12.12.2012 Aufrufe

Heinrich Groß – Heimatbilder und andere - Gemeinde Weimar

Heinrich Groß – Heimatbilder und andere - Gemeinde Weimar

Heinrich Groß – Heimatbilder und andere - Gemeinde Weimar

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>und</strong> Traditionsbewusstsein auf den Reichsbauerntagen zu<br />

tragen. Wegen der geografischen Nähe waren es vor<br />

allem Lindhorster Trachtenträgerinnen <strong>und</strong> Trachtenträger<br />

aus dem Schaumburger Land, die von der NSDAP<br />

angeworben wurden <strong>und</strong> besonders zahlreich vertreten<br />

waren. Brunhilde Miehe hat auf die Bedeutung der<br />

Reichserntedankfeste auf dem Bückeberg für die Trachtenerhaltung<br />

<strong>und</strong> <strong>–</strong>erneuerung in der Region hingewiesen.<br />

Nicht nur hier marschierten Trachtenträgerinnen <strong>und</strong><br />

Trachtenträger auf, die Veranstaltungen auf dem Bückeberg<br />

wirkten auch auf <strong>andere</strong> Massenveranstaltungen im<br />

„Dritten Reich“. So reisten auch zur Olympiade 1936<br />

Lindhorster Trachtengruppen nach Berlin (Miehe, Brunhilde:<br />

Der Tracht treu geblieben, 4: Studien zum regionalen<br />

Kleidungsverhalten im Schaumburger Land. 2. Aufl.<br />

Kirchheim-Gershausen 2008). Brunhilde Miehe geht<br />

damit prononciert auf die Konstruktionsprozesse ein, die<br />

von der fürstlichen Förderung der Tracht als Kleidung der<br />

Landeskinder <strong>und</strong> der bürgerlichen Begeisterung fürs<br />

pittoreske Kleid der Landleute bis zum Pathos nationalsozialistischer<br />

Inszenierung des Bauerntums eine Aufwertung<br />

<strong>und</strong> Idealisierung regionaler ländlicher Kleidung<br />

forcierten.<br />

Aber auch aus allen <strong>andere</strong>n Regionen Deutschlands<br />

wurden Trachtengruppen mobilisiert <strong>und</strong> Busfahrten<br />

organisiert, um den „Führerweg“ während der Auffahrt<br />

Hitlers zum Bückeberg für Huldigungsgesten zu säumen.<br />

In Tracht hatten Teilnehmerinnen <strong>und</strong> Teilnehmer größere<br />

Chancen, das Festprogramm aus nächster Nähe zu<br />

verfolgen.<br />

Warum aber ließen sich die Niederwälger Landwirte<br />

mit Frauen in sorbischer Tracht aus der Lausitz ablichten?<br />

Die markante Tracht mit den großen Bänderhauben<br />

(vgl. Miehe, Brunhilde: Der Tracht treu geblieben, 2:<br />

Studien zum regionalen Kleidungsverhalten in der Lausitz.<br />

Bautzen 2003) nimmt mit der Kleidung der in Hocharistokratie<br />

<strong>und</strong> <strong>Groß</strong>bürgertum Berlins im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

beliebten Spreewälder Ammen eine Vorstellung von<br />

ges<strong>und</strong>en, sittsamen Landleuten auf, die in der Reichs-<br />

38<br />

hauptstadt über viele Jahrzehnte hin entwickelt worden<br />

war. Die Spreewälderinnen repräsentierten also gewissermaßen<br />

das Bild vom Bauern in der <strong>Groß</strong>stadt Berlin,<br />

sie banden Stadt <strong>und</strong> Land zusammen. Es ist daher sicherlich<br />

kein Zufall, dass gerade sie ausgewählt wurden,<br />

um für Erinnerungsfotos von trachttragenden Teilnehmern<br />

der Bückeberg-Veranstaltungen bereitzustehen.<br />

Dass es kein zufälliger Schnappschuss, sondern ein vom<br />

Fotografen gestelltes Bild war, um Erinnerungsfotos zu<br />

erzielen, wird durch die mehrfach vorhandenen Postkartendrucke<br />

dieser Aufnahme bestätigt. Dahinter lässt sich<br />

eine gezielte Strategie der medialen Verbreitung des<br />

Bückeberg-Festes <strong>und</strong> der propagandistischen Nutzung<br />

solcher wohl massenhaft verbreiteten Aufnahmen vermuten.<br />

Tatsächlich umfassten die Planungen des Festes durch<br />

das Reichspropagandaministerium enorme Werbeanstrengungen<br />

im Vorfeld, die über Broschüren, Plakate<br />

<strong>und</strong> Filme auf das <strong>Groß</strong>ereignis vorbereiteten. Neben<br />

Presse <strong>und</strong> R<strong>und</strong>funk wurden zahlreiche Ministerien mit<br />

ihren angegliederten Behörden eingeb<strong>und</strong>en sowie parteinahe<br />

Organisationen wie Reichsnährstand, BDM <strong>und</strong><br />

Reichsarbeitsdienst. Das Foto bestätigt: auch die Besucher<br />

selbst wurden mit ihren Erinnerungsberichten zu<br />

Hause <strong>und</strong> mit den Bilderinnerungen eingeb<strong>und</strong>en in die<br />

breite Popularisierung der Massenveranstaltungen. Falls<br />

die Fotos als Postkarten verschickt wurden, trugen sie die<br />

wehenden Hakenkreuzfahnen <strong>und</strong> die ideologische Aufwertung<br />

der regionalen Trachten als deutsches Bauernkleid<br />

in weite Bevölkerungskreise.<br />

1937 fand das letzte Bückeburg-Fest statt. Das für den<br />

2. Oktober 1938 geplante 6. Reichserntedankfest auf dem<br />

Bückeberg wurde am 30. September abgesagt wegen<br />

„Inanspruchnahme von Transportmitteln“ zur Verlegung<br />

von Wehrmachtsteilen an die Grenze zur Tschechoslowakei.<br />

Der Vorkrieg begann.<br />

S. Becker<br />

Einsendungen von Beiträgen <strong>und</strong> Materialien für die „Heimatwelt“ werden erbeten<br />

an die Redaktion:<br />

<strong>Gemeinde</strong>archiv, Alte Bahnhofstraße 31, 35096 <strong>Weimar</strong> (Lahn)<br />

Hans Schneider, Niederweimar, Zur Kirche 2, 35096 <strong>Weimar</strong> (Lahn)

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!