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BIBER 03_17_deljel

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„ICH KONNTE<br />

TROTZ DOKTORTITEL<br />

KEINEN JOB FINDEN.“<br />

Im ungarischen Film „The Citizen“ spielt Marcelo Cake-Baly<br />

einen afrikanischen Geflüchteten, der um die ungarische<br />

Staatsbürgerschaft und um ein neues Leben kämpft. Für Cake-Baly<br />

nichts Neues. Der Schauspieler über Ungarns Politik, Rassismus<br />

und Emotionen.<br />

<strong>BIBER</strong>: Wie führte Sie Ihr Weg von Guinea-Bissau<br />

nach Ungarn?<br />

CAKE-BALY: 1974 wurde ich von der Freiheitsbewegung<br />

nach Europa zum Studieren geschickt. Ich<br />

hatte mehrere Optionen, ich hätte in die ehemalige<br />

DDR gehen können, aber als es Zeit war für<br />

mich loszufahren, gab es dort keine freien Plätze<br />

mehr. Ungarn bat aber noch welche an und so<br />

bekam ich ein Stipendium, um dort zu studieren.<br />

Haben Sie sich bei Ihrer Ankunft willkommen oder<br />

zurückgewiesen gefühlt?<br />

Als ich ankam, waren alle sehr gastfreundlich<br />

und ich habe mich auf jeden Fall willkommen<br />

von Jelena Pantić<br />

gefühlt. Es gab keine rassistischen Vorfälle, denn<br />

ein solches Verhalten war im Sozialismus tabu.<br />

Ich habe viele schöne Erinnerungen an meine<br />

Studienzeit. Nach meinem Abschluss hatte ich mit<br />

den üblichen Schwierigkeiten zu kämpfen, einen<br />

Job zu finden. Erschwerend kam für mich dazu,<br />

als Schwarzer eine Stelle zu finden, die meiner<br />

Qualifikation entspricht. Ich konnte keine Stelle als<br />

Ökonom finden, also arbeitete ich als Kontrolleur<br />

und zeitweise als Straßenbahnfahrer.<br />

Und wie empfinden Sie die Situation heute?<br />

Die Grundhaltung hat sich seit dem Sozialismus<br />

verändert. Heute kann jeder öffentlich sagen, was<br />

Mozinet<br />

er will. Es ist mir schon widerfahren, dass ich auf<br />

der Straße beschimpft wurde. Aber<br />

dieses Problem gibt es in ganz Europa, nicht nur<br />

in Ungarn. Durch die Flüchtlingsthematik gab es<br />

europaweit Änderungen in der Einstellung der<br />

Menschen gegenüber Zuwanderern. Das betrifft<br />

nicht nur jene, die ankommen, sondern auch jene,<br />

die seit Jahrzehnten hier leben. Und das kann<br />

nicht gut sein. Die Atmosphäre, die seitens der<br />

Regierung zu spüren ist, bedeutet nichts Gutes.<br />

Nichtsdestotrotz sind die Menschen in meiner<br />

Umgebung unverändert freundlich zu mir.<br />

Wilson, ihr Charakter im Film, wünscht sich nichts<br />

sehnlicher als die ungarische Staatsbürgerschaft.<br />

Sind Sie ungarischer Staatsbürger?<br />

Ja, seit 1994. In diesem Jahr hab ich offiziell<br />

meinen Pass erlangt, dem Land meine Treue<br />

geschworen und ungarische Dokumente ausgestellt<br />

bekommen. Ich lebe mit meiner Familie in<br />

Budapest.<br />

Ihr Charakter muss sich den Schikanen der<br />

Behörden hingeben und beispielsweise<br />

schildern, wie seine schwangere Frau ausgeweidet<br />

wurde. Wie sehr erkennen Sie sich selbst in<br />

„The Citizen“ wieder?<br />

Um einen Charakter authentisch zu spielen, muss<br />

man in seine Haut schlüpfen. Ich war emotional<br />

an meine Rolle gebunden, denn sie durchlebt<br />

Situationen, die mir und Menschen in ganz Europa<br />

widerfahren und Spuren hinterlassen (Anm. d.<br />

Red.: bezieht sich auf die Schikanen der Behörden).<br />

Ich bin sehr froh, diese Rolle gespielt zu<br />

haben, denn so konnte ich mein Innerstes auf die<br />

Leinwand bringen.<br />

Das ist Ihr Schauspiel-Debüt. Wie hat sich<br />

das ergeben?<br />

Vor zwei Jahren ging ich im Zentrum von<br />

Budapest spazieren und wurde von einem Mann<br />

angesprochen. Er erzählte mir von seinen Plänen<br />

einen ganz besonderen Film zu drehen. Dieser<br />

Mann war Roland Vranik, der Regisseur. Ich habe<br />

sofort zugesagt, obwohl ich keinerlei schauspielerische<br />

Erfahrung hatte. Aber das Thema war mir<br />

so wichtig und mein Interesse so groß, dass ich<br />

nicht Nein sagen konnte. Für den Film nahm ich<br />

Schauspielunterricht bei meiner Schauspielkollegin<br />

Agnes Mahr. Letztendlich habe ich mich aber<br />

hauptsächlich auf meinen Instinkt verlassen.<br />

Erfüllt Sie das Schauspielen mehr als<br />

Wirtschaft?<br />

Ich trug für diesen Film eine große Verantwortung,<br />

weil mir der Regisseur von Anfang an vertraute.<br />

Ich wollte ihn keinesfalls enttäuschen, also<br />

gab ich mein Allerbestes. Ich versuche aber generell<br />

immer das Beste in allen Aspekten meines<br />

Lebens zu geben, ob als Manager, Straßenbahnfahrer<br />

oder Schauspieler. Ich bin überglücklich,<br />

dass der Film auf derart positive Rückmeldungen<br />

gestoßen ist.<br />

„The Citizen“ (Originaltitel: Az állampolgár)<br />

ist der Eröffnungsfilm des Let’s CEE Festival<br />

20<strong>17</strong>, das von 21. bis 27. März läuft.<br />

Spieltermine und weitere Infos unter: www.<br />

letsceefilmfestival.com/<br />

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