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Mein Viertel<br />

BERLINS STADTGRÜN<br />

Markenzeichen, Lebensgefühl, Herausforderung<br />

Mein Viertel<br />

In Berlin gibt es nicht nur vergleichsweise viel<br />

Stadtgrün, es hat zudem für seine Bewohner<br />

einen ganz besonderen Stellenwert : geerbt<br />

und übernommen von Natur und Schlossherren,<br />

geplant und angelegt von weitsichtigen Stadtentwicklern,<br />

verteidigt und aufgebaut von engagierten<br />

Bürgern. Die großen Waldflächen wie auch<br />

die zahlreichen Volks- und Stadtparks, Gartenanlagen<br />

und Freifelder sind das Markenzeichen der<br />

lebenswerten Metropole – und in seiner DNA verankert.<br />

Das Verantwortungsbewusstsein für ihren<br />

Erhalt ist dennoch stets auf’s Neue gefordert.<br />

Text Henry Steinhau • Fotos Markus Beeth<br />

12<br />

Man kann es praktisch täglich und rund ums Jahr sehen :<br />

Die Berliner*innen mögen ihre Parks und Grünflächen.<br />

Egal wie eingekesselt oder hügelig, egal wie groß oder<br />

klein sie sind, (fast) egal wie die Witterung ist : in den<br />

weit über 100 Volksparks und Stadtparks, den hunderten<br />

Gartenanlagen und vielen weiteren Grünflächen sind<br />

praktisch immer Menschen. Selbst spät abends oder<br />

noch vor dem Morgen wird gejoggt oder spaziert, geeilt<br />

oder verweilt, gespielt, geturnt, gefeiert – oder einfach<br />

nur herzhaft rumgelungert.<br />

Immerhin rund ein Drittel der Berliner*innen besucht<br />

täglich städtische Grün- und Parkanlagen. Das ermittelte<br />

eine Erhebung der Deutschen Gartenamtsleiterkonferenz<br />

von 2013. Mehr als drei Viertel der Befragten gab<br />

an, ein bis drei Mal wöchentlich ins Stadtgrün zu gehen.<br />

Und über 90 Prozent würden „regelmäßig“ einen oder<br />

mehrere Parks besuchen. Ein bis zwei Stunden pro Woche<br />

verweilen sie in einer Grün- und Parkanlage, gaben<br />

rund 80 Prozent an. An Wochenenden würde etwa 56<br />

Prozent der befragten Berlin*innen sogar mehr als zwei<br />

Stunden nach Erholung in den urbanen Grünanlagen<br />

suchen.<br />

Auch die trockenen Zahlen zeigen also : Das Stadtgrün<br />

spielt für das Leben, die Lebensqualität und das Lebensgefühl<br />

in Berlin eine wichtige, ja, entscheidende Rolle.<br />

Ob sich das die Stadtplaner des 19. und 20. Jahrhunderts<br />

wohl genau so vorgestellt haben ?<br />

Nun, zumindest war ihnen wohl klar, dass die immer<br />

dichter neben- und aufeinander wohnende Bevölkerung<br />

möglichst viel, möglichst nah liegende Natur gut gebrauchen<br />

kann, damit sie es in der rasant wachsenden Großstadt<br />

auch aushält. Und eigentlich stellte das anfangs<br />

– also in den ersten Jahrhunderten der Stadtgeschichte<br />

– auch kein Problem dar, denn Berlin gründete sich ja in<br />

einer Landschaft mit vielen Wäldern und Seen.<br />

Und doch kommt es im Laufe der Jahrhunderte immer<br />

öfter darauf an, das Grün auch zu wollen und zu kultivieren.<br />

Bis ins 18. Jahrhundert hinein besitzen – neben<br />

den Königs- und Kaiserfamilien – zumeist adelige Großgrundbesitzer<br />

große Areale und lassen dort weitläufige<br />

Grünanlagen als Schloss- oder Gutsparks gestalten, die<br />

jedoch den Privilegierten ihres Standes zum Flanieren<br />

und Lustwandeln vorbehalten waren. Hinzu kommen<br />

beispielsweise extra angelegte Jagdreviere, wie der im<br />

16. Jahrhundert errichtete große Tiergarten, oder auch<br />

romantisch gemeinte Anlagen, wie der große Lustgarten.<br />

Aber auch heute als beliebte Volksparks genutztes<br />

Stadtgrün gehörte einst komplett den Bessergestellten,<br />

wie der Park am Weißen See, der heutige Bürgerpark<br />

Pankow oder der Gutspark Britz, um auch hierfür nur<br />

ein paar wenige beispielhaft zu nennen.<br />

Beginn der amtlichen Grünflächenplanung<br />

Parallel dazu begründete die Berliner Stadtverwaltung<br />

in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts die öffentliche<br />

Gärten- und Grünflächenplanung mit der erstmaligen<br />

Berufung eines Gartendirektors (Gustav Meyer). Er<br />

nahm unter anderem die Areale des Treptower Parks,<br />

des Friedrichshains und den Humboldthains unter seine<br />

gestalterische Obhut. Später gehen der Kreuzberger<br />

Viktoriapark und weitere Anlagen auf das Wirken der<br />

Gartenverwaltung zurück.<br />

Ende des 19. und erst recht im ersten Drittel des 20.<br />

Jahrhunderts gehen die meisten der einstmals adeligen<br />

Gärten in öffentlichen Besitz über, werden zu offenen<br />

Parks. Zugleich dominieren die Stadtentwicklung in<br />

dieser, als „Gründerjahre“ bekannten Zeit, Ende des 19.,<br />

Anfang des 20. Jahrhunderts, meist rigorose wirtschaftliche<br />

Erwägungen. Die Industrie prosperiert, braucht viel<br />

Platz und noch mehr Arbeitskräfte, und die brauchen<br />

Wohnungen. Also wird wie wild und im Grunde überall<br />

da gebaut, wo irgendwie Platz ist und wo es die Beschaffenheit<br />

des Bodens zulässt. Dem Bauboom müssen schöne<br />

Freiflächen und lange gewachsene Natur weichen.<br />

Nun wachsen Fabriken, Gewerbe- und Wohngebäude in<br />

den Himmel – wenn auch nur bis zu 22 Metern „Trauf-<br />

Wasserlauf im Volkspark<br />

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