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HART<br />
In einem Wiener Café bestellen die Kunden zuerst Kaffee und greifen<br />
danach zur Peitsche. Redakteurin Michaela war in der Wiener<br />
ABER<br />
BDSM Szene unterwegs und hat gelernt: Für BDSM braucht es mehr<br />
Zustimmung und Kommunikation und weniger Fifty Shades of Grey.<br />
ZART<br />
von Michaela Kobsa (Text und Fotos)<br />
Das sind die Basic-Utensilien: Fesseln, Peitschen, Flogger und Stöcke<br />
Im SMart Café in der Köstlergasse wird gepeitscht,<br />
gefloggt und gefesselt was das Zeug hält – ein Raum<br />
in dem sadistische und ungewöhnliche Fantasien nicht<br />
verurteilt werden. Es ist 22 Uhr und ich stehe vor der<br />
schwarzen Tür des SMart Cafés, Wiens erstem Fetisch<br />
und BDSM Lokal. BDSM steht für Bondage & Discipline, Dominance<br />
& Submission und Sadism & Masochism. Ich kenne mich<br />
halbwegs mit Fifty Shades of Grey aus, will aber sehen was in<br />
der BDSM-Szene wirklich abgeht. Also atme ich tief ein und<br />
betrete eine neue Welt.<br />
Innen sieht das BDSM-Café wie das Beiserl um die Ecke<br />
aus. Es ist aber so voll, dass man kaum durchkommt. Es<br />
herrscht trotz vielen Frauen ein Überschuss an Männern.<br />
Die Mehrheit ist vierzig bis fünfzig Jahre alt. Manche tragen<br />
Alltagskleidung, ab und zu erscheint auch ein Halsband oder<br />
Korsett auf der Bildfläche. Auf den ersten Blick sieht alles fast<br />
gewöhnlich aus. Außer, dass es im Fernsehen kein Fußball<br />
spielt, sondern zu sehen ist, wie eine ledertragende Domina<br />
mit einem massiven Strap-On ihr männliches Opfer foltert.<br />
Connie, der Besitzer, steht an der Bar und hält eine Zigarette<br />
zwischen seinen schwarz manikürten Fingern. Er erzählt,<br />
wie er 1999 wegen seines Cafés ständig vom FPÖ-Bezirksvorsteher<br />
und seinen Behörden gehetzt wurde. „Viele verstehen<br />
noch immer nicht, dass die Gewalt in BDSM einvernehmlich ist.<br />
Und weil es bei BDSM zu Schmerzen und Verletzung kommen<br />
kann, müssen alle Beteiligten viel bewusster mit Zustimmung,<br />
Kommunikation und Grenzen umgehen“, erklärt er. An der Bar<br />
werde ich von einer jüngeren Barista mit blonden Haaren und<br />
schwarzem Halsband begrüßt. Ich bestelle ein Getränk und<br />
schaue mich um. Ein älterer Herr mit weißem Bart starrt mich<br />
an und schnell kommen wir ins Gespräch. Nach zwei Sekunden<br />
korrigiert er mein Deutsch. Dann lacht er: „Tut mir leid, ich bin<br />
Deutschlehrer. Dürfte ich bitte Ihre Füße ablecken?“<br />
SEVERIN, DER FUSSVERWÖHNER, ROTKÄPPCHEN<br />
UND DER BÖSE WOLF<br />
Der fußverliebte Herr heißt Severin – tagsüber Deutschlehrer,<br />
nachtsüber Fußverwöhner und Prügelknabe. Er steht auf<br />
hübsche Frauen, blaue Flecken, und dreckige, haarige Füße. Er<br />
hatte sein ganzes Leben lang ungewöhnliche Vorlieben gehabt<br />
und sich tief dafür geschämt. In diesem Café kann er sich mit<br />
Gleichgesinnten unterhalten und seine Fantasien ausleben. Nur<br />
leider nicht mit mir.<br />
Links von mir sitzen ein Mann Ende fünfzig und eine Frau<br />
Mitte vierzig. Rotkäppchen und der böse Wolf soll ich sie<br />
nennen. Beide sprechen Wienerisch und prügeln ihre Devoten<br />
mit sadistischem Eifer. Der böse Wolf erklärt: „Wir sind nicht<br />
anders als alle anderen.“ Er nippt an seinem Schwarztee und<br />
fährt fort: „Toleranter san wir. Weil wir niemanden als pervers<br />
bezeichnen.“ Im Café treffen Menschen mit allen möglichen<br />
Vorlieben und sexuellen Orientierungen aufeinander: Sadisten<br />
und Masochisten, Trans und Cis, dominant und unterwürfig,<br />
Queer und Straight, Fessler und Fußverwöhner, und vieles<br />
andere jenseits der üblichen Vorstellungskraft.<br />
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