RETTL PORTRÄT Kein Scheiß(dreck) 104 RETTL + FRIENDS
RETTL PORTRÄT Bewusstsein, Scheißdreck & Kunst. TEXT JAQUELINE RAUTER FOTO MARCO PRENNINGER G rundsätzlich sei er ein Niemand. Nichts weiter als leeres Bewusstsein. Alles Personen da draußen mit vermeintlichen, selbst-kreierten Erfahrungen. „Wenn nichts mit absoluter Sicherheit behauptet werden kann, bleibt nur noch das Absurde – und das Bewusstsein an sich.“ Zitat Ende. Nein nein, diese Weisheiten kommen nicht aus der Philosophie-Vorlesung mit dem nie zu viel, aber immer ein bisserl angeschwipsten Prof, sondern direttissima von einem steririschen Schwammerlsucher, der´s wissen muss: Alf Poier. Genau, man kann den Text über einen der erfolgreichsten österreichischen Künstler und Kabarettisten unserer Zeit auch so beginnen: Unlustig, aber dafür ohne Scheißdreck. 50 JAHRE NICHTS Seit nun genau 50 Jahren ist Alf Poier mehr oder weniger darum bemüht, die Relevanz der Nichtigkeit des Scheinbaren all jenen zu erläutern, die es hören und sehen wollen. Und davon gibt es ganz schön viele. Seine Vita liest sich wie ein kleines, feines Kabarettstück, das gedanklich geradeaus in die Vorstellung führt, sein im Jahr 2005 erschienenes Buchwerk „Mein Krampf: Ein geistiges Sterbebuch“ am liebsten schon gestern ausgelesen zu haben. Alf selbst sagt darüber: „Es ist ein null philosophisches Buchstabenkompott mit direkter Humorbeschattung.“ Und so fing alles an: An seinem ersten Tag auf einer Kabarettbühne, im April 1995, erreichte er den 2. Platz beim „Grazer Kleinkunstvogel“. Im August desselben Jahres wurde das Programm „Himmel, Arsch & Gartenzwerg“ uraufgeführt. Zu dieser Zeit kam er auch mit der Familie <strong>Rettl</strong> zusammen, als diese ihn einlud, am Kleinsasserhof in Spittal an der Drau aufzutreten. 1999 wurde das Erleuchtungsprogramm „ZEN“ geboren, das im Jahr 2000 nichts weniger als den Deutschen Kleinkunstpreis, den Prix Phanteon und den RTL Comedy Award einheimste. Und ein jeder weiß, was dann passierte, als Alf das Lied von den Haserln und Katzerln in Riga beim Eurovision Songcontest zum Besten gab – er nahm den 6. Platz. Einst wurde er Ich bin nie zum Mitläufer geworden und habe mich auch nie von der Politik instrumentalisieren lassen. ALF POIER danach gefragt, wo für ihn der Humor aufhören würde. Er antwortete (nicht ganz ernst gemeint): „An der deutschen Grenze.“ Hochdeutsch spricht er bei seinen Auftritten schon lange nicht mehr. Verraten hat er sich gefühlt, nicht aus dem Bauch heraus reden zu können. Und der Bauch spricht nun mal steirisch. Wenn er nicht philosophiert, witzelt, singt oder Schwammerln sucht, betreibt er bildende Kunst und stellt auch immer wieder aus. Es wird empfohlen, die „<strong>12</strong>3 Meisterwerke“ seiner Sammlung in selbigem Kunstbuch auf sich wirken zu lassen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wovon wir hier sprechen. Alf Poier ist die Ausnahme der Ausnahmen. Ausgenommen von ein paar wenigen vielleicht, die eh keiner kennt. Und in (abstrakter) Zukunft? Geplant ist ein Alf-Poier-Museum und auch ein Kinofilm, um gegenwärtige und zukünftige Andersmenschen mit dem Gesamtkunstwerk Alf Poier in Berührung zu bringen. Was bleiben wird, ist der Mythos um jemanden, der, je mehr er auf seine Nichtigkeit beharrt, umso wertvoller wird. Zumindest für diejenigen, die die Personenbeschreibung in diesem Porträt vielleicht auch irgendwie an jemanden erinnert, der dieser Tage ebenso 50 Jahre alt geworden wäre und sich, wie Alf Poier, wahrscheinlich niemals in einen Ferrari gesetzt hätte. Auch unter der Androhung, einen Finger zu verlieren. Oder drei. Er war ein Suchender. Und was der Alf sagt, klingt da schon stimmig: „Ich war in Indien. Aber letztlich ist es egal, wo man ist. Wenn man nicht sein wahres Wesen lebt, bringt es auch nix, wenn man der Erleuchtung hinterher hetzt.“ Kein Scheiß(dreck). „The Making Of Dada“. Alf Poier tourt mit seinem neuesten Kabarettprogramm quer durch österreichisches Gefilde. Garantiert steirisch und garantiert systemkritisch. Tourdaten und Tickets gibt es auf: www.alfpoier.at „<strong>12</strong>3 Meisterwerke“. Das kolossale Kunstbuch erschien im Mai 2015 im Seifert Verlag. Die „gnädige Saat seines Geistes“ zeigt abstrakte Objektzeichnungen, Bilder und Fotos aus der Kreativwerkstatt Alf Poiers. + Mystik, Dada, Musik und Querphilosophie RETTL + FRIENDS 105