Juni 2017
Printausgabe Juni 2017
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Mein Viertel<br />
DAS KLISCHEE<br />
mit dem Klischee<br />
mein<br />
Stadtteilmagazin<br />
4<br />
Fotowettbewerb<br />
mein<br />
S t a d t t e i l m a g a z i n<br />
4<br />
Zeig` Dein Viertel<br />
Prenzlauer Berg<br />
Einsendeschluss ist der 20. Juli <strong>2017</strong>.<br />
Gewonnen hat, wer am Stichtag, den<br />
15. August <strong>2017</strong>, die meisten Stimmen auf<br />
sich versammelt hat.<br />
Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Keine<br />
Barauszahlung möglich.<br />
Es dürfte wenige Stadtteile auf der Welt geben,<br />
zu denen wirklich jeder glaubt, etwas zu sagen<br />
zu haben. Eines nur ist sicher : Prenzlauer Berg<br />
liegt in der Liste der klischeebeladenen Kieze<br />
sehr weit vorne. Vermutlich können Menschen in<br />
München, Paris und Peking aus dem Stand fröhlich<br />
drei Klischees aufzählen die auf Prenzlauer Berg<br />
zutreffen sollen. Klischees sind nicht unbedingt<br />
etwas Schlechtes. Sie helfen uns, wie alle anderen<br />
Vorurteile, die Dinge zu ordnen, bevor wir sie<br />
uns genauer ansehen und die Klischees vielleicht<br />
widerlegen, hinterfragen oder bestätigt sehen.<br />
Genau darum soll es in dieser Serie gehen : Prenzlauer<br />
Berg-Klischees und was wir wirklich davon zu<br />
halten haben. Heute : das Frühstück<br />
Text: Carola Dorner<br />
Frühstücke wie ein Kaiser<br />
Am besten den ganzen Tag lang<br />
60<br />
Eines Nachmittags saß ich in einem Café an der Zionskirche<br />
und aß einen Toast mit Avocado. Neben mir<br />
hörte ich eine Frau telefonieren. „Ich bin in einem Café<br />
und stell dir vor, hier gibt es den ganzen Tag Frühstück !“<br />
Wahnsinn. Fast blieb mir ein Krümel im Hals stecken.<br />
Was, um Himmels Willen, war an dem Frühstück so unglaublich<br />
berichtenswert ? Ich war selbst noch nicht sehr<br />
lange Berliner, hatte mir aber schon die Abgeklärtheit<br />
angelegt, die dem Zugezogenen dieses gewisse fast-einheimische<br />
Flair verleiht. Warum sollten wir nicht den<br />
ganzen Tag frühstücken ? Das war doch nicht abgefahren,<br />
sondern schlicht und einfach praktisch. Nicht jeder<br />
mag zur Mittagszeit Königsberger Klopse oder Fenchelsuppe.<br />
Ich zum Beispiel sinke nach warmen Mittagessen<br />
in ein ausgesprochen unproduktives Verdauungskoma,<br />
dass ich mir als Freiberufler überhaupt nicht leisten<br />
kann. Nachmittags ein Stücken Torte ist auch nicht<br />
so meins. Dafür kann ich zwischen elf und vier ganz<br />
hervorragend etwas von der Frühstückskarte snacken.<br />
Croissant oder Avocadotoast zum Beispiel. Großartig.<br />
Danach geht es fröhlich zurück ans Werk. Auch wenn<br />
ich mich mit Freunden treffe, ist frühstücken im Zweifel<br />
doch immer eine Möglichkeit. Entweder der andere ist<br />
eh gerade erst aus dem Berghain gekrochen und braucht<br />
etwas Ordentliches für den Kreislauf, oder wir treffen<br />
uns zum Kaffee und genehmigen uns schlicht eine nette<br />
Kleinigkeit von der Frühstückskarte. Dass es tatsächlich<br />
zu den Haupteigenschaften der Prenzlauer Berg-Cafés<br />
gehört, Frühstück anzubieten bis der Letzte das Licht<br />
ausmacht, war mir überhaupt nicht bewusst. Ich dachte,<br />
das sei hauptstadt-typisch. Bis ich letzten Winter mit<br />
einer Freundin im Tiergarten unterwegs war. Wir fanden<br />
ein Café und freuten uns auf etwas Warmes. Die Eierkuchen<br />
mit Vanillequark schienen perfekt. Bis wir das<br />
Sternchen auf der Speisekarte sahen : Frühstück nur bis<br />
14 Uhr. Es war drei. Wir hatten also die Auswahl zwischen<br />
Königsberger Klopsen und Torte. „Typisch Westen<br />
!“ motzte meine Freundin und sie hatte Recht. Als<br />
wir zwei Stunden später über den Helmholzplatz liefen,<br />
gab es selbstverständlich überall Frühstück. Woran liegt<br />
das eigentlich ? Sind Prenzlauerbergbewohner notorische<br />
Spätaufsteher ? Ne. Sie lassen sich nur nicht gerne<br />
vorschreiben, wann die ideale Zeit zum Frühstücken ist.<br />
Sie frühstücken sich eben gerne den ganzen Tag durch<br />
die Cafés : hier ein Müsli, dort ein Brötchen, dazu ein<br />
Latte Macchiato. Aber da wären wir schon beim nächsten<br />
Klischee. Das kommt im nächsten Monat dran.<br />
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