Architektur in der Kunst - Kunsthof Bahnitz
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Roland Fischer<br />
Façades on Paper, 2001<br />
Siebdrucke | 60 x 80 cm<br />
Courtesy the artist and Galerie Walter Storms<br />
ROLAND FISCHER<br />
Von <strong>der</strong> Unmöglichkeit <strong>der</strong> Realität -<br />
Statt e<strong>in</strong>es Vorwortes e<strong>in</strong> Paradoxon<br />
Die «Hochhausfassaden» s<strong>in</strong>d Abbil<strong>der</strong> von Gebäuden, die<br />
uns wie die Bank of Ch<strong>in</strong>a <strong>in</strong> Hong Kong entwe<strong>der</strong> als<br />
architektonische Ikonen vertraut s<strong>in</strong>d o<strong>der</strong> die sich <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Anonymität mo<strong>der</strong>nen Bauens über unseren Köpfen e<strong>in</strong>er<br />
unmittelbaren Vergegenwärtigung entziehen.<br />
Unabhängig davon aber verb<strong>in</strong>det sich mit je<strong>der</strong> Aufnahme<br />
e<strong>in</strong> benennbarer Ort zwischen New York und Beij<strong>in</strong>g,<br />
Chicago und S<strong>in</strong>gapore, den es zu bereisen und zu<br />
betreten gilt.<br />
Die Ablichtung <strong>der</strong> Wirklichkeit bedarf also <strong>der</strong><br />
Gegenwärtigkeit, und so s<strong>in</strong>d nach Art und Ausführung des<br />
künstlerischen Mittels <strong>der</strong> Werke Roland Fischers<br />
wesentliche Aspekte <strong>der</strong> Fotografie erfüllt. Hält man<br />
jedoch die Äußerung des Künstlers dagegen, daß ihn «das<br />
‘Abbildende’,also [das] dokumentarische, reportagehafte<br />
usw. am Medium Fotografie am wenigsten <strong>in</strong>teressiert»1,<br />
so darf die zu Beg<strong>in</strong>n aufgestellte Behauptung<br />
noch e<strong>in</strong>mal wie<strong>der</strong>holt und ausgeführt werden.<br />
Unübersehbar ist, daß Roland Fischer Raum und Zeit<br />
zielgerichtet aus se<strong>in</strong>en Fotografien tilgt; die für<br />
Dokumentation wie Reportage gleichermaßen<br />
unverzichtbaren Fragen nach dem Wann und Wo<br />
ersche<strong>in</strong>en obsolet o<strong>der</strong> tragen zum<strong>in</strong>dest zur Bildf<strong>in</strong>dung<br />
nicht wesentlich bei. Statt dessen etabliert sich e<strong>in</strong> Bild,<br />
dessen formale wie <strong>in</strong>haltliche Strenge gleichsam<br />
unabhängig vom Medium <strong>der</strong> Fotografie ersche<strong>in</strong>t – ja,<br />
mitunter <strong>der</strong>en oben skizzierte Aspekte nachhaltig negiert.<br />
So zeigen die Hochhausfassaden nur kle<strong>in</strong>e Ausschnitte,<br />
die sich zu Gemälden transformieren, <strong>der</strong>en Farbe und<br />
Form an die abstrakt-geometrischen Werke konkreter<br />
<strong>Kunst</strong> er<strong>in</strong>nern. Stürzende Perspektivl<strong>in</strong>ien werden dabei<br />
mittels Paralaxenausgleich o<strong>der</strong> nachträglich am Computer<br />
korrigiert, während die Anonymität <strong>der</strong> meisten Motive die<br />
Bil<strong>der</strong> zusätzlich dem Mißverständnis e<strong>in</strong>er<br />
wie<strong>der</strong>erkennenden Identifikation entzieht. Und selbst <strong>in</strong><br />
den <strong>Architektur</strong>formen, <strong>der</strong>en Ersche<strong>in</strong>ung, wie die <strong>der</strong><br />
Bank of Ch<strong>in</strong>a o<strong>der</strong> des World Trade Centers <strong>in</strong> New York,<br />
zum Bestand e<strong>in</strong>es allgeme<strong>in</strong>en Bildgedächtnisses gezählt<br />
werden müssen, erreicht die Verne<strong>in</strong>ung des<br />
Gegenständlichen zugunsten des bildnerischen Zeichens<br />
e<strong>in</strong>e Intensität.<br />
Der Ausschnitt <strong>der</strong> «Hochhausfassaden» blendet den<br />
architektonischen wie lokalen Kontext aus und setzt damit<br />
die autonome Bildform gezielt <strong>in</strong> Wi<strong>der</strong>spruch zur<br />
Abbildungsfunktion <strong>der</strong> Fotografie.<br />
Text: Joachim Kaak<br />
aus dem Katalog zur Retrospektive Roland Fischer <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
P<strong>in</strong>akothek <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne München 2003, Wienand Verlag