James Lee Byars - Weltkunst

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Künstler Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst erscheint viermal jährlich mit insgesamt 28 Künstlermonografien auf über 500 Text- und Bild-Seiten und kostet im Jahresabonnement einschl. Sammelordner und Schuber € 148,–, im Ausland € 158,–, frei Haus. www.weltkunst.de Postanschrift für Verlag und Redaktion Zeitverlag Beteiligungs GmbH & Co. KG Nymphenburger Straße 84 D-80636 München Telefon 0 89/12 69 90-0 Telefax 0 89/12 69 90-11 Bankkonto: Commerzbank Stuttgart Konto-Nr. 525 55 34, BLZ 600 400 71 ›Künstler‹ erscheint in der Zeitverlag Beteiligungs GmbH & Co. KG Geschäftsführer Thomas Brackvogel, Dr. Rainer Esser Verlagsleiter Boris Alexander Kühnle Gründungsherausgeber Dr. Detlef Bluemler/Prof. Lothar Romain † Redaktion Hans-Joachim Müller Dokumentation Andreas Gröner Ständiger Redaktionsbeirat Dr. Eduard Beaucamp, Frankfurt/Main Dr. Christoph Brockhaus, Duisburg Prof. Dr. Johannes Cladders, Krefeld Prof. Rolf-Gunter Dienst, Baden-Baden Prof. Dr. Helmut Friedel, München Rainer Haarmann, Neuwittenbek/Kiel Prof. Dr. Wulf Herzogenrath, Bremen Prof. Klaus Honnef, Bonn Prof. Dr. Georg Jappe, Köln/Hamburg Prof. Dr. Jens Chr. Jensen, Hamburg Dr. Petra Kipphoff, Hamburg Dr. Ralph Köhnen, Bochum Prof. Kasper König, Köln Dr. Jochen Poetter, Köln Prof. Dr. Wieland Schmied, A-Vorchdorf Prof. Dr. Manfred Schneckenburger, Köln Prof. Dr. Uwe M. Schneede, Hamburg Dr. Pamela C. Scorzin, I-Mailand Dr. Dierk Stemmler, Mönchengladbach Prof. Dr. Karin Stempel, Kassel Prof. Dr. Eduard Trier, Bonn Dr. Rolf Wedewer, Leverkusen Dr. Christoph Zuschlag, Heidelberg/Berlin Prof. Dr. Armin Zweite, Düsseldorf Grafik Michael Müller Abonnement und Leserservice Zeitverlag Beteiligungs GmbH & Co. KG Nymphenburger Straße 84 Postfach 19 09 18 D-80609 München Telefon 0 89/12 69 90-0 ›Künstler‹ ist auch über den Buchhandel erhältlich Prepress Franzis print & media GmbH, München Druck Aumüller Druck KG, Regensburg Die Publikation und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © Zeitverlag Beteiligungs GmbH & Co. KG, München 2006 Cover Portrait James Lee Byars 1993, fotografiert von Lina Bertucci © Estate of James Lee Byars, courtesy Galerie Michael Werner, Köln & New York ISSN 0934-1730 James Lee Byars mit dem BLACK PAPER OF ART (Westfälischer Kunstverein Münster) im Museum Abteiberg Mönchengladbach 1982 I GIVE YOU GENIUS Ich gebe Dir Geist I AM AN ARTIFICALIST Ich bin ein Künstlermacher I AM DEAD, HAMLET Ich bin tot, Hamlet THE PERFECT QUESTION Die vollkommene Frage THE PERFECT DEATH Der vollkommene Tod IS IS ist ist SILENCE IS THE PERFECTEST HERALD OF JOY Schweigen ist der vollkommenste Verkünder der Freude GOD IS THE PERFECT WORD Gott ist das vollkommene Wort NEXT TIME I DO FIGHT, I LL MAKE DEATH LOVE ME Nächste Mal werde ich kämpfen, ich werde den Tod davon überzeugen, mich zu lieben Aus Kat. "James Lee Byars", Musée d'Art Moderne de la Ville de Paris, Paris 1983 Foto: Thomas Deecke
Thomas Deecke über James Lee Byars I CAN REPEAT THE QUESTION; BUT AM I BRIGHT ENOUGH TO ASK IT? Ich kann eine Frage wiederholen, bin ich aber gescheit genug, sie zu stellen? A SMALL SENTENCE MAYBE A COMPLETE AUTOBIOGRA- PHY (J. L. B)1 Ein kurzer Satz kann eine vollständige Biography sein Die Kunst des James Lee Byars präsentiert sich inhaltlich und formal in der Verdichtung und Konzentration auf das, was wir das Wesentliche nennen, wobei wir das Eigentliche mit dem Wesen gleichsetzen, um für das Unbeschreibliche viele Worte zu gebrauchen, quod erat demonstrandum. THE DEATH OF JAMES LEE BYARS James Lee Byars starb 1997 in seinem 65. Lebensjahr in Kairo und nicht in Venedig, das einer seiner bevorzugten Lebens- und Wirkungsorte geworden war und wo er gerne auch auf ewig hätte ruhen mögen, aber doch wenigstens bei den Pyramiden von Gizeh, wo er - dank Michael Werner - auch begraben liegt.2 Eigentlich hatte Byars 100 Jahre alt werden wollen, schon der vollendeten »goldenen« Zahl wegen, denn Vollendung, in seinen Worten THE PERFECT war Inhalt und Motto seiner Kunst. Das perfekte Werk zu schaffen, die ganze Kraft, die Intensität zu binden, war ihm wichtig ebenso das Engagement der Freunde und Weggefährten an sein Wirken und seine Werke, die Materiellen wie die Immateriellen. Die Vorstellungen von der Perfektion seines Denkens, seines Werkes, seines künstlerischen Handelns und seines Lebens bildeten im Idealfall eine Einheit. Schon 1994 hatte er – seinen nicht mehr fernen Tod erahnend – mit ›THE DEATH OF JAMES LEE BYARS‹ (vgl. Abb. 4 und 17a und b) ihn mit geradezu pharaonischem, wenn auch nicht ganz ironiefreiem Pomp zelebriert und zugleich zu einem Kunstwerk geadelt. In der rundum vergoldeten Galerie von Marie Puck Broodthaers in Brüssel, lag er – natürlich bekleidet mit seinem goldenen Anzug – (»nur der Schneider ›Nord-Süd‹ aus Chinatown/New York kann solche Anzüge machen!«) aufgebahrt im Zentrum, die Füße dem Publikum entgegengestreckt in der Pose des toten Christus von Andrea Mantegna.3 Später trat an seine Stelle ein ebenfalls vergoldeter Sakrophag, auf dem fünf Diamanten Kopf, Schultern und Füße symbolisierten.4 1995 stimmte Byars einer Ausstellung aller seiner gedruckten Arbeiten zu5 und sprach den Satz PERFECT IS MY DEATH WORD auf eine – natürlich goldene – CD. Leben und Tod, Werk und Ewigkeit sind nach dem Willen von Byars untrennbar miteinander verbunden. Vielleicht hat kein anderer Künstler Joseph Beuys' Konzept von einer Unauflösbarkeit von Kunst und Leben so gut verstanden und gelebt wie Byars. So ist es nicht verwun- SAY SOMETHING PERFECT ABOUT ME derlich, dass er mit ihm in engem, bewundernden und in zahlreichen Briefen dokumentierten Kontakt stand6. Auch wenn ihrer beider Werk formal nur sehr wenig miteinander zu tun haben. Es verband sie eine gegenseitige Zuneigung, dokumentiert u.a. in der Geste des Beieinanderliegens auf Byars' blaumarmornen Bodenplatte ‚BOTH' (1978) anlässlich der Eröffnung der Sammlung Speck in Krefeld 1983 (Abb. 18).7 Auch gemeinsame Werke zeugen von dieser geistigen Gemeinschaft.8 James Lee Byars wurde 1932 in Detroit geboren, nicht gerade ein Ort der Kunst, es sei denn der Kunst des Autobaus, aber in jenen Tagen trennte man noch »The Art of Motorcycling«9 von der wirklichen Kunst. Trotz seiner USamerikanischen Herkunft gehört er zu jenen Künstlern, die erst spät nach langen Umwegen über Japan und Europa in ihrer Heimat künstlerisch Fuß fassen konnten, wie James Elliott noch 1990 konstatierte: »The artist James Lee Byars has until recently commanded a greater critical reputation in Europe than in his native country«10. Es ist also nicht falsch, Byars, wenn schon nicht einen europäischen, so doch einen europäisch denkenden Künstler zu nennen, einen artifex doctus, einen im besten Sinne des Wortes gebildeten Künstler, der die Weisheiten des Morgen- wie des Abendlandes in sein eigenes unverwechselbares Werk einband, wie wir es nur selten bei amerikanischen Künstlern finden. Ein Künstler auch der alten Welt also? Orient und Okzident Von 1958 bis 1967 lebte, studierte und arbeitete Byars - mit kurzen Unterbrechungen in den USA - in Japan. Er studiert japanische Philosophie, auch des Zen und das Nô Theater und lernt bei Meistern der Keramik- und Papierherstellung. Ab 1962 entstehen die ersten großen Papierinstallationen, die sowohl als Bücher, gefaltete Blattfolgen, als auch als Skulpturen und als Handlungsarbeiten anzusehen sind. Papier bleibt eines der bevorzugten Materialien des Künstlers (Abb. 1 + 2). Es folgen einige Auftritte und Performances in New York, die von Freunden, Museen und ersten Sammlern ermöglicht werden, aber er fasst künstlerisch nicht wirklich Fuß in den USA und siedelte deshalb 1969 nach Europa über, wo er in Antwerpen bei Anny de Decker in der Wide White Space Gallery seine erste Einzelausstellung bekommt. Von nun an und seit 1974 fast ausschließlich, wurde Europa zum Feld seiner überraschenden künstlerischen Aktivitäten, zuerst in Belgien, dann in der Schweiz mit Unterstützung von Toni Gerber11 und seit 1977 mit der ersten Einzelausstellung in Deutschland bei Johannes Cladders im Museum Abteiberg in Mönchengladbach: ›THE FIRST TOTALLY INTERROGATIVE PHILOSOPHY (DIE ERSTE AL- LUMFASSENDE FRAGENDE PHILOSOPHIE)‹ (vgl. Abb. 5)12, bis der Vielreisende in Venedig seine zweite Heimat fand. 3
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