oder Organ-/Stammzellspender gefunden werden.<br />

Immer mehr Menschen entschließen sich im<br />

Laufe des Lebens dazu, sich einen Organspende-<br />

Ausweis zuzulegen. Laut einer Statista-Umfrage<br />

aus dem Jahr 2016 sind 71 Prozent der Befragten<br />

mit einer postmortalen Organtransplantation<br />

einverstanden. Mit einem solchen Ausweis kann<br />

jeder Mensch festlegen, ob und welche Organe<br />

nach dem Tod entnommen und gespendet werden<br />

Die deutsche Krebshilfe:<br />

Helfen. Forschen. Informieren.<br />

Gründung: 1974 von Dr. Mildred Scheel<br />

Ziel: Förderung von Projekten zur Ver- besserung der<br />

Prävention, Früherkennung, Diagnose, Therapie,<br />

medizinischen Nachsorge und psychosozialen Ver-<br />

sorgung einschließlich der Krebs- Selbsthilfe<br />

Wie kann ich helfen? Durch Einzelspenden oder<br />

regelmäßige Spenden, Benefizaktionen Weitere<br />

Infos: https://www.krebshilfe.de<br />

DKMS: Wir besiegen Blutkreb<br />

Gründung: 1991<br />

Ziel: Finden von passenden Spendern für Blutkrebs-<br />

patienten, Ermöglichung von Therapien, Unters-<br />

tützung der Weiterentwicklung von Therapien gegen<br />

Blutkrebs<br />

Meilensteine: 6.893.792 Registrierungen weltweit,<br />

60.024 Stammzellspenden für Patienten<br />

dürfen. Es gibt mittlerweile zahlreiche Möglichkeiten<br />

Betroffene und deren Familien zu unterstützen.<br />

Viele Organisationen und Vereine setzen<br />

sich mit viel Engagement gegen Krebs und andere<br />

schwerwiegende Krankheiten ein, um dagegen<br />

vorzugehen und die Zahl der Todesfälle nicht<br />

weiter steigen zu lassen. Im Infokasten werden die<br />

größten Hilfsorganisationen vorgestellt.<br />

Hilfsorganisationen: Die wichtigsten Eckdaten<br />

Wie kann ich helfen? Sich typisieren lassen und<br />

entweder Blut oder Stammzellen spenden, durch<br />

Geldspenden<br />

Weitere Infos : https://www.dkms.de/de<br />

Organspende: Die Entscheidung zählt!<br />

Gründung: 1963<br />

Ziel: Wartezeiten für benötigte Organe verkürzen,<br />

Menschen darauf aufmerksam machen wie<br />

wichtig es ist sich frühzeitig Gedanken über<br />

Organtransplan- tationen zu machen und<br />

diese festzuhalten, sodass im Todesfall<br />

schnellstmöglich gehandelt werden kann<br />

Meilensteine: Bisher wurden 124.269 Organe<br />

(inkl. Lebend- und Dominospenden) transplantiert<br />

Wie kann ich helfen? Sich einen Organspende-<br />

Ausweis zulegen und angeben ob man Organe<br />

spenden möchte und wenn ja welche?<br />

Weitere Infos: https://www.organspende-info.de<br />

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Deine Bewerbung. Sende uns diese bitte per E-Mail an<br />

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Rudolf-Plank-Straße 31, 76275 Ettlingen, www.funkinform.de


8<br />

AUS DEM LEBEN<br />

mediakompakt<br />

Multiple Sklerose –<br />

<strong>Schicksal</strong>sjahre einer Krankheit<br />

Immer häufiger liest man von der Krankheit Multiple Sklerose. Aber was ist das für eine<br />

Krankheit und wie geht man mit ihr um?<br />

VON PETER STUHR<br />

Mein Bruder und ich spielten auf dem<br />

Spielplatz und warteten darauf, dass<br />

unsere Mutter uns abholt. Sie kam<br />

in Begleitung von einem befreun -<br />

deten Pastor zu uns und sie unter -<br />

hielten sich über die Krankheit Multiple Sklerose<br />

und dass es Selbsthilfegruppen gäbe und dass das<br />

Leben weitergehe. Uns wurde erzählt, dass Papa an<br />

MS leidet und man es zum Glück diagnostizieren<br />

konnte, denn man kann gegen die Krankheit<br />

Medikamente nehmen und auch damit leben.<br />

Wir hatten damals keine Vorstellung von<br />

dieser Krankheit und wussten nicht was eigentlich<br />

los war und was es bedeutet, die Diagnose MS zu<br />

bekommen. Wir fuhren mit unserer Mutter im<br />

Auto nach Hause. Papa war schon mit dem<br />

Fahrrad vorgefahren und wir hatten ihn seit der<br />

Diagnose noch nicht wieder gesehen. Als wir<br />

zuhause ankamen, saß mein Vater auf der Bank<br />

vor dem Haus, mit einem Bier in der Hand und<br />

gedankenversunken ins Leere schauend. In der<br />

Familie von meinem Vater gab es schon einmal<br />

einen Onkel, der die Diagnose MS bekommen hat.<br />

Vor ca. 70 Jahren, ein Tischler. Noch in derselben<br />

Woche hat er sich erhängt.<br />

Wie reagiert man, wenn man von so einem<br />

<strong>Schicksal</strong>sschlag erfährt und die einzige Erfahrung<br />

mit der Krankheit in einem Selbstmord geendet<br />

ist? Mein Vater hat sein Leben umgekrempelt. Er<br />

hat mit dem Rauchen aufgehört, angefangen<br />

regelmäßig Sport zu betreiben und sich über<br />

Multiple Sklerose informiert. Eine Nerven krank -<br />

heit, die im ersten Moment nicht sichtbar ist, aber<br />

sichtbar wird, wenn man weiß worauf man achten<br />

muss. Die Krankheit ist nicht heilbar, kann jedoch<br />

mit Hilfe von Medikamenten und anderen<br />

Maßnahmen, wie zum Beispiel Therapien, günstig<br />

beeinflusst werden. Die Krankheit befällt das zen -<br />

trale Nervensystem und kann die verschiedensten<br />

Symptome hervorrufen. Sie kann zum Beispiel<br />

Muskelschwäche oder Lähmungen, eine Mind -<br />

erung der Sehschärfe, eine krampfhafte Erhöhung<br />

der Muskelspannung, sowie Gefühlsstörungen<br />

oder Missempfindungen hervorrufen. Der Krank -<br />

heitsverlauf ist nicht vorhersehbar und verläuft<br />

häufig schubweise. Das bedeutet, dass es zu einem<br />

bestimmten Zeitpunkt massive Beeinträchtigun -<br />

gen geben kann. Diese Beeinträchtigungen kön -<br />

nen aber wieder im Laufe der Zeit oder Therapien<br />

ver schwinden. Manchmal vollständig, manchmal<br />

aber nur teilweise.<br />

Aber nicht nur an der Krankheit leidet der<br />

MS-Patient, auch die Behandlung mit Medika -<br />

menten ist noch nicht sehr weit erforscht und es<br />

gibt viele Varianten an MS, sodass es auch hier zu<br />

Problemen kommen kann. Mit der Zeit lernt man<br />

mit der Krankheit zu leben, als einzelne Person,<br />

aber auch als Familie, auch wenn es nicht immer<br />

ganz einfach ist. Wie lange mein Vater die<br />

Krankheit wirklich hat lässt sich nicht feststellen,<br />

aber sie wurde vor ca. 15 Jahren diagnostiziert.<br />

Seitdem kommt es immer wieder zu kleineren<br />

Schüben, aber die MS-Variante an der mein Vater<br />

leidet, ist zum Glück noch eine der harmloseren<br />

Formen von MS. Die Nervenkrankheit wirkt sich<br />

überwiegend auf die Hände und Füße aus. So<br />

kommt vor, dass er Gegenstände fallen lässt und<br />

oftmals Taubheitsgefühle in Hän den und Füßen<br />

hat. Gerade beim Essen kann es sehr nervig sein,<br />

wenn die Gabel aus keinem ersicht lichen Grund<br />

aus der Hand fällt und sicherlich ist auch schon<br />

die eine oder andere Tasse zersprung en.<br />

Bild: Peter Stuhr<br />

Aber im Großen und Ganzen ist der Alltag mit<br />

einigen Einschränkungen durchaus machbar. Al -<br />

lerdings gibt es noch weitere Probleme, wie zum<br />

Beispiel mit dem Gleichgewicht. So fällt es ihm<br />

schwer, beim Sport Dehnübungen auf einem Bein<br />

zu machen und das Motorrad fahren musste er<br />

auch aufgeben. Das Gleichgewichtsproblem lässt<br />

sich aber trainieren und durch Sport und häufiges<br />

Fahrrad fahren ist es auch zu bewältigen.<br />

Von allen Formen der MS haben wir wohl<br />

noch am meisten Glück gehabt, aber zu Beginn<br />

überwiegt die Ungewissheit wie stark die MS<br />

wirklich ist und welche Formen sie annehmen<br />

kann und wird.<br />

In letzter Zeit leidet aber die Ausdauer. So ist er<br />

zu erschöpft um wirklich Sport zu treiben und nur<br />

ein kleiner Spaziergang fällt ihm schon unheim -<br />

lich schwer. Aber auch das wird sich wieder legen.<br />

Mit etwas Disziplin und Training kommt auch das<br />

wieder zurück und ich kann wieder mit meinem<br />

Vater eine ruhige Joggingtour starten.


1/2017 AUS DEM LEBEN<br />

9<br />

Über das<br />

<strong>Schicksal</strong><br />

gestolpert<br />

Bild: Andrea Hehn<br />

Die ersten Steine Vaihingens<br />

„Die Würde des Menschen ist<br />

unantastbar. Sie zu achten<br />

und zu schützen ist<br />

Verpflichtung aller staatlichen<br />

Gewalt“(Art. 1 GG). Die<br />

Stolpersteine erinnern an<br />

Menschen deren Würde von<br />

staatlicher Gewalt Verfolgung,<br />

Unterdrückung und Leid<br />

erfahren haben.<br />

VON ANDREA HEHN<br />

Jeder Mensch hat seine Geschichte. Einige<br />

Geschichten werden erzählt und überdauern<br />

Jahrzehnte und Jahrhunderte – die meisten<br />

aber geraten in Vergessenheit. Allerdings<br />

gibt es Geschichten, die nicht in Vergessenheit<br />

geraten dürften. Geschichten hinter denen<br />

<strong>Schicksal</strong>e stehen, die es wert sind beachtet und in<br />

Ehren gehalten zu werden. Dazu zählen Menschen,<br />

die es gewagt haben in der dunkelsten Stunde des<br />

20. Jahrhunderts für ihre Überzeugung und für die<br />

Menschlichkeit einzusetzen. Dazu zählen Menschen<br />

die ihr Leben riskierten, weil sie zur falschen Zeit<br />

am falschen Ort das Richtige zu sagen wagten und<br />

dazu gehören Menschen, die von einer herrschenden<br />

Gruppe unterdrückt wurden. Dass diese<br />

Menschen und ihre <strong>Schicksal</strong>e nicht vergessen<br />

werden, dazu leistet die Initiative Stolpersteine<br />

einen wichtigen Beitrag.<br />

Schon über 500 Stolpersteine wurden allein in<br />

Stuttgart verlegt, weltweit über 50.000. Unter<br />

anderem in Österreich, den Niederlanden, Polen,<br />

Tschechien und Ungarn findet der aufmerksame<br />

Zu-Fuß-Geher die ca. 10 x 10 cm großen Messingplatten<br />

auf seinem Weg eingelassen. Die Stolpersteine<br />

gibt es bereits seit 1992 als der Berliner<br />

Künstler Gunter Demnig das Projekt zum<br />

50. Jahrestag des Ausschwitz-Erlasses (Heinrich<br />

Himmler befiehlt Deportation von Sinti und<br />

Roma) startete. Heute sind die Stolpersteine als<br />

Marke patentrechtlich geschützt.<br />

In Stuttgart gibt es auf unterschiedliche<br />

Stadtteile verteilt 15 Initiativen, wie mir Karl-<br />

Horst Marquart und Harald Habich von der<br />

Vaihinger Stolpersteininitiative erzählen. Jede<br />

dieser Gruppen trifft sich regelmäßig, die daraus<br />

resultierenden Vorschläge für neue Stolpersteine<br />

in Vaihingen, Rohr und Dürrlewang werden bei<br />

den zwei Mal jährlich stattfindenden Gesamttreffen<br />

aller 15 Initiativen vorgestellt. Unter allen<br />

eingebrachten Vorschlägen einigt man sich auf<br />

zwei <strong>Schicksal</strong>sträger, die einen Gedenkstein<br />

bekommen sollen und im nächsten Schritt<br />

bekommt Gunter Demnig Bescheid, der die Steine<br />

selbst verlegt.<br />

Der erste Stuttgarter Stein wurde kurz nach der<br />

Jahrtausendwende verlegt, 2002/2003. Die Stadt,<br />

in Person des damaligen Oberbürgermeister<br />

Schusters, unterstützte das Projekt von Anfang an<br />

berichten Marquart und Habich. Selbstverständlich<br />

ist dies nicht, in München beispielsweise sind<br />

die Stolpersteine verboten. Die ersten beiden<br />

Steine in Vaihingen wurde im November 2006 in<br />

der Hauptstraße vor dem Gebäude der deutschen<br />

Bank gelegt. Die Bank hat das Projekt unterstützt,<br />

auch finanziell. Die Steine erinnern an das<br />

Ehepaar Franz und Henriette Fried. Franz Fried<br />

war Bankvorsteher, bevor er als Jude seine Arbeit<br />

nicht weiter ausführen konnte und die Frieds<br />

1941 von den Nationalsozialisten nach Riga<br />

deportiert und ermordet wurden. Über die Frieds<br />

wurde viel Positives berichtet, sie waren in<br />

Vaihingen angesehene Leute. Ihre Stolpersteine<br />

setzen ein Zeichen der Erinnerung für die von den<br />

Nationalsozialisten ermordeten Vaihinger Bürger.<br />

Aber wie kommen die Initiativen um Marquart<br />

und Habich an die jeweiligen Informationen zu<br />

den einzelnen <strong>Schicksal</strong>strägern? Dahinter steckt<br />

viel Archivarbeit, Mund-zu-Mund-Propaganda<br />

und eine Portion Glück und <strong>Zufall</strong>. Da gibt es<br />

ältere Vaihinger, die sich noch erinnern, wenn es<br />

aus datenschutzrechtlichen Gründen schwierig<br />

wird Verwandte und Angehörige zu ermitteln.<br />

Durch diese entsteht dann wie im Falle der Frieds<br />

vielleicht ein Kontakt zu direkten Verwandten in<br />

Australien und über Australien zu einem Onkel<br />

nach England. Dieser Onkel war bei der Verlegung<br />

in Vaihingen dann tatsächlich dabei.<br />

Während in den Anfängen der Stolperstein-<br />

Initiativen jüdischen Mitbürgern gedacht wurde,<br />

die zum Opfer der Nationalsozialisten wurden, ist<br />

die Auswahl heute nicht mehr darauf beschränkt.<br />

Unter den 16 Vaihinger Steinen gibt es vergleichsweise<br />

viele Opfergruppen. Erst im Herbst<br />

2016 wurde ein Stein für Nikolaus Tschermuk<br />

verlegt, einem russischen Zwangsarbeiter, der sich<br />

im Alter von 19 Jahren das Leben nahm. Und<br />

Euthanasieopfer, wie Johan Uebler, der <strong>21</strong>-jährig<br />

in eine Heilanstalt eingewiesen wurde, da er die<br />

traumatisierenden Erlebnisse des 1. Weltkriegs<br />

nicht verarbeiten konnte, und im Alter von 43<br />

Jahren von den Nationalsozialisten ermordet<br />

wurde. Oder dem Mahnmal für Gerhard Durner,<br />

der im Alter von 6 Jahren wegen seiner<br />

Behinderung ermordet wurde. Dies war<br />

stuttgartweit der erste Stein für ein Opfer der<br />

Kindereuthanasie.<br />

Über das Thema Kindereuthanasie kam<br />

Habich zur Initiative der Stolpersteine. Durch<br />

seine Arbeit im sozialen Bereich, sowie durch<br />

seinen behinderten Sohn, hat ihn seine persönliche<br />

Betroffenheit sich intensiver mit dem Thema<br />

beschäftigen lassen. Das Unverständnis über die<br />

Taten von damals ist jedoch nie ganz gewichen.<br />

Wie könnte es auch.<br />

Marquart hingegen kam durch seine Arbeit im<br />

Gesundheitsamt zu den Stolpersteinen. Als das<br />

Amt umzog und unter anderem eine falsche Darstellung<br />

der Geschichte kommuniziert wurde,<br />

begann er sich intensiver mit alten Akten und<br />

<strong>Schicksal</strong>en zu beschäftigen.<br />

Wie die Zukunft der Stolperstein Initiative<br />

aussieht, ist ungewiss. Der feste Kern der Vaihinger<br />

Gruppe besteht aus fünf Mitgliedern. Quer<br />

durch die Initiativen liegt das Durch- schnittsalter<br />

über 70 Jahre. Zudem werden die Zeitzeugen, die<br />

einen wesentlichen Teil der Rekonstruktion ausmachen,<br />

rarer.<br />

Abschließend darf ich mir einen persönlichen<br />

Kommentar erlauben: Hoffentlich findet<br />

die Stolperstein-Initiative einen guten Weg in die<br />

Zukunft. Damit wir Menschen nicht vergessen.<br />

Denn wie Theodor Heuss einst sagte: „Vergessen<br />

ist Gefahr und Gnade zugleich“.<br />

Stolpersteine in Stuttgart Vaihingen<br />

Bachstr. 22 für Wilhelm Merk<br />

Büsnauer Str. 260 für Friederike Reinhardt<br />

Dachswaldweg 178 für Johann Uebler<br />

Ernst-Kachel-Str. 48 für Fritz Schäfer<br />

Goldregenweg 41 für Gerhard Durner<br />

Hauptstr. 11 für Franz Fried<br />

Hauptstr. 11 für Henriette Fried<br />

Katzenbachstr. 50 für Robert Rebmann<br />

Keltenberg 10/1 für Gottlob Häberle<br />

Peterstr. 24 für Christian Elsässer<br />

Reginenstr. 18 für Reinhold Bürkle<br />

Schockenriedstr. 11 für Eugen Banz<br />

Schockenriedstr. 20 für Nikolaus Tschermuk<br />

Schockenriedstr. 1–11 für Katharina Karanowa<br />

Vaihinger Markt 12 für August Leitz


10 AUS DEM LEBEN<br />

mediakompakt<br />

Mein <strong>Zufall</strong>stag –<br />

ein Selbstversuch<br />

Wir neigen dazu, in unserem Leben nichts dem <strong>Zufall</strong> zu<br />

überlassen. Aber verbauen wir uns so die Möglichkeit Großes<br />

zu erleben? Die Dinge auf sich zukommen lassen, den<br />

Augenblick leben – viele von uns sind gefangen im Trott des<br />

Alltags. Um genau dem entgegenzuwirken, beschloss ich,<br />

einen Tag den <strong>Zufall</strong> (oder doch das <strong>Schicksal</strong>?) über mein<br />

Leben regieren zu lassen.<br />

VON LAURA KIBELE<br />

Natürlich standen an dem von mir<br />

auserkorenen Tag keine lebensver -<br />

ändernden Entscheidungen an. Ich<br />

bin ja nicht bescheuert. Trotzdem war<br />

ich etwas angespannt, denn am Ende<br />

sollte ja ein halbwegs unterhaltsamer Artikel<br />

herausspringen. Unterstützung bei meinem Vor -<br />

haben erhielt ich von meiner Freundin Regina.<br />

Schon von Anfang an war klar: Entweder wird das<br />

richtig super oder eben super langweilig. Um<br />

wenigstens eine Sache, nämlich den Spaßfaktor,<br />

nicht dem <strong>Zufall</strong> zu überlassen, beschlossen wir,<br />

dass eine Flasche Sekt für unser Projekt durchaus<br />

förderlich wäre. So gestärkt konnte es dann los<br />

gehen. Ausgestattet mit einer Münze, Zetteln und<br />

einem Stift machten wir uns auf in die Stadt.<br />

Einfache Ja-Nein-Entscheidungen sollten mithilfe<br />

der Münze getroffen werden, die Zettel und der<br />

Stift kamen zum Einsatz, wenn mehrere Optionen<br />

zur Wahl standen.<br />

Wie es der <strong>Zufall</strong> wollte, fand in der Innenstadt<br />

gerade der Weihnachtsmarkt statt und der erste<br />

Münzwurf bestätigte, dass es um 11 Uhr morgens<br />

definitiv Zeit für einen Glühwein war. Und dann<br />

noch einen. Nach zwei Glühwein knurrte dann<br />

auch schon der Magen. Wir standen vor ein<br />

Problem das jeder kennt: Man ist gefühlt am<br />

Verhungern, kann sich aber nicht entscheiden.<br />

Bild: Laura Kibele


1/2017 AUS DEM LEBEN<br />

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abcdefghijklmnopqrstuvwxyz1234567890<br />

11<br />

Bild: Laura Kibele<br />

Bild: Laura Kibele<br />

Oder man ist in einer Gruppe unterwegs und jeder<br />

möchte etwas Anderes essen. Schwierigkeiten<br />

dieser Art kamen im Zuge des Experimentes nicht<br />

auf. Auf mehrere Zettel schrieben wir, was an den<br />

umliegenden Ständen angeboten wurde, und<br />

losten dann unser Mittagessen aus.<br />

Die zufällige Wahl fiel auf Lángos: in fett aus -<br />

gebackene Hefeteig-Fladen. Die sind zwar nicht<br />

gerade kalorienarm, dafür aber sehr lecker. Ich war<br />

zufrieden mit der Wahl. Und wir stellten fest, wie<br />

angenehm es war, sich nicht mit solchen Kleinig -<br />

keiten aufzuhalten. Da wir aber nicht den ganzen<br />

Tag auf dem Weihnachtsmarkt verbringen und<br />

abwechselnd Glühwein trinken und fettige Snacks<br />

essen konnten (Wieso eigentlich nicht?), war es<br />

an der Zeit, unsere nächste Aktivität zu planen.<br />

Aber vorher mussten wir dringend eine Toilette<br />

aufsuchen.<br />

Auf dem Weg zum stillen Örtchen kamen wir<br />

an einem Shop für Partyzubehör vorbei, in dem<br />

auch Helium-Luftballons verkauft wurden. Wie so<br />

ziemlich jeder wollte auch ich als Kind immer<br />

einen Helium-Luftballon besitzen, und natürlich<br />

haben meine Eltern mir nie einen gekauft. Auch<br />

Regina war von den süßen Hündchen und Ren -<br />

tieren ganz angetan. Ob das an den nost algischen<br />

Gefühlen, welche die luftigen Tierchen in uns<br />

weckten, oder dem Glühwein lag, lässt sich im<br />

Nachhinein nicht mehr zweifelsfrei bestimmen.<br />

Die Münze entschied, dass wir uns definitiv eines<br />

dieser Ballon-Tiere zulegen sollten, und mit Hilfe<br />

unseres ausgeklügelten Zettel-Systems fiel die<br />

Wahl auf ein Rentier, das wir kurzerhand „Carlos“<br />

tauften. Mit Carlos im Schlepptau setzten wir<br />

unseren Weg fort. Ob die Leute, die uns auf dem<br />

Weg begegneten mit oder über uns lachten, ließen<br />

wir links liegen. Regina und ich waren auf jeden<br />

Fall sehr glücklich über unseren Kauf. Mein Konto<br />

eher weniger. Ganze 13 Euro für einen Ballon ...<br />

Nach dem Toiletten-Pitstop ging es für uns<br />

weiter zur Buchhandlung Wittwer. Unser Plan<br />

war, in einem der vielen Stuttgart-Reiseführer<br />

unsere nächste Aktivität auszuwählen. Also<br />

schlugen wir eine zufällige Seite auf und landeten<br />

bei einem Eintrag zum Schlosspark. Ich muss<br />

sagen, etwas enttäuscht waren wir durchaus.<br />

Besonders spannend war das ja nicht.<br />

Rückblickend betrachtet, muss es aber<br />

<strong>Schicksal</strong> gewesen sein. Denn als wir auf einer<br />

Parkbank im Schlosspark in der Sonne ent -<br />

spannten und uns Gedanken über die nächsten<br />

Aktionen machten, kam eine Gruppe von Fuß. -<br />

gängern auf uns zu. Es waren Freunde von Regina,<br />

die gerade auf dem Weg zum Hauptbahnhof<br />

waren, um sich dort mit einem befreundeten<br />

Architekturstudenten zu treffen, der ihnen ein<br />

bisschen etwas über Stuttgart im Allgemeinen und<br />

den Bahnhof im Speziellen er zählen wollte. Wir<br />

ergriffen diese Chance und schlossen uns der<br />

Gruppe an. Ich wollte schon oft hoch auf den<br />

Bahnhofsturm, aber irgendwie hatte ich es nie ge -<br />

schafft. Das Ganze im Rahmen einer Führung<br />

machen zu dürfen, das war toll!<br />

Und so beendeten Regina und ich unseren<br />

entspannten, vom <strong>Zufall</strong> oder <strong>Schicksal</strong> geleiteten<br />

Tag. Großes haben wir zwar nicht erlebt, dafür<br />

aber einige schöne und komische Situationen, die<br />

uns normalerweise so wohl nicht passiert wären.<br />

Lustig war es allemal und ich kann absolut jedem<br />

weiterempfehlen, einmal etwas Neues auszupro -<br />

bieren und einen <strong>Zufall</strong>stag (oder <strong>Schicksal</strong>stag?)<br />

zu verbringen.<br />

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12<br />

NACHGEFRAGT & AUSPROBIERT<br />

mediakompakt<br />

Das Phänomen „<strong>Zufall</strong>“ ist grenzüberschreitend, und man findet es auch in der bildenden<br />

Kunst. Im Kunstmuseum Stuttgart (der gläserne Würfel am Schlossplatz) läuft noch bis zum<br />

19.2.2017 die Ausstellung „[un]erwartet. Die Kunst des <strong>Zufall</strong>s.“ Diesem Bericht liegt ein<br />

Gespräch mit Frau Dr. Eva-Marina Froitzheim zugrunde, die die Ausstellung als Kuratorin<br />

betreut und gestaltet hat.<br />

VON ANNE-MIRJAM KREUTER<br />

Der <strong>Zufall</strong> in der Kunst<br />

Künstlerinnen und Künstler arbeiten seit<br />

den 20er Jahren ganz bewusst mit dem<br />

<strong>Zufall</strong> als Gegenstand des kreativen<br />

Prozesses. Besonders in Zeiten poli -<br />

tischen Umbruchs ist der <strong>Zufall</strong> als<br />

Methode der Kunst en vogue. Solange alles gut<br />

„DER ZUFALL KOMMT AUS<br />

DER LEERE. DEM KÜNSTER<br />

BRINGT ER DIE FÜLLE.“<br />

laufe, möge keiner auf eine Veränderung von<br />

Zuständen hindrängen, aber sobald eine Situation<br />

gestört ist, sei man eher dazu bereit sich dem<br />

Experiment zuzuneigen, beschreibt die Museums -<br />

kuratorin Frau Dr. Eva-Marina Froitzheim dieses<br />

Phänomen. Ein gutes Beispiel aus dem Alltag seien<br />

Bewerbungsphasen. Wenn man bereit sei, alt -<br />

bekannte Muster zu verlassen, merke man, wie<br />

viel Interessantes und Unerwartetes einem plötz -<br />

lich widerfahren könne und dass das Leben sich<br />

auch in eine ganz gute Richtung bewegen ließe.<br />

Wenn etwas zu lange eingefahren ist, sei die<br />

Bereitschaft, aus alten Mustern auszusteigen,<br />

höher. Dann öffne man dem Unbekannten<br />

beziehungsweise dem Zufälligen den Raum. So<br />

ginge es vielen Künstlern der Ausstellung.<br />

Natürlich hängt ein solches Verhalten, bei<br />

dem man das Ergebnis der eigenen Schöpfung<br />

dem <strong>Zufall</strong> überlässt, auch mit der Persönlichkeit<br />

des Künstlers zusammen. Eine andere Reaktion<br />

auf Zeiten der Krise stellt beispielsweise die<br />

„konkrete Kunst“ dar. Diese Kunstrichtung wurde<br />

in den 30er Jahren populär und hat den Anspruch,<br />

Kunstwerke im Geiste vollständig zu konzipieren<br />

und zu gestalten, bevor sie ausgeführt werden. Die<br />

Künstler der zufälligen Kunst, darunter viele<br />

Künstlerinnen, erfanden im Gegenzug unter -<br />

schiedliche Methoden, um den <strong>Zufall</strong> auszuloten<br />

und in ihre Werke einzubringen. Bis heute gelingt<br />

es ihnen, durch geplante Zufälle während des<br />

DIETRICH MAHLOW<br />

Werkprozesses künstlerisches Neuland zu betre -<br />

ten. Viele der methodischen Verfahren stammen<br />

ursprünglich aus der Biologie und Mathematik.<br />

Ausgangspunkte sind zum Beispiel die Zahl Pi<br />

oder aleatorische Verfahren wie Würfelwürfe. Mit<br />

dem <strong>Zufall</strong> gelingt es den Künstlern, subjektive<br />

Eigenheiten aus ihren Werken her -<br />

auszuhalten und durch objektive<br />

Konzepte dem Betrachter größere<br />

Freiheiten einzuräumen. Die Tat -<br />

sache, dass <strong>Zufall</strong> ein grenzüber -<br />

schreitendes Phänomen ist, führt zu<br />

der zweigeteilten Struktur der Aus -<br />

stellung:<br />

Der erste Bereich widmet sich der<br />

mathematisch-methodischen Annä -<br />

herung an das Phänomen „<strong>Zufall</strong> in der Kunst“.<br />

Der zweite Bereich konzentriert sich auf den<br />

philosophischen Aspekt des <strong>Zufall</strong>s, welcher sich<br />

an die Tatsache knüpft, dass wir nicht alle Abläufe<br />

Bild: Frank Kleinbach<br />

unseres Lebens kontrollieren können. Was be -<br />

deutet <strong>Zufall</strong> für unser <strong>Schicksal</strong>? Performance-<br />

Künstlerin Patrycja German legt in ihrer Instal -<br />

lation „Kartenlegen“ den Besucherinnen und<br />

Besuchern im dritten Stock der Ausstellung die<br />

Karten.<br />

Die Bewegung, die man bräuchte, um Zufälle<br />

ereignen zu lassen, würde Dr. Froitzheim immer<br />

so sehen, wie ein Engländer auch das Wort <strong>Zufall</strong><br />

übersetzen würde, nämlich als „chance“. Wenn<br />

ihr Leben komplett vom <strong>Schicksal</strong> bestimmt wäre,<br />

würde sie das nervös machen. Für viele sei Schick -<br />

sal ja auch etwas, was sie beruhigt. Umgekehrt<br />

könne es ja abert auch etwas Negatives bedeuten,<br />

denn schließlich können wir keinen Einfluss<br />

darauf nehmen. Der Mensch käme nicht darum<br />

herum bei der Frage „<strong>Zufall</strong> oder <strong>Schicksal</strong>“ für<br />

sich selbst eine Position zu finden, um sich damit<br />

durch sein eigenes Leben zu navigieren, so Dr.<br />

Froitzheim.<br />

Ausstellungsansicht „[un]erwartet. Die Kunst des <strong>Zufall</strong>s“,<br />

Kunstmuseum Stuttgart, 24. September 2016 – 19. Februar 2017


1/2017 NACHGEFRAGT & AUSPROBIERT<br />

13<br />

Und dann<br />

stürzt alles in sich zusammen.<br />

Bild: Sina Sikler<br />

Der erste Stein wird angestoßen, kippt und reißt den nächsten<br />

mit sich, dieser den folgenden und so geht es weiter, Stein für<br />

Stein, bis schließlich auch der letzte auf den Stoß seines<br />

direkten Nachbarn reagiert.<br />

VON SINA SIKLER<br />

Warum geschieht einem das, was<br />

einem tagtäglich geschieht? Wenn<br />

man diese Frage stellt, erhält man<br />

so viele verschiedene Antworten<br />

wie man Menschen gefragt hat. Die<br />

einen beteuern, dass das Karma-Konto des<br />

jeweiligen Akteurs für das verantwortlich ist, was<br />

ihm geschieht. Die Gedanken, Wünsche und<br />

Taten aus allen seinen Leben werden gespeichert<br />

und die Summe entscheidet über den Fortlauf des<br />

Lebens, beziehungsweise über das Leben als<br />

solches. Denn je nachdem wie viel gutes und<br />

schlechtes Karma man so angesammelt hat, wird<br />

man wieder geboren, oder erlangt irgendwann das<br />

End-Ziel der Erkenntnis. Wieder andere glauben<br />

an den Grundgedanken des Christentums und<br />

meinen, Gottes Macht reiche zwar aus, um alles<br />

Geschehen zu lenken, aber: der Mensch habe den<br />

freien Willen, er könne also letztendlich über sein<br />

Tun und somit über das Geschehen auf der Welt<br />

selbst bestimmen. Passiert einem etwas Schreck -<br />

liches, ein sogenannter <strong>Schicksal</strong>sschlag, wird das<br />

später oft als Erfahrung ausgelegt, als Etwas an<br />

dem derjenige reifen und stärker daraus hervor -<br />

gehen könne.<br />

Konfuzius’ Statement lautet: man begegnet<br />

den Menschen und Ereignissen, welchen man<br />

entspricht. All diese Wahrheiten haben eines<br />

gemeinsam: die Folge einer Handlung ist nichts<br />

Unabhängiges. Im Physikunterricht wird uns<br />

beigebracht, dass das Gesetz der Aktion und<br />

Reaktion universell gültig ist. Heißt: Man tut<br />

etwas, woraufhin unweigerlich etwas Anderes<br />

geschieht – drückt man mit vier Kilogramm Ge -<br />

wicht gegen eine Wand, drückt diese auch mit vier<br />

Kilogramm zurück. Die Reaktionen auf Taten sind<br />

zwar viel schwerer bis überhaupt nicht voraus -<br />

zusehen und der zeitliche Abstand zwischen den<br />

Taten und den darauffolgenden Reaktionen ist<br />

nicht berechenbar, ein Zusammenhang besteht<br />

dennoch. Der kippende Dominostein, der in der<br />

nächsten Sekunde alle anderen mit sich reißen<br />

wird, könnte ein Wort sein. Ein Wort, das ein<br />

Startsignal gibt, das Signal, auf welches hin alle<br />

Läufer losstürmen. In diesem Beispiel folgen<br />

Aktion und Reaktion unmittelbar aufeinander<br />

und jeder versteht den Zusammenhang.<br />

Wir alle entscheiden so viel. Täglich. Immer<br />

wieder aufs Neue. Tausende dieser Entschei -<br />

dungen wirken unbedeutend. Zum Beispiel: Laufe<br />

ich zur Uni, oder nehme ich den Bus? Diese<br />

Entscheidung wirkt zunächst unwichtig, für die<br />

Welt ist egal ob du läufst oder in den Bus steigst,<br />

der sowieso, auch ohne dich die gleiche Strecke<br />

fährt. Bis dir etwas passiert. Bis du zum Beispiel<br />

unterwegs von einem Auto angefahren wirst.<br />

Dann wirst du denken: Wäre ich doch mit dem<br />

Bus gefahren! Wie oft haben wir wohl schon eine<br />

Entscheidung getroffen, die uns vor etwas<br />

Schlimmem bewahrt hat? Wir können es nicht<br />

wissen. Andere Entscheidungen sind von Anfang<br />

an bedeutungsschwer. Wie zum Beispiel: soll ich<br />

in Stadt A oder B ziehen? Studieren oder arbeiten?<br />

In solchen Fällen wissen wir, dass die Ent -<br />

scheidung unseren weiteren Lebensweg prägen<br />

wird. Eine dritte Kategorie von Entscheidungen<br />

bilden die, die unbedeutend daherkommen, dann<br />

aber eine Kette von Reaktionen auslösen, die man<br />

nicht beabsichtigt hatte. So erinnern wir uns<br />

vielleicht gar nicht mehr an unsere auslösende<br />

Aktion, wenn die zugehörige Reaktion eintritt<br />

und nennen sie Karma, göttliche Vorsehung, Zu -<br />

fall, oder wie auch immer.<br />

Einen Tag vor der Präsidentschaftswahl in<br />

Amerika konnte man bei einem interaktiven Film<br />

von Galileo „You are President“ per App in die<br />

Rolle des Präsidenten schlüpfen und Entschei -<br />

dungen treffen. Den russischen Präsidenten an -<br />

gehen oder nachgeben? Die eigene Familie ins TV<br />

zerren oder den Präsidenten mit Under statement<br />

geben? Solche und weitere Fragen tauchten im<br />

Laufe der Story auf und die Mehrheit entschied.<br />

Auch jetzt gibt es das Ganze noch online zum Mit -<br />

machen. Galileo warnt in der Beschreibung des<br />

Spiels, dass eine Entscheidung, die man zu Beginn<br />

getätigt hat, einen am Schluss einholen und zur<br />

Katastrophe führen kann.<br />

Der erste Dominostein, der im interaktiven<br />

Spiel angestoßen wird, ist die Entscheidung, ob<br />

man nach einem Amoklauf zu Beginn die Waffen -<br />

gesetze lockern oder verschärfen möchte. Ent -<br />

scheidet man sich beispielsweise für verschärfen,<br />

stellt man das Recht eines Amerikaners sich zu<br />

verteidigen, also eine Waffe zu besitzen, infrage<br />

und dieses Recht ist in Amerika in der Verfassung<br />

verankert. Mit der Waffenlobby schafft man sich<br />

einen finanzkräftigen Gegner und viele der Bürger<br />

fühlen sich ihrer Freiheit beraubt. Andererseits<br />

sind 55 % der Amerikaner für schärfere Waffen-<br />

Kontrollen und befürworten diese Entscheidung.<br />

Fragen dieser Art werden im Verlauf des inter -<br />

aktiven Spieles viele gestellt und wohin das Ganze<br />

führt wird einem erst ganz am Ende klar, wenn die<br />

Reaktionen auf einen einprasseln. Hier wird noch<br />

einmal auf alle Entscheidungen, die man ge -<br />

troffen hat zurückgeblickt und es wird deutlich:<br />

was im ersten Moment wie eine gute Ent -<br />

scheidung wirkt, kann am Ende eine Katastrophe<br />

hervorrufen.<br />

Neugierig geworden?<br />

Es kann mitgespielt werden unter:<br />

http://www.galileo.tv/ausprobiert/you-are-president-der-inter<br />

aktive-film-zum-nachspielen/


14<br />

NACHGEFRAGT & AUSPROBIERT<br />

mediakompakt<br />

Die Sache mit<br />

den Glückskeksen ...<br />

Bild: Nina Henning<br />

Ein Versuch Glücksekse zu backen oder: Wie aus einem netten<br />

Back-Tutorial schnell ein Test für meine Geduld, meine Improvisationskünste<br />

und mein Selbstvertrauen wurde (denn ich<br />

kann eigentlich backen, wirklich!!).<br />

VON NINA HENNING<br />

1<br />

2 3<br />

4<br />

5<br />

Ich habe mir im Internet ein Rezept für Glückskekse<br />

herausgesucht und mich noch darüber<br />

gefreut, dass es sehr einfach aussieht; kein<br />

großer Aufwand, nur 4 Zutaten, Eiweiß, Mehl,<br />

Puderzucker und Butter. Zubereitungszeit:<br />

50 Minuten. Und die auch nur, weil man bei<br />

30 Stück insgesamt immer nur 2 –3 gleichzeitig<br />

backen soll, sonst kommt man nicht mit dem<br />

falten der Kekse hinterher bevor sie hart sind. Eine<br />

Herausforderung war mir aber von Anfang an<br />

bekannt: mein Backofen. Es ist ein Gasherd, aus<br />

den Anfängen der 80er Jahre, ohne Fenster und<br />

die Zahlen auf den Knöpfen müssen nicht immer<br />

die richtige Angabe machen. Mit diesem Backbegleiter<br />

wird stets nach Gefühl gebacken. Grundsätzlich.<br />

Als erstes muss man ein bisschen was vorbereiten,<br />

Backofen vorheizen, Glückskeksbotschaften<br />

schreiben und ein Backpapier mit Kreisen mit<br />

8 cm Durchmesser vorzeichnen.<br />

Für die Glückskeksbotschaften habe ich mir<br />

zwei Varianten überlegt, einmal die klassische<br />

Nachricht (z.B. „Der Weg ist das Ziel!“) und etwas<br />

Weihnachtlicheres („Frohe Weihnachten!“) (Bild 1),<br />

denn die Hälfte der Kekse wollte ich mit grüner<br />

Lebensmittelfarbe einfärben und meiner Familie<br />

zu Weihnachten mitbringen.<br />

Auch die Kreise waren schnell mit einem Zirkel<br />

aufs Backpapier gezeichnet, das Backpapier habe<br />

ich dann umgedreht, damit der Teig später nicht<br />

direkt auf den Bleistiftlinien war. (Bild 2)<br />

Das Rezept selbst fängt leicht an: 3 Eiweiß so<br />

lange aufschlagen, bis sie schaumig sind: Gesagt,<br />

getan. Ich habe das sogar mit dem Schneebesen<br />

von Hand gemacht, wegen der Fotos.<br />

Im nächsten Schritt werden gesiebter Puderzucker<br />

und Butter untergemischt. Da zum Thema<br />

Butter an keiner Stelle im Rezept von „gekühlt“,<br />

„zimmerwarm“ oder gar „geschmolzen“ die Rede<br />

war, habe ich mein benötigtes Klümpchen wohl<br />

wissentlich vorher rausgestellt und warm werden<br />

lassen. Und es hat sich herausgestellt, dass das gar<br />

nicht so falsch war, denn trotz der zimmerwarmen<br />

Butter hatte ich Butterflöckchen in meinem Teig.<br />

Ich habe mir noch nichts dabei gedacht, das<br />

bekommt man schon raus, ist ja sonst auch kein<br />

Problem.<br />

Schritt 3 ist es, das Mehl unterzuheben bis ein<br />

glatter Teig entsteht. Butterflöckchen: noch da.<br />

Man weiß sich ja zu helfen, die Teigschüssel wurde<br />

kurzerhand auf die Heizung gestellt, damit die<br />

Butter schmelzen kann und sich anschließend<br />

besser untermischen lässt. Das hat super funktioniert,<br />

nach dreimaligem Umrühren hatte ich einen<br />

glatten Teig. Konsistenz: flüssig. (Bild3)<br />

Flüssig hilft aber auf jeden Fall beim Verteilen<br />

des Teiges auf den Kreisen, 1 ½ Teelöffel sind pro<br />

Kreis vorgesehen. Diese werden dann mit einem<br />

Messer im Kreisumriss verteilt. (Bild 4) Hier gab es<br />

schon erste Probleme durch die sehr flüssige<br />

Konsistenz: das Backpapier wellte sich! Aber jetzt<br />

war der Teig schon drauf, kein Zurück mehr, ab in


1/2017<br />

NACHGEFRAGT & AUSPROBIERT<br />

15<br />

den Backofen damit. Nach 5 Minuten – die Ränder<br />

sollen leicht braun sein, wenn man sie rausholt –<br />

nahm ich die ersten 3 total zerlaufenen Glückskeksrohlinge<br />

aus dem Backofen. Machte ein Foto.<br />

Legte in den ersten einen der Zettel und knickte<br />

ihn vorsichtig der Länge nach. Dann wollte ich<br />

ihn über den Tassenrand „hängen“ damit er den<br />

typischen zweiten Knick bekommt – zu spät. Der<br />

Keks war schon ausgehärtet. Die anderen beiden<br />

waren sogar für den ersten Knick schon zu hart.<br />

(Bild 5) Und furchtbar fettig!<br />

Erstmal die nächste Fuhre in den Backofen,<br />

mit noch schlimmeren Ergebnis. Durch die welligen<br />

Stellen im Backpapier sind sie mir schon auf<br />

dem Blech auseinandergefallen.<br />

Der dritte Versuch sollten die ersten grünen<br />

Kekse werden, diesmal auf einer Silikonmatte statt<br />

Backpapier. Sie kamen sogar einigermaßen rund<br />

aus dem Backofen, auch das Falten und über den<br />

Tassenrand hängen hat geklappt – nur härteten sie<br />

überhaupt nicht aus.<br />

Bei der zweiten Fuhre der grünen Glückskekse<br />

wollte ich dann dem fettigen der Butter etwas<br />

entgegenwirken und habe etwas mehr Mehl<br />

untergemischt. Konsistenz: teigig. Das machte das<br />

ausbreiten im Kreis zwar etwas schwerer, aber ich<br />

konnte sie formtechnisch genau so aus dem Backofen<br />

herausholen, wie sie hineingekommen waren.<br />

Nur waren sie nicht mehr faltbar.<br />

Der Teig war leer, in keinem Glückskeks war<br />

ein Zettel, und ich war bedient.<br />

Aus dem Potenzial von 30 Keksen konnte ich<br />

nicht einen einzigen herausholen. Nicht mal<br />

einen krummen, nein, überhaupt keinen!<br />

Glückskekse backen war an diesem Tag wohl<br />

nicht mein <strong>Schicksal</strong> ...<br />

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16 NACHGEFRAGT & AUSPROBIERT<br />

mediakompakt<br />

VON REGINA SPANGLER


1/2017 NACHGEFRAGT & AUSPROBIERT<br />

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18 NACHGEFRAGT & AUSPROBIERT<br />

mediakompakt<br />

Glück: Dos & Don‘ts<br />

Wer auf der Suche nach mehr Glück in seinem Leben ist oder<br />

Unglück so weit wie möglich aus dem Weg gehen will, der kann<br />

sich hier ein paar Vorschläge suchen, die vielleicht<br />

weiterhelfen.<br />

VON LUCIE MÖDL<br />

Dos<br />

Vierblättrige Kleeblätter einsammeln<br />

Erst einmal braucht es einiges an Glück, eins in der Natur zu finden. Und<br />

außerdem heißt es, dass Eva ein vierblättriges Kleeblatt aus dem Paradies<br />

mitgenommen hat. Also besitzt jeder Finder dadurch ein Stück vom Paradies.<br />

ABER: gezüchtete Exemplare bringen nichts – eher im Gegenteil.<br />

Scherben machen<br />

Scherben bringen Glück, heißt es ja bekanntlich. Vielmehr wenden sie Unheil<br />

aber ab, nämlich dadurch, dass böse Geister durch den Lärm, der dabei entsteht,<br />

verjagt werden. Deswegen auch kein Polterabend ohne einen Haufen zerdeppertes<br />

Geschirr!<br />

Beim Anstoßen in die Augen schauen<br />

Gilt vielleicht heute nicht mehr so, aber früher, als es durchaus hin und wieder vorgekommen ist, etwas Gift<br />

in das Glas des Trinkpartners zu schütten, sollte der vertrauensvolle Blick in die Augen während des<br />

Anstoßens böse Absichten verraten. Außerdem schwappen die Getränke in den randvoll gefüllten Gläsern so<br />

leicht über und die Inhalte vermischen sich, also auch das eventuell vergiftete Getränk mit dem eigenen.<br />

Einen Glückspfennig bei sich tragen<br />

Oder heute eher einen Glücks-Cent. Der ist das Überbleibsel von Tauftalern oder Weihgroschen, die zur Taufe<br />

eines Kindes geschenkt wurden. Er verhindert, dass dem Besitzer das Geld ausgeht. Deshalb sollte man immer<br />

einen (möglichst blank polierten) Cent im Geldbeutel haben, damit er sich auch schön vermehren kann.<br />

Sollte man einmal einen Geldbeutel verschenken, dann immer nur mit einem Glücks-Cent darin. Sonst gibt<br />

es anstatt viel Geld viel Unglück für den Besitzer.<br />

Hufeisen finden<br />

Es dient zum Schutz des Pferdes, was noch besonders wichtig war als Pferde noch Kriegs- und Arbeitstiere<br />

waren. Dadurch schützt es auch den Menschen. Ein richtig an Haus und Hof angebrachtes Hufeisen soll<br />

Unglück und Unheil abwenden. Zu „richtig angebracht“ gibt es aber mehrere Meinungen: entweder mit der<br />

Öffnung nach oben, damit das Glück hinein-, aber nicht wieder herausfällt oder mit der Öffnung nach unten,<br />

damit man dem Glück ein Tor baut.<br />

Allerdings muss es ein gefundenes Hufeisen sein. Wenn verzweifelt danach gesucht wird, bringt es nichts.<br />

Fliegenpilze<br />

Jedes Kind weiß: er ist giftig. Die Vergiftungserscheinungen zeigen sich aber als rauschhafte Wirkung, die<br />

Euphorie, Glücksgefühle, Halluzinationen und Schmerzunempfindlichkeit hervorrufen kann. Passionierte<br />

Pilzsucher freuen sich aber eher über einen Fliegenpilz, weil in seiner Nähe oft auch viele essbare Pilze zu<br />

finden sind. Vielleicht aber doch besser nicht zuhause nachmachen...<br />

Sternschnuppen beobachten<br />

Früher waren Sterne als göttliche Lichtfunken angesehen, die die dunkle Nacht erhellten. Eine Stern -<br />

schnuppe kam dadurch zustande, dass die Engel beim Putzen der Himmelskerzen einen Docht fallen gelassen<br />

haben. Deswegen hoffte man, wenn man eine sah, auf Gottes Hilfe, wenn es um unerfüllte Wünsche ging. Da<br />

die Engel anscheinend vor allem Mitte August den Hausputz erledigen, hat man zu dieser Zeit die beste<br />

Chance auf einige erfüllte Wünsche.<br />

Aber wehe, man verrät seinen Wunsch jemand anderem! Dann wird er nicht erfüllt. Genauso, wenn man zu<br />

langsam ist und der Wunsch noch nicht fertig gedacht ist bis die Sternschnuppe verblasst.


1/2017 NACHGEFRAGT & AUSPROBIERT<br />

19<br />

Don‘ts<br />

Salz verschütten<br />

Früher war Salz sehr wertvoll, da es mühevoll aus Bergwerken und Meerwasser gewonnen wurde.<br />

Außerdem hatte es eine konservierende und heilende Wirkung, weshalb es als Schutzsymbol, das Glück<br />

und Reichtum sicherte, angesehen war. So einen Schatz zu verschütten lockte den Teufel persönlich an.<br />

Einer Schwarzen Katze begegnen<br />

Im Mittelalter sahen christliche Geistliche zunehmend eine Gefahr in schwarzen Katzen, weil sie als<br />

Symbol für heidnische Gottheiten galten und oft Teil von heidnischen Ritualen waren. So wurden sie mit<br />

dem Teufel in Verbindung gebracht. Aber sogar heute noch lassen sich schwarze Katzen in Tierheimen<br />

schlechter als anders farbige vermitteln.<br />

Freitag, der 13.<br />

Was der Großteil der arbeitenden Bevölkerung heutzutage nicht mehr so ganz versteht ist, dass Freitag<br />

der Unglückstag der Woche ist. Da Jesus an einem Freitag gekreuzigt wurde, wird freitags getrauert.<br />

Außerdem sollen Adam und Eva an einem Freitag aus dem Paradies verbannt worden sein. In<br />

Kombination mit der Zahl 13, die sowieso Unglück bedeutet da sie die runde Zahl 12 (12 Apostel – der 13.<br />

hat Jesus verraten, 12 römische Hauptgötter, 12 Monate…) überschreitet, kann an diesem Tag nichts<br />

Gutes passieren.<br />

Spiegel zerbrechen<br />

Was für zerbrochenes Geschirr gilt, ist ein Tabu<br />

bei Spiegeln oder Gegenständen aus Glas – Sa -<br />

chen, in denen man sich eben mehr oder weniger<br />

spiegeln kann. Hier heißt es: geht einer zu Bruch,<br />

fol gen 7 Jahre Pech. Der Spiegel beherbergt<br />

nämlich die Seele von demjenigen, der hin -<br />

einschaut und die braucht 7 Jahre bis sie wieder<br />

vollständig genesen ist.<br />

Bilder: Pixabay, Wikimedia Commons<br />

Unter einer Leiter durchgehen<br />

Eine einfache Leiter an eine Wand gelehnt oder eine freistehende ist dabei egal. Es geht um das<br />

entstehende Dreieck an sich. Dieses gilt nämlich als heilige Form, beispielsweise als Symbol für die<br />

Dreifaltigkeit oder das allsehende Auge Gottes. Geht man durch das Dreieck hindurch, zerstört man diese<br />

Heiligkeit und zieht das Unglück an. Ganz davon abgesehen ist es auch nicht ratsam, vor allem, wenn<br />

weiter oben gearbeitet wird und etwas wie ein Hammer, eine Säge oder ein Backstein herunterfällt.<br />

Glück: Funny Facts<br />

VON REGINA SPANGLER<br />

Chance von 1 : 283 000 000 000<br />

Innerhalb von zwei Jahren gewinnt ein Britisches Paar zum zweiten Mal<br />

im Lotto.<br />

Lottogewinn<br />

Eine Statistikerin der Stanford Universität hat vier Mal im Lotto<br />

gewonnen und damit bereits über 20 Millionen Dollar erhalten.<br />

Glück oder Pech? – Unglaublich!<br />

Der Amerikaner Roy Sullivan wurde in seinem Leben acht Mal vom Blitz<br />

getroffen – und acht Mal hat er überlebt.<br />

Ungerecht?<br />

Die Chance von einem umfallenden Getränkeautomaten getötet zu<br />

werden ist höher als die Chance auf einem 6er im Lotto.<br />

Gerechtigkeit?<br />

Die V2 Rakete der Nazis führte zu dreimal mehr Todesopfern unter<br />

denen, die sie bauten, als unter den Bombardierten.<br />

Na, wer hat Angst vor Sektkorken?<br />

Pro Jahr sterben mehr Menschen an Sektkorken als durch den Biss einer<br />

giftigen Spinne. Dabei ist jede dritte Frau und jeder fünfte Mann von<br />

Spinnenangst besessen.<br />

Und wer vor Hirschen oder Ameisen?<br />

Hirsche töten durchschnittlich 130 Menschen im Jahr, Kühe 22,<br />

Ameisen 30, Nilpferde 2 900, Pferde 20 und Haie lediglich 5. Aber wer<br />

rennt schon vor einer Kuh weg?<br />

Fakten, Fakten, Fakten<br />

Der Glaube, dass jedes Leben unabänderlich vorbestimmt ist, nennt<br />

sich Fatalismus.<br />

Hol mir Sterne vom Himmel!<br />

Das Kalzium in unseren Knochen stammt aus den Explosionen von<br />

Sternen.<br />

Ausritt oder Trip?<br />

Ein Ausritt auf einem Pferd birgt für einen Menschen in etwa das<br />

gleiche Todesrisiko wie eine einmaliger Ecstasy-Konsum.<br />

Im Ländle<br />

Menschen aus Baden-Württemberg haben die höchste Lebenser -<br />

wartung in Deutschland.<br />

Lebensverändernd<br />

Täglich werden 12 Neugeborene falschen Eltern gegeben.


20<br />

NACHGEFRAGT & AUSPROBIERT<br />

mediakompakt<br />

Bild: Diana Riegger<br />

<strong>Schicksal</strong> braucht Zufälle<br />

Kann man über Online-Dating<br />

einen Partner finden? Ist die<br />

große Liebe vom <strong>Schicksal</strong><br />

vorherbestimmt oder haben wir<br />

einfach nur großes Glück,<br />

wenn wir sie treffen? Lina<br />

jedenfalls hat genug davon,<br />

darauf zu warten, dass etwas<br />

passiert und nimmt die Sache<br />

selbst in die Hand.<br />

Eine Kurzgeschichte über die<br />

Liebe und das Zusammenspiel<br />

von <strong>Zufall</strong> und <strong>Schicksal</strong>.<br />

VON DIANA RIEGGER<br />

Max war der erste, den Lina über die<br />

Online-Partnervermittlung traf.<br />

Nachdem sie nervösen Smalltalk<br />

und einige peinliche Gesprächs -<br />

pausen hinter sich gebracht hatten,<br />

lief es eigentlich ganz gut. Max war lustig und<br />

wusste viel über Politik, genau wie er geschrieben<br />

hatte. Als sie das Restaurant nach über zwei<br />

Stunden verließen, fühlte Lina sich entspannt<br />

und gut unterhalten. Nur leider fehlte etwas: der<br />

Funke. Der nicht übergesprungen war. Max war<br />

nett, aber es fühlte sich an, als ob sie mit ihrem<br />

Geschichtslehrer essen war: Intelligente Ge -<br />

spräche, vollendete Manieren, null romantische<br />

Gefühle.<br />

Lina hatte sich für Online-Dating entschieden,<br />

weil sie seit über zwei Jahren Single war. Auf<br />

einem Ratgeber-Blog hatte sie Folgendes gelesen:<br />

Vor allem in Liebesdingen muss man dem<br />

<strong>Schicksal</strong> manchmal etwas unter die Arme greifen.<br />

Das konnte man tun, indem man offen für Zufälle<br />

war. Denn nur, wenn man dem <strong>Schicksal</strong><br />

genügend zufällige Situationen zuspielte, konnte<br />

es seine Arbeit machen und sich daraus die<br />

richtige aussuchen. Klingt logisch, dachte sich<br />

Lina, und weil es im Internet eine große Zahl<br />

beziehunginteressierter Männer und damit viel<br />

Potential für zufällige Glücksgriffe gibt, meldete<br />

sie sich bei einem Dating-Portal an. Nach der<br />

ersten Erfahrung mit Max war sie positiv<br />

gestimmt. Zwar hatte es nicht gefunkt, aber es war<br />

auch keine Katastrophe gewesen. Noch ein paar<br />

mehr solcher Dates und das <strong>Schicksal</strong> würde<br />

schon in Schwung kommen. Ihr war allerdings<br />

nicht klar, dass es von nun an steil abwärts gehen<br />

würde. Der zweite Mann, den sie traf, hieß Chris,<br />

war Personal Trainer und bediente jedes Klischee.<br />

Der Abend gipfelte darin, dass er Lina einen<br />

detaillierten Trainingsplan für die nächste Woche<br />

auf ihrer Serviette aufstellte. Edgar war der<br />

nächste. Trotz seines altbackenen Namens war er<br />

ein lockerer Typ. So locker, dass er während des<br />

Treffens sein Handy auf den Tisch legte und<br />

Tinder öffnete. Als Lina ihn ungläubig anstarrte,<br />

zwinkerte er nur und fragte – ganz easy – ob sie was<br />

dagegen habe? Man müsse seine Optionen<br />

schließlich offen halten. Als Lina an diesem<br />

Abend im Bett lag, fragte sie sich, ob es möglicher -<br />

weise doch der bessere Weg war, sich nicht aktiv<br />

um einen Partner zu bemühen sondern zu warten,<br />

bis das Universum den Richtigen vorbeischickte.<br />

Nachdem sie weitere Männer getroffen hatte<br />

und jeder ein weiterer Griff ins Klo war – wenn es<br />

überhaupt zu einem Treffen kam – beschloss Lina<br />

schließlich, dass die Theorie mit den vielen<br />

Zufällen, die dem <strong>Schicksal</strong> zugespielt werden<br />

mussten, wohl doch nicht stimmen konnte. Der<br />

letzte Mann, den sie traf, hieß Thomas und spielte


1/2017<br />

NACHGEFRAGT & AUSPROBIERT<br />

<strong>21</strong><br />

ihr in seiner Wohnung eine geschlagene Stunde<br />

lang selbst geschriebene Rap-Songs vor. Als es Lina<br />

dämmerte, dass Thomas weniger eine Frau suchte,<br />

sondern vielmehr einen Fanclub aufbauen wollte,<br />

versprach sie schnell, Thomas‘ Facebookseite zu<br />

liken und machte sich auf den Heimweg. Der<br />

Abend war angenehm warm und einige<br />

Menschen waren unterwegs. Die Hände tief in den<br />

Taschen ihres Mantels vergraben, schlenderte<br />

Lina die Straßen entlang Richtung Bahnhof und<br />

dachte nach. Nicht alle ihre Dates waren totale<br />

Reinfälle wie Thomas gewesen. Manche waren<br />

nett und angenehm verlaufen, aber nie war es zu<br />

einem zweiten Treffen gekommen. Jetzt war ihr<br />

Limit einfach erreicht, sie hatte genug. Dann blieb<br />

sie eben ihr Leben lang alleine, wenigstens musste<br />

sie dann keine kostbaren Stunden ihrer Freizeit<br />

mit langweiligen oder skurrilen Männern mehr<br />

ver bringen.<br />

Mit schlechter Laune kam sie am Bahnhof an<br />

und durfte auch noch feststellen, dass alle Bahnen<br />

ausfielen. Na prima, das passte doch zum Abend.<br />

Fast hätte Lina gelacht.<br />

„Entschuldige bitte, brauchst du zufälligerweise<br />

auch ein Taxi in die Südstadt?“<br />

Lina wandte sich nach der Stimme um und sah<br />

einen verlegen lächelnden, braunhaarigen Mann<br />

vor sich stehen. „Das ist zwar echt peinlich, aber<br />

ich hab keine Geldbörse mehr und das Bargeld aus<br />

meiner Hosentasche reicht nicht mehr bis nach<br />

Hause. Wenn ich jemand finde, der ein Taxi mit<br />

mir teilt, würde es gehen“, erklärte er. Das kam<br />

Lina ziemlich gelegen und nachdem sie Adrians<br />

Hand geschüttelt hatte, suchten sie sich gemein -<br />

sam ein Taxi.<br />

„Du musst aber vor mir aussteigen sonst kannst du<br />

sehen, wo ich wohne und bist am Ende noch ein<br />

Stalker“, sagte sie, als sie gemeinsam auf der<br />

Rückbank saßen. Erst wenige Wochen zuvor<br />

wollte ein Kerl, mit dem sie einen Abend lang<br />

gechattet hatte, unbedingt ihre Adresse –<br />

angeblich, um ihr ‚eine Pizza liefern zu lassen‘.<br />

Seitdem war sie noch vorsichtiger geworden.<br />

„Kein Problem. Ich will einfach nur schnell weg<br />

von hier.“<br />

„Bist du überfallen worden?“<br />

„Was? Wie kommst du denn darauf?“<br />

„Weil deine Geldbörse weg ist.“<br />

„Ach so, das“, Adrian zuckte die Schultern. „Wenn<br />

ich ehrlich bin, ich habe sie nicht verloren,<br />

sondern dem Kellner im Restaurant gegeben.<br />

Morgen hole ich sie wieder ab. Ich hatte ein<br />

furchtbares Date und deshalb hab ich so getan, als<br />

wäre mein Portemonnaie plötzlich weg. Meine<br />

Verabredung glaubt, ich wäre jetzt bei der Polizei.<br />

Leider gefällt es ihr wohl auch ohne mich ganz gut<br />

in dem Restaurant, sie sitzt nämlich immer noch<br />

dort. Deshalb konnte ich nicht direkt wieder rein<br />

und meinen Geldbeutel holen, wie ich es ur -<br />

sprünglich geplant hatte. Und deshalb hab ich<br />

jetzt nicht mehr genügend Geld für die Heim -<br />

fahrt.“<br />

Lina starrte ihn ungläubig an. „Das ist eine<br />

reichlich bescheuerte Ausrede, um ein Date zu<br />

beenden. Du hättest auch einfach so tun können,<br />

als würde dein Kumpel dich anrufen weil sein<br />

Auto liegen geblieben ist.“ Adrian hob interessiert<br />

die Augenbrauen. „Aha, da hat wohl jemand<br />

Erfahrung in diesem Bereich?“<br />

Lina wurde rot. Adrian lachte: „Hattest du also<br />

einen ähnlichen Abend wie ich oder warum gehst<br />

du schon nach Hause?“<br />

Beinahe froh, einen Leidensgenossen gefunden zu<br />

haben, brach es aus ihr heraus und Lina erzählte<br />

von ihrem frühzeitig abgebrochenen Treffen mit<br />

Thomas und von all den anderen unerträglichen<br />

Dates. Adrian hörte mit großen Augen zu und<br />

letztendlich stellten sie fest, dass sie beide online<br />

nach Partnern suchten – nur bei verschiedenen<br />

Portalen.<br />

Als das Taxi vor Adrians Wohnung stoppte,<br />

stieg Lina mit ihm aus. Gemeinsam setzten sie<br />

sich in die nächste Bar und toppten sich gegen -<br />

seitig mit Geschichten von skurrilen Verabre -<br />

dungen. Und auch Jahre später gingen sie immer<br />

an diesem einen Tag im Jahr, dem 15. August, in<br />

dieselbe Bar und stießen darauf an, dass sie sich<br />

doch irgendwie über das Online-Dating gefunden<br />

hatten. Und Adrian dachte sich jedes Jahr aufs<br />

Neue, was für ein <strong>Zufall</strong> es doch war, dass sie beide<br />

an diesem Abend unterwegs waren, sein eigent -<br />

liches Date nicht aus dem Restaurant ver -<br />

schwinden wollte und er so Lina getroffen hatte.<br />

Und Lina fragte sich jedes Jahr aufs Neue, ob es<br />

vorherbestimmt gewesen war, dass sie all diese<br />

miesen Dates hinter sich bringen musste, um<br />

schließlich zur gleichen Zeit wie Adrian am Bahn -<br />

hof zu stehen. Oder war es am Ende doch eine<br />

Kombination aus beidem?<br />

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22<br />

NACHGEFRAGT & AUSPROBIERT<br />

mediakompakt<br />

Work.<br />

Eat.<br />

Sleep.<br />

Repeat.<br />

Obwohl die Bezahlung gut ist,<br />

ist Tanja Hilt mit ihrem Job<br />

unzufrieden und entscheidet<br />

sich für einen radikalen<br />

Tapetenwechsel. 2014 sucht<br />

sie sich einen neuen Job in<br />

einem anderen Land. Von<br />

Backnang nach Dubai. Von der<br />

AOK zu Emirates. Warum es<br />

sich lohnt, mutig zu sein.<br />

VON CELINA MÜLLER<br />

Bild: Celina Müller<br />

Ein Airbus 380 treibt im Wasser, die<br />

Notausgänge sind geöffnet. Die Ma -<br />

schine ist flugunfähig. Die Cabin Crew –<br />

darunter Tanja – muss die Passagiere<br />

evakuieren. Einen kühlen Kopf bewahr -<br />

en. Alles, was sie über eine Notlandung auf dem<br />

Wasser gelernt haben, müssen sie jetzt abrufen.<br />

Ein Alarm tönt regelmäßig. Stress. Einer nach dem<br />

anderen verlässt die Maschine. Rettungsweste an,<br />

alle Gegenstände bleiben im Flugzeug. Der Letzte<br />

verlässt die Maschine, jetzt steigt auch die Cabin<br />

Crew aus. Im Wasser treiben viele gelbe Punkte,<br />

alles Menschen mit Rettungswesten. Tanja muss<br />

nun die Rutsche in ein Rettungsboot umfunk -<br />

tionieren und anschließend den Passagieren mit<br />

ihren patschnassen Klamotten hineinhelfen.<br />

Dann sind alle drin. Applaus. Der Trainer sagt:<br />

„Well done! Lunchbreak.“ Tanja steigt aus dem<br />

Trainings-Pool, zieht sich um und geht mit ihren<br />

Kollegen Mittagessen.<br />

Tanja ist 26 Jahre alt und eine hübsche junge<br />

Frau, sie hat blonde Haare, blaugraue Augen,<br />

Modelmaße und ein sympathisches breites Lä -<br />

cheln. Sie arbeitet seit zwei Jahren als Flug -<br />

begleiterin bei der Airline Emirates in den<br />

Vereinigten Arabischen Emiraten. Seit 2014 lebt<br />

sie wegen ihres Berufs in Dubai und fliegt von dort<br />

aus in die ganze Welt. 37 Länder hat sie bereist.<br />

„Meine Liste mit Ländern, die ich sehen möchte,<br />

wird nicht kürzer, sondern immer länger. Reisen<br />

macht süchtig!“, sagt sie. Tanja lebt ihren Traum<br />

von Freiheit und sie lebt ihn nach der Yoga -<br />

Philosophie.<br />

Die Philosophie des Yoga basiert auf einer<br />

positiven Sicht auf den Menschen mit der zu -<br />

grundeliegenden Vorstellung, dass unser wahres<br />

Selbst aus Glückseligkeit besteht. Yoga kann alles<br />

und nichts sein, so findet jeder seine eigene<br />

Herangehensweise auf dem Pfad der Glückselig -<br />

keit. Physisch und psychisch Yoga zu praktizieren<br />

ist für Tanja sehr wichtig. Es mache sie belastungs -<br />

fähiger für diesen anstrengenden Beruf.<br />

Die Entscheidung, Flugbegleiterin zu werden,<br />

kam allerdings später. Tanja hat in Backnang bei<br />

Stuttgart ihr Abitur gemacht. Schon während der<br />

Schulzeit arbeitete sie als Zeitungsausträgerin und<br />

in den Ferien im Schichtbetrieb. Zudem modelte<br />

und kellnerte sie nebenher. Es war ihr immer<br />

wichtig, selbstbestimmt zu sein und deshalb<br />

arbeitete sie mehr als ihre Klassenkameraden. So<br />

konnte sie sich bereits mit 18 Jahren eine kleine<br />

Mietwohnung leisten. Nach dem Abitur machte<br />

sie eine Ausbildung zur Sozialversicherungs -<br />

fachangestellten bei der AOK in Backnang. Später<br />

hatte sie die Möglichkeit, sich in München bei<br />

einer Betriebskrankenkasse zu bewerben. Sie ver -<br />

handelte hart um ihr Gehalt – glaubt man den<br />

Statistiken, ist dies für weibliche Bewerber un -<br />

gewöhnlich – und es zahlte sich aus. Ein neuer<br />

Abschnitt begann. Sie zog nach München.<br />

Doch dann kam die Ernüchterung, Tanja, die<br />

noch so viel erleben und entdecken wollte, fühlte<br />

sich fehl am Platz. Fachlich sowie persönlich. Sie<br />

verdiente gut und trotzdem war sie unglücklich.<br />

Da war für sie klar: Es kann so nicht weitergehen.<br />

Tanja sagt rückblickend: „Mir war es das nicht<br />

wert für einen Job, der mir keinen Spaß machte<br />

und für Kollegen, die mich nicht mochten, so viel<br />

Zeit zu investieren.“ Sie kündigte und suchte sich<br />

Nebenjobs. Durch <strong>Zufall</strong> sah sie, dass es einen<br />

Emirates-Bewerber-Tag in München geben würde,<br />

und meldete sich an. Sie wollte einen Tapeten -<br />

wechsel und dieser Beruf klang verlockend.<br />

Der Bewerbertag in München war erfolgreich,<br />

sie schaffte es durch alle Instanzen. Die Zusage<br />

kam einige Wochen später. Diese leitete einen<br />

ganz neuen Abschnitt in ihrem Leben ein. Tanja<br />

musste ihre Wohnung räumen und innerhalb von<br />

zwei Wochen nach Dubai ziehen, ihr Leben in<br />

zwei Koffer packen und alle Freunde und die<br />

Familie zurücklassen. Sie wagte den Schritt ins<br />

Ungewisse.<br />

Die Ausbildung zur Flugbegleiterin dauert<br />

zwei Monate. Es werden Evakuierungen geübt<br />

und beispielweise Feuer im Flugzeug gelöscht.<br />

Flugzeugentführungen werden durchgespielt und<br />

die Auszubildenden machen einen Selbstver -<br />

teidigungskurs, falls Passagiere handgreiflich wer -<br />

den. Die zukünftigen Flugbegleiter erhalten ihre<br />

Uniform und der Dresscode wird ihnen beige -


1/2017 NACHGEFRAGT & AUSPROBIERT<br />

23<br />

bracht. Zudem werden die Hygiene-Vorschriften<br />

aufgezeigt, wie die Maniküre auszusehen hat und<br />

wie das Make-up aufzulegen ist. Sie erhalten ein<br />

Erste-Hilfe-Training aber auch Geburtskurse und<br />

lernen, wie Knochenbrüche behandelt werden. Zu<br />

guter Letzt erfahren sie beispielsweise wie der<br />

Ofen an Bord funktioniert und wie Kaffee zu<br />

servieren ist. Anschließend gibt es eine Prüfung<br />

und die Ausbildung ist abgeschlossen.<br />

39. Stock – ein Hochhaus in JLT (Jumeirah<br />

Lake Towers) einem Stadtteil von Dubai. Tanja<br />

fährt von ihrer Wohnung auf das Dach des<br />

Gebäudes und legt sich an den Pool. „Ich liebe das<br />

Wetter in Dubai, lieber ist es mir drei Monate zu<br />

heiß als zu kalt“. Sie sitzt im Januar bei 25°C im<br />

Bikini bei Sonnenschein am Pool. Vom Dach aus<br />

kann man auf die Marina, auf das Meer aber auch<br />

in die Wüste schauen, die direkt hinter der Stadt<br />

beginnt. Eine unwirkliche Szenerie für Europäer.<br />

Tanja fühlt sich hier mittlerweile sehr wohl. Ihre<br />

kleine Wohnung, die sie sich mit einer anderen<br />

Deutschen teilt, ist spartanisch, aber liebevoll<br />

eingerichtet: Das typische Ikea Interieur gespickt<br />

mit Mitbringseln aus aller Welt. Zwei Schlaf -<br />

zimmer, zwei Bäder, zwei Balkone und eine<br />

Wohnküche.<br />

Der Tower, in dem sie lebt, wurde zwar erst<br />

2012 gebaut, hat allerdings bereits Risse und das<br />

Wasser wird auch nicht mehr heiß. Aber bei 45°C<br />

im Sommer braucht keiner heißes Wasser. In<br />

ihrem Gebäude gibt es einen Supermarkt und<br />

einen Friseur mit Massagestudio. Taxis stehen<br />

immer bereit und auch die Metro zum Flughafen<br />

ist nicht weit. In ihrer Wohnung ist sie im Schnitt<br />

zehn Tage im Monat, den Rest verbringt sie in der<br />

Luft oder in Hotels weltweit.<br />

Es war für sie erstaunlich leicht sich einzu -<br />

leben. Alle sprechen sehr gut Englisch in Dubai<br />

und so konnte sie ihre Sprachkenntnisse perek -<br />

tionieren. Manche, denen Tanja erklärt wo sie<br />

wohnt, setzen Dubai mit Saudi Arabien gleich<br />

und haben Vorurteile. Doch als Expat (kurz für<br />

Expatrieate von lateinisch ex „aus“ und patria<br />

„Vaterland“) lebt es sich sehr gut in Dubai. In den<br />

Einkaufsmalls findet man alles was man braucht<br />

und noch viel mehr. Dubai versucht immer und<br />

überall zu überraschen. So ist es nicht unge -<br />

wöhlich in einem Einkaufszentrum einen Hai<br />

oder eine Meeresschildkröte an sich vorbei -<br />

schwimmen zu sehen. Tanja fasst es zusammen<br />

mit: „Bigger, higher, faster. Es ist schon teilweise<br />

verrückt hier zu leben“. So kann man Schlitt -<br />

schuhlaufen wenn einem danach ist, oder spon -<br />

tan Jet Ski fahren. Als Emirates Mitarbeiterin<br />

profitiert Tanja von exklusiven Angeboten in der<br />

Stadt.<br />

Die Stadt lebt in Extremen. Wasser und Wüste;<br />

das Trinkwasser Dubais wird über ölbetriebene<br />

Verfahren aus dem Meer gewonnen. Islam und<br />

Alkohol; in dem muslimischen Land ist das<br />

Freitagsgebet eine religiöse Verpflichtung, doch<br />

gleichzeitig finden in der ganzen Stadt Freitags -<br />

brunche statt, bei denen wie selbstverständlich<br />

auch Alkohol serviert wird. Überwachung und<br />

Sicherheit; Dubai überwacht seine Bevölkerung<br />

stark, es gibt keine Obdachlosen und auch keine<br />

an AIDS erkrankten Menschen, denn diese wer -<br />

den ausgewiesen.<br />

Die Emirate sind eindeutig anders als<br />

Deutschland, es gibt Regeln und diese werden ein -<br />

gehalten, auch von Expats. Tanja kann sich damit<br />

gut arrangieren und hat nicht das Gefühl, sich<br />

einschränken zu müssen. Im Gegenteil: Sie ge -<br />

nießt die Möglichkeiten, die diese Stadt und ihr<br />

Job bieten.<br />

Für Tanjas Umfeld kam ihre Entscheidung,<br />

nach Dubai zu ziehen, überraschend. Ihre engsten<br />

Freunde haben sie von Anfang an unterstützt und<br />

versuchen, sie so oft wie möglich zu sehen. Da sie<br />

so viel und gerne unterwegs ist, kann sie ihre<br />

Freunde auf der Welt verteilt treffen. Als deutsch -<br />

sprachige Flugbegleiterin hat sie zudem viele<br />

Flüge nach Deutschland. Wenn sie allerdings ihre<br />

Eltern und Großeltern besuchen möchte, muss sie<br />

sich frei nehmen und kann mit dem Crew-Nach -<br />

lass in die Heimat fliegen.<br />

Auch in Zukunft möchte sie viel reisen, ver -<br />

schiedenen Kulturen kennenlernen und interes -<br />

siert und neugierig auf die Welt zugehen. „Men -<br />

schen etwas Gutes tun ist für mich erfüllend.“ sagt<br />

sie. Bei Emirates kann sie das. Die vielen Kinder an<br />

Bord unterhält sie gern. Sie sieht viel von der Welt<br />

und Yoga tut ihr gut, um die anstrengende kör -<br />

perliche Arbeit zu meistern und geistig ausge -<br />

glichen zu bleiben. Der Mut zur Entscheidung hat<br />

sich für sie gelohnt.<br />

Bild: Celina Müller


24<br />

WEITER GEDACHT<br />

mediakompakt<br />

Bild: pixabay.de<br />

Die geheimnisvolle Sehergabe –<br />

oder wann kommt denn endlich der<br />

Weltuntergang?<br />

Am <strong>21</strong>. Dezember 2012 sollte<br />

dem Maya-Kalender zufolge<br />

der Weltuntergang eintreten.<br />

Über Weltuntergangsszenarien<br />

und die Frage was die Zukunft<br />

bringen wird.<br />

VON YULIA KONDRAEWA<br />

Diese Prophezeiung, wie auch unzählige<br />

davor und danach, hat sich nicht<br />

erfüllt. Warum glaubt der Mensch<br />

überhaupt an den Weltuntergang, und<br />

dass dieser unbedingt nach dem<br />

allerschlechtesten Szenario ablaufen wird?<br />

Laut Psychologen liegt die Antwort in unserer<br />

Psyche, die wir von unseren Urahnen geerbt<br />

haben. Die Todesangst diente den Urmenschen als<br />

Fluchtimpuls, welcher deren Überleben und somit<br />

die Weiterexistenz der Menschheit sicherte. Wir<br />

sind so programmiert, dass negative Informationen<br />

einen Alarm in unserem Gehirn auslösen,<br />

deshalb besitzen schlechte Nachrichten generell<br />

einen höheren Aufmerksamkeitswert als positive<br />

Meldungen.<br />

Der eigene Tod bei gleichzeitiger Weiterexistenz<br />

der Menschheit und des Lebens an sich<br />

sind für uns so schwer vorstellbar, dass wir das<br />

Ende der eigenen Existenz mit dem Wunsch nach<br />

einem allgemeinen Untergang verbinden. Der<br />

eigene Tod stellt demzufolge eine unver- meid -<br />

liche persönliche Apokalypse dar.<br />

Die Frage, was passiert vor und nach dem Tod,<br />

versuchen seit Jahrtausenden alle Weltreligionen<br />

zu beantworten. Parallel hat es aber zu allen Zeiten<br />

auch Propheten gegeben, die schon vor vielen<br />

Jahrhunderten beeindruckend präzise Visionen<br />

über unsere Gegenwart hatten. Sind deren Vor-<br />

hersagen eher zufällige Treffer ins Blaue hinein,<br />

oder gibt es die Sehergabe wirklich? Bei dieser<br />

Frage wird man ziemlich unsicher, besonders<br />

wenn es sich um die Vorhersagen der bulgarischen<br />

Prophetin Baba Wanga handelt, deren Genauigkeit<br />

laut Forschern bei 85 Prozent läge.<br />

Baba Wanga (1911–1996) war eine einflussreiche<br />

bulgarische Hellseherin. Wörtlich übersetzt<br />

aus dem Bulgarischen bedeutet ihr Name<br />

„Großmutter Wanga“. Im Alter von 13 Jahren<br />

wurde Wanga bei einem Wirbelsturm so schwer<br />

verletzt, dass sie für den Rest ihres Lebens das<br />

Augenlicht verlor. Manche vermuten, dieses<br />

Ereignis könnte der Anstoß zur Entfaltung ihrer<br />

hellseherischen Fähigkeiten gewesen sein.<br />

Erstmals brach Baba Wanga ihr Schweigen im<br />

April 1941. In diesem Jahr erschien der damals<br />

30-jährigen Frau aus dem mazedonischen Dorf<br />

Novo Selo ein „strahlender Reiter“, der ihr<br />

„schreckliche Dinge“ verkündet hatte. Unmittelbar<br />

danach, am 6. April 1941, marschierte die deutsche<br />

Wehrmacht in Jugoslawien ein, wovon auch<br />

Mazedonien betroffen war. Manchen Menschen<br />

hat Wanga über das <strong>Schicksal</strong> deren Familienangehörigen<br />

im Krieg berichtet. Wanga wurde<br />

beliebt, und ihre Sehergabe hat sich schnell<br />

herumgesprochen.<br />

Kurze Zeit, nachdem Wanga begonnen hatte,<br />

ihre Visionen preiszugeben, begegnete sie ihrem


1/2017 WEITER GEDACHT<br />

25<br />

künftigen Ehemann, einem Bulgaren, mit dem<br />

sie in dessen Heimatstadt Petritsch zog. Wanga<br />

wurde zur „Seherin von Petritsch“, und ihre<br />

Weissagungen machten sie so berühmt, dass selbst<br />

der bulgarische König Boris III. sie aufsuchte. Sie<br />

hat ihm seinen baldigen Tod vorausgesagt. Der<br />

König war erst 49, aber kurz darauf starb er<br />

wirklich. Nach offizieller Erklärung versagte sein<br />

Herz, gerüchteweise hieß es jedoch, er sei vergiftet<br />

worden.<br />

Spektakulär ist die Baba Wangas Prophezeiung<br />

über den Anschlag auf das World Trade Center<br />

am 11. September 2001: „Die amerikanischen<br />

Zwillinge werden fallen, nachdem sie von<br />

stählernen Vögeln angegriffen wurden.“<br />

Außerdem wird ihr die Aussage zugeschrieben,<br />

dass in Amerika ein „dunkelhäutiger Präsident<br />

gewählt werden“ und dass dieser der „44. und<br />

letzte Präsident der USA“ sein wird.<br />

Darüber hinaus sagte Wanga die Gründung<br />

der terroristischen Organisation „Islamischer Staat“<br />

voraus, die ihren Angaben zufolge „Europa im<br />

Jahre 2016 angreifen werde“. Sie prophezeite<br />

einen „großen mohammedanischen Krieg“, der<br />

nach „dem arabischen Frühling“ 2010 beginnen<br />

und im Jahr 2043 mit der „Bildung des Kalifats“<br />

enden wird. Die Seherin prophezeite, dass sich<br />

viele europäische Länder im Zuge dieses Krieges in<br />

leere Territorien verwandeln werden. Interessant<br />

ist zudem ihre Weissagung aus dem Jahr 1979,<br />

dass die Menschheit in 200 Jahren in Kontakt mit<br />

Außerirdischen treten kann, die sich übrigens<br />

längst unter uns befinden und vom dritten<br />

Planeten VAMF stammen. Der dritte Planet, von<br />

der Erde aus gesehen, ist der Saturn.<br />

Auch in Deutschland gab es einen bekannten<br />

Propheten. Der Brunnenbauer Alois Irlmaier<br />

wurde im Juni 1894 im oberbayrischen Siegsdorf<br />

geboren. Schon als kleiner Junge hatte er die Gabe,<br />

Wasseradern zu finden. Der Ursprung seiner<br />

hellseherischen Visionen geht angeblich auf ein<br />

Ereignis im Ersten Weltkrieg zurück: Irlmaier war<br />

vier Tage lang ohne Nahrung und Wasser in<br />

Russland verschüttet. Seine Kameraden fanden<br />

ihn, doch er hatte ein schweres Trauma erlitten.<br />

Die Verletzung hatte etwas Seltsames ausgelöst:<br />

„Es strömen Bilder auf mich ein“, sagte er danach.<br />

Ähnlich wie bei Baba Wanga wird über Alois<br />

Irlmaier auch berichtet, dass die Einheimischen<br />

ihn nach Vermissten und nach Soldaten in der<br />

Kriegsgefangenschaft fragten. Mit einem Blick auf<br />

die Fotos dieser Menschen soll Irlmaier sofort<br />

gewusst haben, ob diese noch lebten oder schon<br />

tot waren. Irlmaier sagte im Zweiten Weltkrieg<br />

auch Bombenangriffe voraus und soll so viele<br />

Menschenleben gerettet haben. Nach dem Krieg<br />

soll er erfolgreich bei der Aufklärung von<br />

Mordfällen geholfen haben.<br />

Viele Experten schreiben den Prognosen von<br />

Alois Irlmaier eine überaus hohe Qualität zu, denn<br />

zahlreiche vorhergesagte Geschehnisse sind<br />

nachweislich eingetroffen. Es existieren sogar<br />

amtliche Dokumente, die die seherischen Gaben<br />

von Alois Irlmaier juristisch belegen. Irlmaier hat<br />

unter anderem die Vorboten für den 3. Weltkrieg<br />

beschrieben. Durch den Zuzug zahlreicher Fremder<br />

in Deutschland wird laut dem bayrischen<br />

Hellseher ein großer Umbruch ausgelöst:<br />

„Es kommt Wohlstand wie noch nie<br />

Es folgt der Glaubensabfall mit einer nie da<br />

gewesenen Sittenverderbnis<br />

Eine große Anzahl Fremder strömen ins Land<br />

Das Geld verliert nach und nach an Wert<br />

Es folgen Revolutionen und ein Angriff der Russen<br />

auf Westeuropa.“<br />

Kaum zu glauben, aber zu einer Zeit, als vom<br />

Klimawandel noch niemand etwas ahnte und<br />

sprach, wusste Alois Irlmaier von den drastischen<br />

Naturveränderungen: „Der Januar ist amal so warm,<br />

dass die Mücken tanzen. Es kann sein, dass wir<br />

schon in eine Zeit hineinkommen, in der bei uns<br />

überhaupt kein richtiger Winter mehr ist.“<br />

Wenn man über die Vorhersagen spricht,<br />

kommt man an dem Namen des größten<br />

Wahrsagers aller Zeiten Michel de Nostredame,<br />

besser bekannt als Nostradamus, kaum vorbei.<br />

Geboren am 14. Dezember 1503 in Südfrankreich<br />

als Sohn des Kornhändlers und kirchlichen Notars<br />

Jaume de Nostredame jüdischen Ursprungs, war er<br />

der älteste Sohn unter den mindestens acht<br />

Kindern in der Familie. Wie sein Großvater<br />

entschied sich Nostradamus für medizinische<br />

Laufbahn und machte sich einen Namen als Arzt<br />

von Königen und Fürsten.<br />

Die Bedeutung von Nostradamus als Arzt ist<br />

jedoch heute nur insoweit interessant, als sie<br />

seinen Charakter beleuchtet. Es ist der „Prophet“<br />

Nostradamus, der uns heute vornehmlich interessiert.<br />

Der Seher wurde schon zu seinen Lebzeiten<br />

von den Zeitgenossen als „Prophet“ gewürdigt.<br />

Maßgeblich dafür ist die Tatsache, dass der größte<br />

Teil seiner Vorhersagen bereits im Jahre 1555 im<br />

Druck erschien. Da die meisten Prophezeiungen<br />

von Nostradamus sehr kryptisch formuliert sind<br />

(bekanntlich bediente sich der Seher gerne<br />

geschickter Wortspiele, Allegorien und Anagramme),<br />

versuchen schon seit Jahrhunderten viele<br />

Wissenschaftler und Experten seine Verse, von<br />

denen er in seiner Schaffenszeit mehr als 6000<br />

verfasst hat, zu entschlüsseln. Es wird manchen<br />

seiner Kommentatoren vorgeworfen, sie hätten<br />

bei der Auslegung mancher Stellen zu viel<br />

Erfindergabe gezeigt, um mit dem Wissen nach dem<br />

Ereignis dessen Voraussage zu bestätigen.<br />

Zu den Ereignissen, die Nostradamus vorausgesagt<br />

hat, und die bereits eingetroffen sind,<br />

gehört zum Beispiel der Machtantritt von<br />

Napoleon Bonaparte:<br />

Century IIX, Quatrain 1<br />

PAU NAY LORON wird mehr aus Feuer sein<br />

als aus Blut.<br />

Im Ruhm zu schwimmen.<br />

Der Große der flieht vor der Konfluenz.<br />

Er wird den Piusen verweigern.<br />

Die Verdorbenen und die Haft werden sie gefangen<br />

halten.<br />

Dieser Vers ist klassisch für Nostradamus. Er<br />

benutzt hier eine seiner liebsten Methoden – das<br />

Anagramm. PAU NAY LORON wird, wenn man<br />

es anders zusammensetzt zum korsischen Wort<br />

NAPAULON ROY, oder Napoleon der König. Der<br />

Vers beschreibt ihn als einen Mann des Feuers, des<br />

Krieges, mehr als des Blutes oder königlicher<br />

Linie. Die Piuse sind die Päpste Pius VI und Pius<br />

VII. Beide wurden von Napoleon gefangen<br />

genommen.<br />

In den Versen von Nostradamus gibt es<br />

außerdem klare Deutungen auf die Grausam -<br />

keiten des Hitler-Regimes:<br />

Century III, Quatrain 35<br />

Vom tiefsten Teil Westeuropas,<br />

wird ein kleines Kind geboren zu armen Leuten,<br />

das verführen wird eine große Vielzahl durch<br />

seine Reden.<br />

Sein Ruf wird sich weiten, im Königreich des<br />

Ostens.<br />

Century II. Quatrain 24<br />

Grausame Bestien überqueren die Flüsse.<br />

Der größere Teil des Schlachtfelds wird gegen<br />

Hister sein.<br />

In einen eisernen Käfig wird der Große<br />

hineingezogen.<br />

Während das Kind von Deutschland nichts weiß.<br />

Der Name Hister bezieht sich hier auf Hitler,<br />

nicht aber auf dessen Namen, sondern auf die<br />

lateinische Bezeichnung des Flusses Donau, wo<br />

Hitler geboren wurde. Der erste Vers nimmt Bezug<br />

auf Hitlers Hintergrund: seine Eltern waren arm.<br />

Sein Talent als Redner wird ebenfalls betont. Und,<br />

Hitler hatte einen katastrophalen Einfluss auf<br />

Japan, dem Königreich des Ostens.<br />

Weitere Ereignisse, die Nostradamus vorhergesagt<br />

haben soll, und die sich punktgenau erfüllt<br />

haben, sind zum Beispiel die Französische Revolution<br />

und das Attentat, infolgedessen John<br />

Kennedy gestorben ist.<br />

Resümierend kann man sagen, dass der<br />

Weltuntergang vielleicht irgendwann doch<br />

passieren wird, was möglicherweise auch das Ende<br />

der Menschheit herbeiführt – genauso unver -<br />

meidlich wie unser individueller Tod. Was aber<br />

die Prophezeiungen angeht, können sie nie sicher<br />

sein, denn sie sind immer ein Hinweis auf<br />

mögliche Szenarien. Sie sind nie endgültig,<br />

sondern stellen eine Momentaufnahme für einen<br />

bestimmten Zeitpunkt dar, die zeigt, was<br />

passieren kann, wenn wir gewisse Dinge nicht<br />

ändern. Letztlich sollte jeder sorgsam mit<br />

Weissagungen umgehen. Durch Worte,<br />

Gedanken und Handlungen erschaffen wir,<br />

Menschen, unsere Realität immer wieder neu.


26<br />

WEITER GEDACHT<br />

mediakompakt<br />

Bild: Billy Abbott | Flickr<br />

Die<br />

nach Glück


1/2017 WEITER GEDACHT<br />

27<br />

Glückspiel bedeutet, dass der Gewinn<br />

bei einem Spiel ganz oder teilweise<br />

vom <strong>Zufall</strong> abhängt. Der Einsatz dabei<br />

ist meist Geld. Jeder zweite Deutsche<br />

nimmt gelegentlich an Glückspielen<br />

teil. Die Einsätze liegen meist unter 30 Euro. In<br />

Deutschland sind laut der Bundeszentrale für<br />

gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und der<br />

Deutsche Lotto- und Totoblock<br />

(DLTB) etwa 500.000 Personen<br />

glücksspielsüchtig. Das Geld wird<br />

vor allem an Geldspiel automaten,<br />

bei Sportwetten oder bei Ca -<br />

sino-Spielen im Internet verzockt.<br />

Die Spiel sucht ist eine zwanghafte<br />

Krank heit, genau wie bei<br />

Alkoholikern oder Drogen a b -<br />

hängigen. Aller dings steht die<br />

körperliche Gesundheit weniger<br />

im Mittel punkt bei der Spielsucht,<br />

son dern eher der soziale Faktor. Spielsüchtige<br />

schotten sich ab, haben meist Schulden und<br />

vernachlässigen ihr Sozialleben.<br />

Ahmed* ist Mitte zwanzig und begleitet seine<br />

Freunde regelmäßig in Spielhallen. Das Glücks -<br />

spiel gehört schon immer zu seinem Leben. Im<br />

Gegensatz zu vielen anderen spielt er aber immer<br />

nur um kleine Beträge bis 50 Euro. Darauf ist er<br />

sehr stolz, denn er hat eine traurige Geschichte zu<br />

berichten. Sein Vater, das Oberhaupt einer acht -<br />

köpfigen Familie, hat sein Leben lang das Geld der<br />

Familie verzockt. „Das ist für ihn wie arbeiten<br />

gehen“ erzählt Ahmed. „Mein Vater ist Hartz IV<br />

Empfänger und konnte mit Glückssträhnen das<br />

Geld teilweise verdoppeln – oder aber komplett<br />

verlieren.“ Gewinne und Fast-Gewinne sind am<br />

gefährlichsten für Spielsüchtige. Das Gefühl, den<br />

<strong>Zufall</strong> und somit die Wahrscheinlichkeit über<br />

Tätigkeitsabfolgen beeinflussen zu können treibt<br />

Birne, Birne, 7,… tadam, 7, Pflaume, Birne,…<br />

tadam. … Die Glückspielautomaten dudeln und<br />

klingeln rund um die Uhr. Sie setzen die Spieler in<br />

Trance. Vom <strong>Zufall</strong> getrieben werden immer wieder<br />

neue Beträge gesetzt ...<br />

VON SUSAN STÖRKLE<br />

den Spieler zu immer höheren Einsätzen. „Es geht<br />

ums Hoch drücken, noch mehr Geld und noch<br />

mehr Geld.“, so Ahmed. Gewinne werden meist<br />

gar nicht aus bezahlt, sondern direkt in neue<br />

Spiele investiert. Doch was genau passiert im<br />

Gehirn beim Glücks spiel? Warum fällt es vielen so<br />

schwer wieder damit aufzuhören? Beim Spielen<br />

kommt man in Rage, je mehr man sich darin<br />

vertieft und und je mehr Gewinne man erzielt,<br />

desto mehr Dopamin wird vom Gehirn aus -<br />

geschüttet. Dopamin ist unter anderem das Hor -<br />

mon, welches uns beim Sex zeitweise glücklich<br />

macht. Im Gehirn des Spielers wird das Beloh -<br />

nungs system aktiviert. So geht es ihm nur gut,<br />

wenn er wieder Geld setzen und den Rest dem<br />

<strong>Zufall</strong> überlassen kann. Alleine die Aussicht auf<br />

einen Gewinn reicht schon aus, um vom Gehirn<br />

mit Glücksgefühlen belohnt zu werden. Im Alltag<br />

wird die Lust nach dem Spielen immer weiter<br />

konditioniert. Egal in welcher<br />

Situation, ein Spiel ist immer<br />

verlockend. Das Internet stellt<br />

eine weitere Gefahr da. Denn<br />

egal ob mobil, am<br />

Arbeitsplatz oder zu Hause:<br />

Die Möglichkeiten, Geld in<br />

das Glücksspiel zu setzen,<br />

sind groß. Es gibt im mensch -<br />

lichen Gehirn jedoch ein<br />

Zentrum, das uns wieder zur<br />

Vernunft bringt: Der prä -<br />

frontale Kortex. Bei Kindern und Jugendlichen ist<br />

dieses Zentrum im Gehirn noch nicht richtig<br />

ausgereift. Daher sind besonders Jugendliche<br />

sucht ge fährdet. Die Kontrolle über sich selbst zu -<br />

rück zubekommen ist also nicht unmöglich, aber<br />

nicht einfach. Die Spuren, die das Glücksspiel im<br />

Ge hirn hinterlässt, vertiefen sich mit der Zeit.<br />

Sobald ein Suchtverhalten zu erkennen ist, sollte<br />

daher um gehend gehandelt werden. Der Ausstieg<br />

wird sonst immer schwerer.<br />

*Name von der Redaktion geändert<br />

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28<br />

WEITER GEDACHT<br />

mediakompakt<br />

BAMF Pressefoto<br />

Die Zentrale des BAMF in Nürnberg.<br />

Die Entscheidung über ein fremdes<br />

<strong>Schicksal</strong><br />

Eine ehemalige Entscheiderin des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge berichtet von ihrer<br />

Arbeit und erklärt, warum es wichtig ist, bei der Bearbeitung der Asylanträge Distanz zu wahren<br />

und die <strong>Schicksal</strong>e objektiv und nach geltendem Recht zu beurteilen.<br />

VON KILIAN BAIER<br />

Das größte Problem der Jahre 2015 und<br />

2016 war die Flüchtlingskrise, die<br />

immer noch andauert und in deren<br />

Rahmen Millionen von Menschen in<br />

die EU eingewandert sind. Die meisten<br />

Flüchtlinge stammen aus Syrien, Afghanistan<br />

oder dem Irak und sind auf der Flucht vor Krieg<br />

und Verfolgung. Die riesige Menge an Flücht -<br />

lingen stellt die deutschen Behörden vor einige<br />

Probleme und hat zu Kritik an den Abläufen ge -<br />

führt. Für die <strong>MEDIAkompakt</strong> haben wir ein Inter -<br />

view mit einer ehemaligen Entscheiderin des Bun -<br />

desamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF)<br />

zum menschlichen Aspekt ihrer Arbeit führen<br />

können. Die befragte Person will nicht nament -<br />

lich genannt werden.<br />

<strong>MEDIAkompakt</strong>: Könnten Sie zuerst bitte ganz kurz<br />

Ihren Werdegang schildern?<br />

Antwort: Ich habe eine klassische Ausbildung zur<br />

Diplom-Verwaltungswirtin gemacht und war fast<br />

zehn Jahre in der Arbeits- und Sozialverwaltung<br />

tätig, bevor ich in den Bereich Asyl zum Bundes -<br />

amt für Migration und Flüchtlinge gewechselt<br />

bin.<br />

<strong>MEDIAkompakt</strong>: Sie waren bis vor nicht allzu langer<br />

Zeit eine Entscheiderin des BAMF. Können Sie<br />

kurz beschreiben, was das für eine Aufgabe ist?<br />

Antwort: Entscheider sind für die Prüfung von<br />

Asylanträgen zuständig. Diese Aufgabe umfasst<br />

sowohl die wichtige persönliche Anhörung als<br />

auch die darauffolgende Entscheidung über Asyl -<br />

anträge. Der Entscheider gibt Tage an, an denen er<br />

anhören möchte, und Tage, an denen er Zeit für<br />

Recherchen und Bescheiderstellungen braucht.<br />

Zudem sollte ein Entscheider gerne mit Menschen<br />

zu tun haben. Denn letztlich geht es darum, mit<br />

Fremden in Kontakt zu treten, eine vertrauens -<br />

volle Basis aufzubauen und mit ihnen zu spre -<br />

chen. Immerhin geht es hier um Verfolgungs -<br />

schicksale, es gehört Empathie dazu, Offenheit<br />

und Authentizität.<br />

<strong>MEDIAkompakt</strong>: Hatten Sie auch persönlichen<br />

Kontakt zu Flüchtlingen? Wenn ja, wie sah der<br />

aus?<br />

Antwort: Alleine durch die Anhörungen hat man<br />

fast täglich persönlichen Kontakt zu Asylsu -


1/2017 WEITER GEDACHT<br />

29<br />

chenden. Nach der Anhörung sieht man die Per -<br />

sonen in aller Regel jedoch nicht wieder.<br />

<strong>MEDIAkompakt</strong>: Wie wichtig ist die Entscheidung<br />

über den Asylantrag für die Betroffenen? Hatten<br />

Sie ein großes Gefühl von individueller Ver -<br />

antwortung?<br />

Antwort: Die Anhörung ist der wichtigste Be -<br />

standteil im Asylverfahren. Er ist besonders<br />

wichtig für die Antragsteller. Auf Grundlage der<br />

in der Anhörung vorgetragenen persönlichen<br />

Fluchtgeschichte wird entschieden, ob jemand<br />

bleiben darf oder gehen muss. Natürlich ist man<br />

sich seiner Verantwortung und auch der<br />

Tragweite der getroffenen Entscheidungen be -<br />

wusst. Dennoch weiß ich, dass ich die Entschei -<br />

dung aufgrund des Gesetzes treffe.<br />

<strong>MEDIAkompakt</strong>: Wie viel Interpretationsspielraum<br />

lassen die gesetzlichen Vorschriften, die der<br />

Entscheidung über Asyl zu Grunde gelegt wer -<br />

den?<br />

Antwort: Die gesetzlichen Vorschriften an sich<br />

lassen mir keinen Interpretationsspielraum. Der<br />

Vortrag des Asylantragstellers ist auf die Voraus -<br />

setzungen für die verschiedenen Schutz formen<br />

zu prüfen.<br />

Vielmehr geht es darum zu entscheiden, ob ein<br />

Sachvortrag glaubhaft ist. Dies ist ein ganz<br />

normaler Prüfschritt im Asylverfahren. Vielfach<br />

haben Flüchtlinge keine Beweise für ihre Verfol -<br />

gung, Narben können beispielsweise nur schwer<br />

auf bestimmte <strong>Schicksal</strong>e zurückgeführt werden.<br />

Das Bundesverwaltungsgericht hat schon 1989<br />

festgelegt, was einen Vortrag glaubhaft macht:<br />

Kann jemand etwas detailreich, ohne Wider -<br />

sprüche wiedergeben, und wenn es Widersprüche<br />

gibt, können diese aufgeklärt werden? Es muss sich<br />

ein schlüssiges Bild ergeben, und etwas muss auch<br />

auf Nachfrage noch detailreich erzählt werden<br />

können.<br />

Gleichzeitig müssen wir immer darauf achten, ob<br />

es für jemanden zumutbar ist, noch alles präsent zu<br />

haben und ins Detail zu gehen. Wenn jemand zum<br />

Beispiel eine Vergewaltigung erlebt hat, kann es<br />

sein, dass er bestimmte Dinge verdrängt hat und<br />

diese bewusst ausspart.<br />

Des wegen ist es immer wichtig, ein <strong>Schicksal</strong><br />

insgesamt zu betrachten. Ob etwas glaubhaft ist,<br />

muss aus der Gesamtschau heraus beurteilt<br />

werden.<br />

<strong>MEDIAkompakt</strong>: Ist es als Entscheiderin wichtig, Dis -<br />

tanz zu wahren?<br />

Antwort: Man weiß worauf man sich einlässt vor den<br />

Anhörungen, gerade wenn man bestimmte Länder<br />

bearbeitet. Natürlich gesteht man sich aber auch<br />

zu, dass es schwierigere und traurigere Fälle gibt.<br />

Dennoch habe ich immer versucht, das objektiv zu<br />

sehen.<br />

In der Anhörung ist man durchaus emphatisch,<br />

man ist offen und versucht, eine gute Basis<br />

aufzubauen, aber eben auch klar zu machen,<br />

worum es in dem Gespräch geht. Dass man eben<br />

nicht verhört, und dass man nicht neugierig ist,<br />

sondern sich ein Bild machen muss.<br />

Wenn man dann eine Entscheidung trifft,<br />

versucht man, sich abzugrenzen und das einfach<br />

rechtlich zu be trachten.<br />

<strong>MEDIAkompakt</strong>: Sie haben als Sonderbeauftragte für<br />

unbegleitete Minderjährige und Frauen gear -<br />

beitet. Gibt es viele solcher Fälle? Werden Betrof -<br />

fene besonders berücksichtigt?<br />

Antwort: Ich wurde zur Sonderbeauftragten aus -<br />

gebildet und war für unbegleitete Minderjährige<br />

und Menschen, die geschlechtsspezifische Verfol -<br />

gung erlebt haben, zuständig.<br />

Ich habe Frauen kennengelernt, denen eine<br />

Zwangs heirat drohte oder die häusliche Gewalt<br />

erlebt haben.<br />

Es gilt hier behutsam und mit möglichst viel<br />

Empathie vorzugehen.<br />

<strong>MEDIAkompakt</strong>: Wie wird man Sonderbeauftragter?<br />

Antwort: Sonderbeauftragte müssen persönlich<br />

geeignet sein und über Berufserfahrung im Asyl -<br />

verfahren verfügen. Wer dies mitbringt und<br />

Interesse hat, sich zu spezialisieren, kann zur Son -<br />

derbeauftragten ausgebildet werden. Sonder be -<br />

auftragte erhalten zu Beginn und im späteren Ver -<br />

lauf Schulungen.<br />

<strong>MEDIAkompakt</strong>: Was ist Ihre neue Aufgabe in der<br />

Zentrale des BAMF? Seit wann üben Sie diese aus?<br />

Antwort: Ich arbeite seit ein paar Jahren in der<br />

Zentrale und befasse mich mit Öffentlichkeits -<br />

arbeit und politischer Kommunikation, das Asyl -<br />

recht ist mir als Arbeitsschwerpunkt geblieben.<br />

Das BAMF<br />

Gründung<br />

Am 12. Januar 1953 wurde es als „Bundesdienststelle für die Anerkennung<br />

ausländischer Flüchtlinge“ gegründet. 1965 folgte die Umbenennung in<br />

„Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge“ und seit 1. Januar<br />

2005 trägt es den Titel „Bundesamt für Migration und Flüchtlinge“.<br />

Aufbau<br />

Das BAMF hat eine dezentrale Struktur und hat neben der Zentrale in Nürnberg<br />

noch zahlreiche Außen- und Regionalstellen sowie Entscheidungs- und<br />

Ankuntszentren über Deutschland verteilt.<br />

Aufgaben<br />

Die Aufgaben des BAMF sind neben der Durchführung von Asylverfahren und<br />

Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes auch die Koordination der bundesweiten<br />

Integration und die Migrationsforschung, bei der Daten und Erkenntnisse für<br />

Politik und Gesellschaft ermittelt werden.<br />

Mitarbeiter<br />

2016 waren etwa 7.300 Mitarbeiter in Vollzeit, 1.600 Mitarbeiter in Teilzeit<br />

beim BAMF beschäftigt (Stand April 2016). Ende 2015 bestand die Belegschaft<br />

noch aus 3.300 Mitarbeitern.<br />

Rückblick auf 2016<br />

Im Jahr 2016 hat das Bundesamt über die Anträge von 695.733 Personen<br />

entschieden. Dies ist ein Anstieg von circa 146% gegenüber dem Vorjahr<br />

(282.726 Entscheidungen).<br />

Bild: Pixabay


30<br />

WEITER GEDACHT<br />

mediakompakt<br />

Das <strong>Schicksal</strong> der Flüchtlinge –<br />

auch unser Eigenes?<br />

Während des zweiten Weltkriegs gab es Millionen von Flüchtlingen. Deutschland trug mit seiner<br />

Feindseligkeit erheblich dazu bei. Doch die damals Geflüchteten haben wieder eine Heimat<br />

gefunden und so war dieses Thema jahrelang für die Öffentlichkeit nicht mehr präsent. Umso<br />

überraschender dann die letzten Wochen und Monate. Von Januar 2016 bis zum November gab<br />

es knapp 724.000 Asylanträge, das sind mehr Anträge als in den letzten 15 Jahren zusammen<br />

(2015 außen vorgelassen). Warum lassen wir es zu, dass andere <strong>Schicksal</strong>e sich mit unserem<br />

verknüpfen?<br />

VON FELIX MÖLLER<br />

Warum verlassen die Menschen ihre<br />

Heimat? Es fällt mir schwer zu<br />

sagen, warum das alles passiert.<br />

Denn wir Deutschen haben weder<br />

einen Krieg angefangen, noch sonst<br />

ein Land in Europa. Tatsächlich waren wir alle<br />

froh eine so schöne und so heile Welt in unserer<br />

EU aufgebaut zu haben. Und haben wir uns selbst<br />

nicht eine schöne Zukunft aufgebaut?<br />

Das wann lässt sich leichter feststellen. Seit<br />

2015 spricht man im europäischen Raum davon.<br />

Im Jahr 2015 waren nach UNHCR (dem Hoch -<br />

kommissar der Vereinten Nationen für Flücht -<br />

linge) 60 Millionen Menschen weltweit auf der<br />

Flucht. Bei so vielen Menschen wundert es dann<br />

doch eben weniger, dass auch Europa davon<br />

betroffen ist. Nach Robert Barros Migrations -<br />

potential- For mel setzt ein Einkommens unter -<br />

schied von 10 % zwischen einer ärmeren und<br />

einer reicheren Region grund -<br />

sätzlich eine Wan derungsbe we -<br />

gung von 0,05 % bis 0,15 % frei.<br />

Zwar wird Angela Merkel dafür<br />

kritisiert, dieses Wanderungs po -<br />

tential unterschätzt zu haben, als<br />

sie Deutschland (und damit auch<br />

Eu ropa) durch ihre Politik im<br />

Sommer 2015 als ein flüchtlings -<br />

offenes Land hervorgehoben hat.<br />

Denn damit soll sie einen Teil der<br />

weltweiten Ströme der „Wirt schaftsflüchtlinge“<br />

nach Deutsch land umdirigiert haben. Aber ein<br />

großer Teil der Flüchtlinge, die nach Deutschland<br />

2015 waren<br />

60 Millionen<br />

Menschen<br />

auf der<br />

Flucht.<br />

kommen, fliehen vor dem Bürger krieg in Syrien.<br />

Oder aus den Westbalkan staaten: Dort fliehen<br />

Menschen vor dem Exis tenz min imum. In<br />

Afghanistan und Pa kistan flie hen<br />

die Bewohner vor den Taliban und<br />

den instabilen politischen<br />

Systemen. Aus Eritrea kommen<br />

Men schen, wegen dem<br />

unbegrenzten Militärdienst und<br />

den willkür lichen Verhaf tungen,<br />

in Nigeria haben die Einwohner so<br />

große Angst vor der Boko Haram,<br />

dass sie sich eine neue Heimat<br />

suchen. Die islamistische Terror -<br />

miliz Al-Shabaab, der Bürgerkrieg und die<br />

Rekrutierung von Kinder soldaten erschrecken die<br />

Einwoh ner Somalias. Die Jugendlichen aus den<br />

Mahgreb- Staaten Algerien, Marokko und Tu -<br />

nesien fliehen vor der hohen Jugendarbeits -<br />

losigkeit und damit vor der Existenzlosigkeit. Ein<br />

Wort das sich schon komisch anhört, weil es<br />

wenig vorstellbar ist. Doch auch dort gibt es<br />

darüber hinaus will kürliche Verhaftungen und<br />

Menschenrechts verletzungen. Und mit dem Hin -<br />

ter grund des Ukrainekriegs suchen auch einige<br />

russische Staats bürger in Europa Asyl.<br />

Setzt man sich also mit dem Warum dieser<br />

Flüchtlingskrise auseinander, dann versteht man,<br />

dass viele bereitwillig ihre Zeit und ihr Geld für<br />

diese Menschen aufwenden. Denn auch wir<br />

Deutschen haben ähnlich Schlimmes erlebt, oder<br />

von unseren Eltern oder unseren Großeltern<br />

dieses oder jenes gehört. Mein Großvater hat mir<br />

erzählt, dass man manchmal nur überlebt, weil<br />

andere einem helfen. Er hat beide Weltkriege<br />

überstanden. In uns allen steckt dieses Gefühl,<br />

dass auch wir einmal in einer solchen Situation<br />

sein könnten und auch wir irgendwann Hilfe<br />

brauchen. Wie können wir Hilfe annehmen,<br />

wenn wir nie bereit waren zu helfen?<br />

Bild: pixabay.de<br />

Warum nur, warum?<br />

„Warum lassen wir es zu, dass alle nach<br />

Deutschland kommen?“ Diese Aussage zeigt


1/2017 WEITER GEDACHT<br />

31<br />

mehrere negative Punkte, wie diese Flüchtlings -<br />

debatte geführt wird. Aufge bauschte Nachrichten<br />

mit Flücht lings zahlen, die ohne jede Be zugs -<br />

punkte genannt wer den. Genau wie oben in die -<br />

sem Kom mentar zu der Entwick lung der Asyl -<br />

anträge. Wir haben 724.000<br />

Asylanträge auf ein Land mit über<br />

80 Millionen Einwohner. Wenn<br />

alle Asylanträge angenom men<br />

werden sollten, dann wäre das ein<br />

Zuwachs von weniger als 1 % der<br />

Bevölkerung Deutschlands.<br />

Es steckt aber auch der Hin weis<br />

darin, dass die Flüchtlinge in an -<br />

deren Ländern überleben könn ten<br />

und daher unsere Hilfe gar nicht<br />

direkt be nötigen. Doch das weist eher auf eine<br />

Charak terschwäche hin. Denn wenn alle so<br />

denken und handeln würden, dann könnten die<br />

Flüchtlinge nicht überleben. Wenn man etwas<br />

verändern möchte auf dieser Welt, dann tut man<br />

gut daran mit gutem Beispiel voranzugehen.<br />

Am kritischsten ist allerdings die fehlende<br />

Tiefe in der Flüchtlingsdebatte. Es gibt nur zwei<br />

Pole, diejenigen die komplett schwarzsehen, was<br />

das Aufnehmen von Flüchtlingen betrifft und die<br />

weißen strahlenden Helden unserer Nation. Es<br />

fehlen jene die „aber“ sagen können, ohne als<br />

„Aber-Nazis“ abgestraft zu werden. Das soziale wie<br />

mediale Umfeld zwingt einen dazu Pro Flücht -<br />

Was, wenn<br />

wir einmal<br />

in so eine<br />

Situation<br />

kommen?<br />

linge zu sein. Oder wenn man das nicht ertragen<br />

kann, dann bleibt einem fast nichts anderes übrig<br />

als komplett dagegen zu sein. Und damit gerät<br />

man einfach in Alternative für Deutschland-,<br />

Pegida- oder, noch schlimmer, NPD-Gruppier -<br />

ungen, bzw. man wird dort<br />

hineingesteckt. Es fehlt die Mutter<br />

die öffentlich sagen kann, dass sie<br />

ihr Kind nicht bei einem Anschlag<br />

verlieren möch te, weil es die<br />

Terroristen dank der Flücht -<br />

lingsströme sehr einfach ha ben<br />

nach Deutschland zu kommen. Es<br />

fehlt auch derjenige, der mit Stolz<br />

sagen kann, er hilft gerne<br />

Menschen, aber er möchte eben<br />

nicht, dass sein eigenes Leben da runter leidet. Er<br />

möchte nicht einen Einkom mens -<br />

verlust von 10 % haben oder 20 %<br />

oder 50 %, je nachdem wie viele<br />

Flüchtlinge aufgenommen werden.<br />

Wenn man nicht sagen kann,<br />

was man denkt, dann kann man<br />

darüber auch nicht (mit diesem<br />

Menschen) diskutieren. Dann kann<br />

man eben nicht sagen, woran dieser nicht gedacht<br />

hat, wobei er Recht haben mag, aber wie man das<br />

Pro blem auch anders lösen könnte. Und man<br />

kann ihm auch nicht sagen, dass es für manches<br />

Kann man<br />

jemanden<br />

zum Helfen<br />

zwingen?<br />

keine Lösung gibt, aber man besser etwas macht<br />

als gar nichts. Wenn man das nicht er möglicht,<br />

wenn man Menschen unreflektiert in die<br />

„Aber-Irgend was“ Ecke steckt, dann tut man<br />

letzten Endes nichts anderes als sie zu etwas zu<br />

zwingen, was sie nicht möchten oder vor dem sie<br />

Angst haben. Darf man einen Menschen dazu<br />

zwingen jemand anderem zu helfen, wenn er<br />

Angst vor dieser Situation, vor den Verän -<br />

derungen oder Angst um sein Leben hat?<br />

Das <strong>Schicksal</strong><br />

Wir können nicht verhindern, dass diese Schick -<br />

sale sich mit unserem verknüpfen. Weisen wir sie<br />

ab, dann werden wir wissen, dass wir nicht ge -<br />

holfen haben. Das wir einige von ihnen, die nir -<br />

gend wo anders unterkommen konnten, dem Tod<br />

überlassen haben. Oder dass wir<br />

uns gewaltsam wehren mussten,<br />

damit keine Flüchtlinge mehr<br />

nach Deutsch land kommen.<br />

Oder wir werden in Deutschland<br />

wieder eine Mau er haben. Nein,<br />

unser <strong>Schicksal</strong> ist schon lange<br />

mit dem der Flücht linge ver -<br />

bunden. Aber es ist einfach ro -<br />

man tischer, sich vor stellen zu können, man habe<br />

es zugelassen. Oder das man notfalls alles noch<br />

im mer ignorieren kann. Man ist ja schließlich<br />

seines eigenen Glückes Schmied.<br />

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