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BIBER 03_17_deljel

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BDSM:<br />

Bondage-Discipline, Dominance-Submission,<br />

Sado-Masochism. Eine Aktivität mit einem ungleichen<br />

Machtverhältnis, in der eine Partei dominiert<br />

und die andere unterwürfig ist.<br />

Spiel:<br />

beschreibt die Aktivität, in der das ungleiche<br />

Machtverhältnis ausgeübt wird, zum Beispiel durch<br />

Tätigkeiten wie Peitschen oder Fesseln.<br />

Dominant:<br />

Die Person, die im Machtverhältnis dominiert.<br />

Sub/Devot:<br />

Die unterwürfige Person im Machtverhältnis.<br />

Diese Person hat die Möglichkeit das<br />

Spiel jederzeit zu beenden.<br />

Zustimmung und Kommunikation:<br />

sind die wichtigsten Voraussetzungen für das Spiel.<br />

Beide (oder mehr) Parteien müssen ihre Vorlieben<br />

und Grenzen sehr präzise verdeutlichen. Vor dem<br />

Spielen müssen beide Seiten aktiv zustimmen und<br />

die Grenzen des anderen respektieren. Der oder die<br />

Sub darf ein Safe Word, zum Beispiel, „Mayday!“<br />

benutzen, um das Spiel abrupt zu beenden.<br />

Halsband:<br />

Ein Symbol für Unterwürfigkeit. Manchmal in einer<br />

Beziehung, manchmal in einer Meister/Sklaven-<br />

Beziehung. Das ungleiche Machtverhältnis wird dann<br />

nicht nur im Spiel, sondern auch im Alltag ausgeübt.<br />

Zum BDSM Spiel gehören oft Fesseln, Bondage und Peitschen – die Schmerzgrenze muss jeder für sich selbst festsetzen.<br />

Connie (oben) ist der Besitzer des SMart Cafè, Sven der „Papa“.<br />

Aber warum eigentlich BDSM? Worin besteht der Reiz<br />

andere zu dominieren oder zu prügeln oder sich dominieren<br />

und prügeln zu lassen? Der böse Wolf antwortet blitzschnell:<br />

„Weil‘s geil ist!“ Ich frage weiter herum und suche Motive für<br />

diese Vorlieben. Alle bestehen darauf, dass sie schon ihr ganzes<br />

Leben lang so waren.<br />

Vor allem, fügt Rotkäppchen hinzu, ist BDSM auch eine<br />

intime Situation, in der man viel über seine Sexualität und Präferenzen<br />

kommunizieren und nachdenken muss. Ein Lebensstil,<br />

in dem nichts einen höheren Stellenwert hat als aktive Zustimmung.<br />

Der dominante Partner kontrolliert seinen Devoten, trägt<br />

aber auch die Verantwortung und beschützt ihn oder sie. Der<br />

böse Wolf beschreibt es so: „Wenn man einem Menschen in<br />

die Augen schaut, der dir voll vertraut, angebunden ist, sich<br />

nicht wehren kann, und sagt: Mach mit mir was du willst. Du<br />

wirst schon das Richtige machen. Diese völlige Hingabe – das<br />

ist BDSM.“<br />

Jetzt bin ich endgültig in den Bann gezogen und will mir<br />

die Spielkammer anschauen. Auf dem Weg dorthin komme ich<br />

am Youngblood Stammtisch vorbei. Hier sitzen circa zwanzig<br />

jüngere Männer und Frauen im Alter von achtzehn bis dreißig.<br />

Sie sind Neulinge in der BDSM-Welt und suchen eine Einführung.<br />

Sven, der Leiter des Stammtisches, begleitet mich zur<br />

Spielkammer.<br />

BLANKE HINTERN UND LANGE PEITSCHEN<br />

An der Tür der Spielkammer hängt ein neon blinkendes<br />

Stoppschild. Die Spielkammer an sich ist klein, dunkel und mit<br />

allerlei sadistischen Utensilien ausgestattet. Eine Multibank, ein<br />

Spank-Bock, Haken an der Decke, ein Eimer voller Stangen und<br />

Peitschen und eine zehn Zentimeter breite Bambus-Stange,<br />

die angeblich nur zur Deko dient. Vier Menschen sitzen auf der<br />

Couch und machen rum oder schauen zu.<br />

Inmitten des Zimmers fesselt ein junger Mann sorgfältig<br />

seine halbnackte Geliebte mit einem Seil. Er wickelt das Seil<br />

geschickt um ihre Brust herum und befestigt es an einem<br />

Haken an der Decke. Keiner von beiden spricht. Er konzentriert<br />

sich auf das Seil, sie senkt demütig den Blick. Ab und zu nimmt<br />

er die Hände von dem Seil ab, legt diese auf sie, überprüft ob<br />

sie glücklich ist und küsst sie zärtlich.<br />

Die Regeln in der Spielkammer sind klar: Die spielenden<br />

Parteien müssen aktiv zustimmen und die Grenzen des anderen<br />

respektieren. Die Zuschauer müssen leise sein, sich nicht<br />

in die Szene einmischen und ja niemanden begrapschen. Jetzt<br />

beginnt eine neue Szene. Ein Mann liegt mit blankem Hintern<br />

an eine schwarze Bank gefesselt, während eine Frau und ein<br />

Mann ihn mit 1,5 Meter langen Peitschen übelst zurichten. Er<br />

schreit, völlig erregt. Die zwei Doms lachen, halten manchmal<br />

an, um zu checken, ob er es genießt, und peitschen dann mit<br />

voller Lust weiter. Sven und ich setzen uns auf die Multibank<br />

und schauen zu.<br />

WAS, WENN WAS SCHIEF LÄUFT?<br />

Offensichtlich steht der Gepeitschte auf Schmerz, und die<br />

beiden anderen genießen es ihm diesen Schmerz zuzufügen.<br />

In dieser Situation sind Zustimmung, Lust, und Kommunikation<br />

sehr präsent. Aber ich bezweifle, dass das immer der Fall<br />

ist. Sven stimmt mir zu. Es gäbe überall Menschen mit bösen<br />

Absichten, die andere manipulieren wollen. Sie denken, beim<br />

BDSM könne man dem anderen antun was man will, nicht was<br />

beiden Parteien gefällt. Aber auch ein gutgesinnter, jedoch<br />

unerfahrener und sich selbst überschätzender Dom ist genauso<br />

gefährlich. Ein Aufprall auf beispielwiese die Nieren kann<br />

lebensgefährlich sein. Es gibt einige Irrglauben zu BDSM und<br />

„Fifty Shades of Grey“ hat dabei wenig geholfen. In den Worten<br />

des bösen Wolfes: „Das ist der grässlichste Scheiß, den ich<br />

je gehört hab.“ In Fifty Shades werden nicht die Grundpfeiler<br />

des BDSM, Zustimmung, Kommunikation und positive Sexualität,<br />

vermittelt. Stattdessen geht es um einen psychisch Kranken<br />

und um eine Frau, die leidet, um ihn zu heilen. Aber schön,<br />

dass Mr. Grey reich ist. „Würde er in einem Anhänger wohnen,<br />

wäre es Vergewaltigung“, fügt ein Stammkunde hinzu.<br />

PAPA SVEN UND DER SICHERE RAUM<br />

Immer wieder kommt es zu Vergewaltigungen, in denen BDSM<br />

als Vorwand genommen wird, um sadistische Fantasien auszuleben.<br />

Wenn so ein BDSM-verbundener Fall in Österreich<br />

passiert, ruft die Polizei Sven an. Er berät die Polizei, wie man<br />

die Situation interpretieren soll, macht primäre Intervention,<br />

vermittelt Kontakte und empfiehlt den Betroffenen Therapeuten<br />

und Anwälte. Im SMart Café wird er als „Papa“ gesehen. Ihm<br />

vertrauen die Menschen und er schafft mit dem Café einen<br />

sicheren Raum. Besucher, die die Regeln nicht respektieren,<br />

werden von ihm entweder ermahnt oder rausgeschmissen.<br />

Wenn eine Szene im seltenen Fall schief läuft, greift er, oder<br />

einer der Zuschauer, ein. Im Großen und Ganzen verteidigen<br />

Papa Sven und die SMart Café Stammkunden ihren Boden vor<br />

Bösem. Alle dort fühlen sich wohl und sind sich einig, dass die<br />

Horror-Geschichten außerhalb des sicheren Raums des Cafés<br />

stattfinden.<br />

Sven steht auf, er muss zurück zum Stammtisch. Er verabschiedet<br />

sich mit den Worten: „Es gibt keine Spielart von<br />

Leben und Sexualität, die so anerkennend, rücksichtsvoll, und<br />

achtsam ist wie SM. Man ist gezwungen zu kommunizieren,<br />

das, was bei vielen nicht-BDSM Beziehungen und sexuellen<br />

Beziehungen schief läuft.“<br />

Es ist 3:30, und ich bin zurück im ersten Raum. Ein paar<br />

Gäste sitzen noch an den Tischen und unterhalten sich leise.<br />

Rotkäppchen und der böse Wolf sitzen noch an der Bar und<br />

trinken ihr letztes Glas. Es sieht alles ganz gewöhnlich aus. Ich<br />

erinnere mich an Svens Worte: „Letztendlich sind wir wie alle<br />

anderen, wir tun nur ein paar verrücktere Dinge.“ Das Knallen<br />

der Peitsche wirbelt noch in meinem Kopf. Und das Bild des<br />

Fesslers und seiner Geliebten, die freischwebend in der Luft<br />

hing. Im Endeffekt wollen hier alle nur mit anderen in Kontakt<br />

kommen. Manche durch das Zufügen von Schmerz, andere<br />

durch Unterwürfigkeit, andere durch haarige, stinkige schmutzige<br />

Füße. ●<br />

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