Juni 2017
Printausgabe Juni 2017
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Service<br />
LESERBRIEFE<br />
Bitte schickt uns eure Meinungen und Intensionen<br />
MENSCH DES MONATS<br />
Renate S., ehrenamtliche Helferin<br />
diverse<br />
Bitte sendet uns<br />
eure Leserbriefe an:<br />
leserbriefe@meinviertel.berlin<br />
oder per Post:<br />
Mein/4<br />
Schönhauser Allee 52<br />
10437 Berlin<br />
Die Medien umgeben uns tagtäglich mit Menschen,<br />
die Großartiges leisten. Rekorde, Glückspilze,<br />
fantastische Lebensläufe, all das lässt<br />
sich leicht in der Informationsflut um uns finden.<br />
Manchmal muss man aber gar nicht so weit<br />
schauen. In der Rubrik „Mensch des Monats“<br />
werden wir jeden Monat Menschen vorstellen,<br />
die im Prenzlauer Berg leben und uns beeindruckt<br />
haben.<br />
Text Jens Durke • Foto Markus Beeth<br />
Renate S. ist 78 Jahre alt, gebürtige Berlinerin und<br />
ehrenamtliche Helferin für die Ausgabestelle Laib &<br />
Seele. Über 50 Jahre lebt sie jetzt im Prenzlauer Berg,<br />
macht zweimal die Woche Sport und ist in der Gemeinde<br />
aktiv.<br />
Wir haben uns etwas mit ihr unterhalten und kamen<br />
auf den Umgang mit Flüchtlingen zu sprechen,<br />
weil das im Laib & Seele natürlich ein Thema<br />
ist. Sie fragt, ob sie uns eine Geschichte dazu<br />
erzählen dürfe, denn auch ihre Familie<br />
hat evakuiert werden müssen, damals, als<br />
Berlin ausgebombt worden war. Das sei<br />
etwas, dass sie heute noch motiviere.<br />
Ihre Familie käme ursprünglich aus<br />
Ostpreussen und ihre Geschwister hatten<br />
auch dort einen Teil ihrer Kindheit<br />
verbracht bevor es nach Berlin ging. Es<br />
sollte 46 Jahre dauern, bis sie wieder<br />
eine Gelegenheit bekamen in die ehemalige<br />
Heimat zu fahren, denn es gab<br />
zunächst einen Reisebann, so dass das<br />
Reisen in die Heimat unmöglich gewesen<br />
sei. Also fuhr die Familie erst 1991<br />
nach Königsberg.<br />
Die Kindheitspfade ihrer Geschwister abzuschreiten,<br />
sei eine schmerzhafte Erfahrung<br />
gewesen, räumt sie ein. Es sei eine Frau mit<br />
ihnen unterwegs gewesen, die regelrecht krank<br />
geworden sei, von den Eindrücken, obwohl sie nur<br />
fünf oder sechs Jahre alt gewesen sein konnte, als sie<br />
in den 40er Jahren hatte fliehen müssen. Wegen der<br />
schmerzhaften Erinnerungen habe sie nicht aufhören<br />
können zu weinen.<br />
„Wir haben in den Nachkriegsjahren so viele Flüchtlinge<br />
gekannt.“ stellt Renate fest. Sie weiß, wie es,<br />
ist alles zu verlieren und dann auf die Hilfe anderer<br />
angewiesen zu sein. Als ihre Gemeinde vor 12 Jahren<br />
entschied Laib & Seele ins Leben zu rufen, war sie<br />
unter den Ersten, die sich zu dem Ehrenamt verpflichteten,<br />
das sie noch heute jede Woche ausübt.<br />
„Es ist eben an den Alten ...“ Sie sagt das einfach als<br />
Feststellung. Sie habe die Zeit, also wolle sie helfen,<br />
wo sie kann: „Ich möchte gerne noch einige Jährchen<br />
weiter fit bleiben. Ich denke, es kann helfen, wenn<br />
man nicht nur an sich selbst denkt, sondern teilnimmt<br />
am Leben anderer und für andere da zu sein.“<br />
Es gibt eine ganze Menge Menschen, die so am öffentlichen<br />
Leben teilhaben, aber nicht im Rampenlicht<br />
stehen wollen. Sie engagieren sich, weil sie fühlen, dass<br />
es notwendig ist. Renate S. ist so ein Mensch, hier im<br />
Prenzlauer Berg.<br />
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