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James Lee Byars - Weltkunst

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Thomas Deecke<br />

über <strong>James</strong> <strong>Lee</strong> <strong>Byars</strong><br />

I CAN REPEAT THE QUESTION; BUT AM I BRIGHT ENOUGH<br />

TO ASK IT?<br />

Ich kann eine Frage wiederholen, bin ich aber gescheit genug,<br />

sie zu stellen?<br />

A SMALL SENTENCE MAYBE A COMPLETE AUTOBIOGRA-<br />

PHY (J. L. B)1<br />

Ein kurzer Satz kann eine vollständige Biography sein<br />

Die Kunst des <strong>James</strong> <strong>Lee</strong> <strong>Byars</strong> präsentiert sich inhaltlich und<br />

formal in der Verdichtung und Konzentration auf das, was wir<br />

das Wesentliche nennen, wobei wir das Eigentliche mit dem<br />

Wesen gleichsetzen, um für das Unbeschreibliche viele Worte<br />

zu gebrauchen, quod erat demonstrandum.<br />

THE DEATH OF JAMES LEE BYARS<br />

<strong>James</strong> <strong>Lee</strong> <strong>Byars</strong> starb 1997 in seinem 65. Lebensjahr in Kairo<br />

und nicht in Venedig, das einer seiner bevorzugten Lebens- und<br />

Wirkungsorte geworden war und wo er gerne auch auf ewig<br />

hätte ruhen mögen, aber doch wenigstens bei den Pyramiden<br />

von Gizeh, wo er - dank Michael Werner - auch begraben liegt.2<br />

Eigentlich hatte <strong>Byars</strong> 100 Jahre alt werden wollen, schon der<br />

vollendeten »goldenen« Zahl wegen, denn Vollendung, in seinen<br />

Worten THE PERFECT war Inhalt und Motto seiner Kunst. Das<br />

perfekte Werk zu schaffen, die ganze Kraft, die Intensität zu binden,<br />

war ihm wichtig ebenso das Engagement der Freunde und<br />

Weggefährten an sein Wirken und seine Werke, die Materiellen<br />

wie die Immateriellen. Die Vorstellungen von der Perfektion seines<br />

Denkens, seines Werkes, seines künstlerischen Handelns<br />

und seines Lebens bildeten im Idealfall eine Einheit.<br />

Schon 1994 hatte er – seinen nicht mehr fernen Tod erahnend –<br />

mit ›THE DEATH OF JAMES LEE BYARS‹ (vgl. Abb. 4 und 17a<br />

und b) ihn mit geradezu pharaonischem, wenn auch nicht ganz<br />

ironiefreiem Pomp zelebriert und zugleich zu einem Kunstwerk<br />

geadelt. In der rundum vergoldeten Galerie von Marie Puck<br />

Broodthaers in Brüssel, lag er – natürlich bekleidet mit seinem<br />

goldenen Anzug – (»nur der Schneider ›Nord-Süd‹ aus Chinatown/New<br />

York kann solche Anzüge machen!«) aufgebahrt im<br />

Zentrum, die Füße dem Publikum entgegengestreckt in der Pose<br />

des toten Christus von Andrea Mantegna.3 Später trat an<br />

seine Stelle ein ebenfalls vergoldeter Sakrophag, auf dem fünf<br />

Diamanten Kopf, Schultern und Füße symbolisierten.4<br />

1995 stimmte <strong>Byars</strong> einer Ausstellung aller seiner gedruckten<br />

Arbeiten zu5 und sprach den Satz PERFECT IS MY DEATH<br />

WORD auf eine – natürlich goldene – CD. Leben und Tod, Werk<br />

und Ewigkeit sind nach dem Willen von <strong>Byars</strong> untrennbar miteinander<br />

verbunden. Vielleicht hat kein anderer Künstler Joseph<br />

Beuys' Konzept von einer Unauflösbarkeit von Kunst und Leben<br />

so gut verstanden und gelebt wie <strong>Byars</strong>. So ist es nicht verwun-<br />

SAY SOMETHING PERFECT<br />

ABOUT ME<br />

derlich, dass er mit ihm in engem, bewundernden und in zahlreichen<br />

Briefen dokumentierten Kontakt stand6. Auch wenn ihrer<br />

beider Werk formal nur sehr wenig miteinander zu tun haben. Es<br />

verband sie eine gegenseitige Zuneigung, dokumentiert u.a. in<br />

der Geste des Beieinanderliegens auf <strong>Byars</strong>' blaumarmornen<br />

Bodenplatte ‚BOTH' (1978) anlässlich der Eröffnung der Sammlung<br />

Speck in Krefeld 1983 (Abb. 18).7 Auch gemeinsame Werke<br />

zeugen von dieser geistigen Gemeinschaft.8<br />

<strong>James</strong> <strong>Lee</strong> <strong>Byars</strong> wurde 1932 in Detroit geboren, nicht gerade<br />

ein Ort der Kunst, es sei denn der Kunst des Autobaus, aber in<br />

jenen Tagen trennte man noch »The Art of Motorcycling«9 von<br />

der wirklichen Kunst. Trotz seiner USamerikanischen Herkunft<br />

gehört er zu jenen Künstlern, die erst spät nach langen Umwegen<br />

über Japan und Europa in ihrer Heimat künstlerisch Fuß<br />

fassen konnten, wie <strong>James</strong> Elliott noch 1990 konstatierte: »The<br />

artist <strong>James</strong> <strong>Lee</strong> <strong>Byars</strong> has until recently commanded a greater<br />

critical reputation in Europe than in his native country«10. Es ist<br />

also nicht falsch, <strong>Byars</strong>, wenn schon nicht einen europäischen,<br />

so doch einen europäisch denkenden Künstler zu nennen, einen<br />

artifex doctus, einen im besten Sinne des Wortes gebildeten<br />

Künstler, der die Weisheiten des Morgen- wie des Abendlandes<br />

in sein eigenes unverwechselbares Werk einband, wie wir es<br />

nur selten bei amerikanischen Künstlern finden. Ein Künstler<br />

auch der alten Welt also?<br />

Orient und Okzident<br />

Von 1958 bis 1967 lebte, studierte und arbeitete <strong>Byars</strong> - mit<br />

kurzen Unterbrechungen in den USA - in Japan. Er studiert japanische<br />

Philosophie, auch des Zen und das Nô Theater und<br />

lernt bei Meistern der Keramik- und Papierherstellung. Ab 1962<br />

entstehen die ersten großen Papierinstallationen, die sowohl als<br />

Bücher, gefaltete Blattfolgen, als auch als Skulpturen und als<br />

Handlungsarbeiten anzusehen sind. Papier bleibt eines der bevorzugten<br />

Materialien des Künstlers (Abb. 1 + 2).<br />

Es folgen einige Auftritte und Performances in New York, die<br />

von Freunden, Museen und ersten Sammlern ermöglicht werden,<br />

aber er fasst künstlerisch nicht wirklich Fuß in den USA<br />

und siedelte deshalb 1969 nach Europa über, wo er in Antwerpen<br />

bei Anny de Decker in der Wide White Space Gallery seine<br />

erste Einzelausstellung bekommt. Von nun an und seit 1974 fast<br />

ausschließlich, wurde Europa zum Feld seiner überraschenden<br />

künstlerischen Aktivitäten, zuerst in Belgien, dann in der<br />

Schweiz mit Unterstützung von Toni Gerber11 und seit 1977 mit<br />

der ersten Einzelausstellung in Deutschland bei Johannes Cladders<br />

im Museum Abteiberg in Mönchengladbach: ›THE FIRST<br />

TOTALLY INTERROGATIVE PHILOSOPHY (DIE ERSTE AL-<br />

LUMFASSENDE FRAGENDE PHILOSOPHIE)‹ (vgl. Abb. 5)12,<br />

bis der Vielreisende in Venedig seine zweite Heimat fand.<br />

3

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