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BDSM:<br />
Bondage-Discipline, Dominance-Submission,<br />
Sado-Masochism. Eine Aktivität mit einem ungleichen<br />
Machtverhältnis, in der eine Partei dominiert<br />
und die andere unterwürfig ist.<br />
Spiel:<br />
beschreibt die Aktivität, in der das ungleiche<br />
Machtverhältnis ausgeübt wird, zum Beispiel durch<br />
Tätigkeiten wie Peitschen oder Fesseln.<br />
Dominant:<br />
Die Person, die im Machtverhältnis dominiert.<br />
Sub/Devot:<br />
Die unterwürfige Person im Machtverhältnis.<br />
Diese Person hat die Möglichkeit das<br />
Spiel jederzeit zu beenden.<br />
Zustimmung und Kommunikation:<br />
sind die wichtigsten Voraussetzungen für das Spiel.<br />
Beide (oder mehr) Parteien müssen ihre Vorlieben<br />
und Grenzen sehr präzise verdeutlichen. Vor dem<br />
Spielen müssen beide Seiten aktiv zustimmen und<br />
die Grenzen des anderen respektieren. Der oder die<br />
Sub darf ein Safe Word, zum Beispiel, „Mayday!“<br />
benutzen, um das Spiel abrupt zu beenden.<br />
Halsband:<br />
Ein Symbol für Unterwürfigkeit. Manchmal in einer<br />
Beziehung, manchmal in einer Meister/Sklaven-<br />
Beziehung. Das ungleiche Machtverhältnis wird dann<br />
nicht nur im Spiel, sondern auch im Alltag ausgeübt.<br />
Zum BDSM Spiel gehören oft Fesseln, Bondage und Peitschen – die Schmerzgrenze muss jeder für sich selbst festsetzen.<br />
Connie (oben) ist der Besitzer des SMart Cafè, Sven der „Papa“.<br />
Aber warum eigentlich BDSM? Worin besteht der Reiz<br />
andere zu dominieren oder zu prügeln oder sich dominieren<br />
und prügeln zu lassen? Der böse Wolf antwortet blitzschnell:<br />
„Weil‘s geil ist!“ Ich frage weiter herum und suche Motive für<br />
diese Vorlieben. Alle bestehen darauf, dass sie schon ihr ganzes<br />
Leben lang so waren.<br />
Vor allem, fügt Rotkäppchen hinzu, ist BDSM auch eine<br />
intime Situation, in der man viel über seine Sexualität und Präferenzen<br />
kommunizieren und nachdenken muss. Ein Lebensstil,<br />
in dem nichts einen höheren Stellenwert hat als aktive Zustimmung.<br />
Der dominante Partner kontrolliert seinen Devoten, trägt<br />
aber auch die Verantwortung und beschützt ihn oder sie. Der<br />
böse Wolf beschreibt es so: „Wenn man einem Menschen in<br />
die Augen schaut, der dir voll vertraut, angebunden ist, sich<br />
nicht wehren kann, und sagt: Mach mit mir was du willst. Du<br />
wirst schon das Richtige machen. Diese völlige Hingabe – das<br />
ist BDSM.“<br />
Jetzt bin ich endgültig in den Bann gezogen und will mir<br />
die Spielkammer anschauen. Auf dem Weg dorthin komme ich<br />
am Youngblood Stammtisch vorbei. Hier sitzen circa zwanzig<br />
jüngere Männer und Frauen im Alter von achtzehn bis dreißig.<br />
Sie sind Neulinge in der BDSM-Welt und suchen eine Einführung.<br />
Sven, der Leiter des Stammtisches, begleitet mich zur<br />
Spielkammer.<br />
BLANKE HINTERN UND LANGE PEITSCHEN<br />
An der Tür der Spielkammer hängt ein neon blinkendes<br />
Stoppschild. Die Spielkammer an sich ist klein, dunkel und mit<br />
allerlei sadistischen Utensilien ausgestattet. Eine Multibank, ein<br />
Spank-Bock, Haken an der Decke, ein Eimer voller Stangen und<br />
Peitschen und eine zehn Zentimeter breite Bambus-Stange,<br />
die angeblich nur zur Deko dient. Vier Menschen sitzen auf der<br />
Couch und machen rum oder schauen zu.<br />
Inmitten des Zimmers fesselt ein junger Mann sorgfältig<br />
seine halbnackte Geliebte mit einem Seil. Er wickelt das Seil<br />
geschickt um ihre Brust herum und befestigt es an einem<br />
Haken an der Decke. Keiner von beiden spricht. Er konzentriert<br />
sich auf das Seil, sie senkt demütig den Blick. Ab und zu nimmt<br />
er die Hände von dem Seil ab, legt diese auf sie, überprüft ob<br />
sie glücklich ist und küsst sie zärtlich.<br />
Die Regeln in der Spielkammer sind klar: Die spielenden<br />
Parteien müssen aktiv zustimmen und die Grenzen des anderen<br />
respektieren. Die Zuschauer müssen leise sein, sich nicht<br />
in die Szene einmischen und ja niemanden begrapschen. Jetzt<br />
beginnt eine neue Szene. Ein Mann liegt mit blankem Hintern<br />
an eine schwarze Bank gefesselt, während eine Frau und ein<br />
Mann ihn mit 1,5 Meter langen Peitschen übelst zurichten. Er<br />
schreit, völlig erregt. Die zwei Doms lachen, halten manchmal<br />
an, um zu checken, ob er es genießt, und peitschen dann mit<br />
voller Lust weiter. Sven und ich setzen uns auf die Multibank<br />
und schauen zu.<br />
WAS, WENN WAS SCHIEF LÄUFT?<br />
Offensichtlich steht der Gepeitschte auf Schmerz, und die<br />
beiden anderen genießen es ihm diesen Schmerz zuzufügen.<br />
In dieser Situation sind Zustimmung, Lust, und Kommunikation<br />
sehr präsent. Aber ich bezweifle, dass das immer der Fall<br />
ist. Sven stimmt mir zu. Es gäbe überall Menschen mit bösen<br />
Absichten, die andere manipulieren wollen. Sie denken, beim<br />
BDSM könne man dem anderen antun was man will, nicht was<br />
beiden Parteien gefällt. Aber auch ein gutgesinnter, jedoch<br />
unerfahrener und sich selbst überschätzender Dom ist genauso<br />
gefährlich. Ein Aufprall auf beispielwiese die Nieren kann<br />
lebensgefährlich sein. Es gibt einige Irrglauben zu BDSM und<br />
„Fifty Shades of Grey“ hat dabei wenig geholfen. In den Worten<br />
des bösen Wolfes: „Das ist der grässlichste Scheiß, den ich<br />
je gehört hab.“ In Fifty Shades werden nicht die Grundpfeiler<br />
des BDSM, Zustimmung, Kommunikation und positive Sexualität,<br />
vermittelt. Stattdessen geht es um einen psychisch Kranken<br />
und um eine Frau, die leidet, um ihn zu heilen. Aber schön,<br />
dass Mr. Grey reich ist. „Würde er in einem Anhänger wohnen,<br />
wäre es Vergewaltigung“, fügt ein Stammkunde hinzu.<br />
PAPA SVEN UND DER SICHERE RAUM<br />
Immer wieder kommt es zu Vergewaltigungen, in denen BDSM<br />
als Vorwand genommen wird, um sadistische Fantasien auszuleben.<br />
Wenn so ein BDSM-verbundener Fall in Österreich<br />
passiert, ruft die Polizei Sven an. Er berät die Polizei, wie man<br />
die Situation interpretieren soll, macht primäre Intervention,<br />
vermittelt Kontakte und empfiehlt den Betroffenen Therapeuten<br />
und Anwälte. Im SMart Café wird er als „Papa“ gesehen. Ihm<br />
vertrauen die Menschen und er schafft mit dem Café einen<br />
sicheren Raum. Besucher, die die Regeln nicht respektieren,<br />
werden von ihm entweder ermahnt oder rausgeschmissen.<br />
Wenn eine Szene im seltenen Fall schief läuft, greift er, oder<br />
einer der Zuschauer, ein. Im Großen und Ganzen verteidigen<br />
Papa Sven und die SMart Café Stammkunden ihren Boden vor<br />
Bösem. Alle dort fühlen sich wohl und sind sich einig, dass die<br />
Horror-Geschichten außerhalb des sicheren Raums des Cafés<br />
stattfinden.<br />
Sven steht auf, er muss zurück zum Stammtisch. Er verabschiedet<br />
sich mit den Worten: „Es gibt keine Spielart von<br />
Leben und Sexualität, die so anerkennend, rücksichtsvoll, und<br />
achtsam ist wie SM. Man ist gezwungen zu kommunizieren,<br />
das, was bei vielen nicht-BDSM Beziehungen und sexuellen<br />
Beziehungen schief läuft.“<br />
Es ist 3:30, und ich bin zurück im ersten Raum. Ein paar<br />
Gäste sitzen noch an den Tischen und unterhalten sich leise.<br />
Rotkäppchen und der böse Wolf sitzen noch an der Bar und<br />
trinken ihr letztes Glas. Es sieht alles ganz gewöhnlich aus. Ich<br />
erinnere mich an Svens Worte: „Letztendlich sind wir wie alle<br />
anderen, wir tun nur ein paar verrücktere Dinge.“ Das Knallen<br />
der Peitsche wirbelt noch in meinem Kopf. Und das Bild des<br />
Fesslers und seiner Geliebten, die freischwebend in der Luft<br />
hing. Im Endeffekt wollen hier alle nur mit anderen in Kontakt<br />
kommen. Manche durch das Zufügen von Schmerz, andere<br />
durch Unterwürfigkeit, andere durch haarige, stinkige schmutzige<br />
Füße. ●<br />
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