„Fest“-gehalten von Sarah Koska - Draußen
„Fest“-gehalten von Sarah Koska - Draußen
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Buchtipps | Texte: Marc Peschke und Sigi Nasner<br />
Lesen!<br />
Andrea Camilleri: Von der<br />
Liebe zum Radfahren.<br />
Rororo Taschenbuch 2009,<br />
96 Seiten. 8 Euro<br />
ISBN 978-3-499-24988-4.<br />
Abbas Khider: Der falsche<br />
Inder<br />
Edition Nautilus, Verlag Lutz<br />
Schulenberg<br />
Hamburg, August 2008,<br />
156 Seiten, 16 Euro<br />
ISBN 978-3-89401-576-3<br />
Sizilien, das ist stets das eigentliche<br />
Hauptmotiv der Bücher <strong>von</strong> Andrea Camilleri.<br />
Porto Empedocle in der Provinz<br />
Agrigento, die Heimatstadt des Schriftstellers,<br />
die Naturschönheiten der Insel,<br />
die Städte, die Küche, die Sprache, vor<br />
allem aber die Charakterzüge der Menschen<br />
sind immer fester Bestandteil seiner<br />
Literatur. 14 Fälle hatte Commissario<br />
Montalbano bereits zu lösen. Jetzt sei<br />
ihm und dem Schriftsteller eine Pause<br />
gegönnt.<br />
Diese hat Andrea Camilleri genutzt, um<br />
ein kleines Büchlein zu veröffentlichen,<br />
das eine wahre Geschichte aus den Tagen<br />
der Befreiung Siziliens vom Faschismus<br />
erzählt. Und auch dieses Buch liest<br />
sich so spannend wie ein hervorragender<br />
Kriminalroman. Es spielt im Sommer<br />
des Jahres 1943 und beschreibt eine<br />
Fahrradfahrt des jungen Schriftstellers:<br />
eine Fahrt durch die zerbombte, verbrannte<br />
Heimat - auf der Suche nach<br />
dem Vater.<br />
Die irakische Hauptstadt Bagdad ist der<br />
Geburtsort <strong>von</strong> Abbas Khider, die Stadt,<br />
die in der arabischen Welt „Stadt des<br />
Friedens“ genannt wird. Doch während<br />
seiner Kindheit erlebt er hier die immer<br />
wiederkehrenden Kriege, Verwüstungen,<br />
Hunger und Leid.<br />
Sein Vater bekennt sich irgendwann zum<br />
Regime Saddam Husseins. Er, der selbst<br />
nicht lesen kann, verbrennt fast alle<br />
Bücher seines Sohnes, weil laut Gesetz<br />
Lesen außerhalb der Schulen verboten<br />
ist. Als junger Mann überlebt Abbas<br />
dann Gefängnis und Folter. Wie durch<br />
ein Wunder entgeht er mit dem Erschiessungskommando,<br />
weil der Transporter,<br />
der die Gefangenen zur Hinrichtung in<br />
die Wüste bringen soll, eine Reifenpanne<br />
hat. Danach hat er nur noch den<br />
einen Wunsch: Er will den Irak um jeden<br />
Preis verlassen. Sein ständiges Bittgebet<br />
heißt: „Gott befreie mich <strong>von</strong> der Leere.“<br />
Durch zwanghaftes Schreiben verschafft<br />
er sich Erleichterung und flüchtet<br />
sich in die Arme <strong>von</strong> unzähligen Frauen,<br />
„Ich wäre gern ein Bänkelsänger geworden,<br />
einer <strong>von</strong> denen, die auf einem<br />
Platz singen und am Ende der Vorstellung<br />
den Hut herumgehen lassen. Ich<br />
bin auch so ein direkter Erzähler wie<br />
die“, hat Camilleri einmal über sich<br />
selbst gesagt - und das stimmt: Sein<br />
kurzer Text über die letzten Tage des<br />
Krieges auf Sizilien - es stehen sich<br />
deutsche und alliierte Truppen gegenüber<br />
- liest sich ganz und gar aus dem<br />
Leben gegriffen.<br />
Diese gefährliche, spannende Fahrradfahrt<br />
wird illustriert <strong>von</strong> Fotografien<br />
Robert Capas, der die letzten Tages des<br />
Krieges eindringlich dokumentiert. Im<br />
Zweiten Weltkrieg arbeitete der Magnum-Mitbegründer<br />
als Kriegsberichterstatter<br />
für die Zeitschriften „Time“,<br />
„Life“ und „Collier's“. Das auf Sizilien<br />
entstandene Werk, folgt, wir sehen es<br />
beim Blättern, genauso dem großen<br />
Satz des Fotografen: „Wenn Deine Bilder<br />
nicht gut genug sind, warst Du nicht<br />
nahe genug dran.“ #<br />
um seine grausamen Erlebnisse zu vergessen.<br />
Seine folgende Flucht ist eine<br />
Odyssee ums Mittelmeer herum. Er wird<br />
immer wieder gefasst und landet in den<br />
Gefängnissen der Länder, in denen er<br />
Asyl sucht. Dort ist er der Willkür <strong>von</strong> Diktatur<br />
und Polizei ausgesetzt. Schließlich<br />
gelangt er nach Deutschland. Eigentlich<br />
wollte er weiter nach Schweden, aber<br />
die deutschen Behörden durchkreuzen<br />
sein Vorhaben, man lässt ihn nicht weiterreisen.<br />
Hier beginnt er schließlich zu<br />
studieren und versucht sich eine neue<br />
Existenz aufzubauen. Trotzdem findet er<br />
nur selten Ruhe. Seine immer wiederkehrenden<br />
Träume <strong>von</strong> verstorbenen<br />
Freunden und Weggefährten hören<br />
nicht auf ihn zu quälen.<br />
Die Verwirrtheit, die Schuldgefühle und<br />
die Erinnerung an die immer wiederkehrenden,<br />
grausamen Erlebnisse, die<br />
in Abbas Khiders Seele wüten, sind beim<br />
Lesen des Buches hautnah spürbar.<br />
Ein bewegendes Dokument über das<br />
Schicksal eines Kriegsflüchtlings. #<br />
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