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Mein Viertel<br />

Mauerpark<br />

Parkringe und Trümmerberge<br />

Die verheerenden Zerstörungen des zweiten Weltkrieges,<br />

die zu großen Teilen flächendeckend zerbombte<br />

Stadt verlangt den Berlinerinnen viel ab. Sie leben zwischen<br />

Ruinen, Schutt und Asche. Gleichwohl machen<br />

die Verantwortlichen beim schweren Wiederaufbau der<br />

Stadt aus der Not eine Tugend : aus den Bergen von<br />

Trümmern schütten sie über Jahre mehrere Trümmerberge<br />

zusammen, die sie danach mehrheitlich begrünen<br />

und ganz bewusst als Erholungsflächen anlegen.<br />

Dazu zählen der Teufelsberg – mit 115 Metern der<br />

höchste aller Berliner Trümmerberge – die Oderbruchkippe<br />

im Volkspark Prenzlauer Berg, die Rudower<br />

Höhe (Dörferblick), die Weddinger Humboldthöhe,<br />

der große Bunkerberg in Friedrichshain, der Insulaner<br />

in Schöneberg, der Trümmerberg Biesdorf und die<br />

Marienhöhe.<br />

Die Idee, auf den Überresten kriegszerstörter, „toter“<br />

Gebäude neues, friedliches, grünes Leben zu ermöglichen,<br />

die hat gewiss eine erzählerische Kraft – der<br />

man sich in Berlin wohl am besten mit Demut nähert.<br />

So schlägt es jedenfalls die Rockband Silly in ihrem<br />

ikonischen Song „Mont Klamott“ vor, mit dem sie so<br />

treffend den Trümmerberg im Volkspark Friedrichshain<br />

besingt : als Erholung spendende „grüne Beule“,<br />

die „aus dem Stadtgedärm wächst“ – für die man aber<br />

den Müttern danken sollte, die die Trümmer „zusammenkarten“,<br />

nicht jenen Stadtvätern, die Deutschland<br />

in die „Himmelfahrt“ schickten. Auch so schafft man<br />

Bewusstsein für Stadtgrün, das von mehr als nur erholsamer<br />

Freizeit erzählen kann, sofern man genauer<br />

hinsieht.<br />

Die Schäden des von Deutschland begonnen Krieges<br />

betrafen bekanntermaßen insbesondere die Infrastrukturen,<br />

also Produktionsstätten, Einrichtungen zur<br />

Energieversorgung oder für Transport und Verkehr.<br />

Zahlreiche Industrie- und Gewerbeflächen sind nach<br />

dem Krieg nicht mehr in Betrieb zu nehmen oder<br />

werden stillgelegt, sie rosten und verrotten vor sich<br />

hin. Zusätzlich hat die politische Teilung der Stadt,<br />

die im Bau der Mauer gipfelte, die Stadtentwicklung<br />

praktisch auf einen Schlag mit großer Wucht und sehr<br />

nachhaltig beeinflusst : nun müssen beide Stadthälften<br />

endgültig für sich allein planen, vormals verbundene<br />

Schienenstränge oder Grundversorgungsnetze werden<br />

zu Sackgassen, leeren Leitungen und toten Gleisen,<br />

riesige Bahnanlagen und Industriegelände verkommen<br />

zu riesigen Brachen.<br />

Es braucht – in beiden „Berlins“ – so seine Zeit, bis<br />

sich der Blick auf diese Industriebrachen wandelt und<br />

Konzepte und Initiativen entwickelt werden, solche<br />

Flächen in begrünte Erholungsareale zu verwandeln<br />

oder neu nutzbar zu machen. Doch durch Beharrlichkeit<br />

und Überzeugungsarbeit von Stadtplanern und<br />

Bürgergruppen entsteht auf diese Weise nach und nach<br />

– und bis heute – immer wieder neues Stadtgrün. In<br />

Prenzlauer Berg beispielsweise der Ernst-Thälmann-<br />

Park, der in den 80er Jahren auf dem Gelände eines<br />

riesigen, alten Gaswerks errichtet wird ; oder später,<br />

nach der Wiedervereinigung der<br />

geteilten Stadt, als man den<br />

ehemaligen Grenzstreifen<br />

zum „Mauerpark“ umgestaltet<br />

– und damit ja<br />

noch immer nicht ganz<br />

fertig ist ; oder auch<br />

die fast spektakulär zu<br />

nennenden Umwandlungen<br />

des einstigen<br />

Güterbahnhofs am<br />

Priesterweg zum Südgelände-Park<br />

; oder<br />

auch die schrittweise<br />

Entwicklung des Parks<br />

am Gleisdreieck. Bei den<br />

beiden Letzteren hatte<br />

sich die Natur bereits allein<br />

über die alten Bahnanlagen hinweggesetzt,<br />

welche nun „nur noch“<br />

Teil einer faszinierenden Symbiose sind<br />

und den neuartigen Stadtparks ihre ganze eigene<br />

Geschichte geben. Eine Geschichte, die sie jenen<br />

täglich auf’s Neue vermitteln, die nicht nur kommen<br />

sondern auch sehen und nachspüren.<br />

Öffentliche Grünversorgung –<br />

für möglichst viele<br />

Diese und weitere Maßnahmen, so oft sie auch entschlossene<br />

Menschen erfordern, die sie beharrlich<br />

vorantreiben und durchsetzen, fügen sich durchaus in<br />

einen langfristigen Plan des Senats – wie auch immer<br />

man diesen bewerten mag. Laut amtlichen Angaben<br />

der Umweltbehörde hat sich jedenfalls die Anzahl der<br />

Grünflächen im Lauf der vergangenen Jahre immer<br />

weiter erhöht, in manchen Stadtteilen um das dreifache,<br />

in anderen hingegen kaum. Das klingt OK, sagt<br />

aber weder etwas aus darüber, ob insgesamt ausreichend<br />

Stadtgrün vorhanden ist, noch darüber, wie gut<br />

einzelne Bezirke, Stadtteile oder Kieze damit „versorgt“<br />

sind. Nicht zuletzt sind auch die ambitioniertesten<br />

Entwicklungspläne für Erholungsflächen immer<br />

nur so gut, wie sie sich gegenüber Bebauungen verhalten<br />

und welche prozentualen Anteile sie verglichen mit<br />

(neu) besiedelten Stadtflächen ausmachen.<br />

Und es geht ja hierbei nicht allein um Flächen zur Erholung<br />

der Stadtbewohner sondern auch um Flächen<br />

zur Erholung der berühmten und besungenen Berliner<br />

Stadtluft. Tatsächlich sind Parks und Grünanlagen,<br />

mit ihren Bäumen, Büschen, Pflanzen und Wiesen so<br />

etwas wie kleine Frischluft-Kraftwerke und Klimaanlagen<br />

der Stadt. So produziert jeder Stadtbaum durchschnittlich<br />

15 Kilo Sauerstoff pro Tag, was frische Luft<br />

für rund zehn Einwohnerinnen bedeutet. Mit etwa<br />

438.000 Straßenbäumen und zirka einer halben Million<br />

Bäumen in den Wäldern hat Berlin fast eine Million<br />

Bäume – und liegt damit im Ranking von Großstädten<br />

ziemlich weit vorne.<br />

Und das ist gut so, für Klima und Menschen : Denn<br />

Bäume spenden Schatten, schützen vor Regen, sie<br />

bremsen – wenn viele von ihnen in Reihe stehen – den<br />

Wind aus und dämpfen die Stadtgeräusche ab, sie<br />

geben Feuchtigkeit und an warmen Tagen auch kühle<br />

Luft ab. Zudem filtern sie die belastete Stadtluft : mit<br />

den Poren ihrer Blätter nehmen sie Staub- und Schadpartikel<br />

auf – sofern nicht zu viel Dreck herumfliegt,<br />

denn dann erkranken und sterben sie.<br />

Aber auch den Freiflächen der Grünanlagen kommt<br />

große Bedeutung für Luft und Klima der Stadt zu.<br />

Wie ein Team der Technischen Universität Berlin<br />

untersuchte, haben dicht bebaute Städte oft damit zu<br />

kämpfen, dass die dicht aneinander stehenden Häuser<br />

die tagsüber gespeicherte Sonnenwärme nur schlecht<br />

abgeben können, was dazu führt, dass es im Stadtzentrum<br />

auch Nachts deutlich wärmer bleibt als im Umland<br />

– bis zu acht Grad, so die Forscher.<br />

Mein Viertel<br />

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