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Männer, die teilweise T-Shirts mit der Aufschrift Tschetschenien<br />
tragen, haben keine Ahnung, was Tschetschenien ist.<br />
Nicht einmal die Hauptstadt kennen sie. Sie haben in ihren<br />
Köpfen ein sehr ausgeprägtes Identitätsbild: ich bin ein<br />
Tschetschene. Aber wenn ich die frage, was heißt das, ein<br />
Tschetschene zu sein, dann kommt die Antwort: hart, cool,<br />
zuschlagen können. Dieses Bild entspricht dermaßen dem<br />
hiesigen Klischee, dass es fast lustig wäre, wenn es nicht so<br />
traurig wäre. Diese Burschen liefern mit diesem Selbstbild<br />
die Bestätigung des Fremdbildes.“<br />
Seit etwa zwei Jahren gibt es in der Jugendstrafanstalt<br />
Gerasdorf ein Projekt mit kaukasischen Jugendlichen, wo<br />
Maynat Kurbanova mit einem männlichen Kollegen und in<br />
Anwesenheit einer Sozialpädagogin aus der Anstalt versucht,<br />
an diesem Selbst- und Fremdbild der Jugendlichen zu<br />
arbeiten.<br />
„Wir haben noch keine Evaluierung, aber man merkt,<br />
wie uns diese Jugendlichen am Anfang wahrnahmen und<br />
wie sich das verändert. Man kann aus denen ganz leicht so<br />
genannte normale Menschen machen. Das sind Burschen,<br />
die genauso unsicher sind, die genauso Bestätigung brauchen,<br />
ein bisschen Wärme, ein bisschen Zuneigung, wie alle<br />
anderen jungen Leute. Diese harte Schale, dieses Bild, das<br />
sie nach außen liefern, das ist auch ein gewisser Versuch,<br />
sich selber zu schützen. Es gibt auch welche, für die das<br />
nach außen aggressiv oder hart sein nichts anderes ist, als<br />
dem Klischee entsprechen zu wollen. Denn: Was erwartet ein<br />
durchschnittlicher Mensch in Österreich von einem tschetschenischen<br />
Jugendlichen? Dass er hart ist, aggressiv ist,<br />
dass man dem am besten aus dem Weg geht. Die Medien,<br />
auch die sogenannten Qualitätsmedien, verbreiten dieses<br />
Bild. Was soll ein tschetschenischer <strong>17</strong>-Jähriger machen, der<br />
eigentlich körperlich schwächer ist, der vielleicht in Wahrheit<br />
gern Klavier spielen möchte? Der muss diesem Bild entsprechen,<br />
glaubt er. Ich sehe leider häufig, dass diese jungen<br />
Menschen in die Ecke der Aggressiven, Bösen, Radikalen<br />
gedrängt werden. Aber man kann sie, wie wir in diesem<br />
Gefängnisprojekt erleben, von dort auch wieder abholen.“ ●<br />
Du willst mehr über<br />
Maynat Kurbanova<br />
wissen?<br />
Dann lies das neue<br />
Buch von Livia Klingl,<br />
die diesen Artikel für<br />
biber geschrieben hat.<br />
Die Journalistin und<br />
Buchautorin zeigt mithilfe<br />
von 21 Porträts in „Lauter<br />
Fremde!“, dass wir uns<br />
trotz digitaler Vernetzung<br />
und Globalisierung<br />
fremd geworden sind in<br />
unserem Land – egal ob<br />
wir Österreicher oder<br />
Ausländer sind.<br />
MEIN WIEN NACHRICHTEN<br />
43-Jähriger gibt<br />
betagter Frau<br />
einen Ruck!<br />
Hier hört man immer<br />
wieder von Michael L.<br />
Na, mit einer schlechten Nachricht gerechnet?<br />
Diesmal nicht. Denn Michael L. (Name der Redaktion<br />
bekannt), 43, ist ehrenamtlich für Wien<br />
tätig und spielt jede Woche freiwillig Gitarre in<br />
einer Wohngemeinschaft für ältere Menschen<br />
mit Behinderung. So singt er zum Beispiel mit<br />
Monika, 66, für die Michaels Besuche der absolute<br />
Höhepunkt der ganzen Woche sind. Wir<br />
finden, das ist auch eine Schlagzeile wert.<br />
Können Sie auch ein Instrument spielen? Dann<br />
geben Sie sich doch selbst einen Ruck und<br />
machen älteren Menschen eine Freude.<br />
Bezahlte Anzeige<br />
ACHTUNG:<br />
Musik kann die<br />
Stimmung aufhellen.<br />
Michael L. beim Musizieren<br />
Eine starke Zivilgesellschaft für ein starkes Wien.<br />
Viele heranwachsende Tschetschenen haben kein positives Männerbild.<br />
16 / POLITIKA /<br />
Möchten auch Sie sich engagieren?<br />
Dann schauen Sie auf<br />
www.freiwillig.wien.at<br />
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