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zds#45

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REPORT | 11<br />

Der Grünen-Politiker Robert Bücking, früher Leiter des Ortsamts Mitte/Östliche Vorstadt, hält die Entwicklung<br />

der Hauspreise im Viertel für eine Blase.<br />

ist auch wichtig für die Stadt. Wünschenswert und<br />

erstrebenswert bleibe, dass es weiterhin eine soziale<br />

Durchmischung gebe und Orte für Menschen,<br />

die sich die hohen Mietpreise nicht leisten können.<br />

Kai-Ole Hausen, Referent für Infrastrukturpolitik<br />

der Arbeitnehmerkammer, sagt, die Veränderung<br />

des sozialen Milieus im Viertel sei normal,<br />

auch in der Humboldtstraße. Doch durch die Enge<br />

auf dem Bremer Wohnungsmarkt liefe dieser Prozess<br />

schneller ab. Er schätzt den aktuellen Wohnraumleerstand<br />

in Bremen auf unter ein Prozent,<br />

optimal für einen funktionierenden Wohnungsmarkt<br />

seien aber vier Prozent. Daher würden<br />

selbst Wohnungen, die in einem schlimmen Zustand<br />

sind, schnell weitervermietet.<br />

„Gentrifizierung ist böse, aber keine Gentrifizierung<br />

ist noch böser“, sagt Robert Bücking, der<br />

20 Jahre lang das Ortsamt im Viertel leitete. Das<br />

Grundproblem ist laut Bücking, dass Stadtteile<br />

teurer werden, und das auf Kosten derer, die dazu<br />

beigetragen haben, den Stadtteil attraktiver zu machen.<br />

Das Viertel war lange ein Stadtteil mit billigem<br />

Wohnraum, der jedoch auch enorm runtergekommen<br />

war. Durch die Gründung der Universität<br />

im Jahr 1971 wurde das Viertel belebt, viele junge<br />

und politisch aktive Menschen zogen in das Quartier,<br />

es entstanden neue Lokale. Die alten Häuser<br />

dienten zunächst als Wohngemeinschaften junger<br />

Leute, später zogen Familien und Einzelpersonen<br />

ein. Viele der Altbremer Häuser waren damals<br />

recht günstig zu kaufen und sind mittlerweile<br />

von den Eigentümern saniert worden. Steigende<br />

Mieten waren die Folge. „Die Menschen, die dort<br />

wohnen, sind nun andere“, sagt Bücking. „Das ist<br />

Die Hauspreise<br />

empfindet Bücking<br />

als wahnsinnig<br />

schade, aber für die Häuser ist das gut.“ Die Preise<br />

allerdings, die derzeit für Häuser im Viertel verlangt<br />

werden, empfindet er als wahnsinnig. „Die<br />

Häuser sind die Preise nicht wert“, sagt er. „Für<br />

die Stadt ist das nicht gesund und brutal unsozial.“<br />

Möglichkeiten, diese Prozesse aufzuhalten, gibt<br />

es, sagt Kai-Ole Hausen. „Diese sind aber gering<br />

und werden in Bremen zum Teil aufgrund fehlender<br />

politischer Mehrheiten nicht umgesetzt.“ Da<br />

wäre die Mietpreisbremse, die dafür sorgen soll,<br />

dass neu vermietete Wohnungen maximal zehn<br />

Prozent teurer als vergleichbare Wohnungen sein<br />

dürfen. Die Umsetzung ist schwierig, da Bremen<br />

keinen Mietspiegel hat. NeumieterInnen müssten<br />

deshalb ein Gutachten zahlen, um von der Regelung<br />

zu profitieren. Eine andere Möglichkeit wäre<br />

eine „soziale Erhaltungsverordnung“, wie sie in<br />

Hamburg angewendet wird. In Wohngebieten mit<br />

starkem Verdrängungsdruck müssen Modernisierungen<br />

von Mietwohnungen und deren Umwandlung<br />

in Eigentumswohnungen vom Bezirksamt<br />

genehmigt werden. So soll verhindert werden, dass<br />

Mieter mit geringem Einkommen verdrängt werden.<br />

Der dritte Punkt, den Hausen anbringt, sind<br />

Sozialwohnungen: Anfang der 1990er-Jahre gab<br />

es davon in Bremen etwa 70.000, heute sind es nur<br />

noch rund 15.000.<br />

Am östlichen Ende der Humboldtstraße wird<br />

in den nächsten Jahren das neue Hulsberg-Viertel<br />

gebaut. Auf dem südlichen Teil des Klinikums Bremen-Mitte<br />

werden 1.100 Wohnungen entstehen,<br />

davon knapp ein Drittel Sozialwohnungen. Doch<br />

auch diese werden nur für begrenzte Zeit günstig<br />

zu mieten sein, sagt der ehemalige Ortsamtsleiter<br />

Bücking. Nach Ablauf einer Frist könnten die Eigentümer<br />

die Mieten erhöhen.<br />

Michael hatte das Glück, in der Humboldtstraße<br />

eine andere Wohnung zu finden, über dem Rum<br />

Bumper’s, einer alteingesessenen, linksalternativen<br />

Kneipe. Sein derzeitiger Vermieter legt Wert<br />

darauf, dass die MieterInnen der Wohnungen sich<br />

mit dem gelegentlichen Lärm aus dem Rum Bumper’s<br />

arrangieren. Diese Solidarität mit den Lokalbetreibern<br />

ist nicht selbstverständlich. Mit dem<br />

Bürgertum hielt auch ein ausgeprägtes Ruhebedürfnis<br />

im Viertel Einzug, mittlerweile müssen die<br />

Gastronomen strengere Auflagen erfüllen: Außentische<br />

dürfen nur noch bis 23 Uhr genutzt werden,<br />

und auch die Zahl der Konzerte in Kneipen wird<br />

strenger reglementiert.<br />

Michael, dessen Plattensammlung mit der<br />

eines Plattengeschäftes gut mithalten kann,<br />

kommt mit dem Lärm aus dem Rum Bumper’s gut<br />

zurecht. Er wundert sich vielmehr, warum Leute<br />

in ein Viertel ziehen, in dem viel los ist, sich dann<br />

aber über Lärm und zu viel Trubel beschweren.<br />

Frauke Kuffel studiert Materielle Kultur<br />

in Oldenburg und war kürzlich ein halbes<br />

Jahr auf Wohnungssuche. Jetzt wohnt sie<br />

in einer tollen WG in der Neustadt.<br />

Ann-Kathrin Just ist Fotografin und<br />

konnte sich bisher die Mieten im Viertel<br />

nicht leisten.<br />

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