09.06.2017 Aufrufe

Gästemagazin Grenzenlos Sommer 2017

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

48 / WETTER<br />

49<br />

Blick in die Atmosphäre und auf<br />

das, was sich dort konzentriert:<br />

nächtliche Beobachtung von<br />

„Schwerewellen“, einer bisher weitgehend<br />

unerforschten Komponente<br />

des Klimas.<br />

Wenn die Wetterglocke klingt<br />

Um das Wetter und dessen Vorhersage ranken sich viele Traditionen, Mythen und<br />

Bauernregeln. Wir begeben uns auf die Spuren des Wetters im Werdenfelser Land<br />

und in der Tiroler Zugspitz Arena.<br />

Wo einem die Natur so nahe ist<br />

wie in den Bergen, da spielt<br />

auch das Wetter eine wichtige<br />

Rolle im Leben der Menschen<br />

– derer, die ständig hier leben genauso wie<br />

jener, die hier zu Gast sind. Doch während<br />

es den Besuchern im schlimmsten Fall einen<br />

Urlaubstag verregnet, kann es den Einheimischen<br />

durchaus die Existenz beschädigen,<br />

wenn sie nicht darauf achten, was sich am<br />

Himmel zusammenbraut. Denn in der Landwirtschaft<br />

mag ein mächtiges Gewitter genauso<br />

die Getreide ernte verhageln, wie ein<br />

später Frost die Blüten an den Obstbäumen<br />

zerstört. In früheren Zeiten waren die Folgen<br />

solcher Wettereinflüsse noch viel gravierender<br />

als heute, weil auf den Schaden selten<br />

Hilfe folgte, etwa vonseiten des Staates oder<br />

der Gesellschaft.<br />

Nicht von ungefähr gehören daher die<br />

„Bauernregeln“ zu den ältesten Wettergesetzen<br />

unserer Kultur. Sie sind eng verbunden<br />

mit bestimmten Daten des Kalenders,<br />

die wiederum dem christlichen Jahreszyklus<br />

entnommen sind: Kirchliche Hochfeste zählen<br />

dazu oder die Namenstage von Heiligen.<br />

Wo auch immer den Bauern bestimmte<br />

Regelmäßigkeiten auffielen, wurden diese<br />

notiert und – meistens in Reimform – weitergegeben.<br />

Einer der bekanntesten dieser Sprüche<br />

bezieht sich auf den 27. Juni: „Regnet es am<br />

Siebenschläfertag, der Regen sieben Wochen<br />

nicht weichen mag.“ Schon vorher, am 15. Juni,<br />

heißt es: „Ist zu Sankt Vitus der Himmel klar,<br />

gibt es ein fruchtbares Jahr.“ Oder am 4. Juli:<br />

„Regen am Sankt-Ulrichs-Tag, macht die Birnen<br />

stichig-mad.“ Ob’s so ist, zeigt sich gut<br />

zwei Wochen später: „Die erste Birn‘ bricht<br />

Margareth, drauf überall die Ernt‘ losgeht.“<br />

Wer im Frühjahr oder <strong>Sommer</strong> eine katholische<br />

Messe in einer ländlichen Region<br />

besucht, der erlebt an deren Ende eine<br />

besondere Gunst, den Wettersegen. Früh<br />

am Morgen, bevor das Tagwerk beginnt,<br />

erbitten Pfarrer und Gemeinde damit den<br />

Beistand Gottes für ihre Arbeit. Gemeinsam<br />

beten sie dann:<br />

Gott, der allmächtige Vater, segne Euch und schenke<br />

Euch gedeihliches Wetter; er halte Blitz, Hagel und jedes<br />

Unheil von Euch fern./Er segne die Felder, die Gärten und<br />

den Wald und schenke Euch die Früchte der Erde./Er begleite Eure<br />

Arbeit, damit Ihr in Dankbarkeit und Freude gebraucht, was durch<br />

die Kräfte der Natur und die Mühe des Menschen gewachsen ist./<br />

Das gewähre Euch der dreieinige Gott, der Vater und der Sohn und<br />

der Heilige Geist.<br />

Dahinter steckt mehr als Aberglaube oder<br />

unterwürfige Gottesfurcht. In solchen<br />

Gebeten äußert sich auch der Respekt vor<br />

den Mächten der Natur, zu dem wir Menschen<br />

aufgerufen sind. So haben nicht nur<br />

die Bauern mit Blick auf ihre Felder und<br />

Pflanzen, und die Senner, die sich auf den<br />

exponierten Almen und Alpen um das Wohl<br />

der anvertrauten Kühe und Kälber sorgten,<br />

stets dem Wetter besondere Aufmerksamkeit<br />

gewidmet. Auch allen anderen, die in<br />

den Bergen unterwegs sind, ist mit zutreffenden<br />

Voraussagen und rechtzeitigen<br />

Warnungen geholfen: Arbeitern, Holzfällern<br />

und Jägern genauso wie Wanderern und<br />

Kletterern.<br />

wie der Messbeginn oder der „Engel des<br />

Herrn“ immer weniger als drei Minuten<br />

dauerten, erklang das warnende Wetterläuten<br />

als „Daueralarm“.<br />

Weitere exponierte Signale für die Entwicklung<br />

des Wetters sind die Wetterhähne<br />

oder Wetterfahnen auf Dachfirsten und<br />

Türmen. An ihnen lässt sich schon aus weiter<br />

Entfernung erkennen, woher der Wind<br />

weht oder ob er umschlägt. Für Menschen,<br />

die viel Zeit draußen verbrachten und die<br />

mit den üblichen Witterungsverhältnissen<br />

ihrer Heimat vertraut waren, ließ sich so<br />

mit einem Blick möglicher Umschwung erkennen.<br />

Nicht umsonst sind diese Fahnen<br />

und Figuren aus leuchtenden Metallen gefertigt,<br />

meist Kupfer, manchmal vergoldet,<br />

damit ihre Reflektionen weithin sichtbar<br />

und Veränderungen am „Flackern“ erkennbar<br />

waren.<br />

Bis heute sind diese Zeichen genauso wenig<br />

überflüssig wie die über Generationen<br />

weitergegebenen Weisheiten. Auch wenn<br />

sich im Zuge des Klimawandels die eine<br />

oder andere Regel etwas verschiebt: Gerade<br />

in den kleinen überschaubaren Welten<br />

der Alpen bieten die großflächigen Vorhersagen<br />

aus Radio, Fernsehen und Internet<br />

nur grobe Ansatzpunkte für bevorstehende<br />

Wettersitua tionen.<br />

Gerade eine Region wie das Wettersteingebirge,<br />

das seinen Namen von jenen bekam,<br />

die es als „Wetterküche“ der Region<br />

wahrnahmen, kann innerhalb kürzester<br />

Zeit einen wilden Wechsel von „schön“ und<br />

„wüst“ durchleben – und mitunter gegensätzliche<br />

Wetterlagen auf den gegenüberliegenden<br />

Seiten eines Berges, Schneeschauer<br />

und Sonnenstrahlen buchstäblich nur durch<br />

eine Gratwanderung voneinander getrennt.<br />

Wetterforschung auf der Zugspitze<br />

Solchen Phänomenen sind unter anderem<br />

Forscher auf der Spur, die seit vielen Jahren<br />

Deutschlands höchstgelegene<br />

Wetterstation ist im Schneefernerhaus<br />

auf der Zugspitze zu Hause.<br />

Einen Blick hinter die Kulissen des Schneefernhauses<br />

und die Arbeit der Wissenschaftler<br />

dort gibt es in der GRENZENLOS-App.<br />

Alarm fürs Ohr<br />

Bevor Sirenen diesen Warndienst übernahmen,<br />

gehörte in allen Gemeinden des Werdenfelser<br />

Landes und der Tiroler Zugspitz<br />

Arena die „Wetterglocke“ zur Grundausstattung.<br />

Auch wenn sie in manchen Gegenden<br />

mittlerweile verstummt ist, so läutet sie in<br />

Garmisch und Partenkirchen noch heute,<br />

wenn ein Unwetter im Anmarsch ist. In den<br />

einzelnen Ortschaften hing sie im Kirchturm,<br />

auf einsamen Gehöften oder in einem<br />

kleinen Glockenturm am Dachgiebel – noch<br />

heute manchmal zu sehen und zu hören.<br />

Viele von ihnen hatten einen besonderen<br />

Namen. In der Gegend um Garmisch-<br />

Partenkirchen beispielsweise ranken sich<br />

einige Erzählungen um das „Annamirl“. Der<br />

helle, durchdringende Klang dieser Glocke<br />

war schon Kindern bekannt; und wer<br />

diesen nicht von anderen unterscheiden<br />

konnte, dem half die Dauer des Geläuts<br />

weiter: Während traditionelle Läutanlässe<br />

Vorbote von „gut“ oder „schlecht“?<br />

„Bei Frauen und Zirren kann man sich<br />

irren“, sagen die Meteorologen.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!