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Architektur in der Kunst - Kunsthof Bahnitz

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Peter Bialobrzeski<br />

Case Study Homes, 2008<br />

12 Fotografien , c-pr<strong>in</strong>t<br />

22 x 27 cm<br />

Courtesy the artist and Galerie Lothar Albrecht, Frankfurt / Ma<strong>in</strong><br />

PETER BIALOBRZESKI<br />

Case Study Homes<br />

Der 1961 geborene Hamburger Fotograf Peter<br />

Bialobrzeskis hat «Case Study Homes» im Rahmen e<strong>in</strong>es<br />

Projektes <strong>in</strong> Manila fotografiert<br />

«Case Study Homes» ist <strong>in</strong> Baseco, e<strong>in</strong>er Slum-Siedlung<br />

zwischen zwei Conta<strong>in</strong>erterm<strong>in</strong>als <strong>in</strong> Manila entstanden.<br />

E<strong>in</strong> Ort <strong>der</strong> Armut, Platz für etwa 70 000 Menschen, an<br />

dem sich dennoch <strong>der</strong> Wunsch <strong>der</strong> Bewohner äußert, sich<br />

e<strong>in</strong> Zuhause zu schaffen. Diese auf Stelzen stehenden<br />

Behausungen bauen die Menschen aus dem, was sie<br />

haben: aus dem Müll <strong>der</strong> Zivilisation. Aus Euro-Paletten,<br />

aus Wellblech, aus Plastikplanen o<strong>der</strong> Wahlplakaten und<br />

Schwemmgut. <strong>Architektur</strong>en aus Karton und Mülltüten –<br />

die Rückseite des globalen Wachstums, die Kehrseite <strong>der</strong><br />

glänzenden Städte. Hier, im Slum Baseco, ganz <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nähe<br />

<strong>der</strong> schicken Uferpromenade von Manila, leben vor allem<br />

Arbeitsmigranten aus <strong>der</strong> philipp<strong>in</strong>ischen Prov<strong>in</strong>z, die ihre<br />

Heimat <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hoffnung auf e<strong>in</strong> besseres Leben verlassen<br />

haben.<br />

Diese Dokumentarfotografien aus e<strong>in</strong>em Elendsviertel<br />

–<strong>der</strong>en Sichtung zeitlich mit dem Zusammenbruch <strong>der</strong><br />

Lehman Brothers Bank und dem Paranoia vor e<strong>in</strong>er<br />

Weltwirtschaftskrise zusammenfiel– s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> ihrer Haltung<br />

nicht ganz e<strong>in</strong>deutig. Aus ihnen spricht vieles. Zum e<strong>in</strong>en<br />

Fasz<strong>in</strong>ation, wie <strong>der</strong> Fotograf selbst sagt: «Manche <strong>der</strong><br />

Häuser kommen mir vertraut vor, wie e<strong>in</strong> Gesicht das sich<br />

vor langer Zeit <strong>in</strong> die Er<strong>in</strong>nerung geschlichen hat».<br />

Vertraut s<strong>in</strong>d jene zusammengezimmerten Behausungen<br />

auch aus <strong>der</strong> Fotogeschichte. Die Bilddokumente ländlicher<br />

Armut <strong>der</strong> «Großen Depression» <strong>der</strong> amerikanischen<br />

Fotografen Walker Evans, Dorothea Lange o<strong>der</strong> Arthur<br />

Rothste<strong>in</strong> – entstanden <strong>in</strong> den dreißiger und vierziger<br />

Jahren – zeigen ähnlich karge <strong>Architektur</strong>en. Arthur<br />

Rothste<strong>in</strong>s Bild e<strong>in</strong>es Mannes, <strong>der</strong> mit se<strong>in</strong>en Söhnen vor<br />

e<strong>in</strong>em Sandsturm flüchtet, zählt Bialobrzeski selbst zu den<br />

großen geistigen Vorbil<strong>der</strong>n se<strong>in</strong>er neuen Serie «Case<br />

Study Homes».<br />

So viele Jahrzehnte später hat sich das Elend noch nicht<br />

aus <strong>der</strong> Welt verabschiedet. Das Elend gibt es immer noch.<br />

Das ist die e<strong>in</strong>e Lesart dieser Bil<strong>der</strong>. Doch es gibt auch<br />

noch e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Lesart, auf die <strong>der</strong> Fotograf h<strong>in</strong>weist: Wie<br />

Wi<strong>der</strong>stands-<strong>Architektur</strong>en muten diese Häuser an, wie die<br />

Hütten <strong>in</strong> <strong>der</strong> «Republik Freies Wendland», wie die<br />

Waldhütten <strong>der</strong> Startbahn West-Gegner am Frankfurter<br />

Flughafen. Doch gegen was wi<strong>der</strong>stehen sie? Gegen das<br />

Meer wohl kaum – auf überraschend würdevolle Weise<br />

aber vielleicht gegen die Hoffnungslosigkeit.<br />

Text: Marc Peschke<br />

www.marcpeschke.de

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