Verfahrenstechnik 1-2/2017
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VERFAHRENSTECHNIK IM ALLTAG I SERIE<br />
Zu Risiken und<br />
Nebenwirkungen<br />
Einsatz von Reserveantibiotika<br />
Im Januar dieses Jahres verstarb in den USA eine Rentnerin an einer<br />
Infektion mit einem multiresistenten Keim. Alle 26 zugelassenen<br />
Antibiotika zeigten sich wirkungslos im Kampf gegen den Erreger.<br />
Doch trotz dieser dramatischen Entwicklung gelten<br />
Reserveantibiotika derzeit noch als „letzte Hoffnung“.<br />
Als Reserveantibiotikum werden Wirkstoffe<br />
bezeichnet, die für einen Einsatz<br />
mit strenger Indikation vorgesehen sind.<br />
Viele dieser Medikamente sind beispielsweise<br />
auch bei Infektionen mit einem Vancomycin-resistenten<br />
Staphylococcus aureus<br />
wirksam. Dass sie nur in Ausnahmefällen<br />
verabreicht werden, ist den schweren Nebenwirkungen<br />
geschuldet, die der Einsatz<br />
mit sich bringt.<br />
Damit die Wirksamkeit der Reservemedikamente<br />
möglichst lange erhalten bleibt,<br />
sollten sie nur dann Verwendung finden,<br />
wenn in Tests sichergestellt wird, dass sie<br />
die konkreten Keime bekämpfen können.<br />
In der Vergangenheit kam es vor, dass die<br />
Infektion nicht vollständig beseitigt wurde,<br />
weil das Reserveantibiotikum nur gegen<br />
einen Teil der Erreger wirksam war.<br />
Angriff an vielen Fronten<br />
Eine Wirkstoffklasse der Reserveantibiotika<br />
sind z. B. die Fluorchinolone. Sie gehören<br />
zur Gruppe der Gyrasehemmer. Durch<br />
Hemmung der bakteriellen Gyrase verliert<br />
die DNA ihre kompakte Struktur und expandiert,<br />
was schließlich zum Platzen und damit<br />
zum Tod der Zelle führt. Fluorchinolone<br />
haben ein sehr breites Wirkungsspektrum<br />
gegenüber den meisten gramnegativen und<br />
grampositiven Bakterien, wobei einige Anaerobier<br />
und verschiedene Streptokokken<br />
eine Resistenz aufweisen. Als medizinische<br />
Indikationen gelten fast alle bakteriellen<br />
Infektionen, wobei Harnwegs- und Atemwegsinfektionen<br />
im Vordergrund stehen.<br />
Während einer Fluorchinolonbehandlung<br />
treten bei 4–10 % der Patienten uner-<br />
wünschte Wirkungen auf. Die häufigsten<br />
Nebenwirkungen sind Störungen des Magen-Darm-Trakts<br />
sowie zentralnervöse<br />
Störungen. Seltener sind psychiatrische<br />
Störwirkungen mit Suizidalität, Blutzuckerdekompensation<br />
bei Diabetikern und Sehnenentzündungen.<br />
Die FDA fasste 2015<br />
erstmals die Nebenwirkungen von Fluorchinolonen<br />
zu einer definierten Krankheit<br />
unter der Bezeichnung Fluoroquinolone-<br />
Associated Disability zusammen. Einige<br />
Chinolone wurden wegen seltener toxischer<br />
Komplikationen bzw. Unverträglichkeitsreaktionen,<br />
teilweise mit Todesfällen, vom<br />
Markt genommen.<br />
Ein weiteres Reserveantibiotikum ist<br />
Colistin, das hauptsächlich für die Behandlung<br />
von multiresistenten Acinetobacter<br />
baumannii eingesetzt wird. Dieser Erreger<br />
ruft vor allem im klinischen Alltag Wundinfektionen<br />
und Lungenentzündungen hervor.<br />
Colistin wurde wegen seiner Toxizität<br />
bei systemischer Anwendung lange hauptsächlich<br />
lokal als Salbenzusatz, oral zur<br />
Darmbehandlung oder als Aerosol zur Inhalationstherapie<br />
eingesetzt. Angriffspunkt<br />
für Colistin ist die äußere Membran gramnegativer<br />
Bakterien, die so geschädigt wird,<br />
dass der Erreger abstirbt. <br />
Foto: Motorolka@www.fotolia.de<br />
42 VERFAHRENSTECHNIK 1-2/<strong>2017</strong>