stahlmarkt 4.2017 (April)
Aus dem Inhalt: Steel International / Italien / Rohre Profile Flansche / Stahlhandel & Stahl-Service-Center / Edelstahl
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SEITENBLICK<br />
Risiko Insolvenzanfechtung<br />
Geld zurückzahlen, das man von seinen Kunden für eine erbrachte<br />
Dienstleistung oder ein geliefertes Produkt erhalten hat? Einer solchen<br />
Forderung sehen sich jeden Tag zahlreiche Unternehmen in Deutschland<br />
gegenüber. Grundlage dafür ist die sogenannte Insolvenzanfechtung.<br />
Viele Unternehmer glauben zunächst<br />
an einen schlechten Scherz, wenn sie ein<br />
solches Schreiben erhalten: Der Insolvenzverwalter<br />
eines Betriebs, für den sie vor Jahren<br />
eine Leistung erbracht haben und be -<br />
zahlt wurden, fordert dieses Geld zurück.<br />
Um seinem Anliegen Nachdruck zu verleihen,<br />
fügt er gleich einen umfangreichen<br />
Klageentwurf bei.<br />
Aber dies ist kein<br />
Versehen, sondern<br />
Alltag. Jeden Tag<br />
sehen sich zahlreiche<br />
Unternehmen<br />
einer solchen Forderung<br />
ausgesetzt. Der Bundesverband der<br />
Deutschen Industrie (BDI), der Zentralverband<br />
des Deutschen Handwerks (ZDH) und<br />
andere Verbände beklagen seit Langem eine<br />
deutliche Zunahme von Rückzahlungsforderungen<br />
von Insolvenzverwaltern. Sehr häufig<br />
geht es dabei um einige hunderttausend<br />
Euro, nicht selten aber auch um Summen in<br />
Millionenhöhe – Beträge, die einen mittelständischen<br />
Betrieb in große Nöte bringen<br />
können.<br />
Mit Verweis auf Paragraf 133 Abs. 1 der<br />
Insolvenzordnung nutzen viele Insolvenzverwalter<br />
die Möglichkeit, alle Geschäfte ihres<br />
Mandanten in den vergangenen zehn Jahren<br />
anzufechten, für die ein Ratenzahlungsvertrag<br />
vereinbart wurde. Oder für die das<br />
Zahlungsziel anderweitig verlängert worden<br />
war. Solche Vereinbarungen sind aus Sicht<br />
des Insolvenzverwalters ein Indiz dafür, dass<br />
der Gläubiger wusste, dass der Schuldner in<br />
finanziellen Schwierigkeiten steckt und vo -<br />
raussichtlich nicht alle seine Gläubiger be -<br />
friedigen kann. Eine solche vorsätzliche<br />
Benachteiligung von Gläubigern verbietet<br />
jedoch das Gesetz. Das Problem dabei: Die<br />
Anfechtungsvoraussetzungen für solche Fälle<br />
sind gesetzlich nicht hinreichend konkretisiert.<br />
Und so bewegen sich die Rückzahlungsforderungen<br />
der Insolvenzverwalter<br />
bisweilen auf rechtlich unsicherem Grund.<br />
»<br />
Verbände beklagen seit Langem eine deutliche Zunahme<br />
von Rückzahlungsforderungen von Insolvenzverwaltern.<br />
Um den Gläubigern mehr Rechtssicherheit<br />
zu geben und die ausufernden Forderungen<br />
der Insolvenzverwalter zu stoppen, beschloss<br />
der Bundestag vor Kurzem eine Reform der<br />
Insolvenzanfechtung. Klarheit ist damit nach<br />
Ansicht vieler Beobachter jedoch keineswegs<br />
geschaffen. »Trotz umfangreicher<br />
Änderungen bleibt das Anfechtungs risiko<br />
für Gläubiger unvermindert hoch«, meint<br />
Anfechtungsrechtsexperte Dr. Olaf Hiebert<br />
von der Düsseldorfer Wirtschaftskanzlei<br />
Buchalik Brömmekamp. Das liegt vor allem<br />
daran, dass im neuen Gesetzestext zahlreiche<br />
sogenannte unbestimmte Rechtsbegriffe<br />
stecken, die unterschiedlich ausgelegt<br />
werden können. Ein Beispiel: Hat ein Unternehmen<br />
eine Leistung erbracht, für die es<br />
unmittelbar – das bedeutet in der Regel<br />
innerhalb von 30 Tagen – eine Gegenleistung<br />
(Bezahlung) erhalten hat, so ist diese<br />
Zahlung nach dem neuen Recht nur schwer<br />
anfechtbar. Der Insolvenzverwalter muss<br />
nachweisen, dass der Schuldner »unlauter«<br />
gehandelt hat und der Geschäftspartner das<br />
auch wusste. Was meint der Gesetzgeber<br />
mit dem Begriff »unlauter«? Reicht es unter<br />
Umständen aus, dass der Schuldner dauerhaft<br />
Verluste erwirtschaftete? Dann würde<br />
sich für die Betroffenen gegenüber dem<br />
bisherigen Zustand tatsächlich wenig än -<br />
dern. »Rechtliche Klarheit wird es erst in<br />
einigen Jahren geben, wenn der Bundesgerichtshof<br />
die ersten Anfechtungsfälle nach<br />
dem neuen Recht entschieden hat«, meint<br />
der Insolvenzrechtsexperte Dr. Peter de Bra<br />
aus der Rechtsanwaltsgesellschaft Schultze<br />
& Braun in Stuttgart.<br />
Dennoch hat die Reform einige Dinge aufgegriffen,<br />
durch die Unternehmen großen<br />
finanziellen Risiken ausgesetzt waren. Ein<br />
wichtiger Punkt: die verkürzte Anfechtungsfrist.<br />
Künftig können Insolvenzverwalter nur<br />
noch Zahlungen zurückfordern, die bis zu<br />
vier Jahre zurückliegen, nicht mehr bis zu<br />
zehn Jahren, wie es früher üblich war. Das<br />
heißt, Unternehmen können bereits nach<br />
vier Jahren sicher sein, dass sie ihre Zahlung<br />
definitiv behalten dürfen.<br />
Experten sind sich einig, dass Insolvenzanfechtungen<br />
durch die neuen gesetzlichen<br />
Regelungen in keiner Weise wirksam verhindert<br />
werden. Die finanziellen Risiken würden<br />
allenfalls reduziert und berechenbarer.<br />
Deshalb sei es wichtig, das Risikobewusstsein<br />
zu schärfen und Möglichkeiten der Prävention<br />
zu nutzen. Vorsorge ist durchaus<br />
möglich. So sollten Lieferanten darauf achten,<br />
dass sie sich ihr Eigentumsrecht an den<br />
von ihnen gelieferten Waren vorbehalten<br />
oder sich auf andere Art absichern, bis der<br />
Kunde die Rechnung vollständig bezahlt hat<br />
– etwa durch Stellung einer Bankbürgschaft.<br />
Wichtig ist auch, darauf zu achten, dass der<br />
vereinbarte Zahlungsweg eingehalten wird.<br />
Sind beim Kunden erste Anzeichen einer<br />
Krise zu erkennen, ist ein straffes Forderungsmanagement<br />
wichtig.<br />
Immerhin: Das Anfechtungsrisiko lässt<br />
sich versichern. Warenkreditversicherer bieten<br />
spezielle Policen an. ber (sm 170404783) K<br />
<strong>stahlmarkt</strong> <strong>4.2017</strong>